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überlassen, wie sehr wurde sie im Allgemeinen vernachläßigt! wie einseitig, meist nur auf die Zwecke des Staates, auf den Krieg berechnet, war sie auch in ihrer bessern Gestalt! Was aber namentlich der alten Welt eigenthümlich ist, das ist die Abgeschlossenheit im Volksleben. Mit welcher Verachtung redete der Grieche von dem Barbaren! Feind und Fremdling wurden von dem Nömer mit demselben Worte (hostis) bezeichnet. Die allgemeine Menschenliebe, wonach Jeder in dem Andern ein Wesen seiner Art erkennt, gleichviel unter welchem Himmelsstrich er geboren, welcher Klasse von Menschen er in der Gesellschaft zugetheilt sei, war der alten Welt fremd, und auch hier erhoben sich nur Einzelne, wie ein Plutarch zu der Ahnung desselben. Man wird uns freilich entgegen halten; auch bei den Christen fänden sich dieselben Laster, dieselben Gebrechen, die wir an den Heiden tadeln, und derselbe Mangel an Liebe, die gleiche Selbstsucht trete uns in der christlichen Welt entgegen, wie in der heidnischen. Das ist leider nur zu wahr. Aber wir dürfen nicht vergessen, was die Christen hierin sündigen, das thun sie gegen ihre Religion, das steht im schreien= den Widerspruch mit den Grundsägen, zu denen sie sich bekennen; während im Gegentheil die heidnischen Laster großentheils ihre Rechtfertigung finden in der heidnischen Religion selbst und ihre schönsten Tugenden eine Frucht sind, die nicht auf diesem Stamme gewachsen ist. Der lasterhafte Christ bleibt hinter seiner Religion zurück, der tugendhafte Heide geht über sie hinaus; der Eine ist schlechter, der Andere besser als seine Religion. Doch, wie man auch weiter noch über das Wesen und die sittlichen Einflüsse des Heidenthums im Allgemeinen urtheilen möge, das ist gewiß, daß eben zu der Zeit, da Christus als das Heil der Welt erschien, bas sittliche Verderben den höchsten Gipfel erreicht hatte, wie es Paulus im ersten Brief an die Römer als die Frucht des Heidenthums schildert, und vor allem floß dieses Verderben in der Hauptstadt der Welt zusammen. Das alte Rom, einst eine „Herberge aller Tugenden", nach dem Ausdruck eines spätern Geschicht schreibers, wie war es jezt eine Herberge aller Laster geworden! Ein Zeuge dafür ist Livius, der seine Geschichtsbücher mit dem Bekenntniß beginnt, daß die Zeiten, in denen er schrieb, weder die Menge der Laster noch die Heilmittel dagegen zu ertragen im

Stande seien. Eben so ergießen sich die Dichter, vor allem der trenge Juvenal in Klagen und Satyren über die Verdorbenheit ihrer Zeit. Seneca sagt 2): alles ist voll von Verbrechen und Lastern; es wird mehr begangen, als was durch Gewalt geheilt. werden könnte. Ein ungeheurer Streit der Verworfenheit wird gestritten. Mit jedem Tage wächst die Lust zur Sünde, mit jedem Tage sinkt die Scham. Verwerfend die Achtung vor allem Bessern und Heiligen, stüßt sich die Lust, wohin es sei. Das Laster verbirgt sich nicht mehr. So öffentlich ist die Verworfenheit geworden und in allen Gemüthern ist sie so sehr aufgelockert, daß die Unschuld nicht mehr selten, sondern keine ist. Darum wendet Seneca die Schilderung des eisernen Zeitalters, wie sie Ovid uns giebt, auf die Zeit an, die er erlebte. Das die Stimme der edlern Zeitgenossen selbst. Uebrigens fehlte es der alten Welt nicht an Ahnungen einer bevorstehenden gewaltsamen Umgestaltung aller fittlichen Verhältnisse. Wir wollen uns nicht auf die sibyllinischen Orakel berufen, von denen später die Rede sein wird; aber hofften nicht auch, mit Hinweisung auf die Sibyllen, die Dichter des Augusteischen Zeitalters, hoffte nicht ein Virgil3) oder wenn Hoffen zu viel ist, - versezte er sich nicht wenigstens mit seiner dichtenden Phantaste in eine Zukunft besserer Tage, da das eiserne Zeitalter aufhören und das goldene zurückkehren werde, ein Zeitalter des Friedens, da die Natur ihre Gaben willig dem Menschen in den Schooß schüttet, da das Nind mit dem Löwen weidet und das Gift der Schlange nicht mehr soll gefürchtet werden? Und wenn er auch das glückselige Kind, mit dem dieses goldene Zeitalter beginnen soll, in ganz andern Umgebungen suchte, als in denen es geboren ward, so ging neben dieser Dichtung eine Sage 4), deren die Geschichtschreiber erwähnen, daß aus dem Orient, daß namentlich von Judäa aus die Welt werde erobert werden.

