Ebenso beliebt ist die Verbindung antithetischer Sätze. Bald werden sie unmittelbar neben einander gerückt, bald durch Konjunktionen verbunden; Koordination und die gleichmässige Struktur der Teile unterstützen die Wirkung. Beispiele. a. Ohne Konjunktion. ich fröuwe iuch, ir beswæret mich 62, 31. wis dû von dan, lâ mich bî in 35, 26. dû bist kurzer, ich bin langer 51, 34. der ein ist arm, der ander rich 64, 1. er gît dem einen sin, dem andern den gewin, daz etc. 122, 9. dirre ist trûric, der ist frô; dirre ist sus und der ist sô 110, 30. mac hilfet wol, friunt verre baz 79, 24. an wîbe lobe stêt wol, daz man si heize schone; manne stêt ez übele 35, 27. ir müezet in die liute sehen, welt irs erkennen wol, nieman ûzen nach der varwe loben sol 35, 33. ê nú 34, 28. 25, 16. wîlent. nú 24, 36. hievor nû 23, 32. 24, 9. Nicht selten geht ein zusammenfassender Gedanke voran, der durch die Antithese erläutert wird: mîn frouwe ist zwir beslozzen . dort verklûset, hie verhêret 93, 32. solt ich pflegen der zweier slüzzel huote dort ir libes, hie ir tugent 93, 38. er [got] streich sô tiure varwe dar, sô reine rôt, sô reine wîz, dâ rœseleht dû liljenvar 53, 37. mînen willen gelte mir; sende mir ir guoten willen, mînen den habe iemer ir 99, 38. selbwahsen kint, dû bist ze krump.. dû bist dem besmen leider al ze grôz, den swerten al ze kleine 101, 26. Drei Sätze: der hôhe, der ist mir ze starc, der nider gar ze kranc, der mittel gar ze spæhe 84, 26. b. und. ir hat mich geschozzen und gât si genozzen, ir ist sanfte und ich ab ungesunt 40, 32. so ist mir wol und ist in iemer wê 63, 19. dô rieten die alten und taten die jungen 85, 30. si schadet ir vînden niht und tuot ir friunden wê 59, 25. daz tiuret iuch und müet die heiden sêre 12, 23. gelücke daz enhæret niht und selten ieman gerne siht 90, 19. ez tuot in den ougen wol, daz man si siht, und daz man ir vil tugende giht, daz tuot wol in den ôren 64, 27. er schadet dir hie und ist ein langer haz der sêle dort 37, 27. dîn sêle müeze wol gevarn und habe dîn zunge danc 83, 13. nû sehent, wie diu krône lige und wie diu kirche stê 83, 26. diu Werlt ist ûzen schane, wîz, grüene unde rôt, und innan swarzer varwe, vinster sam der tôt 124, 37. min wille ist guot und klage diu were 100, 22. des suln wir man iuch loben und die frouwen suln iuch triuten 28, 17. si ist den tôren in dem munde zam und in dem herzen wilde 102, 3. Minne, wunder kan dîn güete liebe machen und dîn twingen swenden froiden vil 109, 17. wie übel ich mich des schaden schame und in des lasters gan 31, 12. swer hiure schallet und ist hin ze jare base als é, des lop grüenet unde valwet sô der klê 35, 13. daz ir in richet und uns Tiutschen ermet unde pfendet 34, 15. daz ich den sumer luft und in dem winter hitze hân 28, 35. daz er an der sêle genas und ime der lip erstarp 19, 30. kum ich spât und rîte fruo 28, 8. ob du lebtes und ich wær erstorben 83, 3. geheize minner unde grüeze baz 80, 15. sô vare er balde und kome uns schiere 10, 20. er was ez ê und ist ez noch 35, 10. mirst liep daz die getrogenen wizzen waz si trüge, und alze lanc, dazs iemer rüemic man gesiht 66, 19. 37, 27. 