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1784ff. Scharfsinn und umfassenden Kenntnissen verband, die Dame aber mit Gegenständen der Literatur innig vertraut, und eben mit der Dichtung eines Romans beschäftigt, poetisch erregt war, wie Schiller selbst. Streicher war als Musiker in dieses Haus eingeführt, und erzählte viel von Schillers Arbeiten und namentlich von Don Carlos. Frau von Kalb konnte es kaum erwarten, bis ihr das Glück zu Theil werden sollte, die ihr mit so viel Enthusiasmus angerühmte prachtvolle Sprache aus des Dichters eigenem Munde zu vernehmen. Endlich saß Schiller ihr, mit dem ersten Akt in der Hand, eines Nachmittags gegenüber. Aber wieder ging es wie mit Clavigo in Stuttgart, wie mit Fiesko in Meiers Hause zu Mannheim. Der Dichter las mit seinem unseligen Pathos, und die lauschende Zuhörerin verrieth ihre Empfindung nicht durch das leiseste Zeichen. Um ihre aufrichtige Meinung vom Dichter gebeten, brach sie endlich, nach langem Ausweichen, in lautes Lachen aus, und sagte: „lieber Schiller, das ist das allerschlechteste, was Sie noch gemacht haben!" "Nein, das ist zu arg!" erwiederte dieser, warf seine Schrift voll Acrger auf den Tisch, nahm Hut und Stock und rannte davon. Die Dame ergriff das zurückgelassene Papier, und ehe sie die erste Seite beendigt, mußte der Bediente forteilen. „Geschwind, geschwind,“ rief sie, „lauf' er zu Herrn Schiller: ich lasse ihn um Verzeihung bitten, ich hätte mich geirrt; es sey das Allerschönste, was er noch geschrieben habe!" Schiller gab der Bitte, wieder zu kommen, nicht sogleich Gehör. Aber am andern Tage gestand ihm die redliche Freundin, wie seine heftige, stürmische Art, vorzulesen, den Eindruck seiner Dichtungen störe und verhindere.

Der Dichter gewann diese Familie so lieb, daß er, als 1785. Kabale und Liebe, am 18. Januar 1785 (zum Aerger des Dichters herzlich schlecht) wieder aufgeführt wurde, sogar seinem Hofmarschall Kalb einen andern Namen geben wollte, und sich nur durch die richtige Bemerkung der Freunde selbst abhalten ließ, daß gerade dieß die Vermuthung herbeiführen müßte, als sey der bisherige Name auf Jemand aus ihrer Familie gemünzt.

Zu Anfang des Jahres 1785 verbreitete sich in Mannheim das Gerücht, der Herzog Carl August von Weimar, der geistvolle jugendliche Freund der Dichtkunst und der Dichter, der Vertraute Göthe's, werde die landgräfliche Familie im benachbarten Darmstadt besuchen. Die Kalb'sche Familie feuerte das Verlangen unseres Dichters, bei dieser, aus Kennern des wahrhaft Schönen sich bildenden Zusammenkunft sich als denjenigen zeigen zu dürfen, der werth wäre, dem schönen Bunde in Weimar beigesellt zu werden, nicht wenig an, und mit ihren und Dalbergs Empfehlungsbriefen trat er bald, seinen Don Carlos unter dem Arm, in den hohen Kreis zu Darmstadt ein, und das fürstliche Wohlwollen vergönnte ihm die Vorlesung des ersten Aktes. Dank den Belehrungen seiner Mannheimer Freundin machte diese den günstigsten Eindruck auf die erlauchte Gesellschaft. Namentlich erinnerte sich Schiller noch spät immer mit Vergnügen an die liebenswürdige Landgräfin und den aufmunternden Antheil, den sie bei dieser Vorlesung zeigte. Nach einer langen Unterredung mit dem Herzoge kehrte Schiller als Weimaranischer Rath nach Mannheim zurück.

So wenig, wie Streicher lächelnd bemerkt, dieses einsylbige Wörtchen den Verdiensten des schon damals fast Alles überragenden Dichters neuen Glanz verleihen konnte, so hatte

1785. es dennoch, wenigstens für die Gegenwart, die Wirkung eines Talismans. Das Verlangen der Eltern, daß der Sohn durch dauernde Versorgung einem Fürsten angehören möchte, schien erfüllt, den Stuttgarter Tadlern, die in ihm einen verachteten Flüchtling sahen, war der Mund gestopft, und selbst in Mannheim benahm der Rathstitel den Briefen an Dalberg die gar zu unterthänige Form, und gab dem Theaterdichter den Muth, freier und bestimmier den Anmaßungen der Schauspieler entgegen zu treten, in der Thalia, die seit dem März 1785 herauskam, ihnen kälter und schärfer die Wahrheit zu sagen, das Toben seines ehemaligen Freundes, Herrn Böck, zu verachten, ihn," wie ein Brief Schillers an den Intendanten sich ausdrückt, zu einer heilsamen Bescheidenheit zurückzuführen und die Komödiantensalbe von ihm abzuwischen."

