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sich nicht ärgert an mir (Matth. 11, 1–6). Offenbar galten diese Worte nicht nur den Jüngern des Täufers, sie galten ihm selbst. Bei aller Ehrfurcht vor der Person Jesu, scheint Johannes doch irre geworden zu sein an der Art seines Auftretens. Ganz und gar der Mann des alten Prophetenthums, wußte er sich nicht zu finden in die neue Ordnung des göttlichen Reiches. Darum sagt auch Christus die bedeutsamen Worte, die eben so sehr die Anerkennung seiner Würde, als die Schranken derselben in sich fassen: „ich sage euch, unter denen, die von Weibern geboren find, ist kein größerer Prophet, denn Johannes der Täufer; der Kleinste aber im Reich Gottes ist größer, denn er." (Ebend. V. 11.)

So hatte sich denn also noch einmal in Johannes dem Käufer die alte Ordnung des Prophetenthums gleichsam zusammengenommen, um dann für immer der neuen Ordnung der Dinge zu weichen. Die alte Strenge, das rauhe Bußgewand, sie hatten ihre hohe Bedeutung, ihre volle geschichtliche Berechtigung. Die ernste sittliche Erweckung im Volke sollte, auch unter strengen Formen, dem Reiche Gottes Bahn machen. Das Reich selbst aber sollte nicht kommen mit äußern Geberden, sondern durch den Glauben sich erbauen im Inwendigen der Menschen. Wir haben früher ge= sagt, es sei mißlich von einer Stiftung der Kirche zu reden, insofern man dabei an willkürlich Formulirtes und Statutarisches denkt, und wenn wir daher Jesum gleichwohl den Stifter der Kirche nennen, so haben wir wohl darauf zu achten, daß auch hier nicht falsche Nebenbegriffe sich einschleichen. — Die Frage, hat Jesus eine Kirche stiften wollen oder nicht? kann verneint und bejaht werden, je nachdem man eben diese Stiftung faßt. Sehen wir auf die Art, wie Jesus auftritt, wie er lehrt und handelt, so sieht das alles nicht einer Stiftung ähnlich in dem vorhin bezeichneten Sinne. Jesus entwirft, um mich eines modernen Ausdrucks zu bedienen, kein Programm seiner neuen Religionsverfassung. Er stellt weder einen Compler von dogmatischen Lehrsägen, noch von Cultusvorschriften, noch von einer Kirchenverfassung an die Spize seines Werkes. Selbst die, welche von einer Lehre Jesu reden, haben sich wohl vorzusehen, daß sie damit nicht zu viel sagen; wenigstens darf an ein Lehrsystem, an einen zusammenhängenden Lehrvortrag, an eine auch nur von ferne wissenschaft=

liche oder schulgerechte Entwicklung von Lehrsägen, und wäre es auch nur in Form eines Katechismus, nicht von ferne gedacht werden. Er predigte wie Einer, der Gewalt hat, und nicht wie die Schriftgelehrten (Matth. 7, 29). Er trug Altes und Neues aus seinem Schage hervor, wie die Gelegenheit es mit sich brachte, immer im nächsten Anschluß an das vorliegende, persönliche Bedürfniß derer, zu denen er redete, immer im Zusammenhange mit den Handlungen, die er verrichtete, nie in abstracter Allgemeinheit. Selbst über seine heilige Person, über sein einziges und eigenthümliches Verhältniß zum Vater stellte er nicht ein fertiges Dogma, nicht eine firirte Glaubesformel hin. Er giebt sich immer zunächst als den Menschensohn und tritt in menschlicher Weise als Helfer und Retter den Menschen entgegen. Daß er der Sohn Gottes, daß er der erwartete Meffias, der Heiland der Welt sei, das sollte als eine vom himmlischen Vater selbst gewirkte Ueberzeugung in den Gemüthern reifen als die Frucht eines Jahre langen Umganges mit ihm. Auch mit seinen Wunderthaten sehen wir ihn sparsam, mitunter sogar zurückhaltend, verfahren; da er sogar bisweilen verbietet, ihrer rühmend zu erwähnen. Eben so wenig, als Christus eine abschließende Glaubens- und Sittenlehre vortrug, eben so wenig ordnete er einen neuen, in bestimmten Formen abgeschlossenen Cultus. Er unterwarf sich als Jude den gottesdienstlichen Ordnungen seines Volkes; er besuchte die Feste und wenn er auch rücksichtlich des Sabbathes, der Fasten, der Waschungen durch ein freieres Verhalten der pharisäischen Geseßlichkeit Anstoß geben mochte, so schaffte er doch eben so wenig ab, als er Neues einführte. Das einzige Gebet, das er die Jünger auf ihre Bitte lehrte, haite weit eher den Zweck, sie von dem mechanischen Hersagen der Gebetsformeln zu entwöhnen, als ihnen damit eine neue stehende Formel zu geben. Erst gegen das Ende seines Lebens, ja, erst in der Nacht vor seinem Tode sehen wir ihn die Fußwaschung und ein gemeinschaftliches Gedächtnißmahl seiner Leiden einsehen, und vor seiner gänzlichen Trennung durch die Himmelfahrt, ordnet er die Taufe an auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Vollends eine Kirchenverfassung! Nicht einmal die Grundzüge zu einer solchen giebt er. Ja, das Wort „Kirche“ oder das ihm entsprechende

