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mehr oder minder modificirt; auch ist die Carolina noch später mehrfach recipirt worden, wie in der zweiten Schweriner Justiz Canzleiordnung vom 25. Aug. 1637 und in der Güstrower vom 2. März 1669.

8. Fortbestand der Bußen und Brüche, besonders der lehtern und deren Steigerung nach der Reception der Carolina; (1562-1630).

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Das Compofitionen System ist in Meklenburg nicht mit einem Schlage, wie etwa durch die förmliche geseßliche Aufnahme der kaiserlichen Halsgerichtsordnung im J. 1568, aufgehoben worden. Vielmehr find Vielmehr sind, Sune vnd Broke" in vielen Fällen noch lange bei Bestand geblieben. Die privatrechtliche Abfindung durch eine Geldbuße an den Verlegten wird zwar in Fällen schwerer Verbrechen, wie namentlich der vorsäßlichen Tödtung, seit dieser Zeit in der Regel nicht mehr zugelassen, besonders bei dem niedern Volke; in manchen anderen Fällen jez doch, wie bei Verwundungen, Unzuchts-Vergehen, Injurien x., dauern die Bußen in der früheren Weise fort. Noch viel auffallender tritt aber die fortwährende Geltung der Broke" hervor, welche jedoch nun in vielen Fällen die Form der fiskalischen Strafe annimmt. An die Obrigkeit werden nach wie vor für Vergehen fast aller Art, nur etwa den vorsätzlichen Mord, so wie Raub und Diebstahl, Nothzucht und Zauberei der Regel nach ausgenommen, übrigens unter den verschiedensten Umständen, Strafgelder von Missethätern erlegt, und zwar beim Sinken des Geldwerthes einer, und der formell anerkannten gefeßlichen Schärfung der peinlichen Strafen andrer Seits, oftmals zu einem bisher unerhört hohem Betrage. In dem abgelegenen stillen Lande hielt es, wie in den meisten hergebrachten Dingen, so auch in Straffachen ungemein schwer, die „landüb liche Gewohnheit" plöglich und in allen Fällen zu verlassen. Die Rechtslehrer der hohen Schule zu Rostock erkannten noch vorherrschend die altdeutschen und landesüblichen Grundsäße in peinlichen Sachen an, wie dies aus mehreren Erachten der dortigen Juristen-Facultät aus dem J. 1581 über Fälle von Tödtung klar erhellt, indem diese Erachten die Gültigkeit von „Broke und Sühne" entschieden ausdrücken 1). Hiezu kam ein dringendes finanzielles Bedürfniß der Landesherrn, die überschuldet waren und von den Ständen stets nur langsame und noth

1) Selecta juridica Rostochiens. fasc. 1, spec. 7, quaest. 1; spec. 22, quaest. 1.

dürftige Hülfe und auch diese nur gegen große Opfer erlangen konnten, indem der Staat noch aus einem Gemisch von verschiedenen Privatmächten bestand und der Grundsaß der Verpflichtung Aller zu Staatszwecken noch unbekannt war; sodann kamen hinzu der Eifer der nun stehend auftretenden, aber schwach befoldeten Fiskäle und die Kostbarkeit des nun schriftlich und weitläuftig werdenden Prozesses; endlich die der Carolina eigene Unbestimmtheit hinsichtlich des Strafmaßes für manche Verbrechen und die in verschiedenen Artikeln derselben, wie in den Art. 104 und 105, enthaltene Hinweisung auf die gute Gewohnheit eines jeden Landes, das Rathspflegen der Richter und Urtheiler, die Erkenntniß und Ermäßigung verständiger Richter."

