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„hatte, dem Tode anheim fiel. Diese Kirche verehren wir auch ,,als die Einzige... Dieß ist jenes nathlose Gewand des Herrn, ,,welches nicht zerrissen worden ist.... diese Einige und Einzige ,,Kirche hat Einen Leib, und Ein Haupt Christum, und Christi ‚Stellvertreter Petrum und den Nachfolger Petri“. Mit diesen Worten beginnt eine Decretale1), in der sich der Stolz des römischen Bewußtseins in seiner ganzen Schärfe ausgesprochen hat. Die Geschichtskundigen wissen jedoch, daß das Leben niemals der ganze und volle Ausdruck der Idee gewesen ist, und daß die Kirche, die Eine fromme Taube, die Einige Arche Noäh, das nathlose Gewand, von jeher auch viel des Widerspruchs und des Unfriedens in ihrem Schooße getragen hat. Es ist für die gegenwärtige Aufgabe weder von unmittelbarem Interesse, die Kämpfe des funfzehnten Jahrhunderts zu schildern, in denen sich der Gedanke der im Episkopat repräsentirten Einheit der päpstlichen Machtvollkommenheit ohne Erfolg gegenüber stellte, noch ist es nöthig, auf die Bestrebungen einzugehen, durch welche die zu Constanz und Basel versammelten Väter die bis in den innersten Lebenskeim hinabreichenden Schäden des kirchlichen. Leibes durch äußere Mittel vergeblich zu heilen versuchten. Wohl aber ist es erforderlich, einer anderen Bewegung zu gedenken, in welcher sich der Gedanke, der zuleht in der Reformation zu einer neuen Form des kirchlichen Lebens auf dem Boden des Evangeliums geführt hat, wie eine freudige Ahnung ankündigt. Es ist dies die Opposition nicht gegen einzelne Verfassungseinrichtungen, sondern gegen die empirische Erscheinung der Kirche überhaupt, der Kampf, in welchem das so heilsbedürftige und doch so unbefriedigte Menschenherz sich sein unmittelbares Verhältniß zu dem Einigen Herrn und Mittler wieder zu gewinnen strebte. Mit Uebergehung der unendlichen Mannichfaltigkeit kezerischer Richtungen, welche im Mittelalter hervortritt, darf sich unsere Darstellung auf die Waldensische Kezerei um so mehr beschränken, als gerade zwischen dieser und der evangelischen Kirche ein unmittelbarer, nicht blos bis auf das Princip, sondern selbst bis auf die Einzelheiten der Verfassung reichender Zusammenhang behauptet worden ist.

1) c. 1. de maj. et ob. in Extr. comm. I. 8.

Leider ist ungeachtet der trefflichen Leistungen von Hahn2), Herzog3) u. A. nicht nur in der Geschichte, sondern auch in der Lehre der Waldenser noch immer Vieles dunkel. Für den gegenwärtigen Zweck reicht aber die Gewißheit vollkommen aus, daß die Waldenser die Berechtigung der äußerlichen Kirche bestritten, und daß sie ihrerseits die Rückkehr zu dem apostolischen Christenthume vollzogen zu haben behaupteten. Darum hielten sie sich für die rechte Kirche, von der sie meinten, daß sie während all' des Verderbnisses, von dem sie seit Constantin dem Großen umgeben worden, sich doch in einem Häuflein gottesfürchtiger und gerechtfertigter Menschen stets erhalten habe. Wie sie daher einerseits das heilvermittelnde Priesterthum, die Heiligenanbetung, die Tradition und die äußern Ceremonien, und überhaupt alles Unevangelische verwarfen, so fanden sie andererseits in der Nachfolge Christi die höchste Aufgabe des Lebens, und in der Zucht das Heilmittel für die erkrankte Kirche. Daß in diesen negativen und positiven Anschauungen eine Verwandtschaft mit der evangelischen Reformation deutlich hervortritt, braucht nicht erst bemerkt zu werden. Wenn indessen in der neueren Zeit zuweilen sogar die Presbyterialverfassung einzelner evangelischer Landeskirchen an die Waldenser angeknüpft worden ist, so ist dies ein Fehler, den wie es scheint das Bestreben, für diese Verfassung eine alte Grundlage zu finden, veranlaßt hat. Es ist nämlich gewiß, daß die Waldenser es zu einer ausgebildeten Verfassung, welche einen geschichtlichen Anknüpfungspunct hätte darbieten können, nicht gebracht haben, ein Punct, auf welchen wir später bei der Geschichte der Homberger Synode (§. 5) zurückkommen.