Uebrigens löste sich jezt sein Verhältniß zu der Mannheimer Bühne. Da ihm diese Anstellung nicht die geringste Verbesserung seiner öconomischen Umstände in Aussicht stellte, er auch gegen das Theater, das keine seiner Erwartungen erfüllte, gleichgültiger geworden und mit der Mehrzahl der Mitglieder in Streitigkeiten verwickelt war, die von ihrer Seite mit plumpen Waffen geführt wurden, so leitete er nicht nur mit seinen neuen Leipziger Freunden, mit welchen er seit jenen Geschenken in anunterbrochener Correspondenz stand, sondern auch mit Schwan das Nöthige ein, um seinen bisherigen Aufenthalt noch im Frühjahre verlassen zu können. Gleichzeitig mit der Erscheinung des von den Schauspielern so übel aufgenommenen ersten Heftes der Thalia wurden zu Anfange des März 1785 von ihm alle Anstalten gemacht, Mannheim zu verlassen, und da die gewünschten Wechsel

aus Leipzig eingetroffen waren, wurde dieser Entschluß auch 1785. wirklich am Ende desselben Monats ausgeführt.

Die leßten Abendstunden vor der Abreise brachte er mit seinem Freunde Streicher zu. Er sprach mit diesem von der traurigen Ueberzeugung, die er in den leßten schweren zwei Jahren gewonnen, daß in Deutschland, wo das Eigenthum des Schriftstellers und Verlegers bis jezt vogelfrei erklärt sey, und bei der geringen Theilnahme höherer Stände an den Erzeugnissen deutscher Literatur, der beste Dichter ohne besoldeten Nebendienst oder andre Unterstüßung von den Früchten seines Lalentes nicht leben könne. Von nun an sollte daher nicht mehr die Dichtkunst, am wenigsten das Drama sein einziger Lebenszweck seyn; nur in der glücklichften Stimmung wollte er der Muße Gehör geben, dafür aber mit allem Eifer sich auf die Rechtswissenschaft werfen, deren Theorie er, unterstüßt von den reichen Hülfsmitteln der Leipziger Universität, in einem Jahre zu absolviren seinen Lalenten und seiner Beharrlichkeit zutraute. Und so gaben sich denn die beiden, zum zweitenmal, und dießmal für immer, scheidenden Freunde die Hände drauf, so lange keiner an den andern schreiben zu wollen, bis Schiller Minister und Streicher Kapellmeister seyn würde. Die Theilung war etwas ungleich entworfen; der gute Streicher aber stand so tief bewundernd unter seinem Freunde, daß er den Uebermuth, der in diesen Worten lag, nicht einmal empfunden zu haben scheint.

Schiller würde mit ziemlich leichtem Herzen Mannheim den Rücken gekehrt haben, wenn nicht eben dieses Herz dort zurück geblieben wäre. Die Tochter seines Freundes, des Buchhändlers Schwan, ein liebenswürdiges, geistvolles Mädchen, hatte, wie es scheint, eine dauerhafte Anziehung auf Schwab, Schillers Leben. 12

1785. den Dichter ausgeübt, wie uns Frau v. Wolzogen, die Schwägerin Schillers, berichtet. „Im neunzehnten Jahre besorgte sie das Hauswesen ihres Vaters, der eben seine Gattin verloren, als Schiller nach Mannheim kam. Margaretha Schwan war ein sehr schönes Mädchen, mit großen ausdrucksvollen Augen und von sehr lebhaftem Geiste, welcher sie mehr zur Welt, Literatur und Kunst, als zur stillen Häuslichkeit hinzog. Im gastfreien Hause des Vaters, welches ein Vereinigungspunkt für Gelehrte und schöne Geister war, gewann sie schon in früher Jugend eine ausgezeichnete Bildung, lernte aber auch die Kunst, diese Vorzüge geltend zu machen. Schiller, im Familienzirkel aufgenommen, schien auf sie Eindruck zu machen, obgleich er ernst und zurückhaltend in seinem Betragen war." Er las ihr Scenen aus seinen Stücken vor, so ausdrucksvoll er vermochte; aber der Vater war bei diesen Unterhaltungen immer gegenwärtig. Allmählig schien sich das Herz einzumischen, „und beide junge Leute mochten sich mit dem Gedanken an eine Verbindung für's Leben tragen." Schiller verließ Mannheim mit einem schönen Andenken seiner jungen Freundin, und ein Briefwechsel wurde verabredet.

1759

bis

Rückblick auf Schillers bisheriges Leben und Dichten.

Auf der ersten Hauptstation eines ernsten Pilgerlaufes nach hohem Ziele angekommen, wenden wir uns um und

1785. überblicken den zurückgelegten Weg. Es gibt für die Betrachtung desselben zweierlei Standpunkte. Wer in den Naturbegebenheiten und äußeren Ereignissen eines Menschenlebens nur eine Kette von Nothwendigkeiten sieht, durch

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