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Aber trotz der Unsicherheit, in die uns der Mangel der musikalischen Überlieferung versetzt, wird man doch annehmen können, dass, wenn bei Dichtern, die nachweislich auf einander gewirkt haben, dieselbe Strophenform begegnet, auch dieselbe Weise von ihnen benutzt war, und ebenso, dafs, wenn Töne desselben oder verschiedener Dichter nur unerheblich von einander abweichen, auch die Melodien nur wenig verschieden waren. Walther stimmt in seinem Liede 91, 17 mit Reinmar 177, 10; in 113, 31 mit Reinmar 182, 37 überein; Walther 71, 19 unterscheidet sich von Reinmar 153, 5 nur durch eine Hebung in der fünften Zeile, Walther 49, 25 von Hartmann 211, 20, Engelhart von Adelnbure 148, 25, Reinmar 191, 34 nur durch den Mangel eines regelmäfsigen Einschnittes in der letzten Zeile.1 Die Strophenformen von 39, 1 und 51, 13 finden sich auch in den Carmina Burana, und das erste dieser beiden Lieder ist dem lateinischen wahrscheinlich nachgebildet. Von den Tönen unseres Dichters selbst sind 45, 37 und 46, 42; 69, 1 und 70, 1; 91, 17 und 113, 31; 116, 33 und 117, 8 nur in einer Zeile und in ihr nur um eine Hebung verschieden; 117, 29 und 118, 12 nur durch die Cäsur in der ersten Zeile des Abgesanges verschieden, 16, 36 und 18, 1 durch zwei Hebungen in der zehnten Zeile (vgl. auch die Anm. zu 18, 1); sie werden auch in der Weise ähnlich gewesen sein.

b. Bau der Strophe.

Die meisten Strophenformen Walthers 2 sind dreiteilig (83) gegen 15). Die Stollen bestehen gewöhnlich (in 61 Tönen) aus je zwei Reimzeilen. Stollen aus drei Reimzeilen kommen 18 mal vor (darunter die Strophe mit Schlagreimen), aus vier Reimzeilen dreimal, einmal (101, 23) gar aus fünfen. In den zweizeiligen Stollen ist die Reimstellung regelmässig ab ab, in den mehrzeiligen kann sich eine gröfsere Mannigfaltigkeit entfalten (abc abc, aab ccb; abcd abcd, aabc ddbe, aaab cccb; abcde abcde); die Grundanlage bleibt dieselbe.

Die Reimstellung des Abgesanges gestattet gröfseren Wechsel; am häufigsten ist die Form ab ba (19 mal), dann die Formen aa

203, 10. Dietmar von Eist 36, 16, Heinrich von Veldeke 65, 13. 67, 9 und Heinrich von Rugge 103, 3; Rudolf von Fenis 81, 30, Bligger von Steinach 118, 19 und Hartwic von Rute 116, 1. Vgl. Grimm, Meistergesang S. 111 f. Wackernagel, Vorr. zu Walther S. XXVIII.

1) Lachmann zu 91, 17. Burdach S. 20 f.

2) Die Töne 36, 11-37, 23. 106, 17-108, 13. 122, 24 sind als unecht nicht mit gerechnet.

und aabb, je 13 mal.

Seltner findet man die korrespondierende

Reimstellung der Stollen, die bald den ganzen Abgesang beherrscht (ab ab 93, 20. abc abc *11, 6. *18, 29. aab ccb 95, 17. aaab cccb 16, 36. *103, 13. aaab cccb dddb *76, 22), bald nur einen Teil desselben (ab ab a *58, 21. aab ccb b *82, 11. aabc ddbc b *20, 16. ab ab cc *53, 25. aab ccb dd *105, 13. ab ab cc dd *47, 36. *92, 9. abcde abcde ff gg *47, 16. Die Töne, in welchen die durch den Reim gebundenen Verse auch gleiches Mafs haben, sind durch ein Sternchen bezeichnet, in ihnen wiederholt also der Abgesang das Verhältnis der beiden Stollen. Dreimal ist dieser Teil des Abgesanges den Stollen ganz gleich: 76, 22. 53, 25. 92, 9.

Der Abgesang hat gewöhnlich andere Reime als die Stollen;1 viermal nimmt seine erste Zeile einen Stollenreim auf: 13, 5. 120, 25. 114, 23. 85, 25; ebenso oft schliefst er mit demselben Reim wie die Stollen: 101, 23. 112, 3. 116, 33. 117, 8, aber nur in einem Tone wird, nach romanischer Weise, im Abgesang gar kein neuer Reim hinzugefügt: 118, 24.

