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Hier kann die Rede nicht seyn von allgemeinen Begriffen, die eben durch ihre Allgemeinheit wenig zur Anwendung im Leben taugen, sondern vom Resultate des Kampfes von Jahrhunderten, in welchem die Verwirrungen selbst unter göttlicher Lenkung sich zur Klarheit lösen mussten; nicht von der Zueignung dieses oder jenes Stücks, das vielleicht begriffsmässig hineinpasste, sondern von demjenigen, was wirklich der Kirche ethisch nothwendig ist zu ihrem Leben, Kampf und Siege, und was nimmer entbehrt werden kann, ohne dass ihr Leben gekränkt, ihr Kampf unsicher gemacht, ihr Sieg aufgehalten wird; nicht davon, irgend Etwas von dem historisch Berechtigten niederzureissen, sondern dasjenige zu entfernen, was schon sich selbst gerichtet hat '). Ebenso wenig kann die Rede seyn von etwas absolut Neuem (wie denn in diesem Sinne auch die Reformation nichts Neues war), sondern von demjenigen, was im Herzen und Sinne der Kirche gelebt hat, auch wo sie am meisten gefesselt war, von demjenigen, was in der Arbeit und im Gebete eines jeden treuen Dieners der Kirche Jesu Christi lebet und athmet, der vor dem Angesichte des Herrn wandelt.

Deshalb so wie wir im dogmatischen System mit Recht von einer praenotio divinitatis reden, nicht als von einem Rahmen, worin dieser oder jener Architektoniker, was ihm beliebte, einsetzen könnte, sondern als von einem festen, substantiellen, von Gott selbst gelegten Grunde, so wagen wir es gleicherweise auszusprechen, dass in der Brust aller wahren Freunde der Kirche eine praenotio libertatis ecclesiae niederglegt ist, die sie nicht selbst hervorgebracht, nicht entdeckt, nicht construirt haben, sondern in welcher sie mit der ganzen Kirche leben, weben und sind. An diese wollen wir ankuüpfen, überzeugt, dass eine wahrheitsliebende Theilnahme und Beurtheilung demjenigen werde zu Theil werden, was nach unserer Meinung auf diesem Grunde sich erheben muss, selbst wenn man in diesem oder jenem einzelnen Stücke von uns abzuweichen sich gedrungen sehen sollte.

Den ganzen Stoff meinen wir aber am besten so vertheilen zu können, dass wir zuerst von dem Inhalt und der

1) Was die ganze Kirche mit ihrem Kampfe, mit Gebet und Seufzen, errungen, was der Herr aus der Fülle seiner Gnade angebahnt, indem er demselben Wege und Mittel verschaffte, das muss sich zuletzt als,, Licht und Recht" kund geben, selbst wo unsre gebrechlichen Verhältnisse, unser Mangel an Werkzeugen, unser oft partheiisches und bestochenes Urtheil noch so viele Hindernisse in den Weg legte.

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Form der Religionsfreiheit reden, so wie dieselben nach ihrer universellen Tendenz sich bestimmen, dann die Momente erwägen, worunter der Gesammtbegriff der Religion sich expliciren, so wie den Zweck, welchen die Kirche Christi auf Erden nothwendig sich vorsetzen muss, endlich aber die Form der Religionsfreiheit in engster Bedeutung oder das Verhältniss zwischen Kirche und Staat betrachten, so wie die Religionsfreiheit dasselbe setzen und aufrecht erhalten wird. Ein Blick auf die Organisation dieser Freiheit im Bereich der Kirche selbst und ihrer mannigfaltigen Segnungen, sowohl für Kirche als Staat, wird unsere ganze Betrachtung schliessen.

CXV.

Die Religionsfreiheit kann durchaus nicht zu ihrem Inhalt und ihrer Form gelangen, es sey denn, dass man ihre Universalität begriffen hat. Diese aber springt zunächst in die Augen, wenn man darauf Acht giebt, dass die Religionsfreiheit, wie die Religion selbst, sich in ein bestimmtes, organisches Verhältniss zur ganzen Offenbarungs-Sphäre setzt.

