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der Erhaltung der Kirche durch eine Reihe von Jahrhunderten, wo ihr äußerlich und innerlich so unendlich vieles widerstrebt? Zuerst würden wir schon das Einfachste vorauszusehen haben, daß Jesus, der Stifter der christlichen Kirche, und als solcher eine geistig und sittlich hervorragende Persönlichkeit gewesen sei. Berücksichtigen wir dann aber zugleich die inhaltsreiche Thatsache der Kirchenstiftung und erwägen wir die Bedeutung des Glaubens an Jesum als Erlöser, wie sich derselbe notorisch in der Kirche entwickelt hat, so stellt sich die Sache noch anders. In diesem Glauben liegt ursprünglich und wesentlich dieß, daß Jesus von Nazareth der Sohn Gottes, ein vollkommenes Bild des göttlichen Wesens, ein reiner Ausdruck des göttlichen Geistes, ein Inbegriff der höch= ften Wahrheit, Heiligkeit und Güte sei, mit einem Wort, es liegt darin die Anerkennung der göttlichen Dignität Christi und seiner Einheit mit Gott. Zu diesem Glauben mußte Jesus nicht allein durch seine eigenen Aussagen über sich Veranlassung gegeben, sondern er mußte ihn auch durch seine ganze Lebenserscheinung in denen, die sein Werk fortsetten, unerschütterlich befestigt haben.... Der Eindruck (dieser Lebenserscheinung) in den Gemüthern der Apostel mußte zugleich außerordentlich stark und tiefdringend sein, denn sonst wäre er durch die Anschauung des schmachvollen Leidens und Sterbens überwogen, er wäre durch den Kreuzestod wieder vernichtet worden."

„Eine andere, unentbehrliche Voraussezung ist die, daß der Gekreuzigte, der so wirkte, eine unüberwindliche, alles bestegende, alles durchdringende Kraft der Liebe in seinem Herzen tragen mußte; denn unverkennbar kam durch das Christenthum ein ganz neues Princip der Gottes- und Bruderliebe in die Menschheit, und so stark und stegend trat dieser Geist hervor, daß man ihn als einen eigenthümlichen Grundzug betrachten und das Christenthum darnach von allen andern Glaubensweisen unterscheiden kann." Eine dritte nothwendige Vorausseßung ist, daß in der Lehre des Gekreuzigten ein unzerstörbarer Kern der Wahrheit liegen mußte: denn eine so schmählich erniedrigte und äußerlich überwundene Sache konnte doch nur dann sich erhalten und siegen, wenn sie durch Wahrheit einleuchtete und durch innere Güte sich empfahl.... Aber die Lehre allein, wenn sie auch noch so einfach, erhaben und Hagenbach, Vorlesungen II.

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wahr, würde es nicht gethan haben; selbst in Verbindung mit dem reinsten Charakter des Stifters hätte eine solche Lehre bei der ersten Gründung des Christenthums nicht alles Widerstreitende zu überwinden vermocht. . . . Sollte vollends ein Gekreuzigter, als der erhabenste Gottesliebling, als Messias und Gottessohn anerkannt werden, so mußte das Göttliche in dem ganzen Werke seines Lebens nicht bloß in Thaten der Liebe, sondern auch in Thaten der Macht, in unleugbaren Wirkungen des göttlichen Beistandes hervorleuchten. . . . Abgesehen von aller historischen Ueberlieferung wäre es schon an sich selbst nicht glaublich, daß der Kreis des Lebens und Wirkens Jesu mit dem Akte der Kreuzigung sich werde geschlossen haben. Das war in der That kein angemessener Schluß für ein messianisches Leben, für das Leben eines Gottgesandten, am wenigsten im Sinne derer, die Jesum zunächst umgaben. . . . Die großen und tief eingreifenden Wirkungen, welche die ersten Freunde Jesu hervorbrachten und die für alle Zeit von ihnen ausgingen, seßen eine innere Festigkeit und vollkräftige Einheit des Sinnes, eine Begeisterung voraus, wodurch jeder Gedanke an vorhandene Zweifel ausgeschlossen wird. Zu dieser intensiven Macht und Abgeschlossenheit des Glaubens konnten aber die Jünger nur gelangen, wenn für sie das messianische Leben und Wirken Jesu auch einen völlig befriedigenden, alle Dissonanzen auflösenden, ihr innerstes und bestes Lebensbewußtsein kräftig erhebenden Abschluß hatte. Einen solchen Abschluß finden wir im Kreuzestode nicht. Wir werden also zwischen diesen und die so erfolgreiche Thätigkeit der ersten Verkündiger des Evangelium von Christo noch eine Thatsache von einer hohen Bedeutung und Wirksamkeit zwischenein sehen müssen, wodurch der Erscheinung und dem Werke des Erlösers das unverkennbare Siegel göttlicher Bestätigung aufgedrückt, und den Seinigen ein neuer Muth, eine alles besiegende Thatkraft gegeben wurde. Eine solche Thatsache aber, wenn der Eindruck des Todes und zwar des schmachvollen Kreuzestodes dadurch ausgelöscht werden sollte, konnte nur bestehen in einer siegreichen Manifestation des Lebens und fortdauernden Wirkens einer durch den Tod nicht aufgehobenen Gemeinschaft Christi mit den Seinigen."