66, 31. mir tuot einer slahte willen sanfte und ist mir doch darunder wê 113, 31. noch. sit iuch nieman siht, noch nieman hæret 79, 4. oder: daz ichz ie gesah ald ie sô vil ze ime gesprach 67, 34. daz gerte suone oder ez was betwungen 85, 25. ob ichz behalte oder ob ichz lâze 27, 13. aber. nû. ir name ist kunt, si selbst ist aber wilde 81,34. der nam ist grôz, der nuz ist aber in solher mâze 27,12. maneger trûret dem doch liep geschiht, ich hân ab iemer hôhen muot 41, 29. min wille ist guot, nû bin ich tump 43, 17. ich solte lieben dir, nú leide ich dir 24, 34. ich was vil nách ze nidere tôt, nû bin ich aber ze hôhe siech 47, 2. sô. des einen hât verdrozzen mich nû manege tage, sô gît mir daz ander senelichen sin 93, 33. wes stênt die hohen vor der kemenâten? sô suln die nidern umb daz rîche râten 83, 20. und swes si gern daz sol ich tuon, sô suln si mînen kumber klagen 72, 36. ein sælic wip, diu tuot des niht, diu merket guotes mannes site: sô ist ein tumbiu sô gewon, daz ir ein tumber folget mite 96, 24. friundin, dast ein süezez wort, doch sô tiuret frouwe 63, 24. Konditionales Satzgefüge: lob ich des libes minne, deis der sêle leit 67, 24. sol ich in ir dienste werden alt, die wîle junget si niht vil 73, 17. twinget si daz eine, so ist daz ander frî 94, 10. ist mir daz zorn, sô lachest dû 67, 15. hât der winter kurzen tac, sô hût er die langen naht 118, 5. swer dirre wünne volget, der hât jene dort verlorn 124, 33. swaz dû mir gist, daz nimest dû mir 67,9. sô ich ie mêre zühte hân, sô ich ie minre werdekeit bejage 91, 4. was mir leit, ich wurde frô 100, 4. und lache ungerne, sô man bî mir weinet 48, 2. Relative Satz verbindung: der mir ist liep, dem bin ich leit 64, 21. der mich des rîchen irre, der müeze sich des armen schamen 64, 1. da ich ie mit vorhten bat, dâ wil ich nû gebieten 32, 7. alle dies nû lobent .. die scheltent danne 73, 7. wol im ze hove, der heime rehte tuot 103, 12. und træstet si mich, diu mir leide tuot 117, 6. maneger trûret, dem doch liep geschikt 41, 29. daz ich die getiuret han und mit lobe gekrænet, diu mich wider hænet 40, 23. Andere Satz verbindungen: er liez sich hie verkoufen, daz wir eigen wurden frî 15, 15. ez tuot sô manigem wîbe wê, daz mir dâvon niht wol geschehe 70, 38. sol ich si darumbe tiuren, daz siz widerkêre an mîn unwerdekeit 69, 24. ich vant sô state fröide nie, sie wolte mich ê ich sî lân 95, 25. dû riuwes mich, michels harter dann ich dich 83, 2. Auch in diesen antithetischen Verbindungen wird die Wirkung oft durch die Wiederholung desselben Wortes oder Wort stammes unterstützt. a. Satzglieder. ir reinen wip, ir werden man 66, 21. ir werden man, ir reiniu wip 81, 16. er sælic man, si sælic wîp 95, 37. Von Rôme voget, von Pülle künec 28, 1. des aren tugent, des lewen kraft 12, 25. gelîche lanc, gelîche breit 7, 4. ir drîer stuol, ir drîer gruoz 102, 25. der edel künec, der milte künec 28, 34. sô reine rôt, sô reine wîz 53, 37. b. Sätze. a. Der Gegensatz wird auf verschiedene Subjekte bezogen: singt ir einz, er singet driu 18, 9. lob ich in, sô lobe er mich 105, 33. lob ich hie, sô lob er dort 53, 34. was mir lîhte leide, do was ime noch leider 32, 21. sô wol ir des, so wê mir wê 64, 30. ir habt die erde, er hât daz himelrîche 12, 8. waz der pfaffen were und waz ir lêre sî 34, 27. der ist eht maneger fröiden rîch, sô jenes fröide gar zegât 92, 37. er tuo durch einer willen sô, daz er den andern baz behage, sô tuot in ouch ein ander frô, ob im diu eine gar versage 93, 11. sun, diene manne bæstem, daz dir manne beste lône 26, 29. hie liez er sich reine toufen, daz der mensche reine sî 15, 13. daz si mir gît kumber unde hôhen muot, sô gîts einem rîchen man ungemüete 43, 2. swâ der hôhe nider gât und ouch der nider an hôhen rât gezucket wirt 83, 14. daz ich dir an dîn gemach gewünschet hân und dû mir an mîn ungemach 35, 34. ichn weiz, wie dîn wille stê wider mich; der mîn ist guot wider dich 60, 21. belîbe er dort, des got niht gebe, sô lachet ir; kome er uns friunden wider heim, sô lachen wir 29, 22. nu enwirt mirs niht, ez wirt iu gar 66, 30. und nimt dir, swazt uns hast benomen 67, 18. die nôt bedenket milter künec, daz iuwer