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bleibet in alle dem, das geschrieben steht in dem Buche des Gesetzes, daß er's thue. Es ist ja mit dem Gehorsam gegen ein und das andere Gebot nicht genug, wir dürfen uns nicht beliebig einzelne Theile des göttlichen Gesetzes auswählen, um sie zu befolgen und wiederum andere nach unserm Belieben übertreten; Gott fordert einen vollständigen Ges horsam; der unvollständige ist vor ihm durchaus ungenügend, und dar aus wird es klar, daß niemand Gefeßesgerechtigkeit besißt, indem ein jeder mehr oder weniger in Worten und Werken, innerlich oder äußerlich, einzelne Gebote, und somit allemal zugleich auch das höchste und vornehmste von der Liebe zu Gott übertreten hat. Weil indessen das stolze menschliche Herz so gern etwas sein und vor Gott gelten will, so überres dete man sich, es komme vorzugsweise auf die Beobachtung des Ceremo nialgefehes an, und deren befleißigte man sich mit einer solchen Pünkts lichkeit, Genauigkeit und gewissenhaften Aengstlichkeit, wie es nur irgend möglich war. Je mehr im Verlaufe der Jahrhunderte dieser fleischliche Sinn überhand nahm, desto eigenmächtiger fügten Rabbinen und Schriftgelehrte in eitler Willkühr eine Menge von Auffäßen, Geboten und Verordnungen hinzu, die alle nur den äußeren Gottesdienst betrafen, mach ten diese zur Hauptsache in der Gottesverehrung und wähnten, in ihrer pünktlichen Erfüllung bestehe die vor Gott geltende Gerechtigkeit. Eine solche Verkehrtheit, die Uebungen der Gottseligkeit und die Hülfsmittel, durch welche das geistliche Leben der Seele theils gefördert wird, theils sich äußert, für die Gottseligkeit selbst zu halten, ihnen einen übertriebes nen Werth beizumessen, ihre bloß mechanische Vollziehung für wesentliche Frömmigkeit anzusehen, dabei die sittlichen Forderungen des Gefeßes hins tenanzustellen und ihren Werth herabzusehen, hatte zur Zeit Jesu bet den Pharisåern den höchsten Grad erreicht, deren ganzer Gottesdienst nur in äußern Formen bestand und die eben deshalb sich selbst für volls kommen gerecht hielten und auch nach dem Urtheil des großen Haufens vor Gott gerecht waren. Es hat sich aber diese Verwirrung aus sittlicher Schlaffheit, die es mit Gottes Geboten nicht so gar genau nimmt, aus thörichter Verblendung, die durch äußeres Wesen Gottes Beifall zu ers. langen wähnt, und aus Sündenliebe, die lieber die schwersten äußeren Werke thut, als eine Schooßfünde aus dem Herzen ausrottet, sehr häus fig auch in der Kirche des Herrn wiederholt. Fasten und Allmosen, Ges bete plappern und Wallfahrten, Selbstpeinigungen und äußere Bußübun gen haben oft die Stelle wahrer Gottseligkeit eingenommen und ihren Mangel ersehen sollen, und das Herz hat sich mit einer falschen Gerech= tigkeit geschmeichelt, die deshalb auch die eigne heißt, weil der Mensch mit eigner Kraft und durch seine Werke vor Gott gerecht sein, will.

