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dererseits aus Erfahrung bekennen, dass kaum irgend ein anderer geistlicher Act die Redlichen in der Gemeinde, sammt dem Pastor, so energisch zu demüthigen angethan ist, als eben der Act der öffentlichen Zucht, und es dürfte namentlich die Excommunication das: Gott, sey mir Sünder gnädig! allen frommen Herzen näher legen als das:,, Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie dieser." Es versteht sich, dass die Predigt des göttlichen Worts zu diesem Ende als Commentar den Zuchtact zu begleiten hat. Man muss es aber eben erfahren haben, um es bezeugen zu können, dass die mit Furcht und Zittern geübte Zucht den Gemeindeboden als heiliges Land darstellt, auf welchem gehend man eilt seine Schuhe auszuziehen und den gegenwärtigen, dreimalheiligen Gott anzubeten.

Die Motive der Kirchenzucht, sofern sie die Gemeinde der Entheiligung des Namens Gottes entziehen will, sind dem Bewusstseyn unsers separatistischen, subjectiven Geschlechts freilich weit abhanden gekommen; aber sie sind tief im Schriftbegriffe der Gemeinschaft begründet, und die Kirche, welche ihres Lebens mächtig ist, wird sich immer auch der Solidarität bewusst seyn, in welcher ein Glied des Leibes mit dem andern dem Haupte verhaftet ist. Der Ruhm einer Gemeinde ist nicht fein, wenn ihr Süssteig die versäuernde Wirkung des Stücklein Sauerteigs entweder nicht empfindet, oder doch nicht Kraft hat, denselben auszusondern. Die Altäre der Kirche werden entweihet, wenn das apostolische Wort:,, Ein Brot ist's, so sind wir Viele Ein Leib, dieweil wir Alle Eines Brotes theilhaftig sind," die Abendmahlsgenossen nicht züchtigt, solche aus ihrer Mitte hinauszuthun, die den Tod des IIErrn nicht verkündigen, sondern frech verachten. Der Geist der Gemeinschaft wird bis zum Entweichen betrübt, wenn das Lied: „,0, Lamm Gottes unschuldig!" sonntäglich von Solchen mitgeopfert wird, welche mit frevelnden Händen den HErrn Jesum Christum abermal kreuzigen. Der Name Gottes wird recht eigentlich entheiligt, ,, hingetragen zum Eitelen," wenn die Kirche ihre Ehren dem Begräbnisse Solcher zuspricht, welche (so weit menschliches Auge reicht) aus einem Leben der Schande, der Befleckung des Geistes und Leibes, unbussfertig dahingefahren sind. Dies Alles ist klar. Die Kirche, welche das Heiligthum den Hunden gibt, wird ein wüstes Haus, und die Gläubigen, welche so dicht in ihre Subjectivität sich einspinnen, dass sie als,,draussen" betrachten, was nicht in ihrem Gemüth oder in ihrem selbsterwählten Conventikel vorgeht, leisten nicht nur auf den Segen der Gliedschaft am Leibe der Kirche ver

botenen Verzicht, sondern bringen sich auch um die volle, feste Freude am Wort, welches nur denen als Fels sich erweist, die ihm unwählerisch die ganze Ehre geben.

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4. Als Heilsanstalt, zweitens, übt die Kirche Zucht zum Segen der Glieder, die dieselbe erfahren. Von der Admonition an bis zur Excommunication hin bewegt sich die ev Kirchenzucht auf dem Gebiete des Segnens. Der Bann ist der letztmögliche Liebesdienst, den sie einem halsstarrigen Sünder erweist, kraft der Macht, welche ihr der HErr, zu bessern (tis oixodou), nicht zu verderben (oux εis xαDaiqɛow) gegeben hat, 2 Cor. 13, 10. Nicht ausraufen wie die römische Kirche, oder wie die Genfer zur Zeit Served e's will unsre Kirche mit ihrer Zucht, sondern lediglich dies will sie das Unkraut nicht als Weizen behandeln. Mag es wachsen, aber von ihr gepflegt soll es nicht werden. Man sagt wohl: das strafende Wort der Predigt sey das heilsamste Zuchtmittel. Richtig. Aber vergessen wir nicht, dass wir so viel an uns

ist unsre Hörer abstumpfen gegen die Predigt der Busse, wenn wir muthwillige Verächter der heiligen Gebote Gottes zuerst strafen mit dem Wort, sodann aber ohne Weiteres als Heilige behandeln mit der That, indem wir ihnen den Genuss der kirchlichen Gemeinschaftsrechte angedeihen lassen *). Es ist dies eine wirkliche Unbarmherzigkeit. Die

