صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني
[blocks in formation]

es sich selbst kennen und an sich glauben lehrten, und wie mächtig sie zum raschen Aufschwunge der Wissenschaft beigetragen hat, die vor andern die deutsche genannt werden darf.

Bis gegen die dreißiger Jahre hielt unter den deutschen Sprachforschern diese löbliche Sitte an, obwohl die erklärenden Bei- und Zugaben immer spärlicher und mit schlecht verhehltem Widerwillen dargeboten wurden. Von nun an blieben diese ganz weg und es begann jene Reihe glänzender kritischer Ausgaben, die in die Abwesenheit aller und jeder Erklärungen ihren Stolz setzen und dafür in einem Schwall ungenießbarer Lesarten ein seliges Genügen finden. Die Folgen dieser neuen Weise, die man, im Gegensatz zu jener frühern sogenannten dilettantischen, die wissenschaftliche, die methodische zu nennen liebt, liegen zu Tage. Man darf sagen, daß gegenwärtig kaum Jemand mehr ein altdeutsches Buch kauft und liest, als wer muß, d. h. wer durch seinen Beruf dazu veranlasst oder genöthigt ist: ein winziges Häuflein von Lehrern und Schülern. Dahin ist es, dank dem in Deutschland immer noch in Flor stehenden schulmeisterlichen Klügel und Dünkel, nach so vielverheißenden Anfängen, mit der deutschen Alterthumswissenschaft gekommen.

[ocr errors]

Es dürfte daher wohl an der Zeit sein, daß die deutsche Philologie auf der betretenen, zum Verderben führenden Bahn innehält und andere, wir meinen jene alten, mit Unrecht verlassenen Wege wiederum einzuschlagen wenigstens den Versuch macht. Ich habe seit Jahren gegen jenen verkehrten Betrieb gekämpft, nicht mit Worten allein, sondern durch die That, indem ich durch eine Reihe von Ausgaben alter Denkmäler praktisch gezeigt habe, wie ich meine, daß man es machen müsse, um die Laienwelt wiederum für die altdeutsche Literatur zu gewinnen. Obwohl jene Werke nicht zu den hervorragenderen Erscheinungen auf diesem Gebiete zählen und daher selbstverständlich auch kein allgemeines Interesse beanspruchen können, so hat mich doch der Erfolg gelehrt, daß die jetzt herrschende Gleichgültigkeit keine unüberwindliche und daß es immer noch nicht zu spät ist,

durch freundliches Entgegenkommen und sorgsame Berücksichtigung der Wünsche und Bedürfnisse der Leser die verscherzte Theilnahme der gebildeten Welt wiederzuerobern.

[ocr errors]
[ocr errors]

In dieser Überzeugung habe ich gerne die Hand geboten zu einem Unternehmen, das sich die Aufgabe gestellt hat, zu billigen Preisen und in ansprechender Ausstattung der deutschen Lesewelt eine Auswahl der schönsten mittelhochdeutschen Dichtungen in commentierten, mit allen zum Verständniss dienenden Mitteln versehenen Ausgaben darzubieten. Daß die Ausführung eine des hohen Zieles, das wir uns gesteckt, würdige sein werde, dafür bürgen die Männer lauter Namen von gutem Klang und bewährter Kraft die dem Unternehmen ihre Mitwirkung freudig und bereitwillig zugesagt haben. Gelingt es, was wir zuversichtlich hoffen, unsern vereinten Bemühungen, die vielfach herrschende Scheu vor den fremden und ungewohnten Lauten der alten Sprache zu überwinden, die Liebe zu den Dichtungen der Vorzeit, die nur schlummernde, nicht erstorbene, im Herzen unseres Volkes neu zu beleben und einem größern Kreise als bisher diese Quellen echter lauterer Poesie dauernd zu erschließen, so glauben wir etwas Großes gethan zu haben, Etwas, das der strengen Wissenschaft, die stets nur Sache Weniger sein kann, nichts vergeben, sondern ihr hundertfach zu Gute kommen wird. Gehoben und getragen von der allgemeinen Gunst, gestärkt durch den Zufluß frischer junger Kräfte, wird sie vor dem jetzt ihr drohenden Stillstand, d. h. Rückschritt, bewahrt und neuen Zielen und neuen Siegen entgegengeführt werden.

