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dadurch wohl schon angetastet in seiner Majestät, es behauptete den Sieg. Unverkennbar erscheint darnach, in freilich schon mannichfach verwandelter, d. h. geschwächter, Zeit und Geisterströmung, auch die Concordienformel von dem belebenden Geiste dieses grossen Wortes durchdrungen und getragen, eben so unverkennbar, als indess dann doch auch sie schon unter dem Einflusse der neuen Verhältnisse und neuen Geister hin zu einer gewissermassen Gleichsetzung dieses und anderer Dogmen neigte, in vielleicht einigermassen reformirter, speculativ-dialektisch theils vermittelnder theils polemischer, Art, doch durchaus in ächt Lutherschem Wesen (und durchaus so wenigstens fern von allen Gedanken an etwaige Ueberordnung anderweit ächt lutherischer Lehren, wie von der Person Christi und vom Abendmahl, geschweige - mit Neueder studirten, unächter); eine Erscheinung, aus schulmässigen Entstehungsart der Concordienformel erklärlich genug (sie ist ja mehr als die früheren ein gemachtes, weniger als sie ein gewordenes Bekenntniss, obwohl das theologisch tüchtigste aller), worin man wohl nicht mit Unrecht einen Theil des Grundes mancher missliebigen Ansicht alter und neuer Lutheraner über dies edle Schlussbekenntniss, dann aber auch, was schlimmer, einer von da ab allmähligen Verrückung des reformatorischen Centralpunkts im Streite über dies und nach diesem Bekenntniss suchen darf. Eine nur allzubald nachfolgende mehr oder minder steife und leblose Orthodoxie, ruhmlos ruhend auf dem Polster der Lorbeeren glorreicher Ahnen, (am schmählichsten repräsentirt ja wohl von dem kleinen Görlitzer Oberpfarrer dem grossen Görlitzer Schuster gegenüber), behielt von dem mächtigen reformatorischen Grundworte statt des Kernes leider fast blos die Schale, gefüllt jetzt, statt jenes Kernes, einestheils mit strengstem bissigsten Eifer für alle cinzelnen confessionellen Divergenzpunkte nach Rom wie nach Genf hin, anderentheils - welch trauriges missverstandenes Surrogat! mit immer mehr einreissender päpstelnder Ausdeutung und isolirender Verkehrung des im rechten Verstande ja allerdings nur auf das Grunddogma von der Rechtfertigung gegründeten evangelischen Löse- und Bindeschlüssels des HErrn, mit immer ärgerem und schmählicherem Vergessen des urchristlichen und urprotestantischen Trutzes und Trostes von dem königlichen Priesterthum aller der Seinen; was darneben aber solcher Orthodoxie mannhaft entgegentrat, der theologisch synkretistische Calixtinismus und. die naturphilosophische, zugleich doch von einer Seite praktisch christliche Theosophie, wäre man nicht allzu sehr

bereits daran gewöhnt worden, den süssen evangelischen Lebensbaum in klappernde Ruthe verkehrt zu sehen, man würde schwerlich, wie man es dann that, in zurückgewandtem sei es wissenschaftlichem sei es mystisch- praktischem Verlangen nach den Fleischtöpfen Aegyptens, nach einem Heil, das aus katholisirender Trübung und Verdünnung des evangelischen Lebenswortes komme, eine Hülfe gesucht haben. Es gab Gott Lob ja noch Wahrheitszeugen, in erster Reihe ein Johann Gerhard, die dem heilskräftigen Grundprincip alle Ehre für Wissen und Leben zu vindiciren wussten, und wie hat dies ein Paul Gerhardt in seinen Liedern gethan! Der nachfolgende Pietismus aber, an sich selbst schon überhaupt zu eng für die heroische Mannesrüstung wahrhaft apostolischer Geistesfreiheit, zerbrach in frömmster Meinung darauf selbst auch die von der Orthodoxie noch bewahrte edle Schale, und neu montanistischer Inspirations- und aller Art mystischer Separations - Schwarm spielte nun mit den Scherben, darin reine und unreine Wasser verspülend, während die Zinzendorfische Brüdergemeine, altem und neuem Vorbild nach in ächt Luthersche, wenn auch weiblich Luthersche Sympathieen zurücklenkend, dem ihrer gefühligen Innigkeit zu vollkräftigen Heilsgrundworte den Kern ausschälte und dann den noch halbirte. Der Un- und Halbglaube der Neuzeit endlich hat den unendlichen Segen des urkräftigen fide sola, perfid pelagianisch ihn escamotirend, in Fluch verwandelt, oder, was er nicht von Ferne mehr verstand, verhöhnt; ein Neues aber, wo es mit grossartiger Wirkung gepflügt ist, sei es mit Hamann's, Claudius', Jung's, Boos', de Valenti's Schar, sei es mit dem Gespann der Londoner Missions- und Bibelgesellschaft, mit Wilberforce's für die Sclaven eingesetztem Leben, u. s. w. u. s. w., ist es auf einem anderen Acker geschehen, als jenem heiligen alten? Was also Leben und Tod an die evangelische Grundlehre von der Rechtfertigung gebunden hier aufgewiesen, das sind nur gröbste Lineamente. Auch sie aber stellen nicht ins Ungewisse, was denn eigentlich der articulus stantis aut cadentis ecclesiae gewesen ist. Die einzelnen lutherisch confessionellen Divergenzlehren sind es ja fürwahr nicht gewesen, denn bis herab erst gegen das 19te Jahrh. hin standen sie fast ausnahmlos in ungebrochener Autorität und Geltung, und warum, wenn sie es gewesen, hätten sie auch sonst in jenes mächtigsten lutherischen Confessors Liedern so wenig ihren Ausdruck? und ob der vermeintlich lutherische Bindeschlüssel des Bellarminsch - kirchlichen regimen legitimorum pastorum, das mag ein Gregorius Richter und ein Martin Stephan beantworten.

