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Mittel und Zweck." So lose wird der so wichtige Zweckbegriff eingeführt! durch ein blofses „aber"! und mit diesem Satze erledigt! Becker fährt conjunctionslos fort: „In der Lebensfunction (dem Begriff) des organischen Dinges liegen schon ursprünglich alle Besonderheiten derselben, in dem Ganzen alle besonderen Organe. Das organische Ding wird nicht durch eine Zusammensetzung der Organe von aufsen, sondern durch eine Entwickelung von innen. Das ganze Thier mit seinen mannigfaltigen Organen liegt schon vorgebildet in dem Ei" eingebildet, möchte ich sagen. Welche Unklarheit verbirgt sich hinter diesen Worten! Und abermals ohne Conjunction fährt Becker fort: „In der besondern Lebensfunction (dem Begriffe, dem specifischen Merkmale) des organischen Dinges und in den organischen Gegensätzen (z. B. Bewegung und Empfindung, Muskel und Nerv) nach denen sich diese Function in besondere Functionen scheidet, liegt das Gesetz seiner Entwickelung: darum geschieht jede organische Entwickelung mit innerer Nothwendigkeit." Eine solche Darstellung des Organischen kann man doch wohl nur unorganisch nennen.

§. 3. Unbegrenztheit des Organischen bei Becker.

Wir könnten jedoch zufrieden sein, wenn uns nur Becker hier überhaupt hinlängliche Merkmale angegeben hätte, um uns einen so deutlichen und bestimmten Begriff bilden zu können, dafs wir zu sagen vermöchten, dies ist organisch, jenes nicht. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Wir erfahren nicht blofs nicht, wo denn der Gegensatz zum Organischen liege, durch welche andere Begriffe das Reich desselben begrenzt werde; sondern wir sind auch in Verlegenheit, wenn wir dies etwa aus dem von Becker Gesagten erschliefsen wollten. Denn ist die Natur, das All organisch, so ist denn alles organisch, und es giebt weder im Himmel noch auf Erden etwas Unorganisches. Organisch wird gleichbedeutend mit natürlich; Unnatürliches aber giebt es nirgends; nicht einmal der Unsinn wäre unnatürlich, sondern blofs die Vorstellung des Unnatürlichen, Unorganischen wäre Unsinn.

Sicherlich hatte Becker eine weit bestimmtere Vorstellung vom Wesen des Organischen, als im Obigen liegt; aber ist es denn gleichgültig, ob jemand sein Princip an der Stelle, wo er es erörtert, wirklich bestimmt darstellt oder nach allen Seiten unbegrenzt verschwimmen läfst? Wenn selbst hier, wo die ganze

Kraft des Geistes auf das Princip allein gerichtet ist, dieses keine bestimmte Gestalt annehmen will, kann es bei der Entwickelung des Besonderen, wo die Aufmerksamkeit des Geistes über einen gröfseren Vorstellungskreis verbreitet ist, sich fester und klarer vergegenwärtigen? Schwerlich! nur wird, je nachdem die Gelegenheit es herbeiführt, diese oder jene Seite des Princips hervortreten, die vorher nicht erörtert war. Streng genommen würde diese Seite sogar unberechtigt sein; jedenfalls kann sie, gelöst aus dem Zusammenhange mit allen übrigen Seiten des Ganzen, nicht nach ihrer wahren Begrenzung auftreten. Sie verhilft uns indefs dazu, uns Beckers Anschauung des Organischen zu vervollständigen.

§. 4. Gegensatz des Organischen zum Künstlichen.

