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III.

Ueber das Verhältniß des Christen zu seiner Obrigkeit. +)

Es ist eine sehr weit verbreitete Meinung, daß es viele Zweige des menschlichen Handelns gebe, auf welche die Frömmigkeit keinen bedeutenden Einfluß hat. Ob einer sich auszeichne oder nicht in allerlei Erkenntniß und Kunst, ob einer eingeweiht sei oder nicht in die Feinheiten und anmuthigen Fertigkeiten des geselligen Le= bens, das, meint man, hånge von Eigenschaften ab, welche eben sowol bei dem sich finden können, der sein Herz den Regungen der Frömmigkeit verschließt, als der es ihnen geöfnet hat. Ja Viele denken gewiß hinzu, und glauben etwas eben so richtiges und noch allgemeineres zu sagen, auch ob einer dem Volk, dem er angehört, dem Vaterlande, das ihn genährt hat, wesentliche Dienste leisten könne oder nicht, damit sei es derselbe Fall. Und bestätiget scheint dies zu werden durch zwiefache Beispiele, von solchen einerseits, welche unlåugbar außerordentliche Talente in Thätigkeit gesezt und bewundernswürdige Handlungen verrichtet haben im Dienst des ges meinen Wesens, von nichts weniger als dem Geist der Frömmigkeit dabei getrieben, von solchen andrerseits, welche, indem sie ihr ganzes Leben der Frömmigkeit widmen, wenig darum bekümmert

t) Diese Predigt erschien (im Verlage der Realschulbuchhandlung zu Ber lin) mit folgender auf die Einführung der Städte-Ordnung bezüglichen Borerinnerung:

Alle religiösen Feste haben ihre Vorbereitungen, längere oder kürzere; und so sellte auch von Seiten der christlichen Lehrvorträge die große bürgerliche Feier, der wir entgegenschn, sie ebenfalls haben. Sauber und reinlich wollen Feste begangen sein, aller Staub und Unrath werde vorher sorgfältig herausgethan aus dem Heiligthume. In dieser Hinsicht habe ich es nüzlich gehalten der folgenden Predigt eine größere Anzahl von Theilnehmern zu verschaffen, als sie haben konnte, da sie gesprochen ward, und gebe sie hier so tren, als es mir möglich war, wieder.

Berlin den 22. Januar 1809.

erscheinen, wie es um sie her zugehe in weltlichen Dingen, und in welchem Maaß ihr eignes Leben thåtig hineingreife. Aber daß es sich hiemit nur nicht ganz anders verhalte, als diese Beispiele auszusagen scheinen! daß nur nicht jene außerordentlichen Gaben sehr zweideutig sind, und unter andern persönlichen Verhältnissen sich eben so leicht hätten zum Verderben des gemeinen Wesens geschäftig gezeigt! daß vorzüglich nur das nicht eine sehr unvollkommene Frömmigkeit ist, welche sich so zurükzieht von dem, was allen Menschen werth sein soll und heilig! So müssen wir wenigstens glauben, die wir uns Christen nennen. Denn für uns muß immer gültig bleiben der alte Wahlspruch, daß die Gottseligkeit zu allen Dingen nuz ist, und daß sie allein die Verheißung hat des zeitlichen und des ewigen Lebens. Und gewiß wird auch sie vorzüglich der Boden sein, auf welchem ächte Treue, wahrer Gehorsam und jede allgemeine Bürgertugend vorzüglich oder wol gar allein mit Sicherheit empor wachsen kann, welches eben in dieser Stunde der Andacht der Gegenstand sein soll für unsre vereinigte Aufmerksamkeit.

Text. Römer 13, 1-5.

Jedermann sei unterthan der Obrigkeit die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott geordnet. Wer sich nun wider die Obrigkeit sezet, der widerstrebet Gottes Ordnung. Die aber widerstreben, werden über sich ein Urtheil empfangen. Denn die Gewaltigen sind nicht den guten Werken, sondern den bösen zu fürchten. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so thue Gutes, so wirst du Lob von derselbigen haben. Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zu gut. Thust du aber bōses, so fürchte dich. Denn sie trågt das Schwerdt nicht umDienerin, eine Råcherin zur Strafe über den der böses thut. So ist nun nothwendig, daß ihr nicht als lein um der Strafe willen unterthan seid *), sondern auch um des Gewissens willen.

sonst; sie ist Gottes

Wohl uns, meine Freunde, und wir wollen Gott dafür danken, daß wir nicht unter diejenigen gehören, denen gleich bei den ersten unter den gelesenen Schriftworten einfallen kann, das ist eine