Freilich kann ja jenes grosse grundlegend heilskräftige Wort nicht an- und aufgenommen werden, ohne seine Strahlen, seine Radien, durchleuchtend ringsum fallen zu lassen auf die ganze weite Peripherie solchen Centrums, auf den ganzen von ihm gehaltenen und durchwebten Kreis rein reformatorischer Doctrin. In welchem Maasse und welcher Schöne dies der Fall ist, dies kann nicht treffender nachgewiesen werden, als es durch D. Thomasius bereits geschehen ist *). Wo also jene ächt lutherische Grundlehre an und aufgenommen wird, da liegt auch eigentlich schon der ganze Complex rein lutherischer Lehre, insbesondere denn auch in ihrer Divergenz von der reformirten, involvirt mit darin. Immer aber ist und bleibt doch nur jenes Princip, dies Consequenz, jenes der Baum, dies es eine Frucht; und wenn und weil denn nur um das Besondere zu urgiren - eben der Katholicismus aufs entschiedenste selbst dies Princip (zugleich mit all seiner Consequenz) abschneidet, verpönt und verdammt, die reformirte Confession das Princip dagegen, ob auch immerhin mehr blos als Einzelwahrheit gefasst und mit Zugabe nur einiger, mit Infragestellung oder Leugnung anderer Consequenz, deutlich genug recipirt, so ist das doch ein sichres Zeugniss für die ungleich grössere Nähe lutherischer und reformirter, als lutherischer und katholischer Lehre und Kirche, und ein Beweis zugleich, wie sehr man mit Unrecht neuerdings den wesentlichen Charakter des Lutherthums, sei es des alten oder des neuen, nur eben in seine specifischen Unterschiede von reformirtem Glauben und Bekennen hat setzen mögen. Es soll ja nicht geleugnet seyn, dass eine bedeutende und bedeutsame Fraction des modernen Lutherthums allerdings diesen bezeichnenden Charakter wohl trägt; es wäre das dann aber nur ein Selbstgericht über sie, ob ihr der eigentliche Charakter wahren Lutherthums nicht abhanden gekommen und fehle.

Wenden wir das Bemerkte nun einfach an auf alle die drei brennenden Fragen.

Das heilskräftige Grundwort von der Rechtfertigung des Sünders allein in Christo, im Glauben, geht so geradezu an gegen alles Meinen und Fühlen, Wissen und Wollen des blos natürlichen Menschen, scheidet so tief eindringend, ja einschneidend zwischen Gnade und Natur, zwischen Schöpfer

*) Thomasius Das Bekenntniss der evangel. luther. Kirche ́ in der Consequenz seines Princips. Nürnb. 1848.

