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V. 3 stoßen. V. 4 enthielt in der alten Form einen häßlichen Quantitätfehler (Astyānar); auch schien ihm vielleicht die Ellipse Ueber Astyanar (mögen) unsre Götter (wachen)! zu frei. V. 6 enthielt einen Fuß zu viel. Die Umformung der Strophe hat diese Mängel weggeräumt, aber auch Opfer gekostet. In der alten Form war V. 4 eine Antwort auf Andromache's Frage, wer Astyanar erziehen solle, und V. 6 ein Trost, wodurch er Andromache's Gedanken an einen Abschied auf ewig abweist. Beide Beziehungen sind jezt verlöscht. — „Pergamus“, eigentlich die Burg von Troja.

Die dritte Strophe ließ der Dichter unverändert bis auf das Wort „Einsam“ in V. 2,*) wofür er „Müßig“ seßte. „Großer Heldenstamm" ist doppelsinnig: trefflicher, herrlicher Heldenstamm und zahlreiches Heldengeschlecht; die erstere Auffassung ist hier vorzuziehen, wenn gleich die zweite (da Priamus fünfzig Söhne und fünfzig Töchter hatte) gleichfalls nahe liegt. In V. 4 („Wo kein Tag mehr scheinet") u. f. liegt die ältere Vorstellung vom Schattenreich zu Grunde, welches nach Homerischen Begriffen (Jl. XX, 64) höchst unfreundlich war. Bei Virgil hat das Elysium allerdings einen Tag und zwar eine eigene Sonne und eigene Sterne (Aen. VI, 639). Der Ausdruck weinet" (V. 5) ist vom Cocytus um so pas sender, als dieses Wort (Kaxvrog) Geheul, Gewinsel bedeutet (Heulstrom). Aus dem Lethe, dem Fluß der Vergessenheit, tranken die zur Unterwelt hinabgestiegenen Schatten, um die Erinnerung an das Erdenleben in sich auszulöschen. Vgl. Matthisson's schönes Gedicht Elysium. Schiller sagt der Lethe, Matthisson richtiger die Lethe.

In der vierten Strophe bedurfte der Anfang einer Umformung, weil V. 1 um einen Fuß zu kurz war. Den V. 3, der

*) Borberger weist zu diesem Verse auf die Stelle aus Offian's Liedern von Selma in Goethe's Werther: „Deine Bogen in der Halle liegen ungespannt!"

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ebenfalls einen Fuß zu wenig hatte, ließ Schiller wohl absichtlich ungeändert, weil die Verskürze hier ausdrucksvoll ist. In V. 4 milderte er rast" in "tobt". So schön die Idee des Schlußverses sein mag, so ist sie doch nicht im Geiste des Alterthums. Die Heroen jener Zeit beugten sich mit männlicher Fassung vor dem allgemeinen Menschenschicksal.

Schiller unterstellt bei dem Abschiede Hektor's von Andromache ein weiteres Vorgerücktsein des trojanischen Krieges, als es bei dem Abschiede der Fall war, der in der Ilias (VI, 395 ff.) geschildert ist. Hier zürnt Achill noch und nimmt an dem Kampfe keinen Antheil; Patroklus ist noch nicht gefallen; von Opfern, die Achill ihm bringt, kann also noch keine Rede sein. Schiller hat den Abschied in eine spätere, gefahrvollere Zeit wahrscheinlich in der Absicht verlegt, damit die Gewißheit, daß es ein leztes und ewiges Scheiden sei, dem Gefühl um so stärker gegenwärtig wäre. Im Allgemeinen aber hat ihm die unvergleichlich schöne Homerische Darstellung als Muster und Quelle vorgeschwebt, die wir mit einigen Kürzungen folgen lassen. Es ist zunächst von Heftor die Rede.

Als er das skäische Thor, die gewaltige Veste durchwandelnd,
Jeko erreicht, wo hinaus ihn führte der Weg in's Gefilde,
Kam die herrliche Gattin Andromache eilenden Schrittes
Gegen ihn her..... Die Dienerin aber, ihr folgend,
Trug an der Brust das zarte, noch ganz unmündige Knäblein,
Hektor's einzigen Sohn, dem schimmernden Sterne vergleichbar
Siehe, mit Lächeln und still beschaute der Vater das Knäblein.
Aber zur Seit' ihm trat Andromache, Thränen vergießend,
Drückt' ihm freundlich die Hand und redete, also beginnend:
Seltsamer Mann, dich tödtet dein Muth noch! Und du erbarmst dich
Nicht des stammelnden Kindes, noch mein, des elenden Weibes,
Ach, bald Wittwe von dir! Dich tödten gewiß die Achäer,
Alle mit Macht anstürmend. Allein mir wäre das Beste,
Deiner beraubt, in die Erde hinabzusinken; verbleibt mir

Fürder ja doch kein Troft, wenn du dein Schicksal vollendest,

Sondern nur Weh. Und ich habe nicht Vater, noch liebende Mutter... Hektor, o du bist jego mir Vater und liebende Mutter,

Bist mir Bruder zugleich, o du mein blühender Gatte!

Aber erbarme dich nun und bleibe du hier auf dem Thurme; Mache doch nicht zur Waise das Kind und zur Wittwe die Gattin!

Stelle das Heer dorthin an den Feigenhügel; es ist dort

Leichter die Stadt zu ersteigen und freier die Mauer dem Angriff ...