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Nach diesem jüdischen Lande und dem Volke der Juden richten wir jezt unsere Blicke.

Das Heil, sagt der Herr, kommt von den Juden, und

2) Sen. de ira II. 8.

3) in der vierten seiner Eclogen.

4) Tac. Hist. V, 13.

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damit bezeichnet er sein Volk als das Volk des Heils. Unsere moderne Bildung hat sich an diesem Gedanken vielfach gestoßen, und dieselben, welche das antike Heidenthum nicht genug erheben konnten seiner Humanität wegen, haben nicht unterlassen auf die niedrige Stellung hinzuweisen, welche das Judenthum, in Absicht auf äußere Macht sowohl, als in Absicht auf Wissenschaft und Kunst, den großen Völkern des Alterthums gegenüber einnimmt. Wie? hat man gefragt, soll gerade dieses Volk das auserwählte Volk Gottes sein? Man hat dabei vergessen, daß es nicht die menschlichen Vorzüge sind, um derenwillen Gott dieses Volk erwählte, sondern daß im Gegentheil der große Heilsplan an ihm sich verwirklichen sollte. Die Geschichte Israels, sagt ein tiefsinniger deutscher Theologe 5), ist eine fortgesezte Gottesthätigkeit, eine Arbeit Gottes selbst am Volke. Die Natur des Volkes Israel ist nichts weniger als durch sich selbst liebenswürdig; ste theilt in vielfacher Weise das Rauhe, Grausame und Trozige, was die übrigen cananitischen Völkerschaften charakterisirt. Aber es kam gerade darauf an, thatsächlich nachzuweisen, daß das Schöpfen und Graben aus der Tiefe des eignen Wesens nicht zur Lösung der Aufgabe des Menschengeschlechts, daß die natürliche Liebenswürdigkeit nicht zum Gefühl der vollen Harmonie führe. Darum mußte der Stoff, an welchen der göttliche Künstler seine Arbeit wandte, ein so roher und ungefüger sein, um klar zu zeigen, wie das Element, das in der Geschichte zu Tage trat, nicht aus dem ge= schichtlichen Zusammenhange des Menschengeschlechts entwickelt werden konnte, sondern daß es aus den Tiefen des schöpferischen Lebens selbst entspringen mußte."

Wenn wir früher den gemeinsamen Charakter des Heidenthums als den der Gottverlassenheit, des Suchens und Gehens eigener Wege bezeichnet haben, so besteht nun das Eigenthümliche des Volkes Israel eben darin, daß dieses Volkes Leben rein bedingt ist durch sein Verhältniß zu Gott. Es hat und kennt keine andere Nationalität, als die ihm sein Gott selbst giebt. Und dieser Gott des Volkes, er ist, das weiß jeder Israelite, das ist die Grundlage seines Glaubens, er ist zugleich der alleinige Gott, der

5) Ehrenfeuchter, Entwicklungsgeschichte der Menschheit S. 105.

Schöpfer Himmels und der Erde, und außer ihm sind keine Götter. Mag auch das Volk noch so oft von diesem einen lebendigen Gott abgewichen sein und sich den Gößen zugewendet haben, immer wird dieses als Sünde empfunden, als Sünde gerügt, als Sünde erkannt und gestraft. Die Idee der absoluten Heiligkeit, wie des ewigen Erbarmens Gottes, Ideen, die gerade den heidnischen Religionen fehlt, bilden die Grundidee des hebräischen Monotheismus. Israel ist das Volk des Gesezes und das Volk der Verheißung zugleich es hat Mosen und die Propheten. Seine Verfassung ist eine rein theokratische, wie bei keinem andern Volke. Gott ist der Herr und König des Volkes; sein Wille nicht nur das oberste, sondern das einzige Gesez. Die Welt außer diesem Gottesstaate ist die Welt der Lüge, der Nichtigkeit, des Abfalles von Gott, dem Lebendigen. Vernichtung oder Unterwerfung unter den einen Gott ist das Lõos der Weltvölker. In Abraham sollen sie gesegnet,