griechische Wort Ecclesia hören wir ihn, nach unseren evangelischen Berichten nur zweimal aussprechen. Das einemal in der feierlichen Rede an seinen Jünger Simon (Matth. 16, 18): Siehe, du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche gründen, und dieser auf den lebendig persönlichen Glauben gebauten Kirche gilt allerdings das Wort, daß die Pforte der Hölle sie nicht überwältigen werde. — Das anderemal braucht er das Wort in einem etwas andern Sinne, da er sagt, daß wenn ein Sünder auf das Zureden Weniger nicht sich bekehren wolle, so solle er der Kirche d. i. der Gemeinde (und ihren Vorstehern) verzeigt werden (Matth. 18, 17). Weit öfter und so zu sagen beständig bedient er sich eines andern Wortes, wenn er von dem redet, was er zu gründen gekommen. Es ist das Reich Gottes, das Reich der Himmel, das mit ihm in die Welt tritt, das in ihm seine Wahrheit, seine Vollendung, seinen lebendigen Mittelpunkt gefunden hat. Auf dieses Reich Gottes beziehen sich großentheils seine Gleichnisse. Er stellt es dar als ein im Kleinen unscheinbar beginnendes, mit dem Reich dieser Welt in einen unversöhnlichen Gegensaz tretendes, das als ein Reich des Lichtes zu kämpfen hat mit dem Neich der Finsterniß und das erst bei seiner Wiederkunft seinen vollen Sieg feiern wird. Bis dahin soll es wie ein Sauerteig die Masse durchgähren, soll wie ein Senfkorn heranwachsen zum Baume, in dessen Zweigen die Vögel des Himmels wohnen. Zu diesem Reich ladet er ein nicht die Hohen, nicht die Mächtigen, nicht die Weisen dieser Welt. Diese verschmähen die Einladung, und somit müssen die Lahmen, die Krüppel an den Zäunen und Straßen herbeigerufen werden zum Gastmahle. Die Ersten werden die Lehten, und die Lezten die Ersten sein. Auch nicht äußere Werke, nicht Ceremonien, nicht feierliche Gelübde der Enthaltsamkeit, sondern ein einfacher Kindersinn, ein demüthiges, bußfertiges, gläubiges, zum Verzeihen und Wohlthun willfähriges Herz, das sind die Bedingungen des Eintrittes in dieses Reich. Selig preist er die Friedfertigen, die Sanftmüthigen, die Barmherzigen, die Armen am Geiste. Vor Allen ruft er die Mühseligen und Beladenen, die unter dem Joche der fremden Sazung oder der eigenen Sünde seufzen und verheißt ihnen Vergebung, Ruhe für ihre Seelen. Er kündigt sich an, als den Arzt der Kranken, als den der gekommen,