Die Strafreden des Herrn gegen die Pharifåer, deren Heuchelet er aufs deckt, und alle die Stellen der heiligen Schrift, wo eine innere Erneue rung und Wiedergeburt verlangt wird, bezeugen das Ungenügende der Gerechtigkeit aus dem Gefeß, und es ist von der größten Wichtigkeit, dies im hellsten Lichte zu erkennen, damit man durch eine höchst gefährs liche und seelenverderbliche Selbstäuschung in eigner Gerechtigkeit nicht des von Gott uns zugedachten Heils verlustig gehe. Weil Hochmuth und Eitelkeit eine Gerechtigkeit aus dem Gefeß zu haben vermeinten, so mußten schon die heiligen Propheten auf diesen Irrthum aufmerksam machen; daher heißt es bei Jef. 64, 6: Alle unsere Gerechtigkeit ist wie ein unflätig Kleid; David preis't die Seligkeit dessen, dem Súns denvergebung zu Theil wird, worauf Paulus Röm. 4, 6-8. den Ber weis gründet, daß auch während der Periode des Gesetzes die Gerech tigkeit vor Gott nicht aus den Werken hergerührt habe. Also nicht durch feine Werke, sondern als er sich vor Gott demüthigte und im Glauben Vergebung suchte, und sie fand, da der Prophet Nathan zu ihm sprach: Der Herr hat deine Sünde weggenommen, du wirst nicht sterben; so erlangte David Gerechtigkeit, und bei Habak. 2, 4. heißt es: Der Gea rechte wird seines Glaubens leben, d. h. durch Glauben wird er gerecht und selig werden. Ausdrücklich bezeugt der Erlöser Matth. 5, 20: Es. sei denn eure Gerechtigkeit besser, als der Pharifåer und Schriftgelehrten, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen; er gesteht mit diefen Worten den Pharisäern und Schriftgelehrten zwar eine Gerechtigkeit zu, aber nur eine solche, die nicht hinreichend ist, um in das Himmels reich einzugehen, um in einer wahrhaft beseligenden Verbindung mit Gott zu stehen, und von seinen Jüngern verlangt er deshalb eine bessere Gerechtigkeit. Paulus erklärt, wie ungenügend und verwerflich ihm alle eigne Gerechtigkeit erscheine, auf die er einst so stolz gewesen sei, Phil. 3, 4-9. Gal. 3, 11. Es ist also unmöglich, auf diese Weise gerecht zu werden, das versichert abermals Paulus mit den deutlichsten und bes stimmtesten Worten, wenn er sagt Gal. 2, 16: Doch, weil wir wiss fen, daß der Mensch durch des Gefeßes Werke nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesum Chriftum, so glauben wir auch an Jefum Chriftum, auf daß wir gerecht werden durch den Glauben an Christum, und nicht durch des Gefeßes Werke, denn durch des Gefeßes Werke wird kein Fleisch gerecht. Indem nun Israel hartnäckig darauf beharrte, durch Gefeßes Werke vor Gott gerecht werden zu wollen, und deshalb die Gnade Gottes in Christo verschmähte, so ging es gänzlich des göttlichen Beifalls und der Seligkeit verlustig, die es nicht als Ges schenk freier göttlicher Gnade im Glauben annehmen, sondern als wohl

erworbnes Verdienst und gerechten Lohn für seine Werke erlangen wollte, Das sagt Paulus Röm. 9, 31. 32. und 10, 2. 3. Israels Schicksal ist allezeit noch derer Loos, die in thörichter Verblendung und fleischlicher Auffassung des Gefeßes eine Gefeßesgerechtigkeit, eine genügende mensche liche Tugend, eine hinreichende Sittlichkeit, sich das ewige Leben zu verdienen, für möglich halten und nicht aus Gnaden selig werden wols len, sie erlangen, indem sie sich nicht in die göttliche Ordnung fügen, nimmermehr fein Wohlgefallen *),

Von dem eigentlichen Zweck des Gefehes.

