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1794. Anstatt sie selbstständig, lebendig, vom Tiefsten bis zum Höchsten geseßlich hervorbringend zu betrachten, nahm er sie von der Seite einiger empirischen menschlichen Natürlichkeiten. Gewisse harte Stellen [in „Anmuth und Würde"] sogar konnte ich direkt auf wich deuten; sie zeigten mein Glaubensbekenntniß in einem falschen Lichte; dabei fühlte ich, es sey noch schlimmer, wenn es ohne Beziehung auf mich gesagt worden; denn die ungeheure Kluft zwischen unsern Denkweisen klaffte nur desto entschiedener.“

„An keine Vereinigung war zu denken, selbst das milde Zureden eines Dalberg, der Schillern nach Würden zu ehren verstand, blieb fruchtlos, ja, meine Gründe, die ich jeder Vereinigung entgegenseßte, waren schwer zu widerlegen. Niemand konnte läugnen, daß zwischen zwei Geistesantipoden mehr als ein Erddiameter die Scheidung mache, da sie denn beiderseits als Pole gelten mögen, aber eben deßwegen nicht in eins zusammenfallen können.“

So dachte Göthe schon seit 1788. Auch als Schiller nach Jena gezogen war, hatte er ihn dort lange Zeit nicht gesehen. Erst in den periodischen Sizungen einer naturforschenden Gesellschaft, welche Batsch gegründet, fand er einsmals Schillern, und der Zufall wollte, daß beide zugleich Herausgingen.

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Ein Gespräch knüpfte sich an," fährt Göthe fort, „er schien an dem Vorgetragenen Theil zu nehmen, bemerkte aber sehr verständig und einsichtig, und mir sehr willkommen, wie eine so zerstückelte Art die Natur zu behandeln, deu Laien, der sich gern darauf einließe, keineswegs anmuthen könne.“

„Ich erwiederte darauf, daß sie den Eingeweihten selbst vielleicht unheimlich bleibe, und daß es doch wohl noch eine andere Weise geben könne, die Natur nicht gesondert und

vereinzelt vorzunehmen, sondern sie wirkend und lebendig, aus 1794. dem Ganzen in die Theile strebend darzustellen. Er wünschte hierüber aufgeklärt zu seyn, verbarg aber seine Zweifel nicht; er konnte nicht eingestehen, daß ein Solches, wie ich behauptete, schon aus der Erfahrung hervorgehe."

"Wir gelangten zu seinem Hause, das Gespräch lockte mich hinein, da trug ich die Metamorphose der Pflanzen [Göthe meint seine physiologisch botanische Theorie] lebhaft vor, und ließ, mit manchen charakteristischen Federstrichen, eine symbolische Pflanze vor seinen Augen entstehen. Er nahm und schaute das Alles mit großer Theilnahme, mit entschiedener Fassungskraft; als ich aber geendet, schüttelte er den Kopf und sagte: das ist keine Erfahrung, das ist eine Idee! Ich stußte, verdrießlich einigermaßen: denn der Punkt, der uns trennte, war dadurch aufs strengste bezeichnet. Die Behauptung aus Anmuth und Würde fiel mir wieder ein, der alte Groll wollte sich regen; ich nahm mich aber zusammen und versezte: das kann mir sehr lich seyn, daß ich Ideen habe, ohne es zu wissen, und sie sogar mit Augen sehe."

Schiller, der viel mehr Lebensklugheit und Lebensart hatte, als ich [??], und mich auch wegen der Horen, die er herauszugeben im Begriffe stand, mehr anzuziehen als abzustoßen gedachte, erwiederte darauf als ein gebildeter Kantianer, und als aus meinem hartnäckigen Realismus mancher Anlaß zu lebhaftem Widerspruch entstand, so ward viel gekämpft und dann Stillstand gemacht; keiner von beiden konnte sich für den Sieger halten, beide hielten sich für unüberwindlich."

Noch im späten Alter nannte Göthe die Zeit, wo Schiller mit Humboldt briefwechselte, wo ein so außerordentlich begabter Mensch sich mit philosophischen Denk

1794, weisen herumquälte, die ihm nichts helfen konnten,“ eine unselige. *

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Indessen war der erste Schritt gethan. Schillers Anziehungskraft war groß,“ fährt Göthe in jener ersten Erzählung fort; er hielt alle fest, die sich ihm näherten; ich nahm Theil an seinen Absichten und versprach zu den Horen manches, was bei mir verborgen lag, herauszugeben; scine Gattin, die ich von Kindheit auf zu lieben und zu schäßen gewohnt war, trug das Ihrige bei zu einem dauernden Verständniß; alle beiderseitigen Freunde waren froh: und so besiegelten wir durch den größten, vielleicht nie ganz zu schlichtenden Wettkampf zwischen Objekt und Subjekt, einen Bund, der ununterbrochen gedauert und für uns und Andere manches Gute gewirkt hat."