So tritt nun gelegentlich (§. 6. Anf.) folgendes höchst wichtige Moment hervor: „Als Product eines Organischen, welches nicht mit Willkür hervorgebracht ist, sondern sich mit einer inneren Nothwendigkeit entwickelt hat, unterscheidet sich die Sprache von jedem Werke menschlicher Erfindung und Kunst. Das Kunstwerk geht nicht mit innerer Nothwendigkeit aus dem Leben selbst hervor, sondern aus einer durch ein äufseres Bedürfnifs angeregten Reflexion. Es hat das Gesetz seiner Entwickelung und Gestaltung nicht in sich selbst, sondern empfängt es von der Intelligenz des Erfinders; und seine Einrichtung ist wandelbar, wie das Bedürfnifs und die Erkenntnifs des Künstlers." Hieraus entnehmen wir, dafs wenn organisch das Natürliche ist, den Gegensatz dazu das mit Willkür Geschaffene bildet, die Erfindung und Kunst des Menschen. Hier erkennt man aber auch sogleich alle Uebelstände, welche dem Herausgreifen einer Seite des Princips anzuhaften pflegen. Welche Berechtigung hat dieser Gegensatz? Das geistige Leben gehört zum All, ist eine besondere Art, eine Lebensfunction des allgemeinen Lebens- wie spielt hier plötzlich das Unorganische hinein? wie ist Willkür, als Gegensatz zum Organischen, möglich? woher stammt im organischen All ein „äusseres Bedürfniss"? Das Kunstwerk habe das Gesetz seiner Entwickelung und Gestaltung nicht in sich, sondern empfange es von der Intelligenz des Erfinders; aber die Intelligenz, wie Becker so häufig wiederholt, ist organisch. Das Kunstwerk ist ein in der Materie verleiblichter Begriff oder Gedanke, also ist es organisch; es geht allerdings,,mit innerer Nothwendigkeit aus dem Leben selbst,"

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nämlich aus dem geistigen Leben der Menschheit hervor. Der Künstler, der Denker ist das Erzeugnifs seiner Vergangenheit; und auch seine einzelnen Werke, ihre Fehler und Tugenden, sind nicht willkürlich. Sophokles konnte nicht wie Shakespeare dichten wollen, und Aristoteles kein System schaffen wollen wie Hegel. Das Bedürfnifs und die Erkenntnifs" ist auch organisch entstehend und vergehend. Soll hier also das Kunstwerk von dem organisch Natürlichen unterschieden werden, so geschieht das nur durch völlig unvorbereitete, und, wie wir sehen, unberechtigte Bestimmungen, die eben darum auch von Becker gar nicht klar und bestimmt eingeführt werden können. Der einzige Satz aus der oben betrachteten Darlegung der Merkmale des Organischen, welcher die hier gemachte Scheidung begründen könnte, nämlich:,, das organische Ding wird nicht durch eine Zusammensetzung der Organe von aufsen, sondern durch eine Entwickelung von innen," ist nicht nur ebenfalls unbegreiflich, da man gar nicht weifs, wo im lebenden, organischen All ein Aussen sein soll; sondern auch, selbst diesen Satz zugestanden, so kann man immer die Maschine noch nicht vom Organismus unterscheiden. Denn einerseits wird auch die Maschine durch die Entwickelung aus dem Innern des Denkens: sie ist von einem Gedanken geschaffen und beseelt; jedes Rad nach seiner Form und seinen Beziehungen folgt aus dem Begriffe, aus der Function, welche in der Maschine in die Erscheinung tritt, sich verleiblicht, in Gegensätzen besondert; alles Besondere in ihr folgt also aus der Einheit, und also hat der Theil nur im Ganzen Bedeutung, das Ganze nur durch seine Theile; und die Theile sind alle in gegenseitiger Uebereinstimmung, mit einem gleichartigen Typus aus dem Innern des Gedankens heraus entworfen. Andererseits aber mag man noch so sehr von innerer Nothwendigkeit des Organischen sprechen, von seiner Entwickelung von innen, es entwickelt und erhält sich doch nur durch Aufnahme geeigneter Stoffe von aufsen; schneidet ihm nur Luft nnd Nahrung und Licht ab, und lasset es sich von innen entwickeln!

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Indessen müssen wir es uns doch gefallen lassen, wenn Becker, weil er nun einmal will, den geistigen oder künstlichen Organismus von der natürlichen Maschine - nach Obigem hat uns Becker diese Ausdrucksweise nicht untersagt

unter

scheidet und blofs die natürliche Maschine Organismus nennt, das geistig Organische aber als unorganisch ansieht.

