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IV.

(Beamter; 84 Jahr alt.)

Wir haben an dieses Grab die entseelte Hülle eines Vaters und Großvaters begleitet, den Gott am späten Abend seines Lebens abgerufen hat, der alt und lebensmüde eingeht in seine Kam-mer. Für einen müden Wanderer, der des Tages Last und Hiße getragen hat, ist es ein wohlthuendes Gefühl, wenn endlich der Abend kommt und mit ihm die erwünschte Ruhe. Hat gleich der Pilger auf seinem langen Wege manche frohe Stunde, manche Erquickung und Stärkung gefunden, so blieben doch auch die düsteren Tage, die herben Erfahrungen nicht für ihn aus. Und wenn zuleßt, gerade je tiefer die Sonne sich herniedersenket, auch seine Kräfte um so merklicher schwinden und die Beschwerden des Weges um so drückender werden, wie mächtig muß sich da in der Seele das Verlangen regen nach dem Ende der Wanderung. Aber dann auch, wie froh begrüßt er die Abendglocke, die zum füßen Schlafe ruft! zu solch erwünschter Ruhe, die von keinem schmerzlichen Gefühl mehr unterbrochen wird, ist nun der ehrwürdige Greis eingegangen, an dessen Grabe wir hier stehen. Noch um manches Jahr hinaus über das lezte Ziel, das Moses dem Sterblichen bestimmt, hat die Gnade Gottes sein Leben in unserer Mitte gefristet, bis in die Mitte des 85. Jahres dauerte seine Wallfahrt. D, welch' eine Treue und Barmherzigkeit, die der Herr sein Gott. in einem so langen Zeitraum an ihm gethan hat! Wird ja Gottes Güte alle Morgen neu über seinen Kindern, wie vielfach mußte sie neu werden über ihm, der zu einer so seltenen Altersstufe

hinangestiegen ist. Während die meisten Genossen seiner Kindheit und Jugend, die meisten seiner einstigen Freunde und Bekannten, mit denen er hier znsammenlebte, nicht mehr sind, sah sich der Entschlafene von einem Jahr zum andern unter dem allmächtigen Schuße des Höchsten erhalten, sah sein Bitten und Flehen gewährt: „Herr, verlaß mich nicht, wenn ich schwach und grau werde!" sah an sich die Zusage des treuen Vaters im Himmel herrlich erfüllt: „Ich will euch tragen bis in's Alter und bis ihr grau werdet, ich will es thun, ich will heben, tragen und erretten!" Das hat der Herr an ihm gethan durch die Hände seiner ihm in herzlicher Liebe und Dankbarkeit, ergebenen Kinder. Als ihm seine geliebte Gattin vor 12 Jahren durch den Tod entrissen worden war, da blieb ihm bei diesem herben Verluste der Trost, seine Töchter und Kindeskinder um sich zu wissen, deren ganze Sorge darauf hinging, ihm die düsteren Tage des Alters zu erheitern, seiner mit aufopfernder Hingebung zu warten und zu pflegen, als die Jahre kamen, die ihm nicht gefielen. Solche Gnade hat der Herr an ihm ge= than, durch den frischen Geist, den er sich fast bis an's Ende seiner Zeit bewahrte. Aber dabei hat er auch das Nichtige und Trügerische alles Frdischen schmerzlich genug in seinem Leben erfahren; ein Grab um das andere that sich vor ihm auf, darein er seine Liebsten auf Erden versenken mußte; ein Freund und Bruder um den andern, der seinem Herzen lieb geworden, ein Vertrauter um den andern, an den er sich in der ihm fremd gewordenen Welt um so enger angeschloffen hatte, schied von ihm und ließ ihn zurück in dem Leben, das immer weniger Werth und Reiz mehr für ihn hatte; noch in den lezten Wochen seines Lebens, da trug das überraschend schnelle Hinscheiden eines seiner nächsten Angehörigen, der schwere Schlag, der ihn mit seiner Familie dadurch traf, zum schnellen Zusammensinken seiner Kräfte bei; und als nun endlich die lezten Reste seiner Lebenskraft einen schweren Kampf mit dem Tode rangen, da mußten auch die Sei=

nigen, wenn auch mit blutendem Herzen, ihm seine Auflösung wünschen und gönnen. Ja wir Alle, im Rückblick auf die Treue, mit der er so viele Jahre im Dienste seines Königs gearbeitet, auf die rege Thätigkeit, die er bis in's höchste Alter bewiesen hat, im Hinblicke auf die gewissenhafte und unermüdete Fürsorge für die, welche Gott ihm anvertraut hat, wir sind an seinem Grabe des Trostes voll, daß er seine Zeit erfüllt und nun das bessere Theil, das unverwelkliche Erbe im Himmel erlangt hat.

