صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني
[ocr errors]

derung in Europas Augen ward, hatte nichts Eiligeres zu thun, als gleich im Verfassungs-Gesetze (vom 7. Februar 1831) die Unabhängigkeit der Kirche vom Staate als Grundbestimmung aufzunehmen. Der 14. Artikel dieses Gesetzes stellt fest: dass jeder Cultus so wie die öffentliche Uebung desselben frei ist; dass die Freiheit, seine Meinung durch Wort, Schrift und Lehre, in allen Richtungen, kund zu geben, gewährleistet wird, während der Staat sich lediglich die Unterdrückung ) aller Verbrechen vorbehält, welche in der Ausübung dieser Rechte begangen werden." Ebenso wird die Unterrichtsfreiheit (Art. 17.) und das Associationsrecht (Art. 23.) unter demselben Vorbehalt garantirt. 2)

Unter allen zuverlässigen Zeugen ist nur eine Stimme darüber, dass der Rechtszustand der Confessionen durch diese Ordnung der Dinge in Belgien vollkommen gesichert ist.

CVIII.

Wo die Erfahrung, unterstützt von den primitiv christlichen Grundsätzen über das Verhältniss der Kirche in der Welt und zum Staate, so laut spricht, da muss alle Kleinmüthigkeit und aller Menschenwitz verstummen.

-

Bei der Restauration (1815) versuchte Ludwig XVIII. durch die von ihm gegebene „Charte" die Religionsfreiheit mit dem, wie er meinte, factisch gegebenen Begriff einer „herrschenden Kirche" zu verbinden. Bald kehrten alle die Greuel zurück, durch welche letztere ihre Macht an den Tag gelegt hatte die Religionsverfolgungen gegen die Protestanten in Südfrankreich im J. 1815) zeugen laut davon während die Freiheit, die sich schön genug auf dem Papiere ausnahm, eine Nullität war und blieb. Ein neues Concordat (1817) vertilgte alle Spuren der Gallikanischen Kirchenfreiheiten. Man spottete, wie Graf Joseph le Maistre, über diejenigen, die noch auf allgemeine Kirchenversammlungen pochen wollten. *) So gingen die Sachen in Frankreich, bis

4) Durch diese Bestimmung sind, wie der Augenschein giebt, alle Präventiv - Maassregeln abgeschnitten.

[ocr errors]

2) O. Mejer die deutsche Kirchenfrage, S. 11 f., 40 f. 3) Vgl. die in kirchenhistorischer Rücksicht nicht unwichtige Schrift: Die Hierarchie und ihre Bundesgenossen in Frankreich. Aarau 1823“, welche u. a. das Detail dieser Verfolgungen mittheilt. 4) " Was soll uns“, sagt er in seinem Werke: Le Pape, eine allgemeine Kirchenversammlung, da wir Pranger genug haben!" Das ist der Segen des ächt ultramontanen_Systems. Eine jede Staats- und herrschende Kirche muss in ihrer Entwickelung entweder, mit der Römischen, eine verfolgende Kirche werden, oder, wie die protestantischen, in Lethargie versinken.

[ocr errors]

ein neuer Sturm (die Julirevolution von 1830) sowohl die Restauration als den Begriff der herrschenden Kirche verwehte. Die ganze 15jährige Zeit der Restauration war ein Intermedium, worin die Menschheit ebenso wie die Religion und Kirche zu kurz kam.

Am theuersten auf jede Art und Weise war die Erfahrung, wie wir gesehen haben, in England erkauft. Desto mehr ging es aber im 19. Jahrhundert auch hier mit Riesenschritten vorwärts. Im Jahre 1828 wurde die Test-Acte und eine Menge anderer intoleranten Bestimmungen für die Dissenters aufgehoben, so dass alle protestantische Non-Conformisten vollkommen Qualification zum Parlamentssitz und zu allen bürgerlichen Bedienungen erhielten. Die Bemühungen John Fox's trugen jetzt reife Frucht in der liberalen Verwaltung Rob. Peels. Ein Jahr später, 1829, ward die Emancipation der Römisch - Katholischen erklärt; der Staat verlangte weder das Placet, noch Einfluss bei den bischöflichen Wahlen, noch das Recht die katholischen Kirchenschulen zu organisiren mehr. Die Regierung, äusserte Peel, bedarf solcher gebrechlichen Stützen nicht.

Wie diese Emancipationsbestrebungen, hinsichtlich der protestantischen Dissidenten, Katholiken und Juden, durch eine wahrhaft liberale Politik in den letzten zwanzig Jahren vorgeschritten sind, liegt am Tage. Wie gross deshalb auch die Vorliebe mancher Engländer, wie z. B. Gladstones '), für ihr establishment" (die Staatskirche) seyn mag, so dürfte doch jetzt kaum mehr als historische Divination dazu gehören, die bevorstehende Auflösung sowohl der Principien als Fundamente des Episkopalismus vorherzusagen.