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*) Eine,,Bitte an Geistliche" (in der Ev. K. Z. 1843. S. 434 f.) legt diesen eine Reihe Thesen in Betreff der Kirchenzucht ans Herz, deren 13te so heisst: Selbst ausgezeichnete und eifrige Prediger, wenn sie ihrer Kanzelrede durch die Zucht gar keinen Nachdruck geben, predigen ihre Gemeinden stumm und dumm. Allerdings ist die Predigt selbst das vorzüglichste Mittel der Kirchenzucht, wenn ihr der Dienst am Altar und das ganze übrige Predigtamt entspricht. Also das lebendige Wort, ein Geruch des Lebens zum Leben, oder des Todes zum Tode, das nimmermehr leer zurückkommt, ,,das Wort, das der HErr geredet hat," das zugleich Handlung ist! Aber die Kritik der Strafpredigten, denen im Uebrigen keine Folge gegeben wird, steht 5 Mos. 13, 21.: Wie kann ich merken, welches Wort der HErr nicht geredet hat? Wenn der Prophet redet im Namen des HErrn, und wird nichts draus, und kommt nicht, das ist das Wort, das der HErr nicht geredet hat; der Prophet hat's aus Vermessenheit geredet; scheue dich nicht vor ihm!" 6. Der theure Bittsteller (Hr. v. Thadden) hat seitdem an sich selber das Princip dieser Worte in kirchlicher Hinsicht bethätigt. Dem geistreichen, sehr beliebt gewordnen Worte von Stahl (Ev. K. Z. 1845. S. 464, in dem Vortrage über Kirchenzucht in der Berliner Pastoral - Conf.):,, Die Waffe der Kirche, mit der sie den Sieg über die Welt erstreitet, ist das Schwert des Wortes Gottes, das durch die Herzen dringt, nicht die Geissel, welche

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Liebe zu den theuer erkauften Seelen solcher Sünder muss

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die Kirche dringen ihnen zu sagen:,, Das bist du!" und erst an den für Heiden und Zöllner" Gehaltenen vermag die missionirende, erobernde Liebesarbeit der Kirche sich freudig zu bethätigen, und das desto eifriger, weil auch Gebannte doch Getaufte bleiben, aus dem Hause verwiesene Söhne, aber doch Söhne. Bussfertigen Sündern, welche öffentlich absolvirt und in die Gemeinschaft der Kirche wieder aufgenommen werden, wird hiedurch auch der Segen zu Theil, dass sie in ihre Christenehre restituirt werden. Wer einmal im Zuchthaus gesessen hat, behält zeitlebens den Titel: Dieb, Mörder u. s. w., wenn ihn nicht die Gemeinde durch den öffentlichen Liebesact einer Kirchenbusse austilgt. Der Ehebrecher behält zeitlebens den Schandfleck, wenn die Gemeinde nicht öffentlich erklärt: er ist ausgewaschen im Blute des Sündentilgers und vergessen." (Die sechzehnte der in der Anm. erwähnten Thesen.) Die Brüder, welche Kirchenzucht in und mit ihren Gemeinden üben, werden reichlich erfahren haben, dass dies keine Abstraction ist. Mir ist der Fall zweimal vorgekommen, dass junge Leute, die zu allerlei Unfug weltlicher Lust (im Kruge) sich hatten verleiten lassen und bei denen, weil sie bussfertig waren, eine Vermahnung vor dem Kirchencollegio für genügend erachtet wurde, ausdrücklich darum baten, ihre Reue auch öffentlich vor der Gemeinde bezeugen zu dürfen. Der Sinn ist unserm Volke noch nicht gar fremd geworden, zu welchem unsre Pomm. Kirchenagende (tit. IX, fol. 154.) den bussfertigen Gefallenen bei der Wiederaufnahme ermahnt:,, Grösserer Trost und grössere Ehre konnte dir diesmal im Himmel und auf Erden nicht widerfahren Darum siehe die Verbittung und Aussöhnung mit der christlichen Kirche für keinen Schimpf noch Unehre an, sondern gib Gott die Ehre, demüthige dich unter die gnädige Hand Gottes und erkenne mit dankbarem Herzen, dass dies deine höchste Ehre und Trost vor Gott und vor allen gottseligen Christen auf Erden sey. Gegen das lieblose, hochmüthige Richten, Afterreden und Klatschen wird wirklich kein gründlicheres Gegengift erfunden, als die heilige Liebe der Kirchenzucht.

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die Käufler aus dem Tempel austreibt," ist zu erwidern, erstens, dass die Geissel der ev. Kirchenzucht aus keinem andern Material geflochten ist, als dem göttlichen Worte; zweitens aber, dass eine Christengemeinde wohl Welt in sich hat, doch nicht die Welt, sondern der Tempel Gottes ist.

III.

So ist also die Kirchenzucht vom göttlichen Worte geboten, die Kirche erklärt sich in ihrem Bekenntniss und ihren Kirchenordnungen zu ihr verpflichtet und hat sie zu üben als Versammlung der Heiligen sowohl, wie als Heilsanstalt.

1st dem aber so, dann können wir anders nicht als mit tiefer Betrübniss, ja mit Aengstigung des Herzens auf den gegenwärtigen Gesammtzustand unsrer Kirche hinblicken. Die Kirchenzucht ist verfallen, an vielen Orten spurlos verschwunden. Sie ist auch da, wo die Predigt des Evangeliums wieder erschallt, nicht gleich kräftig mit dieser wieder lebendig geworden.

