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und eine Verunreinigung der sittlichen Gesinnung.

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empfehlen. Der schwärmende Vertreter höherer Personwertsittlichkeit beraubt sich hiergegen selbst der Waffe. Ihm bleibt gegen diesen Subjektivismus, ja Cynismus, nur der ohnmächtige Hinweis darauf, dafs der Personwert, von dem der wahrhaft Sittliche weifs, tausendmal mehr als der, der jenen Verblendeten vorschwebt, beseligt. Und das ist doch auch ein Subjektivismus. Nein, die richtige Waffe läfst sich erst schmieden, wenn man begriffen hat, dass es nicht auf das Objekt, sondern auf das Gesetz des Wollens ankommt, d. h. wenn man das Grundaxiom der Personwertmoral rein auffafst und richtig daraus folgert.

Auch im praktischen sittlichen Leben thut die persönliche Interessiertheit nicht gut. In der Fremdwertmoral tötet sie wie wir später erkennen werden, geradezu alle Sittlichkeit. In der Personwertmoral braucht sie nicht schädlich zu wirken; hier sollen wir ja das Wollen persönlichen Werts überhaupt hochhalten und fehlen gewiss nicht, wenn wir uns im besondern um den gottgewirkten Personwert bemühen. Aber wie schwer geht hier so Vielen der sittliche Geist; wie beladen mit Ketten von Mifsverständnissen! Während sie irgend einen persönlichen Wert vor zuständlichem bevorzugen, erfahren sie plötzlich vermöge dieser sittlichen Wahl jenen inneren Personwert, und nun vermischt sich ihnen beides. Neben dem Personwert, nach dem sie vorher gestrebt haben, bemühen sie sich fortan um den neuen gottgewirkten, durch die sittliche Wahl entstandenen, in unklarer Einheit mit. Nun spüren sie zwar die höhere Würde sittlichen Wählens und finden doch niemals das reine Prinzip, Inach dem ihr Wählen sittlich wird. Auf die Norm müfsten sie erst schauen lernen, nicht auf sich und ihre innere Erhebung. Und welche Unfreiheit in den negativen Fällen, wenn ihnen erst innerer Personunwert sagen muss, dafs das unsittliche Wählen ein Übel ist! Unter dem Fluche des Pflichtgesetzes steht man da, nicht unter der Wahrheit. Die Gesinnung der Sittlichkeit fehlt.

4. In diesem Sinne meinen wir es, wenn wir sogar jene feierlichen Erfahrungen, die so wichtig für das transscendente religiöse Denken sind, ein zweischneidiges Schwert für das sittliche Handeln nannten. Natürlich! Denn wollten wir das sittlich Gute nur darum, um jenen gottgewirkten Personunwert zu meiden und den entsprechenden gottgewirkten Personwert zu

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Was der sittliche Gesinnungswandel ist?

gewinnen, wie selbstisch wäre dann noch unser bestes Wollen! Ein anderes, viel edleres Treiben sollte, wenn wir sittlich wählen, unser Herz füllen. Nicht um irdischen Lohn oder Strafe das Gute gethan! Das wäre bei weitem nicht die rechte Gesinnung. Noch um jenseitigen Lohn und Strafe! Auch das wäre kein reiner guter Wille. Ist doch nicht einmal das die rechte sittliche Gesinnung, wenn man an inneren Lohn und Strafe denkt. Dies alles bildet nur ein Zuchtmittel auf etwas Höheres und Gröfseres. Jenes Gröfsere ist das Gefallen an der reinen Sittlichkeit selbst, das heilige Jasagen zur eignen Willensnorm. Wer sich dazu hindurchgerungen hat, der macht sich aus seinen persönlichen Erhebungen und Demütigungen keinen Endzweck mehr, hier zum Suchen, dort zum Meiden. Er lässt sich von ihnen nur anzeigen, ob er sittlich richtig oder falsch wählt. Ein höchstes Leben will in uns Allen lebendig werden. In dem, der der Normregel mit reinem Gefallen daran folgt, ist Gott lebendig, er heiligen Geistes voll geworden. Gewils. Die jene Gesinnung nicht haben, sind darum nicht unsittlich. Keinen übertreibenden Rigorismus. Sie sind so oft sittlich, als sie ihren Personwert vor ihrem Zustandswert bevorzugen. Aber ihre Sittlichkeit ist und bleibt stückweise, auch, wenn sie ein Leben hindurch währte. So wie jemand sein ganzes Leben lang richtig gedacht haben kann, ohne je mit dem Geist der logischen Wahrheit getauft gewesen zu sein. Dieser besteht in der Liebe zur Wahrheit um ihrer selbst willen. Ebenso besteht der Geist der Sittlichkeit in der bewufs ten inaltruistischen Wertschätzung, die sich unmittelbar auf das richtige synthetische Wählen richtet. Erst mit diesem Wählen ist der reinen Wertschätzung des Sittlichen, die in allen Menschen angelegt ist, das richtige Objekt gefunden. Vorher erlebten wir sie, wie zuerst alles Wollen, ohne Kenntnis des Objekts.') Von hier aus lässt sich die innere Revolution deuten, von der die sittliche Erfahrung der Ernstesten und Tiefsten zeugt. Sie ist der Übergang von der interessierten Wertschätzung der Sittlichkeit zur uninteressierten; von jener mittelbaren, die gelegentlich des richtigen. synthetischen Wählens entspringt und den dabei erlebten Personwert wiederholt haben möchte, zur unmittelbaren; zu der, die aus dem Gefallen am richtigen synthetischen Wählen,

