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LIV.

(Gattin eines Beamten; 79 Jahr alt; seit 15 Jahren blind.)

Der Mensch lebet eine kurze Zeit und ist voll Unruhe; immer wieget und wäget sich unser Herz mit der Hoffnung, hier schon auf Erden einen ganz sicheren Hafen der Ruhe, hier schon eine Zeit vollkommenen Friedens, einen stillen, heiteren Feierabend nach des Tages Last und Hiße zu finden. Wir mühen uns ab Jahr aus, Jahr ein; wir lassen uns die größten Anstren= gungen und Entbehrungen gefallen, wir wagen und opfern Alles und lassen uns durch keine Gefahr und durch keinen Kampf entmuthigen in der Hoffnung auf die Zukunft, wo wir die Früchte unserer Selbstverleugnung, unserer Arbeit und Aussaat genießen und die zu schwer gewordene Last auf kräftigere Schultern, in jüngere Hände übertragen dürfen. Aber selten nur wird einem Menschen auf Erden ein solch friedlicher, glücklicher Abend zu Theil. Mitten aus dem Leben werden Viele abgerufen, lange bevor sie ausführen konnten, was sie sich vorgenommen, lange bevor das Feld für sie reif zur Erndte geworden ist; und für Diejenigen, welche bis zu den höchsten Stationen des Lebens fortschreiten, bringt auch die sinkende Sonne noch Ungewitter, noch dunkle und schreckensvolle Stunden; ja der Herr geht oft noch in der lezten Stunde aus, um dem Müden von des Tages Arbeit noch eine Last aufzulegen und seine lezte Kraft von dem nagenden Kummer oder von dem Schmerze der Krankheit verzehren zu lassen. erfüllt sich das Sprüchwort: Ist vorbei die Noth, dann kommt der Tod, und das Schriftwort: es ist ein elend,

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So

jämmerlich Ding um aller Menschen Leben; da ist immer Sorge, Furcht, Hoffnung und zuleßt der Tod. Aber dem Volke Gottes ist seine Ruhe dennoch bereitet; die Hoffnung, welche die Kraft und der Troft der Kinder Gottes ist, wird dennoch nicht zu Schanden. Auf dem Boden der Erde haftet ihr Anker nicht, er reicht hinüber auf das jenseitige Ufer; dort fasset er festen und sicheren Grund; und dieser Anker ist der Glaube, daß uns eine Friedensstätte gesichert ist droben im ewigen Reiche durch den Fürsten des Lebens, unseren Heiland Jesum Christum, welcher für uns gestorben ist und ewig für uns lebet, und auch für uns Leben und unvergängliches Wesen an das Licht gebracht hat. Dieser Glaube ist der freundliche Engel, der dem Christen in den härtesten Prüfungen, in den heißesten Kämpfen, wenn Alles ihn verläßt und alle irdischen Sterne für ihn erbleichen, tröstend und aufrichtend zur Seite steht, der ihn nicht verzagen läßt in der Todesnoth, und ihm einen Vorschmack der ewigen, vollkommenen, himmlischen Ruhe gibt. Zu dieser süßen Ruhe der Kinder Gottes hat der gnädige Gott und Vater auch die Seele eingeführt, deren sterbliche Hülle wir jezt hier zur Erde bestatten. Lang war ihr Lebenstag, aber ihre Zeit in Unruhe. Treu hat sie das Werk, das der Vater ihr gegeben hatte, ausgerichtet und mit ächt christlicher Geduld hat sie das Kreuz getragen, das ihr auferlegt war; und wenn sie auch in den lezten Zeiten zuweilen mit Hiob seufzte: „So läge ich doch nur, und läge stille, schlief und hätte Ruh!" so faßte sie doch alsbald wieder die Vaterhand ihres Gottes in dem Gebete: „Herr, wie Du willst, nicht wie ich will!" Nun aber ist dieser ihr Wunsch erfüllt; all' ihre Last ist ihr abgenommen und sie schläft im Frieden. Die Nacht, welche schon seit Jahren so schwer auf ihr lag und sie von dem Licht und der Lust des Tages schied, ist nun verschwunden und ein ewiger durch das reinste Himmelslicht verklärter Morgen ist für sie angebrochen; die bangen Seufzer, die in der langen Nacht aus ihrer Brust emporstiegen und die ihren Angehörigen wie ein