Im J. 1844 stiftete man zu London eine Gesellschaft wider die Vermengung der Kirche und des Staats (Antistate-church- association). Einer der ersten Theilnehmer an diesem Vereine war Baptist Noël, Kaplan Ihrer Majestät der Königin von England, Mitglied der bischöflichen Kirche. In öffentlicher Rede vertheidigte er noch in demselben Jahre die Principien und Consequenzen dieser Gesellschaft, indem er unter Anderm für die Theilnahme des Volks an der Wahl der Geistlichen sprach.

CIX.

In allen Staatskirchen, wo nicht Religionsfreiheit gegeben war, kam es in der letzten Zeit zu einer Spannung,

[ocr errors]

1) Seine Hauptschriften in dieser Richtung: Church-principles, considered in their result. Lond. 1840", und The state in its relations with the church. Vol. I—II. Lond. 1841."

[ocr errors]

über welche die Staatsregierungen um so weniger Herr werden konnten, als sie die Dissentirenden nicht ausschliessen mochten, noch, nach dem Geist der Zeit, ausschliessen konnten, ob auch ihr Dissens den höchsten Grad erreicht hatte, während sie doch auf der andern Seite das Recht derjenigen nicht zu leugnen vermochteu, welche für den Glauben der Staatskirche innerhalb der Grenzen derselben Schutz und Sicherstellung verlangten. Der hieraus sich entwickelnde Kampf nahm nothwendig auf der einen Seite die Form der staatskircklichen Feigheit und Inertie, auf der andern die des confessionellen Rechts an, welches überall, wo es sein wahres Interesse verstand, auf Religionsfreiheit provociren und hinarbeiten musste.

Dieser peinliche und fruchtlose Kampf zog sich sehr in die Länge. Endlich sonderten sich, und zwar zuerst in Deutschland, die atomistischen Massen des Unglaubens aus; sogenannte „freie Gemeinden" entstanden hier und dort, nachdem man angefangen hatte sich der alten rationalistischen Praxis zu schämen unter der officiellen staatskirchlichen Form die Mauern und Fundamente der evangelischen Kirche zu untergraben. Früher noch hatte, theils in Deutschland, theils in Frankreich (hier seit 1830), 1) eine Reihe freier Kirchenvereine unter denen sich gebildet, welche den Glauben, das Bekenntniss und die Verfassung der Kirche festzuhalten entschlossen waren. In diesen sogenannten „,Pastoral-Conferenzen“ die, wie ihr Name andeutet, selten Gemeinde-Elemente in sich aufnehmen konnten, woran sie durch die eifersüchtige staatskirchliche Beaufsichtigung (namentlich in Preussen) behindert waren ward die Religionsfreiheit, wie Moses einst am Hofe Pharaos, erzogen : ohne dass man es recht inne wurde oder wehren konnte, durchbrachen diese Vereine bald die landeskirchlichen Grenzen und verwandelten die frühere Isolation zu einer sympathetischen Annäherung. Die Kirche hatte ihr klopfendes Herz gefunden.

Da beide Tendenzen zusammen operirten, musste nothwendig eine Gährung hervorgebracht werden, woraus früher oder später die Religionsfreiheit als der Spiritus rector aufsteigen musste.

Es war schon sehr weit in dieser Richtung gekommen, als der König von Preussen es nothwendig fand, als seinen Grundsatz zu proclamiren: „dass er die Kirche aus sich selbst

1) J. F. Bruch Zustände der protestantischen Kirche Frankreichs; Theologische Studien und Kritiken, 1844. S. 41.

heraus sich organisiren zu lassen gesonnen sey, und dass er den Tag segnen wolle, wo er derselben ihre Autonomie wiedergeben könne." Dies geschah am 2. October 1845.

Mochte auch die in demselben Jahre den Lutheranern in Preussen accordirte General - Concession keineswegs recht deutliche Spuren dieses Vorsatzes an sich tragen, so trat die zwingende Nothwendigkeit der Zeit desto klarer im Preussischen Toleranzpatente vom 30. März 1847 hervor '). Hiedurch war die Bildung freier Gemeinschaften neben der Kirche gesichert und der Uebergang zu einer organischen Religionsfreiheit auf allen Punkten gebahnt.

CX.