Den dreiteiligen Tönen ist vermutlich noch das Vokalspiel 75, 25 hinzuzurechnen; zwar geben hier der Reim und das Mass der Verse keine Auskunft, denn in beiden fehlt der Wechsel, aber das regelmäfsige Fehlen des Auftaktes in der fünften Zeile läfst schliefsen, dafs hier der Abgesang beginnt. Aus zwei gleichen, aber in den Reimen nicht korrespondierenden Hälften, besteht die Strophe des Tageliedes 88, 9; zweiteilig ist auch das Palindrom 87, 1; in den Spruchtönen 8, 4. 10, 1. 26, 3. 31, 13. 37, 24. 37, 34. 78, 24. 124, 1 und in den Liedern 39, 1. 44, 35. 66, 21. 94, 11 ist eine regelmässige Gliederung nicht oder nicht mit Sicherheit zu erkennen. Wiederholungen musikalischer Sätze werden auch in ihrem Vortrage statt gefunden haben, aber es ist ergebnislos, darüber zu reflektieren.2 Am wenigsten gegliedert erscheinen die Sprüche: Ich saz ûf eime steine und die Elegie 124, 1; nur

1) Burdach S. 20. 121.

2) In dem Tone 26, 3 bezeichnet die Colmarer Hs. Strophenteile hinter v. und v. 7. Dieser Gliederung entsprechen die Sinnesabschnitte in den meisten der unter Walthers Namen überlieferten Strophen; jedoch fehlt der Abschnitt in Str. 27, 17 hinter v. 7, in Str. 30, 29 und 31, 3 hinter v. 3 und v. 7; auch in Str. 29, 35 fällt der Abschnitt nicht hinter v. 7 sondern hinter v. 8. Die Echtheit dieser vier Strophen ist nicht unbestritten.

die letzte Zeile bezeichnet in beiden Tönen durch eine eigentümliche Form den Abschlufs.

Es liegt nicht fern, die gröfsere Ungebundenheit in der Strophenform als etwas Altertümliches anzusehen; jedoch ist dies, wenigstens innerhalb der Kunstübung Walthers, nicht der Fall. Grade die Lieder, die wir für die ältesten halten müssen, haben sämmtlich dreiteilige Strophen; die abweichenden und freieren Bewegungen gehören der späteren Zeit an. Über den Leich s. die Anm. zum Text.

C. Strophenzahl.

Die Zahl der Strophen, die Walther nach demselben Schema gedichtet hat, ist sehr verschieden; für manches haben wir nur eine einzelne Strophe, in andern Tönen steigt die Strophenzahl auf 17, 18 und 19, und würde vermutlich noch höher kommen,

unsere Überlieferung vollständiger wäre. Diese häufige Wiederholung derselben Weise findet aber nur in Spruchtönen statt, von denen Walther nachweislich bei verschiedenen Gelegenheiten Gebrauch machte, um neue Gedichte nach bekannten Weisen vorzutragen. Dafs er in gleicher Weise auch auf ältere Liedertöne zurückgegriffen habe, läfst sich kaum beweisen, und in manchen Fällen, wo wir früher glaubten dies annehmen zu müssen, war die Annahme jedenfalls irrig. Freilich stehen zuweilen einzelne Strophen mit andern desselben Tones nicht in unmittelbarem, engeren Zusammenhang, aber sie können doch zugleich mit diesen entstanden und vorgetragen sein. Der Fall, dafs zwei selbständige in sich abgeschlossene Lieder nach derselben Weise gehen, begegnet nur einmal: 63, 8 und 112, 17, vorausgesetzt, dafs das zweite echt ist.1

Die Liedertöne Walthers erreichen höchstens die Zahl von sieben Strophen (im Tagelied 88, 9 und im Kreuzlied 14, 38), gewöhnlich halten sie sich in dem Umfang von 3-5 Strophen.

1) Das Umgekehrte, dafs Strophen, die durch ihren Inhalt eng zusammenhängen, in ihrer Form verschieden sind, kommt bei Walther nicht vor; er hat die ältere Art, Strophen von verschiedener Länge und Form zu einem Liede zu verbinden, oder mit andern Worten dieselbe Weise im Zusammenhang eines Liedes nach Bedürfnis zu variieren, aufgegeben; denn die kunstvolle Wiederholung des Abgesanges in der Str. 74, 10 ist etwas wesentlich anderes.

Wo sechs Strophen derselben Weise folgen, gruppieren sie sich in zwei Abteilungen (58, 21. 51, 13), oder einzelne stellen sich als Anhänge dar (56, 14. 54, 37. 87, 1). Die Dreizahl kehrt auch in der Spruchpoesie öfters wieder; die Töne 8, 4. 101, 23. 103, 13. 105, 13 bieten je drei durch ihren Inhalt zusammengehörige, wenn gleich in einem Falle wenigstens nicht gleichzeitige Sprüche; der Ton 11, 6 besteht aus zweimal drei zusammengehörigen Sprüchen. Dagegen ist die Fünfzahl in den Tönen. 16, 36 und 18, 29 nur Zufall oder höchstens das Werk der Sammler.