nôt zergê 28, 10. si habe den willen den si habe, mîn wille ist guot 100, 20. sît willekomen, her wirt .. sit willekomen, her gast 31, 23. ß. Der Gegensatz wird auf dasselbe Subjekt bezogen: wirbe ich nidere, wirbe ich hôhe 47, 1. si heizen wîp, si heizen man 73, 24. ez sî ein sie, ez sî ein er 96, 21. nun hân ich vriunt, nun hân ich rất 55,5. son kan ich nein, son kan ich jâ 42, 6, sît hienaht hie, sît morgen dort 31, 29. si swuoren hie, si swuoren dort 105, 19. nû prüeven her, nû prüeven dar 27, 16. mir ist liebe, mir ist leide 110, 36. durch die liute bin ich frô, durch die liute wil ich sorgen 48, 3. seht an pfaffen, seht an leien 51, 15. seht an in, und seht an werde frouwen 46, 24. dû bist sô lanc und bist sô breit 10, 1. dû bist ze grôz, dû bist ze kleine 10, 6. rihtet mir und rihtet über mich 40, 28. scheides von in, oder scheides alle von den kæren 10, 24. daz wirs unrehte würken sehen, unrehte hæren sagen 34, 30. under frouwen sint unwîp, under wîben sint si tiure 49, 3. darumbe wundert mich niht vil; uns leien wundert umbe der pfaffen lêre 12, 32. dû möhtest gerner dankes geben tûsent pfunt dan drîzic tûsent âne danc 19, 20. si behielten dur sîn êre.. nû geben dur sîn êre 36, 8. Insbesondere ist der Fall hervorzuheben, dafs in Bezug auf dasselbe Subjekt ein Prädikat in verschiedenem Tempus, Modus oder Genus wiederholt wird: diu mich twinget und alsô betwungen hât 98, 38. der ich diene und allez her gedienet hân 98, 28. die alten sterbent und erstorben sint 38, 16. den kumber, den ich durch si hân geliten nû lange und iemer alsô lîden muoz 120, 19. der ich vil gedienet hân und iemer mêre gerne dienen wil 57, 15. ich hân ir gedienet vil, der Werlte, und wolte ir gerne dienen mê 117, 15. ich vertrage als ich vertruoc und als ich iemer wil vertragen 50, 7. nû sing ich als ich ê sanc 117, 29. si fragent unde frâgent aber al ze vil 63, 32. er gap und gap, und gap si im elliu rîche 17, 10. Wilmanns, Walther v. d. Vogelweide. 6 weiz ich des ein teil, sô wiste ichs gerne mê 69, 2. des stât in trûren übel und stüende in vröude wol 42, 38. so sage ich, waz mir dicke baz in mînen ougen hât getân und tate ouch noch gesehe ich daz 46,7. unz ich getuon, des er mich bat; ich tætez wurde mirs diu stat 119, 33. daz gezame ir baz.. wê wie zimt ir daz 57, 25. wellest du mir helfen, sô hilf an der zît 69, 16. sît ab er dâ gerne sî, sô sî ouch da 70, 37. dû twingest hie, nû twing ouch dâ 70, 37. swer sant mir var von hûs, der var ouch mit mir hein 30, 26. ich hân gedrungen, unz ich niht mê dringen mac 20, 7. træstet mich diu guote alleine, diu mich wol getræsten mac 74, 2. ich mac der guoten niht vergezzen noch ensol 65, 22. nû bin ich iedoch frô und muoz bî fröiden sîn 98,6. unz er schône sich versan und muose sich versinnen 64, 10. jâ hất dich vil wol behuot der vil reine wîbes list, der guotiu wîp behüeten sol 97, 26. dâ beswært si manegen mite, den si niht beswaren solde 57, 26. daz mich êren solde, daz unêret mich 32, 4. er solde iemer bilde giezen, der daz selbe bilde gôz 45, 25. der diu zwei zesamene slôz, wie gefuoge er kunde sliezen! 45, 23. ich lebete gerne kunde ich leben 43, 16. schieden uns diu wîp als ê, daz si sich ouch liezen scheiden 48, 29. swer dich segene, sî gesegenet; swer dir fluoche, sî verfluochet 11, 13. mirst liep, daz die getrogenen wizzen, waz si trüge 66, 19. daz ich iu muoz danken lân, ichn kan iu selbe niht gedanken 84, 31. Als einen besonderen Fall des antithetischen Parallelismus führen wir den an, dafs ein positives Wort mit seinem negierten Gegenteil verbunden wird. Logisch angesehen kann diese Redeform der Verbindung zweier Synonyma gleichstehen, aber