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Welches ist nun, kurz gesagt, der Gegenstand, den diese Thesen behan= deln? Es ist die Gewissensfreiheit im Gegensatz zur Gewissensherrschaft oder Gewissens tyrannei. Beantworten wir uns darum vorerst diese beiden Fragen: Was versteht man unter Gewissen? was unter Gewissens tyrannei?

Gewissen ist nicht, wie man gewöhnlich meint, das dem Menschen bei seiner Erschaffung ins Herz geschriebene Moralgefeß, von welchem nach dem Falle noch ein kleiner Rest übrig geblieben ist. Es ist mehr. Röm. 2, 15. heißt es von den Heiden, daß ihr Gewissen sie bezeuge, dazu auch die Gedanken, die sich unter einander verklagen oder entschuldigen. Hiernach ist das Gewissen ein geheimer Zeuge im Herzen; es ist eine dem Menschen anerschaffene und auch nach dem Fall verbliebene innere Stimme, welche ihn entweder warnt, straft,,, verklagt", verurteilt, wenn er in Gedanken, Worten und Werken etwas thut, was er nach seiner Erkenntnis für unrecht hält, oder aber ihn,, entschuldigt", losspricht, wenn er das thut, was nach seiner Überzeugung recht ist. Wäre nun das Gewissen das in dem Menschen übriggebliebene Moralgefeß selbst, so könnte der Mensch keine Sünde thun, solange er nur seinem Gewissen folgte; dann könnte das Gewissen nicht irren. Aber in einem gewissen Sinne kann man ganz mit Recht von einem irrenden Gewissen reden. Der Indianer macht sich ein Gewissen daraus, hält es für Sünde, die Privat-Blutrache zu unterlassen, die doch Gott verboten hat. Der Katholik macht sich ein Gewissen daraus, am Freitag Fleisch zu essen, was doch nach Gottes Gefeß keine Sünde ist. Beide haben ein irrendes Gewissen. - Woher kommt aber dieses Jrren des Gewissens? Daher, daß dem Gewissen nach dem Fall die richtige Unterlage fehlt, nämlich die rechte Erkenntnis Gottes und seines Willens. Wohl weiß der natürliche Mensch, daß es einen Gott giebt, der der HErr ist, dessen Knechte wir sind, dem wir daher für alle Thaten verantwortlich sind. Aber die Erkenntnis dessen, was diesem Gott gefalle, ist in dem gefallenen Menschen nicht nur getrübt, sondern vielfach gänzlich ausgelöscht; falsche Vorstellungen, die durch falsche Erziehung und Beispiele verstärkt und vermehrt sind, sind an deren Stelle getreten. Daher heißt es Röm. 1, 18., daß die Heiden „die Wahrheit“ — die ihnen anerschaffene Erkenntnis Gottes und seines Willens in Ungerechtigkeit aufgehalten haben, und darum habe sie Gott in Blindheit dahingegeben, daß ihr Gewissen sie selbst über die erschrecklichsten Sünden nicht mehr straft. Wir sehen hieraus: Der Grund, warum das Gewissen oft ein falsches Urteil abgiebt, liegt nicht im Gewissen selbst, sondern in der mangelnden Erkenntnis, von wel cher aus das Gewissen über Gut und Bös sein Urteil fällt. Und insofern kann man wohl sagen: Das Gewissen kann nicht irren.

irrt es nie, daß es bezeugt, man sei schuldig, zu thun, was man für recht, und zu unterlassen, was man für unrecht achtet, und wenn es daher je nach dem Verhalten des Menschen ihn bald verklagt, bald entschuldigt.

Daher es denn auch kommt, daß der Mensch jedesmal sündigt, wenn er wider sein Gewissen handelt oder etwas mit zweifelndem Gewissen thut, also auf die Gefahr hin, es könnte vielleicht Sünde sein.