*) So ist unstreitig hier Luthers Uebersezung zu berichtigen.

harte Rebe, wer mag fie fassen. Denn freilich, wo ein Volt sich beuget unter einer nur durch die Macht der Waffen oder durch die Gewalt gebietender Umstände oder durch inneren Frevel aufgedrungenen Obrigkeit, vielleicht gar von fremdem Stamm und Geschlecht, die also auch nicht einerlei Sinn und Maaß und Einsicht haben. kann mit ihrem Volke, da mag wohl mancher denken, daß freilich auch diese Obrigkeit von Gott geordnet ist wie alles, aber ob sie nicht vielleicht nur so geordnet sei, wie er auch schwere Uebel und Strafen verhängt über die Völker, unter denen sie sich zwar beu gen und zur Erkenntniß ihrer Sünden gelangen, deren Dauer fie aber auch suchen sollen durch Anstrengung aller ihrer Kräfte zu verkürzen? Wohl uns, sage ich, daß wir nicht nöthig haben solche Fragen zu beantworten, und solche Zweifel über die Worte der Schrift uns aufzulösen! Das Glük ist uns geworden, und wir dürfen sagen in vieler Hinsicht über unser Verdienst und Würdigkeit ist es uns geworden, in dieser schweren gefahrvollen Zeit ange= hörig zu bleiben einer Obrigkeit die offenbar nach dem überall wal. tenden göttlichen Gesez uns geordnet ist aus einem heimischen lange geehrten seit Jahrhunderten schon durch ein gegenseitiges Band treuer Liebe mit den Völkern dieses Landes verbundenen Geschlecht, das uns oft glänzende und herrlich ausgestattete, größtentheils milde und weise, immer wohlmeinende und gerechte Herrscher gegeben hat. Wohlan denn, so laßt uns der theuern göttlichen Gabe uns werth machen, laßt uns immer in dem richtigen, des Christen al: lein würdigen Verhältniß zu unserer Obrigkeit leben. Indem ich euch dieses darzustellen suche, halte ich mich vorzüglich an die lezten unter den verlesenen Schriftworten, in denen der Apostel selbst alles vorher gesagte zusammenfaßt, und zeige aus densel ben Erstlich, Wie ganz unanständig es dem Christen ist, um der Strafe willen unterthan zu sein, und Zweitens, Wie es ihm natürlich und nothwendig ist, sich um des Gewissens willen zu unterwerfen.

I. Nur um der Strafe willen unterthan sein, ist des Frommen ganzlich unwürdig, zunächst schon darum, weil sich kein an= derer Bewegungsgrund dazu denken läßt, als die Furcht. Denn um der Strafe willen sich unterwerfen, das heißt ja nur die Uebel vermeiden wollen, welche dem offenbar werdenden Ungehorsam gesezt sind; und wer allein um der Strafe willen sich unterwirft, der würde sich nicht unterwerfen, wenn jene Uebel nicht wåren. Er thut also eigentlich was er nicht will; und wer nur um ein

Uebel zu vermeiden thut was er nicht will, und unterlåßt was er gern thate, der handelt, so sagen wir alle, aus Furcht. So wie nun die heftigen Leidenschaften das betäubende schnell tödtende Gift sind für alles bessere und höhere, so ist die Furcht das langsam aufreibende, entkräftende, abzehrende; und der Fromme kann unmöglich der Furcht in sich einen solchen Raum lassen, weil die Frömmigkeit selbst dabei nicht bestehen kann.