ihre rhetorische Wirkung ist ganz anders; das negative Wort erscheint gleichsam wie ein kräftiger Schatten, der die Grenzen des Positiven scharf markiert: ir worten und niht ir werken 33, 36. an worten und an werken niht 7, 12. ze velde und niht ze walde 35, 18. wie wir loben suln und niht unêren 35, 32. si bienen die si wolten und niht den si solten 9, 32. er trat vil lîse, im was niht gach 19, 11. ein sælic wip diu tuot des niht, diu merket guotes mannes site 96, 24. ez sî allez tôt, ezn lebe nû nieman der iht singe 58, 22. ir müezet in die liute sehen, welt irs erkennen wol; nieman ûzen nach der varwe loben sol 35, 33. daz ich iu muoz danken lân; ich kan iu selbe niht gedanken 84, 31. Die Negation kann auch anders als durch ne ausgedrückt werden: wol und âne nît 44, 23. mit fuoge und âne spil 111, 37. mit triuwen sunder spot 24, 30. kiusche und übermüete lære 11, 3. versagen und wîbes êre begân 114, 10. trûren wenden unde senden froide 109, 6. uns ist erloubet trûren und froide gar benomen 124, 27. des mîn fröide erschrocken ist, mîn trûren worden munder 29, 6. des stât in trûren übel und stüende in fröude wol 42, 38. dich selben wolt ich lützel klagen; ich klage dîn edel kunst 83, 5.) E. Antithese ohne Parallelismus. Auch ohne durch den Parallelismus unterstützt zu sein, findet die Antithese nachdrückliche Verwendung. Oft so dafs zwei nicht koordinierte Worte entgegengesetzte Prädikate erhalten: der spricht diu starken wort ûz krankem sinne 22, 8. daz man mich bî rîcher kunst lât alsus armen 28, 2. so wold ich nôtic man verdienen rîchen solt 125, 5. er wirt mit swacher buoze grôzer sünde erlôst 124, 40. nie halben tac mit ganzen froiden 42, 7. vil lîhte wirt mins mundes lop mins herzen sêr 54, 6. ir liep muoz iemer sîn mîn herzeleit 44, 26. daz mîn liep in herzeleide tuo 63, 17. Oder auch in anderer Weise: la guoten muot den bæsen muot von dir vertrîben 37, 28. und wolten liep nách leide 16, 38. daz ich nû für mîn lachen weinen kiesen sol 124, 29. die inre tugent ûz kêren 81, 4. kan mîn frouwe süeze siuren? wænet si daz ich ir liep gebe umbe leit 69, 22. solhe liebe leiden 94, 4. Besonders effektvoll ist es, wenn ein Wort ein seinem Wesen widersprechendes Prädikat oder Attribut erhält (Oxymoron 1), eine beliebte Form, um das widerspruchsvolle Wesen der Liebe darzustellen: owê wie süeze ein arebeit, ich hân ein senfte unsenftekeit 119, 25. daz dîn sêren sanfte unsanfte tuot 109, 24, vgl. 113, 31. (mit sehenden ougen blint 123, 35). manlîchiu wîp, wîplîche man, pfaffliche ritter, ritterliche pfaffen 80, 20. sîn kamerære stilt im sinen himelhort; sin süener mordet hie und roubet dort; sin hirte ist zeinem wolve im worden under sinen schafen 33, 28. Ähnlich, aber weniger kräftig wirkt es, wenn einem Worte zwei einander widersprechende Prädikate beigelegt werden: junger mensch und alter got 24, 26. maget und muoter 4, 12. dû bist ze grôz, dû bist ze kleine 10, 6. da bi liep und leit 116, 28, vgl. 110, 36. ir wünneclîchez leben machet sorge und wünne 116, 32. trûren unde wesen vrô, sanfte zürnen sêre süenen deis der minne reht 70, 5; vgl. auch 35, 13. 83, 14. F. Wiederholung desselben Wortes oder Wortstammes. Die Wiederholung desselben Wortes oder Wortstammes haben wir als Schmuck und Stütze in parallelen Wort- und Satzverbindungen kennen gelernt. Walther macht aber von diesem rhetorischen Mittel auch sonst noch ausgedehnten und mannigfachen Gebrauch. Die Wiederholung dient dazu, um auf das Wesen einer Vorstellung nachdrücklich hinzuweisen; um zu betonen was der Natur eines Subjekts gemäfs ist (a) oder ihr widerspricht (b). 1) Burdach S. 70. 92. 93. 117. Wigand S. 36. |