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Der transscendentalen Methodenlehre

erstes Hauptstück.

Die Disciplin der reinen Vernunft.

Die negativen Urtheile, die es nicht blos der logischen Form, sondern auch dem Inhalte nach sind, stehen bei der Wissbegierde der Menschen in keiner sonderlichen Achtung; man sieht sie wohl gar als neidische Feinde unseres unablässig zur Erweiterung strebenden Erkenntnistriebes an, und es bedarf beinahe einer Apologie, um ihnen nur Duldung, und noch mehr, um ihnen Gunst und Hochschätzung zu verschaffen.

Man kann zwar logisch alle Sätze,. die man will, negativ ausdrücken, in Ansehung des Inhalts aber unserer Erkenntniss überhaupt, ob sie durch ein Urtheil erweitert oder beschränkt wird, haben die verneinenden das eigenthümliche Geschäft, lediglich den Irrthum abzuhalten. Daher auch negative Sätze, welche eine falsche Erkenntniss abhalten sollen, wo doch niemals ein Irrthum möglich ist, zwar sehr wahr, aber doch leer, d. i. ihrem Zwecke gar nicht angemessen und eben darum oft lächerlich sind. Wie der Satz jenes Schulredners: dass Alexander ohne Kriegsheer keine Länder hätte erobern können.

Wo aber die Schranken unserer möglichen Erkenntniss sehr enge, der Anreiz zum Urtheilen gross, der Schein, der sich darbietet, sehr betrüglich und der Nachtheil aus dem Irrthum erheblich ist, da hat das Negative der Unterweisung, welches blos dazu dient, um uns gegen Irrthümer zu verwahren, noch mehr Wichtigkeit, als manche positive Belehrung, dadurch unser Erkenntniss Zuwachs bekommen könnte. Man nennt den Zwang, wodurch der beständige Hang, von gewissen Regeln abzuweichen, eingeschränkt und endlich vertilgt wird, die Dis

ciplin. Sie ist von der Cultur unterschieden, welche blos eine Fertigkeit verschaffen soll, ohne eine andere, schon vorhandene dagegen aufzuheben. Zu der Bildung eines Talents, welches schon für sich selbst einen Antrieb zur Aeusserung hat, wird also die Disciplin einen negativen, die Cultur aber und Doctrin einen positiven Beitrag leisten. Dass das Temperament, imgleichen dass Talente, die sich gern eine freie und uneingeschränkte Bewegung erlauben (als Einbildungskraft und Witz), in mancher Absicht einer Disciplin bedürfen, wird Jedermann leicht zugeben. Dass aber die Vernunft, der es eigentlich obliegt, allen anderen Bestrebungen ihre Disciplin vorzuschreiben, selbst noch eine solche nöthig habe, das mag allerdings befremdlich scheinen, und in der That ist sie auch einer solchen Demüthigung eben darum bisher entgangen, weil bei der Feierlichkeit und dem gründlichen Anstande, womit sie auftritt, Niemand auf den Verdacht eines leichtsinnigen Spiels mit Einbildungen statt Begriffen, und Worten statt Sachen leichtlich gerathen konnte.

Es bedarf keiner Kritik der Vernunft im empirischen Gebrauche, weil ihre Grundsätze am Probierstein der Erfahrung einer continuirlichen Prüfung unterworfen werden; imgleichen auch nicht in der Mathematik, wo ihre Begriffe an der reinen Anschauung sofort in concreto dargestellt werden müssen und jedes Ungegründete und Willkührliche dadurch alsbald offenbar wird. Wo aber weder empirische noch reine Anschauung die Vernunft in einem sichtbaren Geleise halten, nämlich in ihrem transscendentalen Gebrauche, nach blosen Begriffen, da bedarf sie so sehr einer Disciplin, die ihren Hang zur Erweiterung über die engen Grenzen möglicher Erfahrung bändige und sie von Ausschweifung und Irrthum abhalte, dass auch die ganze Philosophie der reinen Vernunft blos mit diesem negativen Nutzen zu thun hat. Einzelnen Verirrungen kann durch Censur und den Ursachen derselben durch Kritik abgeholfen werden. Wo aber, wie in der reinen Vernunft, ein ganzes System von Täuschungen und Blendwerken angetroffen wird,