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Bei allen heidnischen Völkern ist die Religionsfreiheit blos ein Postulat, so wie die Religion selbst bei ihnen blos der matte, todtenbleiche Widerschein einer primitiven Offen-. barung ist, die sie in ihrem fleischlichen Sinne verkehrten, indem sie das Bild des lebendigen Gottes zu einem Bilde der vergänglichen Dinge oder der Gedanken ihres eignen Herzens machten. Jene,, religiones fictitiae et factitiae" konnten in keine andere Form als die der Staatseinrichtung eingehen. Das Nationale mit seiner ganzen Exclusivität ward auch das Gepräge der „, Götter;" über ihrer aller Stirn schwebte ,, das Idol" mit seiner Nichtigkeit. Deshalb bestimmte sich auch bei ihnen die Freiheit auf diesem Gebiete höchstens als ein Respect gegen das fremde Religiöse, zuletzt, in den Tagen des Römischen Universalstaats, als ein Zusammenhäufen aller Götter" und "Gottesdienste," ohne dass die Grenze des Erlaubten oder Unerlaubten dnrch eine andere Grenze als die des Politischen bezeichnet worden wäre. Staatsstifter, Gesetzgeber, Philosophen in der Ileidenwelt brauchten alle die Religion nur als ein Vehikel der Staatsleitung oder als ein Entwickelungsmoment der Nationalität; der herrschende Gedanke bei ihnen allen war derselbe, den der grosse Staatsmann Polybius in diesen Worten ausdrückt: wenn es möglich wäre, einen Staat aus lauter weisen Männern zu bilden, so wäre diese Form (die der Religion), welche die Begierden der Menschen zügelt und durch Furcht die Bösen

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in Schranken hält, durchaus nicht nothwendig. " 1) Wie die Religionsfreiheit aber, solchen Grundsätzen gegenüber, verkümmern musste, braucht wohl kaum dargelegt zu werden.

So wie aber das Religiöse selbst mit allen Grundbedingungen desselben (numen) dennoch selbst in der Heidenwelt über den Menschen stand 2), so war ihnen auch die Religionsfreiheit, obgleich nur ein Postulat ohne entsprechenden Inhalt, dennoch ein Höheres, das sie nicht zu umspannen, zu ordnen, zurechtzulegen vermochten.

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Anders mussten die Sachen in Israel stehen. Nicht blos David war es, welcher die völlig überwundenen Philistäischen und Syrischen Stämme mit freiem Gottesdienste in Israel wohnen liess, und so,, Recht und Gerechtigkeit allem Volke schaffte;" nicht blos von Nebukadnezar hören wir, dass er, nachdem er den Gott erkannt hatte, welcher allein erretten kann, dessen Reich ewig ist, und seine Herrschaft währet für und für" (Dan. 3, 30. 33), gewaltiglich herrschte über sein ganzes ausgedehntes Reich, doch ohne die Religion irgend eines seiner Unterthanen zu unterdrücken; nicht blos in den Tagen der Macchabäer erhoben sich Helden, welche für den Glauben der Väter in den Flammen und durch jedwede Hinopferung zeugten (2 Macch. 6, 7) kurz nicht blos einzelne Beispiele kluger Staatsverwaltung, menschenfreundlicher Gesinnung und heldenmüthigen Glaubens waren es, welche Israel ein ganz anderes Gepräge auch in dieser Hinsicht gaben nein, es war der ganze freie Geist der Mosaischen Gesetzgebung trotz dem Gebundenseyn des Volks an die festesten gottesdienstlichen und bürgerlichen Einrichtungen; es war die Nothwendigkeit der Darstellung eines Cultus, dessen Mittelpunkt der Herr, der Heilige in Israel, selbst war; es war endlich die schmelzende Stimme des Hebräischen Prophetismus, welcher alle Heiden zum Reiche Gottes zusammenrief und sie als den kostbaren Schmuck der Gläubigen, als Sapphiren und köstliche Steine dem Grunde eingefügt, als Söhne und Töchter, die zur Seite der Heiligen in Israel würden erzogen werden“ (Jes. 54, 11. 60, 4), aufzufassen wagte es war dieses alles zusammengenommen, sagen wir, was die Religionsfreiheit zu einem le

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1) Polybii Historiar. lib. VI, cap. 54.

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2) Selbst,, die Götter" waren ja durch die siuaquévŋ gebunden, und der Begriff der Nemesis deutet auf eine dunkle Ahnung von der Gewalt des Höchsten hin, die über den Häuptern der Götter wie der Menschen schwebt. Nur in den Nordischen Sagen ist dieser Begriff, durch die unvergleichliche Mythe vom ,,Ragnoroker," zu einer wirklichen Fortbewegung gekommen.

bendigen Vorbegriffe in Israel gestaltete, der in der Fülle der Zeit zugleich mit allen Verheissungen ergriffen und zugeeignet werden musste.

CXVI.

Ist aber auch von dieser Seite der Uebergang zum eigenthümlichen, lebendigen Begriffe der Religionsfreiheit gegeben, so müssen wir doch auf der andern Seite anerkennen, dass die vollendete Realität und Universalität desselben erst durch das Christenthum, als die Offenbarung Gottes im eminenten Verstande, seine Offenbarung im Fleisch, dargereicht werden konnte.

