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Unermeßliches, womit leichte, einfache, klare Natürlichkeit sich nicht vereinigen ließ.

Das Dritte, was uns an Schiller's Jugendpoesien im Vergleich mit den Goethe'schen besonders auffällt, ist die Maßlofig= keit der Empfindungen, die freilich aus derselben Wurzel entsproß, wie die Schrankenlosigkeit seiner Phantasien und seiner speculativen Träume. Schiller war, wie Goethe, mit starkem und tiefem Gefühl ausgestattet; aber während Goethe's Empfindungen sich an der Erfahrung regelten und begrenzten, fachte Schiller die seinigen durch einsames Sinnen und Phantasiren zu hochlodernden Flammen auf. Wie maßvoll gehalten, wie anmuthig und gefällig sind schon die frühesten Liebeslieder von Goethe, und wie exaltirt und formlos dagegen die Lauralieder von Schiller! Der Dichter, sagt Hoffmeister, glüht für selbstgebildete Ideen und Phantasien, für eine Laura, die sein Geschöpf ist. Sein Gefühl wird durch seine Gedanken in's Grenzenlose fortgerissen und überfliegt seinen Gegenstand. Individuelle Empfindungen und Verhältnisse werden nicht vorgeführt und man erfährt von der Hochgefeierten selbst fast gar nichts.

Hiernach läßt sich schon von selbst erwarten, daß auch im Styl und in der ganzen sprachlichen und metrischen Form der Schiller'schen Jugendgedichte Ebenmaß, Anschaulichkeit, bestimmte Begrenzung, strenge Angemessenheit zum Gegenstande, feiner Geschmack vielfach vermißt werden. Seine Tropen und Figuren. sind oft kühn und originell, aber auch eben so oft extravagant und dunkel. Sie participiren an dem universellen Gesammt= Charakter der Gedichte; daher werden unermeßliche Bilder und Vorstellungen wie die Ewigkeit, das Weltall, der Ocean allzuhäufig für leichter faßliche und näher liegende herangezogen. In der Wortstellung erlaubte Schiller sich damals Freiheiten, welche mitunter die Kraft der Sprache erhöhen, aber nicht selten das Verständniß erschweren; besonders machte er häufig von der

Ellipse den kühnsten Gebrauch. Im Strophenbau, wie in der Bildung der einzelnen Verse,, gestattete er sich manche Uneben= heiten, die Goethe's musikalisch gebildetes Ohr nicht geduldet haben würde. Ueberhaupt läßt sich leicht erkennen, daß Schiller's Poesie mehr für die Declamation, als für den Gesang berechnet war; und so finden wir denn auch bei ihm in dem eigentlich musikalischen Elemente, in den Reimklängen, Fehler so auffallender Art, wie wir sie nicht leicht bei einem andern Dichter an= treffen. Er reimte 3. B. spinntest mit trenntest, springt mit hängt, brennt mit Flammenwind, Minen mit Schönen, brennt mit Kind, Trauerbühne mit Scene, Monde mit Elysiumssecunde, Blume mit Glanzphantome, nun mit Orgelton u. s. w., abgesehen von vielen konsonantisch falschen Gleichklängen, wie Kleider und heiter, Rosenpfaden und Thaten u. s. w. In den plastischen Elementen der Sprache dagegen, in der rhythmischen und sprachlichen Malerei, in der ausdrucksvollen Darstellung eines Gegenstandes oder einer Handlung durch Versbewegung und Lautfärbung läßt er bereits an vielen Stellen seiner Jugendgedichte den künftigen, kaum von Andern erreichten Meister vorauserkennen.

Auch noch in einer andern, und zwar wichtigern Eigenschaft seiner Jugendpoesien blickt schon der Dichter hervor, der später so bewundernswürdige lyrische Productionen schaffen sollte; ich meine die kunstgerechte Anlage, den wohl durchdachten Plan der einzelnen Stücke. Wir werden unten bei näherem Eingehen auf dieselben erkennen, wie logisch streng in den meisten die Ideenafsociation und die ganze Dekonomie ist. Hoffmeister rühmt an dem dramatischen Erstlingswerke Schiller's, den Räubern, daß es mit einem für das damalige Alter des Dichters staunenswerthen Verstande angelegt sei. Dasselbe läßt sich von seiner lyrischen Jugendpoesie sagen. Auch ihre Grundanlage deutet meistens auf ein sehr richtiges Kunstverständniß oder wenigstens einen feinen

Kunstinstinct; und wenn der Dichter sich hier und da Verstöße gegen die rechte Reihenfolge der Ideen und Empfindungen zu Schulden kommen ließ, so geschah dies, weil die stürmische Aufregung der Phantasie und Gefühle seine künstlerische Besonnenheit auf Augenblicke verdunkelte.

