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Spitze zu stehen. Die zuerst von G. A. Weişke (im Weimarischen Jahrbuch, 1, 357 ff.) theoretisch aufgestellte, später von W. Wackernagel praktisch durchgeführte Anordnung der Liebeslieder, die von der Ansicht ausgeht, sie seien ausschließlich an zwei Personen, an ein Mädchen niedern Standes und an eine Frau von vornehmer Geburt, gerichtet, scheint mir ohne alle thatsächliche Begründung und lässt sich mit dem dreißigjährigen rastlosen Wanderleben Walther's schlechterdings nicht in Einklang bringen. Ich habe daher die Lieder innerhalb dieser Abtheilung nach meinem Gutdünken geordnet.

Bei den Sprüchen richtete sich die Anordnung nach dem Alter der Töne und erst innerhalb dieser nach der sichern oder muthmaßlichen Entstehungszeit jedes einzelnen Spruches. Zu einer strengen Durchführung der chronologischen Reihenfolge ohne Rücksicht auf die Töne, wie Simrock sie versucht hat, konnte auch ich mich nicht entschließen, da der hiedurch etwa zu erreichende Gewinn mit dem Nachtheil, der aus dem Zerreißen der Töne entspringt, in keinem Verhältniss zu stehen scheint. Wer die historischen Gedichte nach ihrer Zeitfolge zu lesen vorzieht, findet dazu in dem S. 310 gegebenen Verzeichniss den nöthigen Behelf.

Zum Schlusse sei mir gestattet, ein Wort des Dankes auszusprechen für die manigfache Förderung, die mir die Arbeiten meiner Vorgänger gewährt haben. Sie zu benützen hatte ich mit dem Rechte auch die Pflicht. Die Art, wie ich dies gethan, wird selbständiges Urtheil und sorgsame Prüfung nirgends vermissen lassen. Daß ich den von Lachmann und Wackernagel aufgestellten Texten nicht blindlings gefolgt bin, bedarf wohl kaum der Versicherung und wird von Kundigen nicht übersehen werden. Eine Aufzählung und Rechtfertigung der von mir für nothwendig erachteten Textverbesserungen und Anderes wird seiner Zeit in meiner «Germania» gegeben werden; dort wollen meine Freunde auch ihrerseits den kritischen Apparat, wozu hier der Ort nicht ist, niederlegen.

WIEN, 20. Juni 1864.

FRANZ PFEIiffer.

EINLEITUNG.

In der Reihe lebendiger Dichtercharaktere, welche aus dem deutschen Mittelalter hervorgegangen sind, nimmt Walther von der Vogelweide eine der ersten, unter den Liederdichtern die oberste Stelle ein. Diesen hohen Rang haben ihm schon seine Zeitgenossen freudigen Herzens eingeräumt : bereitwillig und neidlos reichten sie ihm den dichterischen Ehrenkranz dar, indem sie ihn, nach dem Tode Reinmar's des Alten, als den würdigsten erklärten, Anführer und Bannerträger der Sängerschaar zu sein. So Gottfried von Straßburg, er selbst der Ersten Einer, in jener wundervollen Stelle des Tristan (s. Massmann's Ausgabe, 121, 33 ff.), wo er das Verstummen der Nachtigall von Hagenau beklagt und also fortfährt: sô gebet uns etelîchen rât:

wer leitet nu die lieben schar,
wer wîset diz gesinde?

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1 etelichen, irgend einen. 2 die lieben schar, die anmuthige Schaar der Nachtigallen Minnesänger. 3 wisen, leiten, führen. daz gesinde, die Genossenschaft (der Sänger). 4. 5 ich hoffe diejenige, welche das Banner tragen soll, wohl zu finden. 9 mit hoher stimme, mit einer Stimme, die aus andern mächtig hervortönt. schellen, tönen, schallen. 10 waz wunders, wie viel Wunderbares. stellen, anstellen, verrichten.