Was heißt demnach, über das Gewissen eines andern herrschen? Worin besteht die Gewissensherrschaft oder Gewissenstyrannei? Darin, daß ein Mensch einen andern 1) entweder mit Gewalt zwingen will, das zu glauben oder zu thun, was doch sein Gewissen für falsch und unrecht erklärt, und das zu verwerfen oder zu unterlassen, was er für wahr und recht hält; oder aber daß ein Mensch einen andern 2) kraft seiner vorgeblichen Autorität, seines Amtes und Ansehens hiezu zwingen. will. Jene Gewissensherrschaft übten einst die Juden (Saulus, Apost. 26, 11.) und die Heiden in den Christenverfolgungen, sowie die Papisten in ihrer Verfolgung der treuen Zeugen der Wahrheit aus. Ein Beispiel jener zweiten Art von Gewissenstyrannei giebt uns der hohe Rat in Jeru salem, welcher den Aposteln zurief: Haben wir euch nicht mit Ernst geboten" wir, wollen sie sagen, die wir dazu in Amt und Würden von Gott gesetzt sind, daß ihr nicht solltet lehren in diesem Namen?" Sie ist am häufigsten im Pabsttum zu finden. Als einst Luther vor Kardinal Cajetan stand, wollte dieser mit ihm sich auf gar keine Disputation einlassen, sondern forderte nur im Namen der Kirche, welcher sich Luther unterwerfen müsse, das einige Wort „,Revoco", „Ich widerrufe." Und ebendasselbe geschah auf dem Reichstage zu Worms. Aber Luther widerrief nicht. Warum nicht? Denn, sprach er u. a., es sei weder sicher noch geraten, etwas wider das Gewissen zu thun". (XV, 2308.)

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Endlich giebt es zwar noch eine dritte Art von Gewissensherrschaft, welche die allgemeinste und gefährlichste ist. Es besteht diese darin, daß man seine Vernunft oder Fleischeslüste zum Herrn über sein Gewissen macht und das Warnen und Mahnen desselben durch selbstgemachte Ausflüchte zu dämpfen und übertäuben sucht. Für eine Zeitlang mag dies dem Menschen gelingen. Aber immer fängt, wie Luther spricht, das Hündlein im Busen wieder zu bellen an. Und wehe dem, der diesem Bellen nicht noch vor dem Tode Gehör schenkt! Von dieser letzten Art Gewissensherrschaft ist jedoch hier nicht die Rede, sondern von den beiden ersten.

Nach diesen Vorbemerkungen wird verständlich sein, was unsre erste These meint, wenn es darin heißt:

Thesis I.

Die lutherische Kirche glaubt, lehrt und bekennt nach Gottes Wort, daß keine Kreatur im Himmel und auf Erden, sondern allein Gott der HErr selbst über Glauben und Gewissen der Christen zu herrschen Recht und Macht habe.

Jak. 4, 12. 1 Kor. 7, 23. Matth. 15, 9. Gal. 5, 1. Joh. 8, 36.

Unsre Kirche glaubt, lehrt und bekennt dies „nach Gottes Wort“. Denn also heißt es erstlich

Jak. 4, 12.:,,Es ist ein einiger Gesetzgeber, der kann selig machen und verdammen." Ein menschlicher Gesetzgeber kann nicht selig machen und verdammen, je nachdem nämlich seine Gebote gehalten oder übertreten werden. Gott allein kann Gebote geben, deren Erfüllung uns den Himmel öffnet und deren Übertretung uns in die Hölle stößt. Daher denn Gott bei der Gesetzgebung gleich zu Anfang erklärte: „Ich, der HErr, dein Gott, bin ein starker eifriger Gott; du sollst keine andern Götter haben neben mir." Wer die Gewissen der Menschen mit Geseßen neben Gottes Geboten zu binden sucht, der greift daher Gott in sein Amt, treibt mit sich selbst Abgötterei und leitet andere zur Abgötterei an.

Ferner spricht Paulus zu den Korinthern

1 Kor. 7, 23.: „Ihr seid teuer erkauft; werdet nicht der Menschen Knechte!" In der letzten Hälfte des Spruches ist zwar speziell und zunächst von der leiblichen Knechtschaft die Rede. Aber die meisten Theologen finden hier gewiß mit Recht, wie auch in andern Stellen, in welchen von etwas Speziellem gehandelt wird, eine allgemeine Wahrheit ausgesprochen, vgl. Röm. 14, 22. 23., die Wahrheit nämlich, daß sich ein Christ niemand zum Herrn über sein Gewissen machen lassen solle.