1) Vgl. meine Psychologie des Willens. § 12.

Er ist Übergang vom mittelbaren zum unmittelb. Gefallen am Sittl. 87

d. i. an unserer inneren Wahrheit, selbst schöpft. Nicht als hinge unser Gutthun von solcher unmittelbaren Wertschätzung ab. Es war Kants Irrtum, dafs man ohne bewufste Achtung vor dem reinen Pflichtgesetze überhaupt nicht moralisch wählen und handeln könne.1) Vielmehr liegt ethisches Wollen in jedem synthetischen Vorziehen vor und dieses Vorziehen fliefst, wie überhaupt aus keinem Motive, so auch nicht aus dem obigen. Aber das reine Gefallen am sittlichen Wählen ist doch das einzige, das den Fortschritt der Sittlichkeit, die nicht von der Welt ist, in der Welt verbürgt. Es führt zu einem stets wachsenden Streben, über die unmittelbare Norm unseres Willens hinaus im Sinne dieser Norm zu handeln.

5. Müssen wir dann aber nicht, wendet man ein, die Normgesetze des Willens schon kennen, um sittlich gesinnt zu sein? Und wäre das nicht gegen alle sittliche Erfahrung? Sittliche Gesinnung habe es ja unzählig oft gegeben, ohne dafs deren Träger je etwas von Willensnormen geahnt. Die sittlichen Normen in der vorstehenden Weise bewusst zu formulieren, versuche dieses Buch vielleicht zum erstenmale.

Der Einwand übersieht, dafs alle Willensregungen von Natur blind sind, dafs wir daher sittlich wollen können, und das sehr energisch, ohne eben auch klar zu wissen, was wir wollen. So geht es den Allermeisten, denen die sittliche Wahrheit gefällt. Wo dies Gefallen ungesättigt ist, giebt es ein inneres Treiben und Sehnen. Mancher überhört es. Einem Andern kommt es als immer drängenderer Wunsch zum Bewusstsein, den imperativen (d. i. durch das synthetische Vorziehen sanktionierten) Impulsen zu folgen, ohne dafs doch das Gesetz erkennt, durch das sie die verpflichtende Kraft haben. Bis dahin war er seinen imperativen Motiven neben andern gefolgt oder er war ihnen auch nicht gefolgt. Er war sich der unmittelbaren Würde der sittlichen Willensakte noch nicht bewulst geworden. Jetzt mit einemmale geht sie ihm auf. Gleichzeitig damit erkennt er, ein Leben, das nicht von der reinen Glut für die Offenbarungen solcher Würde durchwärmt ist, sei nicht lebenswert; durch diese Würde seines sittlichen Wollens sei er in seinem Vergänglichen zu Ewigem geweiht. Nicht also das Gesetz der Sittlichkeit zu

1) Das wäre so, wie wenn behauptet würde, man könne ohne Gefallen an der Wahrheit nicht logisch urteilen.

88 Sittliche Gesinnung ist ganze, Tugend stückweise Sittlichkeit.

erkennen, sondern die Unmittelbarkeit unseres Gefallens daran zu spüren und sie rein aus solchem u nmittelbaren Gefallen üben zu wollen, den imperativen Impulsen wegen ihrer eignen sittlichen Würde zu folgen, das macht die innere Revolution.

Die sittliche Gesinnung, die so zum Durchbruch kommt, ist etwas Anderes als Tugend, man müsste denn sie selber Tugend nennen wollen. Will man das, so ist das Sache der Definition. Die Stoiker haben es z. B. gethan und ganz folgerichtig behauptet, es gebe nur eine Tugend, jene normgemässe Gesinnung, die sich in allen Handlungen gleichmälsig auspräge, oder aber es gebe gar keine Tugend. Man könne nicht blofs in einigen Stücken sittlich und blofs in einigen böse sein. Ebenso Kant (Rel. i. d. Gr. d. r. V. S. 23, Fufsnote, Recl.).