Wenn es nun nicht möglich ist, dem Gefeße mit Werken ein Ges nüge zu leisten, nicht möglich, durch dasselbe vor Gott gerecht zu wer den, und das verderbte Herz die in demselben gebotene Liebe zu Gott und dem Nächsten durch das Gesetz nicht erlangt, so fragt es sich, was rum denn Gott überhaupt ein Gesek gegeben habe, von dem er, der Herzenskündiger, im Voraus wußte, daß es nicht gehalten werden könne noch würde? Das auf Sinai gegebene Sittengefeß war eine neue, öffentliche und feierliche Kundmachung des Gesezes, welches der Heilige dem Menschen ins Herz geschrieben hat, denn ein gewisses Gefühl von Recht und Unrecht, ein gewisses Bewußtsein von Gut und Böse behielt auch der gefallene Mensch; aber wie unerleuchtet der Verstand des nas türlichen Menschen ist, der gar nichts von der Offenbarung Gottes weiß, wie das fittliche Gefühl durch fündliches Leben immer mehr abgestumpft und ertödtet wird, wie die Begriffe immer verwirrter, das Herz immer verderbter, und Gottlosigkeit und Unwissenheit über Gut und Böse ims mer schrecklicher wird, das bezeugt der heilige Paulus Röm. 1, indem er an den Heiden V. 18-24. darthut, wie ihr fündliches Leben eine furchtbare Verblendung über das, was recht und unrecht sei, zur Folge gehabt habe; und wie durch solches Versinken in Unwissenheit ein noch tieferes Versinken in Sünden und Laster hervorgerufen worden sei, V. 24-32. Die Erfahrung bestätigt die Offenbarung als wahr. Der Zustand aller heidnischen Völker, die das Evangelium nicht kennen, bies tet ein Entsetzen erregendes Bild dar, wie weit sich der Mensch verirren, und in welche unglaubliche Unwissenheit über die Forderungen des Sits tengesehes er gerathen kann. Die Heidenwelt früherer Zeiten und die der Gegenwart ist sich hierin völlig gleich, aber wie groß auch die Vere blendung sein mag, welche oft das Schändlichste für erlaubt und recht hålt, so ist doch der Begriff von Recht und Unrecht, von Gut und Böse

*) Siehe Luthers Vorrede zum Brief an die Römer über das Gefeß.

nie ganz in der menschlichen Bruft erloschen; und wenn der natürliche Mensch, ohne alle Offenbarung, dies ihm eingepflanzte Bewußtsein durch Gehorsam geehrt und genährt hätte, so würde er über Recht und Unrecht, über Gut und Böse manches zu erkennen im Stande gewesen sein, wie denn auch die Edleren und Nachdenkenderen unter den Heiden auf diesem Gebiete manches geleistet haben, was ihre Schriften bezeugen. Die dem natürlichen Menschen mögliche Erkenntniß des Sittengesehes, die freilich nur höchst mangelhaft und unvollständig bleiben wird, hätte ihn alsdann, bei einer unpartheiischen Vergleichung seines Lebens mit diesem Gesetze, zur Erkenntniß seines sittlichen Verderbens und Elends hinfüh ren können, und somit auch zur Sehnsucht nach Nettung aus diesem Elende, nach Befreiung von diesem Verderben, Röm. 2, 14. 15. Hier macht Paulus aufmerksam, wie die Heiden aus den Anklagen ihres Geś wissens und aus dem innern Streit ihrer Gedanken, der dann entsteht, wenn der Mensch sich vor dem Sittengeset wegen seiner Uebertretungen rechtfertigen will, ihr sittliches Verderben sehr wohl hätten erkennen kön nen. Und daß das innere, dem Herzen eingeschriebene Gefeß bei den Heiden zum Theil diese seine Bestimmung erreicht hat, und noch immer für viele ein Mittel der Selbsterkenntniß ist, kann nicht geleugnet wer? den, da sich bei Einzelnen in der Heidenwelt auch jetzt noch eine gewisse Sehnsucht nach Frieden und Ruhe findet, welche allemal erzeugt wird, wenn das Gesetz sein Geschäft an uns ausrichtet, uns zur Selbsterkennts niß, d. h. zur Erkenntniß der Sünde hinzuführen. Von dem Grade der Erkenntniß des Sittengefeßes hängt auch der Grad der Selbsterkennts niß ab, je vollständiger und klarer jenes erkannt wird, desto lebhafter wird auch das Gefühl und Bewußtsein der eignen Sünde und Verschuls dung, desto heißer auch, hei dem unauslöschlichen Verlangen nach Wohlergehen, die Sehnsucht nach einem bessern, seligeren Zustande, und dar aus entwickeln sich denn alle die mannigfachen Versuche, die sich auch unter Heiden finden, von der Sünde und ihrem Elend erlöst zu werden, was sie aber allezeit, wie die mannigfachen Religionen der Heiden zeigen, nur durch äußerliche Mittel zu erreichen gedacht haben.