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ir trûren unde ir senedez klagen. 25

Aber auch der Nachruhm fehlte Walthern nicht. Von den Dichtern der nächstfolgenden Zeit als ihr Haupt und Vorbild betrachtet und gepriesen, lebte sein Andenken, obwohl vielfach verdunkelt und sagenhaft entstellt, durch alle Jahrhunderte, in den Meistersängerschulen sogar bis zu deren Erlöschen, fort, und die Gegenwart, vor deren Augen der Fleiß unserer Gelehrten seine Werke im alten Glanze neu wieder hat aufleben lassen, hat nicht gezögert, das Urtheil der Geschichte in seinem vollen Umfange zu bestätigen.

In der That haben wir allen Grund, Walthern vor Andern hoch und werth zu halten, steht er doch seinem innern Wesen und seiner ganzen Richtung nach dem lebenden Geschlechte, seinem Denken und Empfinden, näher als irgend ein Dichter der Vorzeit. Die Gedanken und Anschauungen, die den Geist und die Seele dieses großen Mannes erfüllten und in seinen Liedern Leben und Gestalt empfiengen, sind fast die

11 spahe, kunstvoll. 12 wandelieren, verändern, verwandeln: es ist der kunstvolle Wechsel, die Manigfaltigkeit der Töne und Weisen, gemeint. 13 ab, gekürzt für aber. — 14 Zitherôn] die Stadt Cythera auf der Insel Kreta, wo Venus Aphrodite zuerst landete und ihr Tempel stand. Durch den Zusatz: ich meine ab u. s. w. sagt Gottfried ausdrücklich, daß er nicht Walther's Sprüche und politische Gedichte, sondern nur seine Minnelieder hier im Auge hat. 16 gebiutet, gebietet. ûf und inne, oben und innen, durchaus, überall: wo die Minne unumschränkte Herrscherin ist. - 17 diu] nämlich die Nachtigall von der Vogelweide. datz da ze: die ist am Hofe der Minne Hofmeisterin. 19 ze wunsche, so gut man es wünschen kann, aufs Beste. - 21 die Liebesmelodie. — 22 kumpanie, Gesellschaft, Genossenschaft. 23 müezen, werden nicht verfehlen so zu singen. 24 ze fröuden bringen, in Freude verwandeln.

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selben, die noch jetzt, nach mehr denn sechshundert Jahren unabläßigen, leider wenig erfolgreichen Ringens und Kämpfens, die Gemüther der Deutschen bewegen und durchglühen. Allerdings hat auch er, nicht unempfindlich gegen die zarten Regungen des Herzens, der Sitte der Zeit gemäß, seine Muse und seinen Dienst jenem räthselhaften Wesen gewidmet, das nicht Er und nicht Sie ist und doch, mit unwiderstehlicher Gewalt, alle Welt in seine zugleich süßen und schmerzlichen Fesseln schlägt; weit mächtiger jedoch und tiefer ergriff und beherrschte ihn die Liebe zur Heimat, zum Vaterlande, für das niemals ein Herz treuer und wärmer geschlagen. Muthig und unerschrocken setzte er für das kaiserliche Ansehen, für des Reiches Unabhängigkeit von fremden unberechtigten Einflüssen sein gewaltiges Wort ein und zu Deutschlands Ruhm und Preis ließ er seine feurigsten Weisen erklingen, in Lied und Denkart ein würdiger Genosse des theuern, jüngst dahingeschiedenen Sängers, dessen schon entschwebender Geist sich noch, nicht zufällig, mit seinem, von ihm so schön geschilderten Vorgänger beschäftigte, den er, um der Eigenschaften willen, die auch ihn zierten, vor allen geliebt hat.