Der gewöhnliche Sprachgebrauch ist nachsichtiger. Nach ihm kann Jemand ganz wohl in einem Stücke böse sein und ist es darum noch nicht in allen andren. Der Betreffende braucht nur eine bestimmte Sorte von Handlungen wiederholt ausgeführt zu haben, die norm gemäfs wären, wenn wir sie als Ergebnisse synthetischen Wählens betrachteten. Dann prüfen wir nicht erst, ob sie aus solchem Wählen hervorgegangen sind, sondern nennen ihn ohne weiteres in diesem Stücke tugendhaft. Wir begnügen uns hier, auf eine dauernde Beschaffenheit in ihm schliessen zu können, die ihn zu dieser Sorte Handlungen, die so sittlich aussehen und es vielleicht sind, treibt. Jene dauernde Beschaffenheit in ihm bezeichnen wir als seine entsprechende Tugend, mehrere solche dauernden Beschaffenheiten zu anderen und noch anderen normgemäfsen Handlungen als seine anderen Tugenden, gleichgültig, aus welchen Faktoren sich die inneren Beschaffenheiten zusammensetzen. Wenn er sittlich Gefälliges bestimmter Art regelmäfsig ohne Motiv, rein gewohnheitsmäfsig thut: gut, dann ist eben Gewohnheit, gute Dressur das vorwiegende Element in seiner entsprechenden Tugendbeschaffenheit. Wenn er das sittlich Gefällige nur aus Motivdrang thut, ohne jede Spur sittlichen Wählens: auch gut. Dann ist sein, in diesem Punkte gutes Naturell das Hauptbestandstück seiner entsprechenden Tugend. Wenn er das sittlich Gefällige vom Motiv getrieben und gleichzeitig mit dem Bewusstsein sittlichen Vorziehens thut:

Selbstbetrug über die Motive unseres Handelns.

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noch besser. Er nähert sich dann einem sittlichen Charakter. Diesen hätte er erreicht, liefse er das sittliche Vorziehen den Kopf seines normgemässen Handelns sein und das in allen Stücken. Nur ein widersittliches Motiv darf nicht der veranlassende Grund der einzelnen Handlungen sittlichen Scheins sein, und brächte es sie noch so regelmässig hervor. Denn hier könnten wir nicht einmal fingieren, der Handelnde würde wählend das Sittliche thun, das er dem äufseren Scheine nach thut. Soviel über die sittliche Gesinnung und ihren Unterschied von jeder blofsen Einzeltugend.

III. Das Problem der sittlichen Freiheit.

§. 9. Die Lüge des Bewusstseins.

1. Die sittliche Gesinnung hat manchen Widersacher in uns. Einmal wird sie dadurch erschwert, dafs wir so oft das mittelbare und das unmittelbare Gefallen am sittlichen Wählen vermischen. Sodann leidet sie darunter, dafs wir nur zu gern einzelne Tugendstücke mit der inneren Ganzheit sittlichen Lebens verwechseln. Noch mehr aber als dies beides steht ihr die Lüge des Bewusstseins im Wege.

Wir haben diese Erscheinung bereits erwähnt. Sie war uns in der Gestalt entgegen getreten (S. 63), dass man sich vorspiegelt, richtig zu wählen, während einem weit mehr an etwas anderm liegt. Nicht so sehr der Wunsch richtiger Wahl als ein andres Motiv bewegt einen, aber man thut vor sich, als folge man jenem Wunsche. Man pocht dann gern vor sich mit der löblicheren Triebfeder, während einem im geheimen gerade die andere am meisten gilt. Es ist das die erste Art von Lüge des Bewulstseins, nämlich die, dafs man sich über die Motive seiner Handlungen täuscht.

Bereits Kant hat diese Lüge des Bewusstseins durchschaut. Seine ganze Ethik ist ein flammender Protest dagegen. Indem er „Legalität“ und „Moralität" unterscheidet, zielt er gerade auf die Fälle, wo eine Handlung zwar mit der sittlichen Forderung übereinstimmt, ohne dafs es aber sicher ist, ob sie aus Pflicht, d. i. aus Achtung vor dem Sittengesetz, aus Liebe zum richtigen synthetischen Vorziehen, geschieht. Geschieht sie, schreibt er, weil uns noch ein andrer Antrieb

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