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Schwerdt durch die Brust drangen, sie haben sich nun in die frohesten Lobgefänge verwandelt. Für uns wohl wird die Trennung von Denen schwer und schmerzlich, die wir mit den heiligsten und theuersten Namen nannten, mit denen wir Hand in Hand unsern Pilgerpfad so manches Jahr gingen und die uns durch ihre Liebe alle Freuden erhöhten und alle Leiden versüßten. Aber bei dem Aufblick zu jenen seligen Höhen, wo sie, die überwunden haben, nun bei Gott sind, wo sie uns erwarten und einst mit verklärter Liebe willkommen heißen werden, besänftigt und mildert diesen Schmerz. Wer beim Hingang der Seinigen in die andere Welt sich vorwerfen muß, daß er Vieles an ihnen gesündigt und versäumt habe, der muß an ihrem Grabe mit dem vergeblichen Wunsche stehen, daß es ihm doch möglich wäre, die Vollendeten zurückzurufen, um das Unrecht ihnen abzubitten und wieder gut zu machen; und dieser vergebliche Wunsch ist schon ein Gericht. Aber ein Gatte, der nahezu 50 Jahre in nie gestörter Treue und Eintracht mit der Gefährtin und Freundin seines Lebens gegangen ist und stets Liebe um Liebe mit ihr getauscht hat, der ihr steter Führer und Begleiter, ihr Auge und ihre Stüße war in den Tagen der leiblichen Gebrechlichkeit, der tritt auch an ihr Grab mit dem Bewußtsein und mit der Zuversicht: Gehe hin, du treues Herz, und nimm aus der Hand Gottes, deines ewigen Erbarmers, den Lohn für Alles, was du an mir und meinen Kindern gethan; auch mich wird der treue Versorger im Himmel nicht verlassen und versäumen; er wird mir mein Licht und meine Hilfe sein jezt, wo der Tag sich geneiget hat, wie er mich und die Meinigen bis hieher gebracht und getragen hat. Es ist ein blutiger tiefer Riß in dem Herzen der Kinder, wenn eine Mutter für sie aufgehört hat, zu sein, die ihre Liebe allezeit mit tausend schweren Opfern der Selbstverleugnung und der sauersten Mühe bewährt und lieber sich das Aeußerste versagt hat, ehe sie den Ihrigen hätte eine Entbehrung oder eine Noth nahe kommen lassen; aber es ist auch ein heilender Balsam für diese Wunde das Bewußtsein,

mit ganzem Herzen einer solchen guten Mutter angehangen, mit allen unseren Kräften ihr gedient, mit unermüdlicher Liebe sie getragen, gepflegt und erquickt zu haben an Leib und Seele, bis der Herr sie zu sich genommen und sie wieder gesund und sehend und froh und frisch gemacht hat an dem Brunnen des ewigen Lebens. Zu ihm wollen auch wir jezt mit unserer Trauer kommen und beten :

Herr Jesu, der Du gesprochen hast: „Kommet her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken, nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir, denn ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen", wir kommen im Vertrauen auf dieses Dein Wort zu Dir mit unserem Schmerze. Hilf uns tragen die Last, die uns drückt und erquicke unsere Seele mit Deinem göttlichen Troste, mit der Aussicht auf die Pforten des Himmels, die Du uns aufgethan haft mit Deiner allmächtigen Hand. Du allein kannst alle Thrä⚫ nen trocknen, alles Verlorne wiedergeben; Du allein lebest, ob auch Alles stirbt; Du allein wachest, wenn auch Alles schläft im Grabe auf Dich trauen wir; auf Dich werfen wir alle unsere Sorge; Du wirst auch unser Helfer und Hirte sein in diesem Jammerthal, his Du uns hinzuthust zu Deiner himmlischen Heerde und weidest auf den ewig grünen Auen und wir in Dir seliges Leben und volle Genüge haben ewiglich. Amen.

LV.

(Schwester; 42 Jahr alt. Der hinterbliebenen Schwester waren Eltern und sämmtliche Geschwister im Tode vorangegangen.)

Die Erlösten des Herrn werden wieder kommen und gen Zion kommen mit Jauchzen. Ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen und Schmerz und Seufzen wird weg müssen. Wir haben für das tiefe Leid, mit dem ein von allen seinen Lieben und Nächsten verlassenes Menschenkind diesen Todtengarten betritt, für das Schmerzensgefühl, mit dem es hier die Schlafstätten Derer anschaut, die einst seines Lebens Leben und Freude gewesen und nun von ihm hinweggegangen sind auf Nimmerwiederkehren, die ihm nichts zurückgelassen haben als die wehmüthige Erinnerung an vergangene glückliche Tage, an einen innigen Verkehr mit bewährten und gleichgestimmten Seelen, nichts zurückgelassen haben, als das Gefühl des Verwaistseins, wir haben für solches Wehe des Menschenherzens keine andere Salbe, kein anderes Heilmittel, als das, welches der Herr selbst darbietet mit derselben Hand, mit welcher er geschlagen hat, nämlich sein gnadenreiches Trost zusprechendes Wort: auch die Erlösten des Herrn werden wieder kommen und gen Zion kommen mit Jauch zen. Mit diesem Zurufe sagt uns der Herr, daß der Tod für uns erlöste Christen ein Wiederkommen ist, eine Rückkehr in die himmlische Gottesstadt, in das himmlische Paradies,

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