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Ich weiss wohl, dass man in der Schulsprache den Namen der Disciplin mit dem der Unterweisung gleichgeltend zu brauchen pflegt. Allein es gibt dagegen so viele andere Fälle, da der erstere Ausdruck, als Zucht, von dem zweiten, als Belehrung, sorgfältig unterschieden wird, und die Natur der Dinge erheischt es auch selbst, für diesen Unterschied die einzigen schicklichen Ausdrücke aufzubewahren, dass ich wünsche, man möge niemals erlauben, jenes Wort in anderer, als negativer Bedeutung zu brauchen.

die unter sich wohl verbunden und unter gemeinschaftlichen Principien vereinigt sind, da scheint eine ganz eigene und zwar negative Gesetzgebung erforderlich zu sein, welche unter dem Namen einer Disciplin aus der Natur der Vernunft und der Gegenstände ihres reinen Gebrauchs gleichsam ein System der Vorsicht und Selbstprüfung errichte, vor welchem kein falscher vernünftelnder Schein bestehen kann, sondern sich sofort, unerachtet aller Gründe seiner Beschönigung, verrathen muss.

Es ist aber wohl zu merken, dass ich in diesem zweiten Haupttheile der transscendentalen Kritik die Disciplin der reinen Vernunft nicht auf den Inhalt, sondern blos auf die Methode der Erkenntniss aus reiner Vernunft richte. Das Erstere ist schon in der Elementarlehre geschehen. Es hat aber der Vernunftgebrauch so viel Aehnliches, auf welchen Gegenstand er auch angewandt werden mag, und ist doch, so fern er transscendental sein soll, zugleich von allem Anderen so wesentlich unterschieden, dass ohne die warnende Negativlehre einer besonders darauf gestellten Disciplin die Irrthümer nicht zu verhüten sind, die aus einer unschicklichen Befolgung solcher Methoden, die zwar sonst der Vernunft, aber nur nicht hier anpassen, nothwendig entspringen müssen.

Des ersten Hauptstücks

erster Abschnitt.

Die Disciplin der reinen Vernunft im dogmatischen Gebrauche.

Die Mathematik gibt das glänzendste Beispiel einer, sich ohne Beihülfe der Erfahrung, von selbst glücklich erweiternden reinen Vernunft. Beispiele sind ansteckend, vornehmlich für dasselbe Vermögen, welches sich natürlicherweise schmeichelt, eben dasselbe Glück in anderen Fällen zu haben, welches ihm in einem Falle zu Theil worden. Daher hofft reine Vernunft im transscendentalen Gebrauche sich eben so glücklich und gründlich erweitern zu können, als es ihr im mathematischen gelungen ist, wenn sie vornehmlich dieselbe Methode dort anwendet, die hier von so augenscheinlichem Nutzen gewesen ist. Es liegt uns also viel daran, zu wissen, ob die Methode, zur apodiktischen Gewissheit zu gelangen, die man in der letzteren Wissenschaft mathematisch nennt, mit derjenigen einerlei sei, womit man eben dieselbe Gewissheit in der Philosophie sucht und die daselbst dogmatisch genannt werden müsste.

Die philosophische Erkenntniss ist die Vernunft erkenntniss aus Begriffen, die mathematische aus der Construction der Begriffe. Einen Begriff aber construiren heisst: die ihm correspondirende Anschauung a priori darstellen. Zur Construction 'eines Begriffs wird also eine nicht empirische Anschauung erfordert, die folglich, als Anschauung, ein einzelnes Object ist, aber nichtsdestoweniger, als die Construction eines Begriffs (einer allgemeinen Vorstellung), Allgemeingültigkeit für alle mögliche Anschauungen, die unter denselben Begriff gehören, in der Vorstellung ausdrücken muss. So construire ich einen Triangel, indem ich den diesem Begriffe entsprechenden Gegenstand, entweder durch blose Einbildung; in der reinen, oder nach derselben auch auf dem Papier, in der empirischen Anschauung, beidemal aber völlig a priori, ohne das Muster dazu aus irgend einer Erfahrung geborgt zu haben, darstelle. Die einzelne hingezeichnete Figur ist empirisch und dient gleichwohl, den Begriff unbeschadet seiner Allgemeinheit auszudrücken, weil bei dieser empirischen Anschauung immer nur auf die Handlung der Construction des Begriffs, welchem viele Bestimmungen, z. E. der Grösse der Seiten und der Winkel, ganz gleichgültig sind, gesehen und also von diesen Verschiedenheiten, die den Begriff des Triangels nicht verändern, abstrahirt wird.