unter Davids Zepter sollen sie vereinigt werden. Man hat dieß einen einseitigen, einen beschränkten Particularismus genannt, und es muß Jedem so vorkommen, der das weissagende Element verkennt, das eben in dieser Geschichte liegt, und den typischen, symbolischen Charakter, den diese Geschichte hat. Daß das Volk Israel eben nicht bloß der Gegenwart angehörte, daß es als ein „Volk der Zukunft" zu begreifen ist, das nicht nur einzelne und abgerissene Weissagungen in sich nährte, sondern in seiner ganzen Anlage und in seiner eigenthümlichen Entwicklung eine Weissagung ist, das haben tiefere Geschichtsorscher längst erkannt und ausgesprochen, und selbst die, welche kein Bedenken tragen, an die Einzelheiten seiner Geschichte den Maßstab historischer Kritik zu legen und das Menschliche in ihr menschlich zu beurtheilen, haben gleichwohl diese höhere Mission des Volkes und seine prophetische, vorwärtsweisende Bedeutung in der Weltgeschichte nicht verkannt.

Die Geschichte des Volkes Israel von Abraham bis Moses, von da bis zu den Richtern und Königen, die Zeiten seiner Erhöhung, wie seiner Erniedrigung, seiner Wegführung in die Gefangenschaft und seiner Rückkehr in das Land der Väter sind Ihnen Allen in ihren Grundzügen bekannt, und unsere Aufgabe kann es nicht sein, sie hier weiter auszuführen. Indem wir uns begnügen, daran zu erinnern, fragen wir einzig: wie stand es mit diesem

Volke unmittelbar vor der Zeit und zu der Zeit, da Christus unter ihm auftrat? Hier müssen wir anknüpfen an die Leidensschule des Erils. Diese hatte in mancher Hinsicht erziehend und läuternd auf das Volk gewirkt. Einerseits hatte sich sein Blick erweitert; selbst der Kreis der religiösen Vorstellungen hatte an Ausdehnung gewonnen, anderseits aber war die Anhänglichkeit an die väterliche Religion durch das Wohnen im fremden Lande nicht geschwächt, sondern durch die herbe Entbehrung nur um so mehr gekräftigt worden. Mit heiligem Eifer ward nach der Rückkehr über der Reinheit des Gottesdienstes gewacht, und als unter der syrischen Herrschaft des Antiochus Epiphanes (176–164 v. Chr.) der Tempel entweiht und heidnisches Wesen mit Gewalt dem Volke aufge= drungen wurde, da erhoben sich die kühnen Söhne des Mattathias, die Maccabäer und es entwickelte sich ein Heldenmuth, der auch den Feinden Achtung abnöthigte. Das war aber auch das leßte Aufflackern theokratischer Begeisterung. Die rühmliche Anhänglichkeit an das Geseh, daß in den Schulen des Landes (Synagogen) gelesen und erklärt wurde, artete bald in einen kleinlichen Buchstabendienst und todtes Sagungswesen aus, das besonders an der Secte der Pharisäer seine Pfleger fand, während die beim Volfe weniger beliebten Sadducäer einem vornehmen Unglauben huldigten. Man kann die Pharisäer in einer gewissen Hinsicht den Stoikern, die Sadducäer den Epikuräern vergleichen. Jene hielten strenge am Gesez, nahmen aber auch die Lehren auf, die sich seit dem Eril weiter entwickelt hatten, wie namentlich die Engellehre und die Lehre von der Auferstehung. Die Sadducäer dagegen verwarfen und verspotteten diese Lehren, unter dem Vorwande, daß sie nicht ausdrücklich im Gesetz enthalten seien. Die Essäer an der Westküste des todten Meeres führten ein stilles, beschauliches Leben und griffen weniger in das Volksleben ein, weßhalb auch ihrer im neuen Testament nicht gedacht wird. Ein Zusammenhang Christi und seiner Jünger mit ihnen läßt sich nicht nachweisen.

Nicht ohne Bedeutung für das religiöse und sittliche Leben der Juden war der Verlust ihrer politischen Selbstständigkeit und ihre Abhängigkeit von Rom. Der Streit zwischen den beiden Brüdern Hyrkan II. und Aristobulus II. hatte, um 63 v. Chr., den römischen Feldherrn Pompejus als Schiedsrichter ins Land ges

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