Der Grundton, welcher in der waldensischen Keßerei angeschlagen war, klingt auch später ununterbrochen wieder, wobei dann auch andere verwandte Töne bald lauter, bald leiser mitflingen. So tritt die Sehnsucht nach einem neuen Heilswege in der Mystik 4) hervor, welche, indem sie sich vor der Dürre der herrschenden Kirchenlehre und der Zerrissenheit des Lebens in das Heiligthum des Herzens flüchtete, wesentlich dazu beige

2) Geschichte der Waldenser, Stuttg. 1847.

3) De origine et pristino statu

Waldensium, Hal. 1848.

4) Niedner, Kirchengeschichte S. 519 f. und die dort Angeff.

tragen hat, dem Principe der evangelischen Kirche seine Wege zu bereiten. An sie lehnt sich, bald mehr, bald minder, eine neue Richtung, in welcher die theologische Wissenschaft sich des Grundes und der Bedingungen des Heils bewußt zu werden suchte. Wie die Waldenser einst das göttliche Recht der äußerlichen Kirche bestritten, so ging Huß 5) in gleicher Weise von der Voraussehung aus, daß die katholische Kirche nur die Gemeinschaft der wahren Glieder des Leibes Christi umfasse. So ist sie von der römischen Kirche verschieden, welche nur ein Theil, und selbst dies nur dann ist, wenn sie heilig ist. Die christliche Lehre ist in der Schrift beschlossen, an der alle Schriften der Väter und alle Bullen der Päpste gemessen werden müssen. Endlich das Recht, alle Sacramente zu spenden, und zu binden und zu lösen, haben die recht ordinirten Priester insgemein von Christus selbst, nicht von dem Nachfolger Petri, jedoch sowohl eingeschränkter als bedingter Weise, insofern alles Binden und Lösen auf die Macht Gottes und Christi als einige Ursache zurückführt, und sie selbst dem Irrthume und der Sünde unterliegen.

Noch deutlicher offenbart sich das, was bei den Waldensern nur eine Ahnung gewesen war, bei Johann von Goch, Johann von Wesel, und bei Wessel 6). Insbesondere finden sich bei dem leßteren in voller Klarheit alle die Säße, auf denen später ein neues Kirchenleben sich errichtet hat, der Begriff der Kirche als der Gemeinschaft der Heiligen im Gegensaße zu der empirischen Kirche, das allgemeine Priesterthum aller Gläubigen gegenüber dem heilvermittelnden priesterlichen Stande, die alleinige Geltung der Schrift im Gegensaße zu der Tradition und den Aussprüchen der Päpste, Väter und Concilien. Luther selbst hat erklärt, Wessels Schriften nicht gekannt zu haben, als er dieselben Lehren verkündigte7). Aber er hat dankbar anerkannt,

5) Niedner, a. a. D. S. 528 f. 6) Ullmann, Reformatoren vor der Reformation, Hamb. 1841.2 Bde.

7) In der Vorrede zu Wessels Farrago rerum theol., Bas. 1522: ,,Prodit en Vuesselus, quem Basilium dicunt, Phrisius Groningensis, vir admirabilis ingenii, rari et magni spiritus, quem et ipsum apparet esse vere theodidactum;

neque enim ex hominibus accepisse judicari potest; sicut nec

ego.

Hic si mihi antea fuisset lectus, poterat hostibus meis videri Lutherus omnia ex Vuesselo hausisse, adeo spiritus utriusque conspirat in unum. Mihi vero et gaudium et robur augescit, jamque nihil dubito me recta docuisse, quando tam constanti sensu paene

in den Forschungen des eben so tiefen als frommen Geistes Kräftigung und Bestätigung gefunden zu haben.