Die philosophische Erkenntniss betrachtet also das Besondere nur im Allgemeinen, die mathematische das Allgemeine im Besonderen, ja gar im Einzelnen, gleichwohl doch a priori und vermittelst der Vernunft, so dass, wie dieses Einzelne unter gewissen allgemeinen Bedingungen der Construction bestimmt ist, eben so der Gegenstand des Begriffs, dem dieses Einzelne nur als sein Schema correspondirt, allgemein bestimmt gedacht werden muss.

In dieser Form besteht also der wesentliche Unterschied dieser beiden Arten der Vernunfterkenntniss, und beruht nicht auf dem Unterschiede ihrer Materie oder Gegenstände. Diejenigen, welche Philosophie von Mathematik dadurch zu unterscheiden vermeinten, dass sie von jener sagten, sie habe blos die Qualität, diese aber nur die Quantität zum Object, haben die Wirkung für die Ursache genommen. Die Form der mathematischen Erkenntniss ist die Ursache, dass diese lediglich auf Quanta gehen kann. Denn nur der Begriff von Grössen lässt sich construiren, d. i. a priori in der Anschauung darlegen, Qualitäten aber lassen sich in keiner anderen, als empirischen Anschauung darstellen. Daher kann eine Vernunfterkenntniss derselben nie durch

Begriffe möglich sein. So kann Niemand eine dem Begriff der Realität correspondirende Anschauung anders woher, als aus der Erfahrung nehmen, niemals aber a priori an sich selbst und vor dem empirischen Bewusstsein derselben theilhaftig werden. Die konische Gestalt wird man ohne alle empirische Beihilfe, blos nach dem Begriffe anschauend machen können, aber die Farbe dieses Kegels wird in einer oder anderer Erfahrung zuvor gegeben sein müssen. Den Begriff einer Ursache überhaupt kann ich auf keine Weise in der Anschauung darstellen, als an einem Beispiele, das mir Erfahrung an die Hand gibt u. s. w. Uebrigens handelt die Philosophie eben sowohl von Grössen, als die Mathematik, z. B. von der Totalität, der Unendlichkeit u. s. w. Die Mathematik beschäftigt sich auch mit dem Unterschiede der Linien und Flächen, als Räumen von verschiedener Qualität, mit der Continuität der Ausdehnung, als einer Qualität derselben. Aber obgleich sie in solchen Fällen einen gemeinschaftlichen Gegenstand haben, so ist die Art, ihn durch die Vernunft zu behandeln, doch ganz anders in der philosophischen, als mathematischen Betrachtung. Jene hält sich blos an allgemeinen Begriffen, diese kann mit dem blosen Begriffe nichts ausrichten, sondern eilt sogleich zur Anschauung, in welcher sie den Begriff in concreto betrachtet, aber doch nicht empirisch, sondern blos in einer solchen, die sie a priori darstellt, d. i. construirt hat, und in welcher dasjenige, was aus den allgemeinen Bedingungen der Construction folgt, auch von dem Objecte des construirten Begriffs allgemein gelten muss.

Man gebe einem Philosophen den Begriff eines Triangels und lasse ihn nach seiner Art ausfindig machen, wie sich wohl die Summe seiner Winkel zum rechten verhalten möge. Er hat nun nichts, als den Begriff von einer Figur, die in drei geraden Linien eingeschlossen ist, und an ihr den Begriff von eben so viel Winkeln. Nun mag er diesem Begriffe nachdenken, so lange er will, er wird nichts Neues herausbringen. Er kann den Begriff der geraden Linie, oder eines Winkels, oder der Zahl drei zergliedern und deutlich machen, aber nicht auf andere Eigenschaften kommen, die in diesen Begriffen gar nicht liegen. Allein der Geometer nehme diese Frage vor. Er fängt sofort davon an, einen Triangel zu construiren. Weil er weiss, dass zwei rechte Winkel zusammen gerade so viel austragen, als alle berührende Winkel, die aus einem Punkte auf einer geraden Linie gezogen werden können, zusammen, so verlängert er eine Seite seines Triangels und bekommt zwei berührende Winkel, die zweien rechten zusammen gleich sind. Nun

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