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Nachdem seit dem Sündenfall und durch ihn ein großes und allge meines sittliches Verderben über das ganze Menschengeschlecht sich verbreitet hatte und die Erkenntniß des göttlichen Willens, feines ins Herz gefchriebenen Gefeßes, unter den Sündern durch ihre Gottlosigkeit immer mehr abnahm, so offenbarte Gott auf Sinai abermals sein Gesetz auf eine so deutliche und bestimmte Weise, daß zunächst bei Israel über Gut und Böse, über Recht und Unrecht, die Begriffe wieder festgestellt, er: weitert und bestimmt wurden, damit fortan sich keiner unter ihnen mehr

mit Unwissenheit sollte entschuldigen können, und damit für alle Zeiten und Geschlechter jenes ins Herz geschriebene Gefeß eine neue Bestätigung an dem auf Sinai gegebenen Gefeß hätte. So wie diese beiden Gès seße denselben Inhalt haben, so ist ihnen auch ein und derselbe Zweck gemeinsam, nämlich der, den Menschen zur Erkenntniß seiner Sünde und zur Sehnsucht nach Erldsung hinzuführen; nur wird dieser Zweck sichrer durch das äußerlich gegebene Gefeß der zwei Tafeln erreicht, weil es weniger überhört noch gemißdeutet werden kann; und indem beide den Menschen von seiner Sünde überzeugen können und sollen, da sie ihm Gottes heiligen Willen vorhalten, so sind sie zugleich auch eine Ofs fenbarung der Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes. Wenn Paulus Róm. 3, 20. fagt: Durch das Gefeß kommt Erkenntniß der Süne de, so spricht er es deutlich aus, daß der Zweck der Gefeßgebung kein andrer gewesen sei, als zunächst Israel und einst alle, die dies Gefeßz kennen lernen würden, zur Erkenntniß ihrer Verschuldungen und Strafs barkeit hinzuführen, weil es allemal, wo das Geseß recht verstanden und gebraucht wird, durch dasselbe zur Erkenntniß der Sünde kommt. Es ist gewiß, daß das göttliche Gesetz auch die allervollkommenste Anweis fung zur Seligkeit ist, wie geschrieben steht: wer es thut, wird dadurch leben; würde ihm der erforderliche Gehorsam geleistet, so würde es, wie der Baum der Erkenntniß des Guten und Bösen, den Menschen erfahs ren lassen, wie selig es macht, Gott zu gehorchen, da aber jeder das Ges seß übertritt, so wird es jedem zur Erkenntniß des Bösen, macht es jes dem fühlbar, wie böse er als Uebertreter ist und handelt, und wie strafbar er ist. An und für sich betrachtet ist also das Sittengeseh allerdings der Weg zur Seligkeit, wie denn auch der Erlöser sagt: Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote, Matth. 19, 17., allein bei der vorhandenen sündlichen Beschaffenheit des Menschen, bei feiner überwiegenden Luft zum Bösen und seiner mächtigen Abneigung gegen das Gute, richtet eben dies Gesetz nichts anders aus, als daß es uns ein Spiegel wird, in welchem wir beides erkennen, wie wir sein sollen, aber nicht sind, und der uns daher die Mißgestalt und Flecken unseres inwendigen Menschen vorhält, wenn wir uns sorgfältig in dem selben betrachten. Die Lehre von dem Grundverderben des Menschen, welche die heil. Schrift für jeden, der nur sehen will, so deutlich ents hålt, bekommt ihre Bestätigung durch das Gefeß; denn wenn der Ein-. zelne im Allgemeinen sein fündliches Verderben aus dem Worte der heil. Schrift: Hier ist kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder, und aus andern ähnlichen Aussprüchen erkennt, so wird er genauer mit seiner Sünde bekannt, wenn er im Geseße die einzelnen Gebote betrachtet,

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