Zunächst treten die den Lehnleuten, den „Standespersonen und Reichen seit dieser Zeit auferlegten hohen Geldstrafen für Vergehen auch solcher Art, die man heut zu Tage gemeine Verbrechen nennt, stark hervor, welche Strafen nun der Regel nach nicht mehr direkt von den Landesherrn erkannt und beigetrieben werden, sondern gewöhnlich auf Antrag der Fis käle durch gerichtliche Erkenntnisse ergehen. Sehr kläg lich bittet im J. 1572 der Vasall Adam Preen zu Nutteln, der um das J. 1566 eine ledige Magd geschwängert hatte, um Erlaß oder Ermäßigung der ihm dieserhalb landesherrlich abgeforderten Strafe von 200 Thlr. Henning Holstein zu Zahren, der im J. 1565 einen v. Peckatel erstochen hatte, ward 1569 von seinem Halbbruder Philipp Holstein während des Landtages zu Güstrow getödtet. In diesen Sachen ward ein Strafgeld von 3000 Thlr. begehrt; fast gleichzeitig von Wigand Malgan wegen gebrochenen Landfriedens die Summe von 6000 Thlr., wobei jedoch landesherrlicher Seits im Voraus ein etwaiger bedeutender Erlaß dieser Summen den Räthen und Fiskälen anheim gestellt ward. Christoph Malhan auf Grubenhagen ward 1572 wegen Unzucht mit Margaretha v. d. Often und wegen versuchter Abtreibung ihrer Leibesfrucht angegeben und zur Haft gebracht. Er bot 1573 der Geschwächten 500 Gulden als Buße an, welche diese jedoch nicht annahm; jedem der Landesherrn mußte er 1000 Gulden Strafgeld erlegen, für dessen vollständige Auskehrung seine Frau Katharina v. d. Schulenburg mit ihrem Vermögen fich verbürgte 1). Dieterich von Plessen auf Zülow ward 1596 wegen Tödtung des Vogtes Achim Schmidt fiskalisch angeklagt. Im Laufe des Prozesses brachte der Fiskal beweislich vor, daß

1) Christoph Malzan mußte überdies Urfehde schwören, ebenso die Geschwächte, welche des Landes verwiesen werden sollte, wogegen jedoch deren vier Brüder sich beschwerend und anscheinend mit Erfolg, an den Herzog Johann Albrecht wandten.

die Freunde des Mörders der Frau des Vogtes 300 Gulden geboten hatten: „das sie nicht klagen, sondern sagen solte, das der Junker iren Man nicht gestochen, sondern daß derselbe in den Spieß gefallen." Im J. 1601 ward der Angeklagte „wegen begangenen Excessus" zu einer Geldstrafe von 300 Thlr. ver urtheilt, wie in Erstattung aller fiskalischen Kosten. Siegfried v. Derzen verwundete im J. 1618 den Nicolaus von Peckatel tödtlich mit einem Dolche. Er ward zur Erlegung einer Geldbuße von 600 Thlr. und in sämmtliche Kosten verurtheilt. Gegen den v. Stralendorf auf Möderik ward gleichzeitig wegen verübter landfriedensbrüchiger Gewalt gegen die Stadt Ribniß, eine fiskalische Strafe von 1000 Thlr. und eventuell Landesverweisung erkannt. Im J. 1621 hatte sich Hans v. Plessen zu Dönkendorf mit des Adam Lüßow zu Lüßow Tochter zue nahe ins Gebluete vnd Freundschaft befreiet." Der v. Plessen ward dieserhalb von den Landesherrn, anscheinend ohne gerichtliche Cognition, in eine Geldstrafe von 2000 Thlr., der Vater Adam Lüßow zur Erlegung von 1000 Gulden verurtheilt. Diese Strafgelder wurden wirklich erlegt und die Landesherrn theilten fich in deren Genuß, indem die Ritterschaft beiden Landesherrn gemeinsam verpflichtet galt.