Ihr antwortete drauf der helmumflatterte Hektor:

Deß, o Trauteste, gräm' ich mich selbst auch; aber ich scheue
Troja's Männer zu sehr und die saumnachziehenden Frauen,

Wenn ich, entfernt wie ein Feigling, allhier ausweiche der Feldschlacht.
Auch wehrt Solches mein Herz; ich lernte ja, wackeren Muthes
Immer zu sein und zu kämpfen im Vorderkampfe der Troer,
Schirmend zugleich des Vaters erhabenen Ruhm und den meinen!
Das zwar schau' ich voraus in des Geistes Herz und Empfindung:
Einst wird kommen der Tag, wo die heilige Ilios hinsinkt,
Priamos auch und das Volk des lanzenkundigen Königs.
Doch nicht geht mir so nah der Troer zukünftiges Elend,
Nicht der Hekabe selbst, noch Priamos auch, des Beherrschers,
Noch der leiblichen Brüder, die dann, so tapfer, so zahlreich,
All' in den Staub hinfinken, erlegt von feindlichen Händen,
Wie dein Loos, wenn einer der erzumschirmten Achäer
Weg die Weinende führt, der Freiheit Tag dir entreißend . . .
Aber mich deck' als Todten der aufgeworfene Hügel,

Eh mir zum Ohr dein Wehruf dringt bei deiner Entführung!

Also der Held, und hin nach dem Knäblein streckt' er die Arme. Aber zurück an den Busen der schöngegürteten Amme Schmiegte sich schreiend das Kind, erschreckt von dem liebenden Vater, Scheuend des Erzes Glanz und die flatternde Mähne des Busches, Welchen es graunvoll sah von des Helmes Spike herabwehn. Lächelnd schaute der Vater das Kind, und zärtlich die Mutter; Schnell dann nahm von dem Haupte den Helm der strahlende Hektor, Legte zur Erde den schimmernden hin, nahm selber das Knäblein,

Kußte sein liebes Kind und schaukelt' es sanft in den Armen,
Flehte sodann lautbetend zu Zeus und den andern Göttern:

Zeus und ihr andern Götter, o laßt doch dieses mein Knäblein
Werden hinfort, wie ich selbst, vorstrebend im Volke der Troer,
Auch so gewaltig an Kraft und Ilios mächtig beherrschen!
Und man sage dereinst: Der ragt noch weit vor dem Vater,
Wann er vom Streite heimkehrt, mit der blutigen Beute beladen
Eines erschlagenen Feinds. Dann freue sich herzlich die Mutter!

Also sprach er und reicht' in die Arme der liebenden Gattin
Seinen Sohn, und sie drückt' ihn ́an ihren duftenden Busen,
Lächelnd mit Thränen im Blick. Und ihr Mann, voll inniger Wehmuth,
Streichelte sie mit der Hand, und redete, also beginnend :

Armes Weib, nicht darfst du zu sehr mir trauern im Herzen!
Keiner wird gegen Geschick hinab mich senden zum Ais.
Doch dem Verhängten entrann wohl nie der Sterblichen einer,
Edel so wie gering, nachdem er einmal gezeugt ward.
Auf, zum Gemach hingehend, besorge du deine Geschäfte,
Spindel und Webestuhl, und gebeut den dienenden Weibern,

Fleißig am Werke zu sein. Der Krieg ziemt sämmtlichen Männern,
Wohnend in Ilions Veste, doch mir am meisten von allen.

Dieses gesagt, enthob er den Helm, der strahlende Hektor, Von Roßhaaren umwallt. Heim kehrte die liebende Gattin, Rückwärts häufig gewandt und herzliche Thränen vergießend.

Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, wie manchen schönen Zug das Homerische Gemälde hat, wovon wir in Schiller's Gedichte vergeblich die Spur suchen. Homer's Hektor ist freilich nicht des schwärmerischen Gedankens fähig, unter allen Empfin= dungen und Erinnerungen seine Liebe zu Andromache allein nicht in den Lethestrom versenken zu wollen; aber er sieht ruhig und groß der Nothwendigkeit in's Auge; er überschaut und empfindet die ganze Größe des ihm und den Seinigen drohenden Schick

sals; er schlägt die Wahrscheinlichkeit seines Untergangs nicht zu hoch und nicht zu geringe an. Bis zum Ende, auch nachdem die Aussicht auf günstigen Ausgang des Kampfes verschwunden ist, lebt er ganz seinen Heldenpflichten. Sein leztes Abschiedswort ist kein weiches Lebewohl, sondern eine Ermahnung an Andromache, sich dem Leben und seinen Anforderungen ent= schlossen zuzuwenden, wie auch er selbst jezt zu thun gedenke.

2. Amalia.

1780.

Auch dieses Lied ist aus den Räubern in die Gedichtsammlung aufgenommen worden. Es bildet dort den Anfang des dritten Aktes. Amalia singt es, im Garten sigend, zur Laute; der Jüngling, „schön wie Engel“, ist demnach Karl Moor. Wie Amalia's ganzer Charakter, nach des Dichters eigenem Geständniß (in der Autokritik der Räuber), durchaus fehlgegriffen und mit unnatürlich grellen Zügen gezeichnet ist, so entbehrt auch das Lied gänzlich des Gepräges weiblicher Zartheit und Milde. Der Dichter hat, wie Hoffmeister treffend bemerkt, bis dahin noch nicht geliebt, geschweige daß seine Liebesträume durch Gegenliebe gemäßigt und veredelt wären. Die Liebe, die er zu schildern vermag, ist ein phantastischer Sinnenrausch. Dem Geliebten am Halse hängen, den brennenden Mund des Geliebten fühlen, daß den Sinnen Himmel und Erde vergehen das ist das Thema dieser Liebe, wie der spätern Lauralieder. Das unsrige sezt der Liebe ganze Seligkeit in das wüthende Entzücken der Umarmungen und das paradiesische Fühlen der Küsse; und ein solches unverholene Geständniß legt der Dichter einem Mädchen in den Mund, welches uns zum Glück aber gar nicht darnach aussieht, als wenn sie dieses Entzücken schon genossen hätte.

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