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Kaum wird es nöthig seyn, dieses ausführlicher darzulegen denen, welche in dem Glauben leben und athmen, dass wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit" (2 Cor. 3, 17), welche festhalten, dass in jeder Beziehung Christus berufen seyn musste,,, den Gefangenen eine Erledigung, den Gebundenen eine Oeffnung zu predigen, zu predigen ein gnädiges Jahr des Herrn und zu trösten alle Traurige" (Jes. 61. 1. 2), berufen seyn musste, wie er selbst zeuget, „durch die Erkenntniss der Wahrheit frei zu machen" (Joh. 8, 32).

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Das Christenthum kennt kein anderes „Compelle intrare“ als dasjenige, welches in der Berufung durch Gottes Gnade, in dem Worte der Liebe, die für uns am Kreuze starb., als wir noch gottlos waren, in der Kraft dieses Worts, das schärfer ist denn kein zweischneidiges Schwert, und in der Bewahrung jedes Menschen Gottes von dem Augenblicke an liegt, WO er uns überredete, und wir liessen uns überreden, der Herr uns zeigte, dass er uns zu stark gewesen und über uns gewann (Jerem. 20, 7), dass es uns zu schwer seyn würde, wider den Stachel zu löcken (Ap. Gesch. 9, 5). Das Christenthum will keine andere Herrschaft aufrichten als die des Königs aller Könige, welcher mitten unter seinen Feinden herrscht und sie alle zum Schemel seiner Füsse legt, doch so dass er aus Feinden Freunde macht, und dass „nach seinem Siege sein Volk ihm willig opfert in heiligem Schmuck" (Ps. 110, 3), während er sich selbst vorbehalten hat, Ende der Tage die grossen Schnitter in seine Erndte auszusenden, die erst dann aus seinem Reich alle Aergernisse und die da Unrecht thun, sammeln werden" (Matth. 13, 41). ,, Ihr wisset," spricht der Herr zu seinen Jüngern,,, dass die weltlichen Fürsten herrschen, und die Oberherrn haben Gewalt; so soll es nicht seyn unter euch; sondern so Jemand will unter euch gewaltig seyn, der sey euer Diener" (Matth. 20, 25. 26). Keine andere Waffen reicht er seinen Jüngern

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als die des Zeugnisses der Wahrheit, der Geduld, der Gerechtigkeit, der Liebe, die da bittet: Lasset euch versöhnen mit Gott" (2 Cor. 5, 20), des Leidens um Jesu Christi willen, wodurch sie ihre Seelen Gott befehlen sollen als dem treuen Schöpfer in guten Werken" (1 Petr. 4, 19). Denn sein Reich ist nicht von dieser Welt (Joh. 18, 36). Das Christenthum kennt, von Seiten der bürgerlichen Ordnung, keinen andern Grundsatz als den, dass keine Obrigkeit ohne von Gott, und dass wo Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet, eine Dienerin Gottes, eine Rächerin zur Strafe über den, der Böses thut; dass man ihr gehorchen soll nicht allein um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissens willen" (Röm. 13, 1. 4. 5). Das Christenthum kennt keine andern Grenzen dieses Gehorsams, als diejenigen, welche durch das Gewissen und den Glauben selbst gegeben sind; diese aber steckt sie einfach mit dem Worte ab: Man muss Gott mehr gehorchen, als den Menschen" (Ap. Gesch. 4, 29). Das Christenthum endlich kennt keine andere herrschende Kirche, als den Zustand der Kirche, wo der Herr selbst vom Gewächse des Weinstocks neu mit uns trinken wird in seines Vaters Reich" (Matth. 26, 29).

CXVII.

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Schon hieraus wird man, ohne dass wir nöthig hätten weiter zu erweisen, wie alle Strahlen sich in dem einen Brennpunkt der Befreiung durch Christum sammeln, erkennen, mit welchem Rechte wir bereits früher behauptet haben, dass die Religionsfreiheit im Christenthume nicht etwas Accessorisches, sondern demselben immanent sey1). Nur zwei Punkte wollen wir noch betonen, die vorzugsweise geeignet scheinen, die Universalität der Religionsfreiheit im Christenthume ins vollste Licht zu setzen.

Wenn Paulus auf dem Areopagus in Athen mit der die Heidenwelt erschütternden Rede von dem unbekannten Gott auftritt, welcher Himmel und Erde geschaffen hat wenn er auf einen geringen Altar dort mit der Aufschrift: '4yvwor 9 hinweist (Ap. Gesch. 17, 23) dann scheint er gleichsam Gott unter die Götter einzuführen, den Herrn des Himmels und der Erden seiner Majestät zu enkleiden.

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Allein eben dieses, die Grundlage der Verfahrungsweise des Apostels die gnädige Herablassung Gottes zur Noth und Dunkelheit und Armuth der Erde ist der Charakter der ganzen Offenba

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1) Vergl. Neun und vierzig Thesen über Religionsfreiheit; Zeitschr. für Luther. Theologie, 1843, III, S. 69 ff.

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