Wir berühren die in den frühern Ausgaben des Commentars näher betrachteten poetischen Erstlingsversuche Schiller's, so wie überhaupt die aus seiner Gedichtsammlung ausgeschlossenen Poesien, in dieser für weitere Leserkreise berechneten Ausgabe nur im Vorbeigehen. Der erste metrische Versuch, den wir von Schiller kennen, ist ein an seine Eltern gerichteter Glückwunsch Zum Neujahr 1769 mit beigefügter lateinischer Ueberseßung in Prosa. Hier hätten wir also, wenn es ihm nicht in die Feder diktirt worden ist, ein Gedicht des neunjährigen Knaben. Daß es die Form eines Gesangbuchliedes hat und von religiösem Geiste durchweht ist, kann uns nicht wundern, da Religio= sität und Frömmigkeit der Lebensathem der Schiller'schen Familie war. Der Vater sprach jeden Morgen im Kreise der Seinen ein selbstverfaßtes metrisches Gebet, und er sowohl, als seine Gattin, las dem jungen Schiller häufig aus den geistlichen Dichtungen von Uz und Gellert vor; ja, wenn die Nachricht zu glauben ist, verstand es auch Schiller's Mutter, ihre frommen Empfindungen in Versen auszusprechen. Das Neujahrs-Carmen ist übrigens ziemlich gewöhnlicher Art:

Eltern, die ich zärtlich ehre,

Mein Herz ist heut voll Dankbarkeit ;
Der treue Gott dies Jahr vermehre,
Was Sie erquickt zu jeder Zeit u. s. w.

Nach dem Eintritt in's zweite Lebensdecennium begannen sich die poetischen Keime in dem Knaben etwas stärker zu entwickeln. So berichtet uns sein Jugendfreund Petersen, wie der

zehnjährige Schiller auf einem ländlichen Ausfluge mit seinem Schulkameraden Elwert, von einem Hügel herab, von dem man das Schlößchen Harteneck und das Dorf Neckarweihingen überschauen konnte, in einer gereimten pathetischen Ergießung über das Schloß, das sie hungrig entlassen, seinen poetischen Fluch, über Neckarweihingen aber, das sie für zwei Kreuzer mit köst= licher Milch und Johannisbeeren gelabt, seinen feierlichen Segen ausgesprochen habe. Im Jahr 1772 entlockte ihm seine Confirmation ein Gedicht. Seine Mutter, die ihn am Vorabend auf der Straße herumschlendernd fand, machte ihm Vorwürfe über seine Gleichgültigkeit gegen die heilige Handlung des folgenden Tages. Betroffen zog sich der Knabe zurück, und überreichte nach wenigen Stunden ein auf seinen Tauferneuerungsbund bezügliches Gedicht dem Vater, der ihn verwundert mit der Frage empfing: „Bist du närrisch geworden, Frig?" Petersen bemerkt dazu: „Von allen diesen seinen frühesten Jugendversuchen ist indeß nichts mehr übrig, als ein einziger Pentameter. Die Ludwigsburger Schule erhielt einen neuen Lehrer Namens Winter. Der Sitte gemäß mußte derselbe bei seinem Amtsantritte mit lateinischen Versen empfangen werden. Die Aufgabe traf dieses Mal Schiller. Er verfertigte also ein Begrüßungsgedicht und glaubte seinem Vorgesetzten im folgenden Wizspiel etwas sehr Schmeichelhaftes zu sagen:

Ver nobis Winter pollicitusque bonum."

Im vierzehnten Lebensjahre, am 17. Januar 1773, trat Schiller, nachdem er die Schule zu Ludwigsburg durchlaufen, in die militärische Pflanzschule auf der Solitüde. Er brachte, was seine Lebensanschauungen, insbesondere seine religiösen Ansichten betrifft, wahrscheinlich schon eine getheilte und schwankende Gesinnung, wenn gleich dem eigenen Bewußtsein noch verhüllt, in das Institut mit: warme Frömmigkeit, wie sie ihm von seinen

Eltern eingeflößt war, und aufkeimende Zweifel in Folge eines abstrusen Dogmenunterrichts. Sein frommer Sinn fand in Klopstod's Oden und der Messiade, die er jeßt kennen lernte, die willkommenste Nahrung. Bald zu eigener Production angeregt, dichtete er ein Lied An die Sonne, das später überarbeitet der Anthologie einverleibt wurde; ja, er versuchte sogar den israelitischen Gesezgeber Moses episch zu verherrlichen. Neben Klopstock las er noch Virgil und die Lieder und Hochgefänge des alten Testaments in Luther's Uebersehung. Aber schon gegen den Anfang des Jahrs 1774 erhielt er durch das Bekanntwerden mit Gerstenberg's Ugolino, zu denen sich später Lessing's Dramen und Julius von Tarent von Leisewiß gesellten, die Richtung zur tragischen Poesie, und ward für die nächste Zeit vom Lyrischen und Epischen mehr und mehr abgelenkt. Erst, nachdem er durch seine Räuber dem mächtigen Drange zur Tragödie vor= läufig Genüge geleistet, kam seine lyrische Ader wieder in Fluß und strömte dann rasch eine Fülle von Gedichten aus. Bis dahin aber begegnen wir nur wenigen vereinzelten lyrischen Gedichten.

Eines derselben und zwar das erste Gedicht, welches Schiller drucken ließ, ist „Der Abend" aus dem Jahr 1776. Es erschien in dem schwäbischen Magazin auf das Jahr 1776 von Balthasar Haug, der Professor an der Akademie war. Dieser verbesserte einige Reimfehler und fügte die prophetische Anmerkung bei: „Das Gedicht hat einen Jüngling von sechszehn Jahren zum Verfasser. Es dünkt mich, derselbe habe schon gute Autores gelesen und bekomme mit der Zeit ein os magna sonatorum." Es zeigt sich hier noch wenig von jenem ungestümen Feuer, das bereits in einem Gedicht des nächstfolgenden Jahres Lodert, sondern fast nur Aneignung fremder Gedanken in einer verständig maßvollen Form, was dem Stücke einen Schein von Reife gibt, der den meisten Gedichten der ersten Periode mangelt.

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