Matth. 15, 9.:,,Vergeblich dienen sie mir, dieweil sie lehren solche Lehren, die nichts denn Menschengebote sind." Ein gewaltiges Wort unsers Heilandes, welches alle selbsterwählten und von Menschen auferlegten Werke, mögen sie noch so schwer sein, für vergeblich, für eitel Spott des großen Gottes erklärt; also auch denjenigen ihr Urteil fällt, die folche Werke den Christen als nötig zur Seligkeit aufs Gewissen legen.

Hierher gehören ferner alle die Stellen, welche von der christlichen Freiheit handeln. Z. B.:

Gal. 5, 1.: „So bestehet nun in der Freiheit, damit uns Christus befreiet hat, und lasset euch nicht wiederum in das knechtische Joch fangen.“

Joh. 8, 36.: „So euch der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei.“

Christus hat ein teures Lösegeld bezahlt, um uns nicht nur Freiheit vom Fluch und Zwang des Moralgefeßes, sondern auch Freiheit vom Ceremonialgesetz und von allen auf das Gewissen gelegten Menschengeseßen zu erwerben. Welche Sünde, wenn der Mensch den wieder knechten will, den Gott selbst durch Leiden und Sterben frei gemacht hat! Keine Kreatur kann und darf das thun.

Das glaubt, lehrt und bekennt denn darum auch die lutherische Kirche. Apologie der Augsburgischen Konfession: Die heilige Schrift und die Apostel sind kurz hindurch gegangen und schlecht mit einem Strich alles quittieret und klar dürre heraus gesagt, daß wir in Christo frei ledig seien von allen Traditionen" (d. i. von allen „Men= schensaßungen"). (Art. 15. Von den menschlichen Sagungen in der

Kirche. St. Louiser Ausg. S. 157 a.) Vorher hatte die Apologie gesagt, daß fromme Leute, um die Gewissen zu erleichtern, allerlei Linderungen der strengen Kirchen- und Pabstgebote gesucht hätten; das sei aber nicht genug gewesen; die Apostel hätten es gemacht wie Alexander, welcher den unauflösbaren gordischen Knoten einfach mit dem Schwerte zerhauen habe. Sie haben alles „quittieret“, daß keine Schuld blieb.

Konkordienformel: Desgleichen ists auch zu thun um den Artifel der christlichen Freiheit, welchen zu erhalten der Heilige Geist durch den Mund des heiligen Apostels seiner Kirche, wie jezt gehöret, so ernstlich befohlen hat. Denn sobald derselbige geschwächt und Menschen gebote mit Zwang der Kirche als nötig aufgedrungen werden, als wäre Unterlassung derselben Unrecht und Sünde, ist der Abgötterei der Weg schon bereitet, dadurch nachmals Menschengebote gehäuft und für einen Gottesdienst, nicht allein den Geboten Gottes gleich gehalten, sondern auch über dieselben gesetzt werden.“ (Gründliche Wiederholung. Art. 10. St. L. A. S. 475.)

Luther: Was Gott frei seßt und nicht verbannt, das sollen alle Engel und alle Kreaturen nicht binden noch verbieten, bei Verlust der Seligkeit. Und wer hier nicht hält über solcher göttlichen Freiheit, und folget den Verbindern, der wird samt den Verbindern zum Teufel fahren, als der in Gottes Gefeß und Regiment gefallen, crimen laesae summae majestatis (ein Majestätsverbrechen) begangen hat." (Brief an Joh. v. Schleinick, 1523, betreffend die Heirat eines Mitgevatters. X, 839.)

Derselbe: Wo sich ein Thun oder Lassen findet, da Gott nicht von gelehrt, geboten noch verboten hat, soll man es frei lassen bleiben. Wer aber drüber fähret und gebeut oder verbeut, der fället in Gottes eigen Amt, beladet die Gewissen, macht Sünde und Jammer und verstöret alles, was Gott frei und sicher geben hat, und verjagt dazu den Heiligen Geist mit alle seinem Reich, Werk und Wort, daß eitel Teufel da bleiben." (Wider die himmlischen Propheten. 1525. XX, 128.)