und abgefallener Creatur, zwischen Gott und Welt, dass die einfache Consequenz dieses Wortes, in Schärfe des Denkens und Beugung des Gemüthes vollzogen, irren wir nicht, auch auf den Grundsatz führt von nothwendiger Scheidung, weil des Göttlichen und Creatürlichen, weil des Geistlichen und Weltlichen, auch ihrer beiderseitigen Sphären, auch der Kirche und des Staates, geistlicher und weltlicher Gewalt. Aber es ist dies doch eben auch hier, ja hier ganz besonders, immer nur die Consequenz, die Verstandesconsequenz, mit nichten die Einerleiheit. Wer vielmehr fände es nicht gar denkbar und hätte es nicht mannichfach vor Augen gesehen, dass in einem Christen ein ernster Eifer leben könne für Bezeugung jenes grossen reformatorischen Grundprincips selbst in Wort und That, ohne dass dem Bezeugenden doch zugleich die Zusammengehörigkeit dieses Eifers und der Anwendung desselben und des ihm zur Basis dienenden Grundprincips auf die Nothwendigkeit der Herbeiführung einer organischen Gestaltung der Religionsfreiheit in dem Aus- und Ineinander ihrer staatlichen und kirchlichen Sphären vollkommen oder auch nur wirklich ins Bewusstseyn träte? Ist doch auch offenbar blos jenes, das Erstere, ein durchaus nur Innerliches und allein zum Heil unmittelbar Nothwendiges, dieses, das Letztere, dagegen ein an sich so ungleich Aeusserlicheres und zum Heil unmittelbar nicht Nothwendiges, dazu ein mit historischen und politischen seit Jahrhunderten überkommenen äusseren Zuständen so fein und schwer Verwobenes, dass kaum ohne Schwertstreich Entwirrbares; und das Schwert zum Durchhauen des Knotens zu zücken, sei es auch in der wunderbar erhebenden Weise schottländischer Reformations- und Kirchenhelden für die schmählich gekränkte alleinige Ehre des einzigen Herrn und Hauptes seiner Gemeine, hiesse doch leicht nur in anderer Weise das Geistliche und Weltliche mengen, und am wenigsten dem Vorbild folgen des Begründers und ersten Vertreters des Princips. Wo denn nun aber so ein minder geschärfter Verstand, oder immerhin auch wir scheuen uns nicht es auszusprechen wo ein minder unter Gottes Wort unbedingt sich zu beugen gewöhntes Gewissen, den Zwang der Consequenz nicht sähe oder fühlte: hiesse es da nicht eingreifen in Gottes Recht, der allein geistliches Auge öffnet und Gewissen erweckt, gerade bei diesem Stücke irgend mit Gewalt die Erkenntniss und den Willen gleichsam zu bestürmen und zu betäuben? Ist es dem Geiste des innerlichen und nur von innen heraus wirkenden Evangeliums und Lutherthums nicht gemässer vorausgesetzt nur wirklichen Ernst und Eifer in Aufnahme und Bezeugung

des evangelischen Grundwortes eben als Grundwortes selbst dann das Pflanzen folgerecht entscheidender Erkenntniss und energischen Willens in Aeusserlicherem, in Verfassungsstück, dem mächtigen sieghaften Einflusse dieser göttlichen, überall grundlegend heilskräftigen Wahrheit selbst zu überlassen, dem Wirken Gottes, der ja auch allein die rechte Stunde weiss, wo die Frucht nicht unreif oder scheinreif, sondern wahrhaft Jeif dem zu Erlabenden zufallen kaun? Und ist ein solches des endlichen Sieges gewisses Zuwarten und lindes gleichsam hebammenmässiges Fördern nicht gerade in diesem Stücke am räthlichsten, da lier sonst und wie leicht eben vorzeitig! - geradehin zu brechen wäre mit Verhältnissen, welche als geschichtlich schon aus und seit den Zeiten der Reformation selbst her gewordene, wenn sie nicht in stiller, ruhiger, nur durch Gottes Finger bewegter successiver Entwicklung wie von selbst fallen, mannichfach kaum anders als durch Katastrophen gewaltsamen, oft daun Alles nur verschlimmernden Umsturzes corrigibel seyn dürften; Verhältnisse zudem, die doch allerdings auch ein nicht blos passives, sondern zum Theil auch actives Zuthun der seligen Reformatoren selbst mit herbeiführen geholfen hat und, liefen sie so straks und absolut unmittelbar wider das reformatorische Grundprincip selbst, doch gewiss nicht geholfen haben würde?

Nicht ganz ebenso liegt der andere Punkt. Die wahrhaft evangelische Lehre vom Verhältnisse des geistlichen Amtes, als der Folge, als einer Glaubens- Gabe und -Frucht, zu dem allgemeinen königlichen Priesterthum der Gemeine der Gläubigen als dem Grunde, als des Baumes Wurzel, steht nicht nur im innigsten Connex mit dem Princip lutherischer Reformation ist doch das unmittelbare Verhältniss des in Christo gerechten Gläubigen zu seinem einigen Heiland und Herrn gestört, ja zerrissen, wenu (stark ausgedrückt, aber nicht unwahr) eine Priesterkaste als solche vermittelnd dazwischen treten darf, ja muss!*) sondern sie

*) Das hat so wahr und schön auch die Gemeine, deren schwache Seite ihre Unfähigkeit, den ganzen Menschen religiös auszubilden, deren starke Seite aber die Innigkeit des glaubensgerechten persönlichen Verhältnisses zum Heiland ist, die Brüdergemeine, erkannt, indem sie den leuchtenden Grundsatz von dem Nichtunterschiede zwischen Clerus und Laien an die Spitze ihres Gemeinwesens gestellt hat (vgl. des Freiherrn v. Schrautenbach Der Graf v. Zinzendorf und die Brüdergemeine seiner Zeit. Gnad. 1851. S. 427.) — womit danu freilich das gleichzeitige Bestehen auf bischöflicher Succession, kraft welcher wir Macht haben eine Kirche zu seyn" (Schrautenb. S. 424.), gar seltsam contrastirt.

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