Über Walther's Heimat und Geschlecht herrscht trotz aller Bemühungen, es aufzuhellen, zur Stunde noch ein fast undurchdringliches Dunkel. Von den vielen Ansichten und Vermuthungen, die hierüber sind vorgebracht worden, zählt diejenige, welche Walther's Herkunft in die Maingegenden verlegt, wohl die meisten und gewichtigsten Anhänger. Ich selbst habe mich hiefür in einem besondern Aufsatze (s. meine Germania, 5, 1 ff.), mit guten Gründen wie ich damals glaubte, ausgesprochen. Jedesfalls hat Walther in Franken längere Zeit gelebt, dort hatte er einen festen Wohnsitz, fühlte er sich heimisch und fand seine letzte Ruhestätte. Daß er auch dort geboren sei, konnte freilich nicht streng bewiesen, sondern höchstens wahrscheinlich gemacht werden. Nun bin ich auch in dieser Beziehung wankend geworden.

Walther war von edler Geburt. Das steht so fest als irgend etwas, und die dagegen gemachten Einwände beruhen auf Missverständnissen oder willkürlichen Verdrehungen. Seine Zeitgenossen, an ihrer Spitze Wolfram von Eschenbach, dessen Zeugniss deshalb vom größten Gewicht ist, weil er ihn persönlich kannte, und von den Spätern die meisten geben ihm

WALTHER VON DER VOGELWEIDE.

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das Prädikat her (Herr), was, weit entfernt eine bloße Höflichkeitsformel zu sein, gleichbedeutend mit miles, Ritter, ist und in früherer Zeit ausschließlich Leuten adelichen Standes zukam. Bei den Wenigen, die ihn meister nennen, geschieht dies in so eigenthümlich bezeichnender Weise, daß an eine Absicht, ihn dadurch zu einem bürgerlich-gelehrten Dichter stempeln zu wollen, gar nicht zu denken ist. Wenn Ulrich von Singenberg in seinem Nachrufe (s. S. 309) ihn unsers sanges meister, oder Reinmann von Brennenberg in einem Spruche, wo alle übrigen aufgeführten Namen ohne jedes Prädikat erscheinen, minen meister von der Vogelweide nennt, so ist ohne Worte klar, daß sie ihn damit nur als meisterhaften Dichter, als ihren Lehrer in der Sangeskunst bezeichnen wollen. Noch deutlicher wird dies, wenn er in éinem Athem Meister und Herr zugleich genannt wird, wie vom Marner: lebt' von der Vogelweide noch mîn meister hêr Walther und in der Überschrift des Würzburger Codex: hie hebent sich die lieder an des meisters von der Vogelweide hérn Walthers.

War somit Walther ohne Widerrede ritterbürtiger Abkunft, so ist auf der andern Seite ebenso gewiss, daß er keinem vornehmen oder auch nur angesehenen und begüterten Geschlechte, sondern, wie die Mehrzahl der mittelhochdeutschen Dichter, die sich einen Namen gemacht, dem niedern, dem sogenannten Dienstadel angehörte. An seiner Wiege hat das Glück nicht gestanden und auch später hat es ihm nie gelächelt: nicht ein Tropfen ist ihm, wie er selbst uns erzählt, aus dessen Füllhorn zu Theil geworden. Darum ist in Urkunden oder sonstigen Aktenstücken von ihm oder seinem Geschlechte auch niemals die Rede. Das Besitzthum seiner Familie, von dem er den Zunamen empfieng, muß daher ein mehr als bescheidenes gewesen sein. Das lässt schon der Name Vogelweide vermuthen.

Im Althochdeutschen bedeutet nämlich fogilweida soviel wie aviarium, einen Ort also, wo. Vögel entweder gehegt werden oder sich zu versammeln pflegen. Ähnlicher Namen, wie z. B. Vogelhaus, Vogelgarten, Vogelheerd, Vogelhof, gibt es überall in Deutschland eine große Menge. Es sind aber alles keine Dörfer, die so genannt werden, noch sonst gröBere Örtlichkeiten, sondern vereinzelte, zerstreut liegende Weiler, Höfe, Einöden, in der Regel mitten im Walde.

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