Ich eröffne unsere Sammlung, die zunächst das Nibelungenlied, die Kudrun, die Werke Hartmann's von Aue, Wolfram's Parzival, Gottfried's Tristan, Rudolf's Wilhelm, nebst einer Auswahl von kleinern Erzählungen und geistlichen Dichtungen umfassen soll, mit den Gedichten Walther's von der Vogelweide, mit demjenigen unter den namhaften Dichtern also, der um seines ungemeinen Talentes und seiner vater

[blocks in formation]

ländischen Gesinnung willen vor Allen würdig ist, das Banner voran zu tragen.

Früh schon zog dieser größte deutsche Lyriker des Mittelalters die Aufmerksamkeit unserer Gelehrten auf sich, und wie dauernd er sie zu fesseln wusste, beweist die ansehnliche Reihe der ihm gewidmeten Ausgaben, Erläuterungsschriften und Abhandlungen, von denen hier bloß die erste und die jüngste, die herrliche Schilderung Uhland's (Stuttgart 1822) und das Leben Walther's von Max Rieger (Gießen 1863: diese besonders wegen der gewissenhaften, sorgfältigen Forschung) rühmend hervorgehoben werden sollen. Gleichwohl ist Walther nicht so bekannt, als er es zu sein verdient. Zwar sein Name ist keinem Gebildeten mehr fremd, aber seine Lieder haben gewiss nur Wenige gelesen, und dann zumeist nur in Übersetzungen, aus denen ein richtiges Bild von Walther's Kunst nimmermehr gewonnen werden kann. Verlockendes für einen im Altdeutschen nicht vollkommen Bewanderten hatten die beiden Ausgaben des Urtextes freilich nichts an sich, weder die mit fast nur historischen und kritischen Anmerkungen dürftig ausgestattete Lachmann'sche (Berlin 1827, 1843, 1853) und noch weniger die unlängst erschienene von W. Wackernagel und M. Rieger (Gießen 1862), die lediglich Schulzwecken dienen will und daher, außer einer sehr gelehrten Einleitung, nicht éin Wort der Erläuterung enthält.

Aus diesem Grunde wird sich eine Ausgabe des Originals, die durch einen ausführlichen Commentar das zu leisten sucht, was die beiden Vorgängerinnen beharrlich von sich gewiesen haben, wohl hervorwagen dürfen. Den Plan dazu hatte ich schon vor Jahren gefasst und auch ohne die Veranlassung, die ihn nun gereift, würde ich über kurz oder lang zur Ausführung geschritten sein. Eine solche Ausgabe bedarf keiner Entschuldigung oder gar Rechtfertigung: sie ist einfach ein Bedürfniss, dessen Befriedigung das deutsche Volk zu fordern ein Recht hat.

Alle Welt ist einig darin, daß die mittelhochdeutsche Lyrik, in weit höherem Maße als jede andere Dichtart, dem Verständniss des heutigen Lesers die größten Schwierigkeiten

darbietet. Man hat es hier nicht wie in der Epik mit gegebenen Thatsachen, mit einer Reihe stetig fortschreitender und sich entwickelnder Begebenheiten, sondern mit einem bunten Wechsel individueller Stimmungen und Empfindungen zu thun, aus einer Zeit überdies, die der Denk-, Gefühlsund Sprechweise der Gegenwart viel zu ferne steht, als daß sie ohne eindringendes Studium überall erfasst und begriffen werden könnte. Bei poetischen Werken dieser Art sind daher commentierte Ausgaben geradezu unentbehrlich. Sie zu liefern ist Sache der Fachgelehrten. Wer sie sich, unter diesem oder jenem Vorwand, dennoch ersparen zu dürfen glaubt, zeigt nur, daß ihm die eigene Bequemlichkeit mehr gilt, als die Förderung der Erkenntniss. Diese auf jede Weise in den weitesten Kreisen zu verbreiten, ist kein Preisgeben, sondern eine hohe und würdige Aufgabe der Wissenschaft.