das Verwundete zu heilen, als den guten Hirten, der die verlorenen Schafe sucht und die verirrten zurecht leitet; aber dann auch wieder als den Sohn und Bevollmächtigten, der in das Eigenthum des Vaters kommt und denen mit seinem Ansehen entgegen tritt, die wider den König und seine Knechte sich aufgelehnt. Das ist, wie Ihnen allen bekannt, der Inhalt seiner Predigt vom Reiche Gottes; einfach und doch so groß; klar, jedem Kinde faßlich und doch so. tief, so ahnungsreich, so unendlich erhaben über alles, was der Menschenverstand dem Menschen zu bieten, was menschliche Kunst in Wort und Ausdruck zu leisten vermag. Eine prophetische Sicherheit, ein Gefühl der höchsten sittlichen Unschuld und Reinheit, der priesterlichen Vollendung und der königlichen Machtvollkommenheit, spricht aus jedem Worte, aus jeder That dieses Menschensohnes, der ein König, ein Prophet, din Priester der Menschheit und ein Priester Gottes war im höchsten, einzigen Sinne des Wortes. Ohne daß er es uns zu sagen braucht, wir ahnen's, wir fühlen's, hier ist mehr denn Salomo, mehr denn alle menschliche Weisheit; hier ist nicht nur Lehre, hier ist Gnade und Wahrheit in persönlicher Erscheinung; hier ist nicht Buchstabe, sondern Geist und Leben; nicht todte Sagung, sondern lebendige Schöpfung! Nicht die Willkür eines Stifters waltet hier, der etwa aus dem Antrieb edler Gesinnungen oder gar aus kluger Berechnung eine neue Lebensordnung einführt unter seines Gleichen, soudern eine göttliche Nothwendigkeit tritt uns entgegen, wonach der Sohn vollzieht den Willen des Vaters und ausführet, was ihm übertragen und übergeben ist von Ewigkeit und von oben her.

Aus diesem Gesichtspunkte haben wir auch die Anordnungen zu betrachten, die Jesus in Absicht auf die Verbreitung seines Reiches traf. Schon mitten in seiner Wirksamkeit sehen wir ihn zwölf Männer aus dem Volke, die er sich selbst zu Jünger gewählt (Matth. 10), aussenden zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel. Sie sollen hingehen und predigen: das Himmelreich ist nahe herbei gekommen. Als Arme sollen sie ausziehen, ohne Gold und Silber und Erz in den Gürteln; als die Friedensboten, wie die Schafe unter die Wölfe. Sie sollen sich gefaßt halten auf Schmach und Verfolgung; aber vertrauen auf den Geist des Vaters, der durch sie reden werde. Sie sollen bedenken, daß der Jünger

nicht über den Meister ist; in seinem Auftrag sollen sie reden und versichert sein, daß wer sie aufnimmt, ihn, den Herrn selbst aufnehme. Es wird uns auch der Erfolg dieser ersten Aussendung berichtet. Sie kamen wieder, heißt es, mit Freuden und sprachen: Herr, es sind uns auch die Teufel unterthan in deinem Namen; worauf ihnen aber Jesus die bedeutsame Antwort gab: nicht darum freuet euch, daß euch die Geister unterthan sind, sondern darüber, daß euere Namen im Himmel geschrieben sind. Wie wendet er auch hier wieder das auf's Innere, auf's Ewige, auf's Himmlische, was die Jünger auf dem Gebiete der weltlichen Macht, der Wirkung nach außen suchten! Erst vor seinem letzten Scheiden sendet er, als der Auferstandene, in die himmlische Verklärung Uebergehende, die Jünger aus in alle Welt, um alle Völker zu seiner Jüngerschaft zu führen, indem ihm gegeben sei alle Gewalt im Himmel und auf Erden.

Das ist, wenn wir den dürftigen Ausdruck hier gebrauchen wollen, die Stiftung seiner Kirche. Weitere Anordnungen über die Form dieser Kirche, über ihre gesellige Gliederung finden wir nicht: nicht eine Spur von dem, was an Hierarchie, an eine Ueber- und Unterordnung der Einzelnen untereinander erinnern könnte. Man hat zwar jenes Wort an Petrus: auf diesen Fels will ich meine Kirche gründen, und ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben" von einer Bevorzugung dieses Jüngers, von einem Primat verstehen wollen, aber mit Unrecht. Daß Petrus von dem Herrn bei verschiedenen Anläßen ausgezeichnet wurde, ist nicht zu leugnen; aber auch an die übrigen Jünger hat er ähnliche Worte gerichtet, und wir wissen, wie scharf er den Rangstreit unter ihnen selbst gerügt hat. „Die weltlichen Könige, so sprach er (Luc. 22), herrschen und die Gewaltigen heißt man gnädige Herren; ihr aber nicht also; sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste und der Vornehmste wie ein Diener." Indem er den ganzen Weltkreis seinen Jüngern zum Arbeitsfelde anwies mit den Worten: Die Ernte ist groß, und Wenige sind der Arbeiter, bittet den Herrn, daß er Arbeiter in seine Ernte sende" (Matth. 9, 37), konnte er nicht die Provinzen dieses Reichs an die Einzelnen austheilen, nicht einen Organismus von Gemeinden und ihren Vorstehern, wie er sich später gebildet hat und bilden mußte, zum Voraus festseßen.

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