Hierdurch ist etwas an Bestimmtheit gewonnen, doch nicht viel. Becker hätte uns auch noch sollen die Grenze zwischen Natur und Kunst ziehen. Wir stehen vor einem blühenden Kornfelde sehen wir Natur oder Kunst? Organisches oder Unorganisches? Dabei vergesse man dann auch nicht, dafs vielleicht vor hundert, vor zehn Jahren noch dieser Boden wirklich unfruchtbar, unfähig war, den ihm vertrauten Saamen reifen zu lassen. Hier hat, wie in vielen Fällen, die Cultur erst die Natur erzeugt. Ist es denn aber mit jener Bildsäule, die Becker für unorganisch hält, so durchaus anders? Abgesehen von dem schon Gesagten, dass auch hier ein verkörperter Gedanke, alles in Einheit ist, jeder Theil aus dem Ganzen fliefst, so dafs unsere Künstler die fehlenden Glieder eines antiken Standbildes aus dem Gegebenen ableitend ergänzen, welche Ableitung Becker und Trendelenburg nach Cuvier für ein wesentliches Merkmal des Organischen halten, abgesehen, sage ich, hiervon, trägt nicht auch der Marmorblock den Apollo,,vorgebildet" in sich? Könnte der Künstler auch aus Flugsand, aus morschem Holze bilden? Wirken nicht Stein, Hammer und Meifsel nach nothwendigen ihnen innewohnenden Gesetzen? also mit innerer Nothwendigkeit? Kurz kann die Cultur, die Kunst, um mich des Baconschen Ausdruckes zu bedienen, die Natur anders beherrschen, als indem sie ihr folgt? kann sie dieselbe zwingen, oder mufs sie sie nach ihrer inneren Gesetzmässigkeit wirken lassen?

Jedoch Becker meint wohl, organisch sei das natürliche Ding auch nur, insoweit und insofern es ohne Hinzuthun von menschlicher Absichtlichkeit entstanden ist und lebt. Die Wälder, Brennesseln und Dorngesträuch sind durchaus organisch; das Kornfeld ist es nicht, insofern der Mensch gepflügt, gedüngt, gesäet hat, aber insofern danach der Saame durch Regen und Sonnenschein wächst. Die Bildsäule ist organisch geworden, indem der Meifsel u. s. w. nach nothwendigen natürlichen Gesetzen gewirkt hat, aber nicht insofern die Hand des Künstlers das Leitende war. So würden denn die Begriffe organisch und natürlich dem Umfange und Inhalte nach zusammenfallen und als das Nothwendige und Gesetzmässige der Frei

heit gegenüberstehen. Es ist uns freilich eine seltsame Zumuthung, den Geist als den Urheber des Unorganischen anzusehen, als ein Aufsen, welches in das innere Naturleben störend eingreift; es ist uns seltsam und abschreckend, den Geist, der als Ausflufs des allgemeinen Lebens doch auch eine nothwendige, unfreie, gebundene Seite hat, rücksichtlich dieser seiner Unfreiheit als organisch, rücksichtlich seines Wesens und Wirkens aber, rücksichtlich seiner Freiheit als unorganisch zu betrachten. Wissenschaft, Kunst und Sittlichkeit sind unorganisch; aber die Brennessel ist organisch! Becker mag es verantworten!

§. 5. Die Freiheit.

Wie ist nun aber die Freiheit möglich? das müssen wir von Becker hören. Nicht im,, Organism," aber im Werke ,,Das Wort" lässt sich Becker über diesen nach allen Seiten so wichtigen Punkt folgendermassen vernehmen (S. 255): „Die Entwickelung der organischen Dinge geschieht nach einer inneren Nothwendigkeit, indem bestimmte Kräfte und Thätigkeiten nach bestimmten inneren Gesetzen einander anregend und beschränkend zusammenwirken; und das Erzeugnifs derselben organischen Kräfte, welche nach denselben Gesetzen zusammenwirken, kann immer nur als eins und dasselbe in die Erscheinung treten: daher in den organischen Dingen die Einheit der Arten. Je mehr sich aber in den organischen Dingen die Gegensätze von Kräften und Thätigkeiten vervielfältigen, und je mannigfaltiger insbesondere die Wechselwirkungen werden, in welche ein organisches Ding mit anderen Dingen tritt; desto mehr wird das Erzeugnifs derselben Kräfte, welche nach denselben Gesetzen wirken, als ein Mannigfaltiges erscheinen: daher in den organischen Dingen mannigfaltige Unterschiede der Individuen in derselben Art." ,,Daher?" Nimmermehr! Hier ist eine Täuschung, die auf dem schwankenden Sinne des Wortes ,, mannigfaltig" beruht. Wenn mannigfaltige Kräfte in mannigfaltigen Beziehungen wirken, so wird das Erzeugnifs derselben, da alle jene Kräfte in allen jenen Beziehungen in ihm wieder vorhanden sein müssen, ein in sich mannigfaltig gegliedertes Wesen sein, wie Becker sagt,,, als ein Mannigfaltiges erscheinen;" aber, wenn jene Kräfte nach unbeugsamen Gesetzen wirken, wird es immer dasselbe sein, ohne den

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