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Wie oft Schiller diesen Bund pries und segnete, werden wir in der Folge sehen. Aber auch Göthe sah, lange nach Schillers Lode, mit Rührung und Dankbarkeit darauf zurück. „Ich weiß wirklich nicht,“ schreibt er an einen Freund, „was ohne die Schiller'sche Anregung aus mir geworden wäre. Der Briefwechsel giebt davon merkwürdiges Zeugniß. Meyer war schon wieder nach Italien gegangen, und meine Absicht war, ihm 1797 zu folgen. Aber die Freundschaft zu Schiller, die Theilnahme an seinem Dichten, Trachten und Unternehmen hielt mich, oder ließ mich vielmehr freudiger zurückkehren, als ich, bis in die Schweiz gelangt, das Kriegsgetümmel bis über die Alpen näher gewahr wurde. Hätte es ihm nicht an Manuscript zu den Horen und Musenalmanachen

* Eckermann I, 88.

** Briefwechsel zwischen Göthe und Schulz, Bonn 1836. S. 26.

gefehlt, ich hätte die Unterhaltungen der Ausgewanderten nicht 1794. geschrieben, den Cellini nicht überseßt, ich hätte die sämmtlichen Lieder und Balladen, wie sie die Musenalmanache geben, nicht verfaßt; die Elegien wären wenigstens damals nicht gedruckt worden, die Xenien hätten nicht gesummt, und im Allgemeinen wie im Besondern wäre gar Manches anders geblieben.“

Die Gründung der Horen. Der Bund mit Göthe geschlossen.

Diese Worte Göthe's haben uns von selbst auf die Horen geführt, und wir müssen nun ein paar Schritte rückwärts machen, und die Genesis unsres Dioskurenbundes auch von Schiller'scher Seite feststellen.

Schiller war, wie wir aus der Erzählung seiner Schwägerin wissen, aus Schwaben nach Jena zurückgekehrt, voll von dem entworfenen und nun reif gewordenen Plane, die besten Schriftsteller Deutschlands zu einer Zeitschrift zu verz einigen, die Alles übertreffen sollte, was jemals von dieser Gattung cristirt hatte. Die Thalia war mit dem Jahrgange 1793 geendet worden, für das neue Journal in Cotta ein unternehmender Verleger gefunden. Während Abends vertraute Freundschaft, in lebendigem Ideenwechsel, ihm das Leben anmuthig und reich an mannigfaltigen Blüthen des Geistes machte, und die Zeit oft bis spät in die Nacht den Freunden Wilhelm v. Humboldt mit seiner Frau hielt sich jezt eben in Jena auf unter philosophischen und ästhetischen Gesprächen verstrich, wurden den Tag über nach allen Weltgegenden Briefe auf Werbung für die Horen ausgesandt. Schwab, Schillers Leben.

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1794. Diese Zeitschrift sollte laut ihrer Ankündigung eine literarische Association der vorzüglichsten Schriftsteller der Nation bilden * und das bisher getheilte Publikum vereinigen, sie sollte sich über Alles verbreiten, was mit Geschmack und wissenschaftlichem Geiste behandelt werden kann, und also sowohl philosophischen Untersuchungen, als poetischen und historischen Darstellungen offen stehen. Nur strenge Gelehrsamkeit, Staatsreligion und Politik sollten ausgeschlossen seyn. Das Blatt wollte sich der schönen Welt zum Unterricht und zur Bildung, der gelehrten zu einer freien Forschung der Wahrheit und zu einem fruchtbaren Umtausche der Ideen widmen. Bemüht, die Wissenschaft selbst durch den innern Gehalt zu bereichern, hoffte man zugleich den Kreis der Leser durch die Form erweitert zu sehen.

Mit solcher Ankündigung nun wagte der Unternehmer sich auch in der nächsten Nähe, nachdem er sich vorläufig mit Fichte, Humboldt und Woltmann zur Herausgabe vereinigt hatte, an den großen Göthe und schrieb ihm am 13. Juni 1794: Beiliegendes Blatt enthält den Wunsch einer Sie unbegränzt hochschäßenden Gesellschaft, die Zeitschrift, von der die Rede ist, mit Ihren Beiträgen zu beehren, über deren Rang und Werth nur Eine Stimme unter uns seyn kann. Der Entschluß, diese Unternehmung durch Ihren Beitritt zu unterstüßen, wird für den glücklichen Erfolg derselben entscheidend seyn, und mit großer Bereitwilligkeit unterwerfen wir uns allen Bedingungen, unter welchen Sie uns denselben

* An Kant, Garve, Klopstock, Göthe, Herder, Engel, Gotter, J. H. Jakobi, Matthisson ward gleichzeitig geschrieben; Pfeffel, Fr. Schulz, Schüß, Hufeland, Schlegel, Genz, der Coadjutor und Andere waren auch dabei, Fichte und Woltmann hatten sich mit dem Herausgeber aufs genaueste verbunden.

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