„Dieß Alles,“ fährt der geehrte Theologe fort, „enthalten im

Wesentlichen unsere Evangelien, weiter ausgeführt, freilich in Einzelheiten, die wir uns von vorneherein nicht construiren können, aber doch in den Grundzügen so, wie wir es zur historischen Erklärung der Sache bedürfen."

Vierte Vorlesung.

Christliche Mythenbildung.

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Außerevangelische Berichte über Jesum. (Sueton. Tacitus. Josephus.) Die Kindheit Jesu und die Kindheits - Evangelien. Die Akten des Pilatus und das Evangelium Nicodemi. Der Briefwechsel mit Abgarus. Bildnisse von Christo. Der Brief des

Lentulus.

Die ersten Jünger und Apostel des Herrn. Sagenhaftes über den Apostelkreis und die Einzelnen der zwölf Apostel.

Nach dem, was wir in der vorigen Stunde über die Person des Stifters der Kirche vernommen und worüber wir uns ein für allemal zu verständigen gesucht haben, bleibt uns jezt noch übrig, die dürftigen Brosamen zu sammeln, die sich über das Leben Jesu bei den Schriftstellern außerhalb des neuen Testamentes finden. Und da werden wir dann gewiesen sowohl an die heidnischen Schriftsteller, als an die jüdischen. Daß die heidnischen, näher die römischen Geschichtschreiber uns beinahe gar nichts von dem Auftreten Chrifti melden, kann uns nur dann befremden, wenn wir von unserm historischen Gesichtskreise aus die Sache beurtheilen. Wie die physische Welt ganz anders angesehen wurde zu einer Zeit, da die Erde für den Mittelpunkt des Weltalls galt, als jegt, da wir sie als einen verschwindenden Punkt im Universum zu betrachten gewohnt sind, so war es auch in der moralischen Welt. Für den Römer war das römische Reich seine Welt. Was in einer entlegenen Provinz als religiöse Bewegung vorging, das wurde wenig beachtet. Wissen wir doch, wie selbst Pilatus mitten in dem Strome dieser Bewegung drin, Jesum als Schwärmer bemitleidete, und durch seine Frage: bin ich ein Jude? zu verstehen gab, daß ihn

die innern Religionsstreitigkeiten dieses Volkes wenig berührten. Erst da, wo eine religiöse Bewegung in's politische Leben überzugreifen und also den römischen Staat zu berühren drohte, erst da wurde die Aufmerksamkeit des Römers wach. Erst als die Christen oder die Christianer, wie man sie nannte, anfingen, als eine Partei im Staate bekannt zu werden, erst da wurde gelegent= lich auch nach dem Stifter dieser wunderlichen Secte gefragt, und wie verworren darüber die Nachrichten lauteten, beweist uns die Notiz, die uns Sueton giebt, wo er von einem Aufruhr der Juden in Rom unter Kaiser Claudius, in dem Leben dieses Kaisers Meldung thut; ein Aufruhr, in Folge dessen der Kaiser die Juden aus Nom vertrieb. Da sagt er: der Anreger dieses Aufruhrs sei ein gewisser Chrestus gewesen 1). Ob Sueton mit diesem Chrestus wirklich Christus meinte, ist noch zweifelhaft. Wenn er ihn damit gemeint hat, so zeigt es eben, wie ungenau er berichtet war, denn was hatte Christus, der damals nicht mehr auf Erden wandelte, mit jenem Aufruhr in Rom zu thun? Deutlicher und in ächt historischem Style redet der treffliche Tacitus in einer Stelle seiner römischen Jahrbücher 2) von Christo. Er erzählt den Brand in Rom unter Nero und meldet, daß der tyrannische Kaiser die Schuld dieses Brandes auf die Christen geworfen. „Der Urheber dieses Namens, fährt er dann fort, ist Christus, der unter der Negierung des Tiberius durch den Procurator Pontius Pilatus hingerichtet worden." Aber das ist auch Alles. Spätere Erwähnungen des Namens Christi bei römischen Schriftstellern, zu einer Zeit, da die Evangelien schon geschrieben und verbreitet waren, haben keine Bedeutung mehr für uns.

Wenn wir nun aber auch begreiflich finden, daß die römischen Schriftsteller so vornehm kalt an dem jüdischen Sectenstifter vorüber gehen, so müßte es uns schon mehr auffallen, wenn der Geschichtschreiber des jüdischen Volkes selbst, der beinahe Christo gleichzeitige Flavius Josephus, uns nichts von ihm meldete. Nun aber findet sich wirklich bei Josephus eine Notiz über Christus. Nachdem er von den Bedrückungen des Pilatus gehandelt, fährt

1) Sueton, vita Claudii c. 25: Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantes Roma expulit.

2) Annal. XV, 44.

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