Über Einrichtung und Beschaffenheit solcher Commentare, über die Art und den Umfang der zu gebenden sprachlichen und sachlichen Erläuterungen werden die Ansichten allerdings vielfach auseinander gehen. Aber wer nichts wagt, gewinnt nichts; gesetzt auch, daß der erste Versuch noch unvollkommen bleibt, so wird es uns mit der Zeit, bei fortgesetzter Übung und gutem Willen, schon gelingen, das richtige Maß hierin zu treffen. Welchen Weg ich bei diesem ersten Wurfe einzuschlagen hatte, war ich keinen Augenblick im Zweifel. Da unsere Sammlung sich zum Ziele gesetzt hat, die Theilnahme der Gebildeten für die mittelhochdeutsche Literatur zu gewinnen, genauere Kenntniss der alten Sprache aber nur bei den Wenigsten vorausgesetzt werden kann, so musste vor Allem auf jene weit überwiegende Zahl von Lesern Rücksicht genommen werden, «die vom Altdeutschen gar nichts verstehen». Dem gemäß habe ich meine Ausgabe eingerichtet, so praktisch und dem Verständnisse diensam, als mir nur möglich war, und dabei alles sorgfältig zu vermeiden gesucht, was an die dem Laien unverständliche Geheimsprache der Schule erinnern könnte. Die Erklärung durfte sich also nicht auf die seltenen, in unserer Schriftsprache unüblichen Worte und auf die Ausdrücke beschränken, die, zwar noch gebräuch

[blocks in formation]

lich, ihre Bedeutung verändert haben, sondern musste auf jede ungewöhnliche Wortform ausgedehnt werden. Öfter vorkommende Wörter und Formen sind in der Regel nur einmal, bei ihrem ersten Auftreten im Buche, erklärt. Um jedoch den Leser in den Stand zu setzen, die Stelle zu finden, wo das geschehen ist, wurde ein besonderes Register aller erklärten Wörter beigefügt.

Nicht immer sind es nur die Ausdrücke, mit denen das Verständniss zu ringen hat. Es geschieht, in der Lyrik zumal, häufig, daß jedes Wort eines Satzes klar und deutlich ist und doch der Sinn dunkel bleibt, der nur längerem Nachdenken und genauer grammatischer Kenntniss sich erschließt. allen solchen Stellen und überhaupt schwierigeren Satzbildungen wurde von dem wirksamsten Mittel der Erklärung, der Umschreibung, reichlicher Gebrauch gemacht.

Bei

von

Außer diesen Anmerkungen, die zur Bequemlichkeit des Lesers unmittelbar unter den Text sind gesetzt worden, gehen den einzelnen Gedichten Inhaltsangaben voraus, die namentlich bei den Minneliedern, wo der Gedankenzusammenhang nicht immer sogleich deutlich zu Tage tritt, unerläßlich scheinen. Bei den Sprüchen ist dies weniger der Fall; um so nothwendiger waren hier sachliche Bemerkungen und Aufschlüsse über die Zeitbestimmung und die historischen Beziehungen. Noch ein Übriges glaubte ich thun zu müssen. Da zum richtigen Verstehen richtiges Lesen und Betonen weit wichtiger ist, als man insgemein glaubt, so schien es mir zweckmäßig, über die Aussprache und über die Art, mittelhochdeutsche Liederverse richtig zu lesen, kurze Anleitungen beizugeben.

In der äußern Anordnung der Gedichte bin ich von meinen Vorgängern darin abgewichen, daß ich die Lieder und Sprüche, strenger als bisher, geschieden und zwischen beide Abtheilungen in die Mitte den Leich gestellt habe. Diese Anordnung hat sich vor andern schon deshalb empfohlen, weil die Lieder, mit geringen Ausnahmen, Liebeslieder, die Sprüche dagegen fast durchwegs lehrhaften und politischen Inhalts sind. Von den Liebesliedern gehört ein Theil jedesfalls in des Dichters früheste Zeit, darum haben sie auch ein Recht, an der

« السابقةمتابعة »