In deine Hände und deiner erbarmenden Gnade, barmherziger Gott und Vater, befehlen wir jeßt seinen Geist; im Glauben an den, der die Auferstehung ist und das Leben, vertrauen wir seinen Leib der Erde und geben dem Staube zurück, was vom Staube genommen war. Sei gelobet für alle Treue, die Du an ihm gethan, für die lange Gnadenzeit, welche Du ihm vergönnt, für alle Liebe, womit Du seine Wege verschönert, für alle Prüfungen, womit Du sein Herz geläutert und zu Dir gezogen hast. Du bleibest wie Du bist, so wirst Du deine Gnade und Barmherzigkeit auch an seinen Hinterbliebenen erzeigen und die Kraft des väterlichen Segens fie erfahren lassen. Verwirf auch uns nicht im Alter, laß uns stark sein durch Stillesein und Hoffen, wenn die bösen Tage kommen. Ist uns aber nach deinem unerforschlichen Rathschluß ein früheres Ziel geseßt, hilf uns nur in dem kurzen Tagwerk Treue beweisen: denn nicht das Alter ist ehrenvoll, das lange lebet und viele Jahre hat, sondern Klugheit ist das rechte graue Haar, und ein unbeflecktes Leben das rechte Alter. Nur wachend und betend mögest Du uns finden, Du kommest am Morgen oder am Abend; nur bereit laß uns stündlich sein zur Rechenschaft; nur Fleiß laß uns anwenden allezeit, daß wir Dir wohlgefallen, wir mögen frühe schon heimgehen oder noch lange hier in der Fremde wallen. Du bist der Herr des Lebens und des Todes; im Leben und im Tode sei Gnade mit uns und Barmherzigkeit und Friede von Dir und von unserem Herrn Jesu Chrifto! Amen.

V.

(Familienvater; 52 Jahr alt.)

Meine leidtragenden Freunde! Es ist kein unerwartetes, aber es ist ein frühes Grab, an das uns der unerforschliche Wille des Herrn geführt hat; es ist kein jäher, aber es ist doch ein tiefeinschneidender Schlag, mit dem uns der Tod betroffen hat durch die Vernichtung dieses Lebens. Denn schon seit Jahren sahen wir, wenn auch unter wechselnden Erscheinungen, in ihm den Keim des Todes wachsen, bis er zulezt mit schnellen Schritten, die kein Mittel der Kunst, kein Opfer der Liebe mehr aufhalten konnte, zur Reife gedieh und den lezten Funken der Hoffnung in uns, wie in dem Kranken, zerstörte und doch muß es ihm, mußte es uns Allen schwer werden, den Gedanken an diesen traurigen Ausgang festzuhalten und stille zu stehn dem Herrn in dieser herben, schweren Prüfung.

In der Hälfte der Tage aus einem Leben zu scheiden, an das ihn ein froher Sinn, eine natürliche heitere Laune mit doppelt starken Banden knüpfte; aus einem Leben, das sich für ihn nach einer unter drückenden Verhältnissen verlebten Jugend immer sorgenfreier und glücklicher gestaltete; aus einem Wirkungskreise, in welchem er in gesunden Tagen mit Liebe und Geschick sich bewegte; zu scheiden aus einem Familienkreise, an dem er mit ganzer Seele hing, von einer Gattin, deren Liebe und deren Werth er ganz zu schäßen wußte, von Kindern, die er mit wahrer Zärtlichkeit liebte und die seines Wirkens und seiner Leitung noch so sehr bedurften; von so vielen Freunden zu scheiden, die er durch

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seinen gemüthlichen, erheiternden Umgang, und durch seine uneigennüßige Gefälligkeit und Dienstfertigkeit sich gewonnen hatte wie hätte nicht seine Seele voll Trauerns werden sollen, je unabweislicher sich ihm der Gedanke aufdrängte, von all diesem, was ihm theuer war, sich trennen zu müssen; wie hätte er nicht neben allen düsteren Ahnungen gerne die Hoffnung in sich nähren sollen, daß der Gott, der überschwenglich thun kann über all unser Bitten und Verstehen, sein Leben durch alle Gefahren hindurch noch länger fristen werde? Und mit ihm mußten besonders auch die Seinigen, die mit der innigsten Dankbarkeit und Liebe ihm zu= gethan waren, die, je drohender die Gefahr wurde, desto schmerzlicher empfanden, was sie an diesem treuen Vaterherzen hatten und desto ängstlicher ihn umfaßten, sie mußten, als keine Hilfe mehr auf Erden war, ihre Hände zum Himmel ausstrecken: „Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an uns vorüber!"

Doch unsere Gedanken waren nicht des Herrn Gedanken und mit dem zunehmenden Leiden des geliebten Gatten und Vaters mußte auch in ihren Herzen das Wort der Ergebung reifen, „Vater, nicht mein, sondern Dein Wille geschehe." Aber, wenn ihr nun, theure Leidtragende, im Angesichte dieses großen VerLustes fraget, wie David im 39. Psalm: „Weß sollen wir uns trösten?" so lernet auch mit David antworten: „Wir hoffen auf den Herrn." Wir hoffen auf den treuen Gott, der sich selbst in seinem Worte den Vater der Waisen und den Richter der Wittwen nennt. Was schon Unzählige erfahren haben, das werdet auch ihr erfahren: „Gott legt eine Last auf, aber er hilft sie auch tragen." Gerade da, wo wir nicht wissen, wo sich die Wege endigen, auf welche das Auge so sorgenvoll hinblickt, sollen wir als Kinder seiner Verheißung unsre Hoffnung auf ihn seßen, der die Liebe ist im Geben und im Nehmen, dessen Thun lauter Segen, dessen Gang lauter Licht ist, auch wenn seine Wege noch so dunkel wären; wir sollen ausharren in Geduld, wenn seine erziehende Gnade, wie sie durch das Feuer der Trübsal unsere Vollendeten Dietsch, Grabreden.

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