Zu jenen zwei Elementen zur Bildung der Religionsfreiheit trat noch (was wir keineswegs übersehen) auch in allen den Kirchen, die noch der Religionsfreiheit entbehrten, ein drittes hinzu: es waren die von England nach Deutschland und anders wohin verpflanzten christlichen Vereine zur Förderung kirchlicher Gutthätigkeit. Mit einem Male ward man des klaffenden Schlundes in den Landeskirchen gewahr, erkannte, wie die am offenbarsten kirchlichen Zwecke, wodurch die Kirche vom Anfang an ihre Mission an die Welt kund gethan hatte, so gut wie gar nicht gefördert wurden, während eine Menge weltlicher Geschäfte von den Geistlichen als die rechte evangelische Arbeit gefördert und wirklich geleistet wurden. Es erwachten die freien Kräfte in der Kirche, und manifestirten sich in einer Menge von Institutionen, die zuletzt alle in den Begriff der innern Mission" hinausliefen. Diese Anstalten, zumal zur Hülfe und christlichen Pflege der Armen, der Kranken, der kleinen Kinder, der verwilderten Menschen bestimmt, wurden gerade durch die freie Form, unter welcher sie auftraten, glückweissagende Vorboten einer bevorstehenden wahren Kirchenfreiheit und der Herstellung des Rechts der christlichen Gemeinden, deren gebundene Glieder jetzt nicht länger die freie Thätigkeit sich vorenthalten liessen 2).

[ocr errors]

Ebenso natürlich aber war es auf der andern Seite, dass

1) Vergl. Dorner die Reform der evangelischen Laudeskirchen, S. 11.

2) Eine fortlaufende Statistik dieser Vereine findet man bekanntlich im,,Christenboten." Viel Schönes trug seiner Zeit (1831) Fliedner darüber zusammen in seiner Collectenreise durch Holland und England;" auch in Kniewels Reiseskizzen aus dem Heerlager der Kirche“ (1843 f.) findet man Interessantes hierüber so wie über die Organisation der Religionsfreiheit überhaupt.

die Geburtswehen der Kirchenfreiheit, ob wir so sagen dürfen, sich hie nnd da in convulsivischen Zuckungen kund gaben. Es kam in mehrern Staatskirchen zu rein fanatischen Ausbrüchen der Feindschaft wider das Christenthum; Verfolgungen erhoben sich an mebr als einem Orte, die lebhaft an die ersten Tage des Christenthums erinnerten, als man den Bekennern des Gekreuzigten zurief: „Non licet esse vobis.“

[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

Im Waadtlande, wo man von Seiten des Staats bereits seit 1830 die Helvetische Confession, das Grundbekenntniss der Reformirten Kirche, abgeschafft, und wo 1839,,der grosse Rath" die Lehre so in seine Gewalt bekommen hatte, dass es der Regierung zu jeder Zeit frei stand, dieselbe festzustellen oder abzuändern, hatte sich, im Gegensatz zu dieser kirchlichen Tyrannei so wie in Genf schon seit 1817 eine tiefer gehende Erweckung den Weg gebahnt. Die Verfolgungen gegen die ernsten Christen man belegte sie mit dem Spottnamen Momiers" waren oft schon zum Ausbruch gekommen; mit der letzten, communistischen, Regierung, unter dem Präsidenten Druey, nahmen sie fast den Charakter eines Vertilgungskriegs an. Bei der Revolution am 14. Febr. 1845, welche diese Regierung ans Ruder brachte, erschallten durch Lausanne die Rufe: Nieder mit den Momiers, nieder mit der Religion, nieder mit allen honnètes gens!") Dieses Pöbelregiment, das seinerseits bald wieder vom Volkstribun Eytel abhängig ward, fand es für gut, den Predigern das Verlesen einer rein politischen, auf den gegenwärtigen Umsturz bezüglichen, Proclamation von der Kanzel anzubefehlen (29. Juli 1845) das Vorspiel zur völligen Entheiligung des kirchlichen Amtes. Da mehrere Geistliche, sich auf ein bestimmtes staatskirchliches Gesetz stützend, sich dess weigerten, leitete man einen Process gegen sie ein; es half nichts, dass ein motivirtes juridisches Bedenken sie freisprach, dass die kirchliche Repräsentation (die vier sogenannten,,Classes") fast einstimmig ihr Verfahren billigte 42 von ihnen wurden suspendirt, während Regierungs-Commissarien das Verlesen der Proclamation von den Kanzeln vollzogen. Da versammelte sich die Geistlichkeit des ganzen Cantons am 11. November in Lausanne, um vor Gottes Angesicht zu überlegen, wie diese Profanation und Zertretung der Kirche durch freche Banden, welche sich Obrigkeit nannten, abzuwenden sey. 153 unter ihnen erklärten am folgenden Tage (12. November 1845) ihre Amtsniederlegung, weil sie das Amt nicht mehr führen könnten zur Ehre Gottes und .

1) Berliner allgemeine Kirchenzeitung, 1845, Nr. 98.

« السابقةمتابعة »