Wenn die zulezt geschilderten Bestrebungen nach ihrer Natur zunächst das Volk nur mittelbar berührt haben, so ist dagegen auf dasselbe von einer anderen Seite her ein unmittelbarer Einfluß geübt worden, welcher nicht nur der Reformation überhaupt, sondern auch einem wesentlichen Verfassungsgrundsage vorgearbeitet hat. Die Klagen über das sittliche Perderbniß der Clerisei gehen in ununterbrochener Reihenfolge durch die Geschichte des Mittelalters). Wie in Arnold von Brescia und seinen Anhängern regte sich der sittliche Unwille darüber in den Waldensern, und wie bei den Troubadours kehrt dasselbe Thema bei den deutschen Dichtern wieder. Gewiß hat die Kirche an Versuchen, die Ehrbarkeit in ihren Dienern wiederherzustellen, es nicht fehlen lassen. Durch das Gebot der Ehelosigkeit, mittelst dessen sie den Clerus von der Welt losriß, hatte sie aber sich selbst die Hoffnung auf Erfolg für diese Versuche vereitelt, insofern sie den Kampf mit der unüberwindlichen Menschennatur selbst begonnen hatte, und als die Zeit der schweren Prüfung, das vierzehnte und funfzehnte Jahrhundert mit der Gefangenschaft in Avignon und der Kirchenspaltung, über sie hereinbrach, vermochte sie selbst nicht die äußerliche Zucht aufrecht zu erhalten, welche einst unzählige Concilien und Verordnungen erstrebt hatten. Der unendliche Widerspruch zwischen der Forderung unbedingter Unterwerfung unter die mit göttlicher Vollmacht befleidete priesterliche Gewalt und der nackten Wirklichkeit des Lebens kam somit dem Volke selbst zum Bewußtsein, und immer tiefer und tiefer befestigte sich die Ueberzeugung, daß auch diejenigen, welche die Schlüssel zum Himmelreiche in der Hand hielten, doch nur fündige, doppelt sündige Menschen seien.

Hierzu trat unterstügend noch ein anderes Moment. Die Waldenser hatten einst die Rückkehr zur apostolischen Einfachheit und Armuth als die Bedingung der Heiligung bezeichnet, weil den Armen das Himmelreich verheißen ist. Sie verglichen nun

que iisdem verbis, tam diverso tempore, aliis coelo et terra, alioque casu, sic ille mihi per omnia consentit.."

8) Gieseler, Kirchengeschichte, Bd. II. §. 139. und die angeff. Be weisstellen.

die Gebote, welche einst der Herr vor seinem Abscheiden den Aposteln gegeben hatte, mit dem verweltlichten Zustande des Clerus ihrer Zeit, und kamen besonders auch auf diesem Wege dahin, die sichtbare Kirche als verderbt zu verwerfen. Dieselbe Klage über die Habsucht und Ueppigkeit des Clerus kehrt, obschon weniger als Ausdruck eines schriftmäßigen Bewußtseins, als der auf dem Volke lastenden leiblichen Noth, später in immer stärkeren Tönen wieder, und in der That hat auch sie wesentlich dazu beigetragen, die Heerde von ihren Hirten zu entfremden und den reformatorischen Gedanken, denen wir bald begegnen werden, die Wege zu bereiten. Namentlich ist es von besonderem Interesse, des Zustandes der geistlichen Pflege in den niedersten Kreisen der Kirche zu gedenken. Im Anschlusse an die natürliche Bildung auf dem Gebiete des Volkslebens hatte sich das Institut der Pfarreien entwickelt. Das spätere Mittelalter zerstörte jedoch dasselbe durch die sog. Incorporationen, durch welche bekanntlich die Pfarrrechte auf Stifter und Klöster übertragen wurden. Die letteren bezogen also die Einkünfte, während sie die Seelsorge meist durch Vicare verwalten ließen, welche sie nach Belieben, ohne Mitwirkung der bischöflichen Autorität, einseßten und entfernten. Besonders durch diesen Mißstand, den später das Concilium von Trient zwar nicht ganz zu beseitigen, aber doch zu mildern bemüht war, wurde die Stimmung des Volkes gegen den Clerus genährt. So lange Zehnten und Zinsen an die Pfarrer gegeben werden mußten, mochten sie zwar drückend sein, immerhin aber war ein Grund der Leistung vorhanden und in der geistlichen Wirksamkeit täglich fühlbar. Seit jedoch an die Stelle der ursprünglichen Empfänger die Klöster und Stifter getreten waren, welche nicht den Leistenden und wenigstens nach dem Anschein nicht der Kirche, sondern nur sich selbst dienten, entstand von selbst der Anlaß zu Mißbehagen und Zweifeln, die denn auch später in zahllosen Flugschriften deutlich genug hervortraten. Der hauptsächliche Nachtheil aber bestand in der Beschädigung des kirchlichen Lebens selbst, welche darin lag, daß die kirchlichen Kreise, anstatt ihre ständigen Mittelpuncte zu besigen, durch Miethlinge verwaltet wurden, welche des Bewußtseins, das der eigne Beruf verleiht, entbehrten und das

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