Denn das Wesen der Frömmigkeit ist Selbstständigkeit und fester Muth. Gott nemlich mehr gehorchen als sich jemals von Menschen überreden lassen, dem einmal erkannten Gottes Willen treu bleiben gegen alle Lokkungen und troz aller Gefahren, unausgesezt dem Guten nachstreben, was auch dort unangenehmes schrekke und drohe, das liegt ihm ob, dazu muß er sich auf alle Weise tüchtig zu erhalten suchen. Wer sich nun einen solchen Lebensweg vorgezeichnet hat, wie sollte es dem doch möglich sein, auf einem so großen und wichtigen Gebiete, wie unsere bürgerlichen Verhältnisse und Ordnungen umfassen, in einem ganz andern Sinne zu handeln, nur da nicht danach zu streben daß er sich eine Ueberzeu= gung des rechten erwerbe, der er dann unverhalten folgen könne, daß ein Gefühl der Lust und Liebe sich in ihm entwikle, von dem er sich dann leiten lasse, sondern hier immer nur auf die Uebel zu sehn, die ihm vorgehalten werden, und sein Thun danach abzumesfen wie er sie vermeide auf die leichteste Weise und um den ge= ringsten Preis? Und wenn es ihm möglich wäre, wie sollte es wol geschehen können, ohne daß er Schaden litte an der Gesinnung felbst? Wer in einem solchen Umfang die Gewöhnung annimmt, nur den Uebeln der Strafe entgehen zu wollen, der wird sich ge= wiß auch im allgemeinen gewöhnen allmåhlig die Uebel überhaupt zu scheuen; wer da gelernt hat von dem Geist der Geseze abzudingen und nur dem Buchstaben Genugthuung zu bieten, der wird nur zu leicht auch anderswo, denn voll ist von solcher Art Tåuschungen das menschliche Herz und betrügt immerfort sich selbst, zumal wenn etwas in Gefahr kommt, woran es besonders hångt, denselben gefährlichen Handel, vielleicht ohne es sich selbst bewußt zu sein, auch mit den Gesezen treiben wollen, die ihm sein eignes Gewissen vorschreibt. Und wo bleibt dann jene tapfere Gesinnung, jene muthige Selbstständigkeit, wenn der Mensch sich so verwikeln läßt in die Neze der Welt?

Das Wesen der Frömmigkeit, wie wir wissen, ist ferner auch Liebe, und wie von dieser gesagt wird, daß sie, wo sie vollkommen

geworden ist, die Furcht austreibt, so ist es auch wiederum nicht möglich, daß sie selbst irgend bestehe und gedeihe, wo die Furcht auf einem so großen Gebiete mächtig ist, und so viele Handlungen des Menschen beherrscht. Betrachtet auch nur diejenigen, die nur aus Furcht um der Strafe willen, den Ordnungen des Volkes unterthan sind, dem sie angehören. Läßt sich wol schon eben dieses denken, ohne einen Mangel an Liebe, in welchem der Fromme sich unmöglich gefallen kann? Wie? was mit der Glükseligkeit so Vieler aufs innigste verbunden ist, so daß es sie gewiß auf das herrlichste fördert, wenn es gut eingerichtet ist, aber eben so gewiß auch fie auf das frånkendste hemmt und auf das gewaltsamste stört, wenn schlecht, das sollte ihn nicht anders bewegen, als nur in so fern es dem innern Feinde des allgemeinen Wohls dem frevents lichen Uebertreter mit Strafen droht? Und wenn ihr sie genauer versucht, werdet ihr sie auch nicht anders finden. Lieblose Menschen sind es größtentheils, gleichgültig gegen alles, was nicht unmittelbar entweder in den Kreis ihres persönlichen Daseins eins greift, oder für irgend eine besondere Luft oder Neigung, der sie sich hingegeben haben, einen Werth hat, von allem edleren und größeren geschieden, und nur beschränkt auf die gemeinsten Dinge. Und wenn es bessere unter ihnen giebt, wie man allerdings sagen kann, die nur durch Irrthum auf irgend einer Seite, um einer ab weichenden Ueberzeugung willen, sich ausgeschlossen haben von der innigsten Theilnahme an den allgemeinen Angelegenheiten, und sich nun genöthiget glauben, mit aller Liebe die ihnen einwohnt, sich zurükzuziehen auf das engere, in sich abgeschlossene Gebiet des häuslichen Lebens; bestätigen nicht auch diese das eben gesagte? Wer erkennt nicht den Werth der häuslichen Verbindungen? wer weiß es nicht, wieviel sie dem Herzen sind? Aber laßt uns auch gestehen, sie sollen den nicht ganz für sich nehmen, nicht ganz sein Leben ausfüllen, der in sich Kraft fühlt und Beruf zu einer ausgebreiteten Wirksamkeit, und die muß jeder fühlen, der auch nur denken kann den Gedanken Vaterland. Wird nun die auf das größere angewiesene Liebe gewaltsam zusammengedrångt in einen engern Raum, ermangelt fie der gesunden und natürlichen Nahrung, nemlich einer frischen, nach vielen Seiten gerichteten Thätig= keit, wird vielmehr von diesem größeren Gebiete aus, das Gemüth nur durch Furcht zurükhaltend bewegt, so muß sie krånkeln. Um nun sich selbst zu genießen, nåhrt sie sich größtentheils von künstPredigten IV.

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