5. Der Keim zum Verfail der wahrhaft apostolischen Kirchenzucht ward bereits damals gelegt, als die Kirche aufhörte in der Welt zu seyn als derselbigen unvermischtes Salz und ungetrübtes Licht, und dagegen die Welt in der Kirche, ja (so weit sich dies sagen lässt) über der Kirche Platz nahm in den Tagen Constantins. Es ist wahr, wir finden seitdem noch einzelne Helden auf dem Gebiete kirchlicher Disciplin, wie den heiligen Ambrosius (dessen strahlendes Bild unser theurer Dr. Rudelbach jüngst uns vor Augen gestellt hat), und es ist ein hehres Schauspiel zu sehen, wie die Erzieherin der Völker in jener die Geister zwingenden Majestät durch die Jahrhunderte hinschreitet, vor welcher Barbarei und Weltmacht sich neigen. Doch leuchtete die Disciplin der Kirche nur in gebrochenen Herrlichkeitsstrahlen, seit die potestas gladii sich ihr dienstbar gemacht hatte, denn das, wodurch vordem die von der Welt Gehasste und Verfolgte das Geheimniss ihrer Kraft bewahrte, die Zucht-Energie der ersten Liebe, vermochte kein Arm von Fleisch zu ersetzen. Was sich Ehrwürdiges und Gesegnetes in der Disciplin der alten katholischen Kirche findet, gleicht (um mit Claudius zu reden) dem Fähnlein auf dem Meer, zum Zeichen, dass daselbst eine reiche Ladung untergegangen. Das spätere Pönitenz-System der römischen Kirche, eine alttestamentliche Carricatur der neutestamentlichen Zucht, hat den Verfall wahrhaftiger Kirchenzucht weniger äusserlich aufgehalten, als innerlich herbeigeführt. — Als der HErr durch die Reformation das lautere Evangelium der Christenheit wiedergab, wirkte er zugleich die Erkenntniss, dass die durch das apostolische Wort erneuerte Kirche sich zugleich zu apostolischem Leben in Kraft wahrhaft evangelischer Zucht erneuern habe. Aber so entschieden diese Erkenntniss in den Reformatoren sich hervorthat (vergl. die oben ange

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führten Aussprüche Luther's), so hören wir sie doch von Anfang an und je länger, desto schmerzlicher klagen, dass zu rechter Handhabung der Zucht die rechten Christen fehlten." Dies ist sagt Luther *) - die fürnehmste Ursach, dass der Bann schier allenthalben gefallen ist, dass der rechten Christen schier allenthalben wenig und gar ein kleines Häuflein von geringer Anzahl ist. Denn so wir allzumal, wie es wohl recht und billig wäre, ja seyn sollte, die rechte Gottseligkeit und Gottes Wort von Herzen lieb hätten, so würden wir des HErrn Christi Befehl grösser und theurer achten, denn alle Güter dieses zeitlichen Lebens." Und in einem,, Gutachten an einen Freund" **) schreibt er: „, Ihr thätet wohl daran, und liesse mir's gefallen, so ihr den Bann wieder anrichten könntet, nach Weise und Exempel der ersten Kirche. Aber es würde den Hofjunkherren euer Vornehmen sehr faul thuu und sie hart verdriessen, als die nun des Zwanges entwöhnt sind. Unser HErr Gott stehe bei euch und gebe sein Gedeihen dazu. Hoch wäre solche Disciplin vonnöthen, denn der Muthwille, dass jedermann thut, was er nur will, nimmt zusehens überhand, und wird durchaus eine lautere Schinderei. Ach, dass doch der Tag unsrer Erlösung schier käme, und machte des grossen Jammers und teuflischen Wesens ein Ende! Amen." Dennoch, so

hart und schwer der Boden zu beackern war, hat die Kirchenzucht im Einzelnen eine vielfach erbauliche Geschichte in unsrer Kirche, und man dürfte nicht meinen, dass die ächt pastoralen Disciplinar-Vorschriften unsrer Kirchen-Ordnungen ausschliesslich auf dem Papier verblieben wären. Erst die seit Mitte des vorigen Jahrh. hereinbrechende Verwüstung des kirchlichen Heiligthums hat auch die Zuchtnerven der Kirche ertödtet. Wie sollte da, wo an die Stelle des festen Wortes Gottes der subjective Dünkel und an die Stelle heiliger Gemeinschaft und geistlich -leiblichen Organismus bornirter Separatismus und todter Mechanismus getreten, Zucht geübt werden können über Lehre nnd Leben der Kirchengenossen? Cessante causa cessat effectus. Durch die Gnade des HErrn, der Zions nicht vergessen will, dürfen wir von dieser trostlosen Zeit als einer vergangenen und vergehenden reden. Auch diese heutige Versammlung von vielen Dienern und Gliedern der Kirche, denen die Schäden derselben im Herzen brennen, ist dess ein Zeugniss.

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Jedoch es liegt am Tage, dass die Belebung der

*) A. a. O S. 965.
**) A. a. O. S. 969.

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