5. Reim und Reimkünste.

Den Reim behandelt Walther mit grofser Sorgfalt. Wenn wir an einigen wenigen Stellen Wortformen im Reime finden, welche von der Richtschnur streng grammatischer Sprachentwickelung abweichen, so dürfen diese nicht als Ungenauigkeiten in der Reimbildung angesehen werden. Der Gleichklang ist überall vollkommen, höchstens leise Nuancen in der Qualität oder Quantität einiger Laute darf zugegeben werden (oben S. 42 f.).

Die Reime sind entweder stumpf oder klingend; zweisilbige Wörter mit kurzer Stammsilbe gelten als stumpfe Reime, aber nicht dreisilbige mit kurzer Stammsilbe als klingende, ausgenommen der Binnenreim gebenne : lebenne 93, 20 (s. S. 25); Wörter, deren metrischer Wert irgendwie zweifelhaft sein konnte, sind vom Reim ausgeschlossen.

Rührende Reime gestattet sich Walther wie andere gute Dichter mit der Einschränkung, dafs die Reimwörter durch ihre Bedeutung oder durch Vorsilben geschieden sind: tæte (3 P. Sg.): tæte (Dat.) 30, 10. wint (Acc. Sg.): erwint (Imp.) 10, 11. entwert gewert 20, 28. leit: herzeleit 24, 15; alles in Sprüchen.1 Sich suchende Silben statt des Reimes hat er einmal im Binnenreime iedoch frô hienoch sô 98, 6.

:

1) Einen fehlerhaften rührenden Reim nimmt Paul (PBb. 2, 551) in der Strophe 55, 35 an: Frô Sælde teilet umbe sich und kêret mir den rücke zuo. ja enkan si niht erbarmen sich. Das Schwanken der Überlieferung ist allerdings verdächtig, und der Einfall, sich im ersten Verse als Imperativ von sehen zu nehmen (vgl. 37, 24), empfiehlt sich wenig.

Doppelreim ist einmal angewandt: heizet diu sô swachet : reizet unde machet 47, 5,1 Schlagreime 2 in der darauf folgenden Strophe 47, 16, der künstlichsten, die der Dichter gebildet hat. Pausen, 3 d. h. Reimbindung zwischen dem ersten und letzten Wort eines oder mehrerer Verse, finden sich in den Tönen 62, 6. 66, 21 (s. Lachm. zu 111, 32); Körner d. h. Reimbindung zwischen Versen verschiedener Strophen in den Liedern 110, 13 und 119, 17; zwei Verse als Kehrreim 110, 18, ein blofser schallnachahmender Refrain 39, 11.4

Stil.

Nicht weniger als durch die Mannigfaltigkeit des Stoffes zeichnet Walthers Kunst sich durch einen erfrischenden Wechsel der Stimmung aus. Freude und Schmerz, ruhiger Ernst, treffender Spott, sittliche Entrüstung, streitbare Kampflust, kecker Übermut, heiterer Scherz, frohes Behagen, Sehnsucht, Unwillen, Wehmut und Humor: alle Stimmen des menschlichen Herzens klingen uns aus seinem Liede entgegen, und so rein und lieblich, so kräftig und ergreifend, dafs man ihnen gern lauscht. Der Reichtum des Stoffes und die Mannigfaltigkeit der Auffassung beides zusammen kann man als den Inhalt des Kunstwerkes ansehen verbinden sich bei unserem Dichter mit einer Kunst der Darstellung, welche ihm, obschon er nicht überall auf derselben Höhe steht, unter allen Dichtern des Mittelalters den ersten Platz sichert.

Die Aufgabe des vortragenden Künstlers, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu fesseln und zu befriedigen, ist für den Sänger schwerer zu lösen, als für den Erzähler. Jedes einzelne Moment einer zusammenhangenden Begebenheit trägt den Keim der weiteren Entwickelung in sich und hält dadurch die Zuhörer in Spannung. Dieser natürlichen Hülfe entbehrt die lyrische Kunst, zumal die eng umgrenzte Lyrik der ritterlichen Sänger. Die Verbindung verschiedener Lieder zu einem Cyklus, der den Verlauf eines Liebesverhältnisses darstellt (Leb. S. 257 f.), ist etwas der

1) Andere Reimerweiterungen mögen zufällig sein; s. W. Grimm, über Frid. S. 378 f.

2) Bartsch, Germ. 12, 175 f.

3) Bartsch, Germ. 4, 185.

4) Eine solche jûwezunge (Wackernagel, Altfrz. Lieder und Leiche S. 203) hat von den älteren Minnesängern nur Dietmar von Aist 38, 32. Kehrreim: Friedrich von Hausen 49, 37. Heinrich von Veldeke 60, 13. Albrecht von Johansdorf 90, 17. H. v. Rugge 101, 15. H. v. Morungen 143, 29 (130, 31).

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