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Auch die Bruchgelder für Vergehen im Bürger- und Bauernstande werden in der Zeit von 1570 bis um 1620, welche Epoche durch den Segen des Friedens und die ruhige Entwickelung mancher staatlichen Einrichtungen bei noch vorherrschendem Wohlstande in der Mehrzahl des Volkes beglückt war, oftmals zu einer bisher unbekannten Höhe hinaufgetrieben. Namentlich in den Städten von größerer bürgerlicher Wohlhabenheit war die Erhebung der Bruchgelder für Unzucht, Verwundungen, Tumulte und viele andere Vergehen noch sehr beträcht lich. Die Bruchregister gerade aus dieser Zeit sind in manchen Städten sowohl hinsichtlich der Mannigfaltigkeit der Vergehen, wie der finanziellen Erheblichkeit von besonderem Interesse. Dabei werden in den meisten Städten die Brüche noch ohne Ver mittelung von Fiskälen und gewöhnlich ohne weitschichtigen schriftlichen Prozeß von den städtischen Gerichten und Obrigkeiten selbst erkannt und beigetrieben. Fast durchweg geht hier noch der Unterschied zwischen großen Brüchen für Todschlag, Ehebruch, schwere Wunden 2c., von 10 bis zu 30 Gld., aber auch bis zu 200 Thlr. und darüber, und kleinen Brüchen für geringe Wunden, Injurien und kleine Polizei-Vergehen, gewöhnlich nur bis zu 2 Gld. hinaufsteigend. Ein Bemessen der Brüche nach dem Vermögen des Zahlenden tritt jedoch dabei in vielen Fällen unzweifelhaft hervor.

Herrmann Muchow, ein wohlhabender Bürger und Ehemann zu Parchim, schwängerte im J. 1572 seine Magd, Anna Rofin, welche ihr heimlich geborenes Kind tödtete. Auf Vorbitten seiner Ehefrau wird er vom Herzog Johann Albrecht mit einer Buße von 200 Thlr. „begnadiget", in 4 Terminen zahlbar, so daß er am 13. Juni d. J. die erste Rate mit 33 Gid. 8 Bl. auszahlt. Der Schmid Thomas Gödke zu Friedland wird 1580 wegen Unzucht mit einem Weibe flüchtig; 1584 wird er auf Ansuchen seiner Frau landesherrlich geleitet und mit einer Buße von 25 Gld. begnadiget. Der Bürger Balthasar Wüstenberg zu Friedland erschoß 1584 unvorsäglich einen Tuchmacher aus Treptow. Er vertrug sich mit des Entleibten Freunden um eine leidliche Summe; zugleich zahlte er dem Herzoge Ulrich 7 Gld. 12 ßl. Bruchgeld.

Der Bauer Paul Riebestall aus Koblank bringt 1584 dem Bauern Chim Adler aus Zierzow in einer Schlägerei zwei schwere Wunden bei; er zahlt jedoch nur 4 Gld. als „Broke." Andere aus dem Landvolke dieser Gegend zahlen damals für eine mäßige Kopfwunde 2 Gld.; für eine Armwunde 1 Gld. 8 ßl.

Um das J. 1580 war ein Bauer auf der Dorfstraße zu Marin von einem benachbarten Colonisten erschlagen, welcher 15 Gld. als Strafgeld bei dem ältesten Schulzen des getheilten Dorfes niederlegte. Im J. 1588 treten bei Gelegenheit der Tödtung einer Magd zu Raddenfört im Amte Dömitz durch einen Knaben ganz die altüblichen Ansichten und Saßungen von der Buße und Sühne, der Beschreiung des Entleibten, dem AnklageVerfahren und dem Vorstand-Machen" durch den Kläger, wie von der Kostbarkeit des „Richten lassen“ und der gütlichen Abfindung der Parteien hervor.