Derselbe: Über die Seele kann und will Gott niemand lassen regieren, denn sich selbst alleine.“ (Von weltl. Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei. 1523. X, 452.)

Daß unsre Kirche alle Gewissensherrschaft der Menschen verwirft, geht ferner klar hervor aus der Beschreibung, die sie von der christlichen Freiheit giebt. Vgl. den eben citierten Abschnitt der Konkordienformel.

Der lutherische Theologe Brochmand giebt folgende Beschreibung der christlichen Freiheit: „Die christliche Freiheit ist die durch Christi Blut erworbene Befreiung von der geistlichen Knechtschaft, durch welche die an den eingebornen Sohn Gottes Glaubenden von dem Fluch des Geseßes, von der Knechtschaft der Sünde, von dem Joch der mosaischen

Ceremonien und von der Last der menschlichen Sagungen vor Gott im Gewissen frei sind.“ (Univers. th. system. Tom. II, 520.) Ganz anders aber bestimmen die Papisten das Wesen der christlichen Freiheit.

Ägidius Hunnius sagt hiervon: „Der Jesuit Tanner sagt zu Gal. 5, 1., in dieser Stelle sei von dem knechtischen Joche des mosaischen Gesetzes die Rede, von welchem der Apostel nicht wolle, daß die Christen demselben unterworfen seien. Der arme Mensch hat dem nichts weiter hinzuzufügen. Es ist das aber eine allzu enge Beschreibung der christlichen Freiheit, wenn sie allein als eine Befreiung vom knechtischen Joche des mosaischen Gesetzes beschrieben wird. Was wäre das für eine Befreiung von der Knechtschaft, wenn du deinen leibeigenen Knecht frei ließest, aber so, daß du ihn einem andern Herrn übergäbest, welcher ihm ein noch schwereres knechtisches Joch auflegte? Ein schweres Joch war aber die Beobachtung so vieler Ceremonien unter dem levitischen Gesez, so viel Feiern, so viele Waschungen, so viele Opfer und noch viele andere Gebräuche. Aber unter dem Pabsttum wird das christliche Volk mit weit mehr Auffäßen, Gebräuchen und Ceremonien belastet, welche alle und jede als Sache des Gewissens, mit der Meinung der Notwendigkeit und eines Gottesdienstes, zur Beobachtung vorgelegt werden. . . . Die Natur der von Christo erworbenen Freiheit, welche der Apostel an jener Stelle hochhebt, leidet eine solche Tyrannei nicht. Es ist auch niemand gestattet, außer den Geboten, von welchen man in der Schrift des Neuen Testamentes liest, daß sie vorgeschrieben sind, irgend etwas anderes in Sachen des Glaubens und der Religion zur Beobachtung auf die Gewissen zu legen." (Anti-Tannerus c. V. Opp. Tom. II, fol. 507.)

Um die Freiheit von Menschensaßungen, welche die lutherische Kirche glaubt, lehrt und bekennt, verdächtig zu machen, stellten die Papisten Luthern dar als einen Menschen voll fleischlicher Freiheitsgelüste, der nur dadurch sich einen Anhang verschafft, daß er zügellose Leute durch die Predigt: Thut, was ihr wollt; das Evangelium deckt alles zu!" um sich gesammelt habe. So sehr aber Luther auf Freiheit von Menschengeseßen drang, ebensosehr hat er auf die Verbindlichkeit des göttlichen Gesezes gedrungen und selbst oft genug auf das deutlichste erklärt, für was für eine Freiheit er eintrete. Er sagt u. a.: „Ein Christ ist an kein Gesez verbun den, denn nur an das göttliche." (Büchlein von d. babylon. Gefängnis der Kirche. 1520. XIX, 92.) „Nur für diese Freiheit und Gewissen schreie ich, und schreie getrost, daß mit keinem Rechte den Christen könne einigerlei Gefeß aufgelegt werden, weder von Menschen noch von Engeln, als soviel sie wollen. Denn wir sind frei von allen.“ (Ebd. S. 86.)

Wie es nun aber schwere Sünde ist, über die Gewissen mit Menschensagungen herrschen wollen, so ist es auch schlechte Demut, Menschengeboten sich unterwerfen. Da gilt, was

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