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Im J. 1594 muß Joachim Schulz, der Sohn des Burges meisters zu Parchim, der den Ulrich Meidtmann bei Nachtzeit auf der Heerstraße schwer verwundet hat, den Bruch mit 15 Gld. gutmachen; Lucas Rohrdanz, Bürger zu Parchim, verwundet 1598 den Bürger Curd Feuerborn daselbst und muß 30 Gld. Bruchgeld entrichten. Jacob Kluth daselbst, der einen Jungen in das Haupt sticht, zahlt nur 5 Gld. Der Schweinschneider Christoph Warneborch zu Parchim muß 1602 für seinen 19jährigen Sohn, der kürzlich zur Winterszeit die als Here anrüchige Schefe-Eva" niedergeschlagen hatte, so daß sie auf der Straße erfroren war, 20 Gld. Bruchgeld entrichten. Im J. 1599 zahlt der Bäcker Joachim Ulrich daselbst wegen zu klein gebackenen Brotes und Widerseßlichkeit gegen die Obrigkeit, 50 Gld.; bald darauf ein Anderer, der in den heiligen Weihnachten ein Parlament angerichtet" 2 Gld. Strafe an die Obrigkeit. Uebrigens

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kommen noch sehr spät im 17. Jahrh. einzelne Fälle vor, die ganz dem alten Compositionen-System entsprechen, wie denn 3. B. Hans Dieße (zu Parchim?) im J. 1639 einen Todschlag an dem Bauern Chim Jacobs aus Granzin begeht, der mit einem Bruchgelde von 50 Gld. an die Landesherrn gefühnt wird, nachdem der Thäter sich mit der Freundschaft" des Erschlagenen durch eine Buße abgefunden hat.

Ueber die Theilung der Sühnegelder unter den näch sten Verwandten sind die damals geltenden Hauptgrundsäße nachzuweisen. In der Regel erhielten, wo Descendenten und Ascendenten concurrirten, nur die ersteren das Sühngeld; die Kinder des Erschlagenen hatten auf dasselbe immer das nächste Anrecht. Ebenso schloß die Ehefrau in den meisten Fällen die Concurrenz der Blutsverwandten auf das Sühngeld aus 1). Wo Geschwi ster und Ascendenten concurrirten, ward bisweilen nach Kopfzahl oder nach sonst vereinbarten Portionen getheilt; 2) die halbbürti gen Geschwister wurden dabei, wie es scheint, ausgeschlossen 3).

Daß in den meisten Nachbarländern Meklenburgs den hier dargelegten ganz ähnliche strafrechtliche Zustände bestan den, wird durch vielfache uns vorliegende Verhandlungen außer Zweifel gestellt. So finden sich in den Correspondenzen mit Pommern während des 16. Jahrh. wiederholt Gesuche der dortigen Landesherrn zu Gunsten einzelner ihrer Unterthanen, welche an Meklenburger wegen erlittener Tödtung oder schwerer Beschädigung von Angehörigen Ansprüche machen. Gewöhnlich lauten die Gesuche dahin, daß der Uebelthäter angehalten werde: „der Fruntschop Lik vnde Wandel tho don, dat se wegen eres unuorschuldet afgemordetn Fruntes nenen Unwillen mer myt en hebben darf." Mit Brandenburg fand ein ähnliches nachbarliches Verhältniß statt. Im J. 1549 vertrug sich der Bürger Achim Wardenberg zu Prißwalk mit dem meklenburgischen Vasallen Achim Barnekow zu Gustävel, der einen nahen Blutsverwandten des Erstern getödtet hatte, dahin, daß dieser ihm 40 Gld. Münze und außerdem 5 Mk. lübisch „zur Bestettigung des Entleibten Handt" zahlte. Charakteristisch ist der folgende Fall. Im J. 1554 klagt Heinrich Broylam, Bürger zu Stralsund, bei dem Herzoge Johann Albrecht von Meklenburg: sein Bruder Hans Broylam sei von dem liefländischen

1) Selecta jurid. Rostochiens. Fasc. 1, spec. 22, qu. 1. (additament. de 22. Oct. 1585.)

2) Ibidem, Fasc. I, spec. 22, qu. 1. „so seid ihr mit des Entleibten Vattern vnd Brüdern euch zu vorgleichen schuldigk; ad hanc pecuniam concur

rebant pater, fratres et ex fratre nepotes."

3) Ibidem, Fasc. I, spec. 7, qu. 1.

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