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1796. Magister Dyk, gegen welchen die Herren Verfasser der Xenien nun selbst gerne die Polizei aufgerufen hätten, wenn es angegangen wäre. *

Die Sensation, welche die martialische Justiz dieser Epigramme machte, war durch ganz Deutschland ungeheuer, alles nahm Partei für oder wider. Zu den heftigsten Gegnern der Xenien gehörte Herder. Die Geschonten freuten sich über die Demüthigung ihrer Feinde: F. A. Wolf, Eberhard, selbst ein Schwager Nicolai's lachten in die Faust; aber sonst galt von den Dichtern, was die Schrift von Ismael sagt: „ihre Hand wider Jedermann, und Jedermanns Hand wider sie.“ Der Herzog von Gotha war wegen Schlichtegrolls, den er hoch hielt, entrüstet; in Kopenhagen war man ganz grimmig und die Gräfin Schimmelmann, die Schillers wie Baggesens Freundin war, wußte nicht, mit wem sie es halten sollte. Auch schien ungewiß, über wen man mit seinem Aerger herfallen sollte, über Göthe oder über Schiller; nach der allgemeinen Meinung wurde diesem „die miserable Rolle des Verführten" zugeschoben; Göthe „hatte doch noch den Trost des Verführers.“ ** Die Muse selbst erinnerte sich der Vaterschaft bei den meisten dieser ungezogenen Jungen nicht mehr, denn es war „zwischen Göthe und Schiller förmlich beschlossen worden, ihre Eigenthumsrechte an den einzelnen Epigrammen niemals auseinander zu sehen, sondern es in Ewigkeit beruhen zu lassen.“ ***

* Schiller an Göthe, 6. Dec. 1796. II, S. 279 ff.
Aber

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Und seht erstaunt, daß Blut ist aufgegangen!"

** Schiller an Göthe vom 18. Nov. 1796.

*** Schiller an Humboldt 1. Febr. 1796. Nach dieser Aeußerung

wird Wilhelm Wackernagel die in der Vorrede seines

Dieselben Epigramme laufen deßwegen zum Theil in den 1796. Werken beider Dichter, und man müßte sie Kinder der Liebe

nennen, wenn sie nicht — die Votivtafeln und wenige andere ausgenommen — Kinder des Hasses wären. Der,,Thierkreis“ ist nach Göthe's Zeugniß * von Schiller, und Göthe las ihn immer mit Bewunderung. Ueberhaupt nannte er die Xenien Schillers scharf und schlagend, seine eigenen dagegen unschuldig und gering. Schiller hat keineswegs die besten in feine Werke aufgenommen. Insgesamt sind sie von sehr ungleichem Werthe nach Gehalt und Form; manchen ist der nächste beste Kittel umgehängt, viele erscheinen unwißig, einige kränken das deutsche Nationalgefühl.

Göthe blich ohne Gewissensbisse, er freute sich, daß die Xenien den Kopenhagnern einen faktischen Beweis für die Existenz des Teufels lieferten; an Schillern aber rächte sich das hier und da verlegte sittliche Zartgefühl: vergebens sagte er sich vor, daß die Einheit bei einem Produkte, wie die Xenien, blos in einer gewissen Grenzenlosigkeit und alle Messung überschreitenden Fülle gesucht werden könne, daß zwar das Meiste wilde Satire, aber doch auch untermischt mit poetischen und philosophischen Gedankenblißen sey; am Ende soll er doch in seinem Garten in Jena (der schmale Weg dorthin war von den Studenten Xeniengasse getauft worden) geäußert haben: Respice finem! das hätte ich besser bedenken sollen... [Zwar] unsere Literatur bedarf einer wohlthätigen Revo

Deutschen Lesebuchs" (Th. II, S. XV, 2te Ausg.) gewünschte
Belehrung schwerlich erhalten können. Erster Druck.
Doch soll sich eine Notiz von Schillers Frau vorgefunden
haben, welche den einzelnen Xenien ihre Vaterschaft definitiv
sichert.
Zweiter Druck. Nov. 1840.

Bei Eckermann I, 195.

Schwab, Schillers Leben.

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1796. [ution.... die Xenien sind aus der Erinnerung an Bahrdts Kezeralmanach entstanden. [Aber] Ich lebe gern im Frieden; ich habe mir einigermaßen selbst den Krieg erklärt — man wird mich verkennen. Warum duldete ich doch den Anhang der Xenien in meinem Almanach! Ich mochte ihn doch erst nicht.“ *

Die größte Strafe, in der leider die Welt zugleich gestraft wurde, war, daß Schillers übrige Poesie während dieser Polemik fast ganz feierte. Die „angenehme und zum Theil genialische Impudenz und Gottlosigkeit," ** wie er die Xenienstimmung gegen Humboldt charakterisirte, hatte die züchtige Muse vertrieben, und während die Epigrammatisten am 1. Februar schon im dritten Hundert der Xenien waren, und auf tausend abzielten, entstand im ganzen Jahre 1796 von größeren Gedichten Schillers fast nur die,,Klage der Ceres." *** Noch im November jammerte er darüber, „auch nicht den Saum des Kleides einer Muse erblickt zu haben, ja selbst zur Prosa sich untüchtig zu befinden.“

Familienverlufte. Philosophische und religiöse
Stimmung des Dichters.

In diesem Jahre wurde das häusliche Leben Schillers durch mancherlei Trübsale heimgesucht. Von der Selitude bei Stuttgart, wo die Familie seiner Eltern fortwährend lebte, kamen ihm im Frühjahre 1796 beängstigende Nachrichten zu. Ein epidemisches Fieber, in dem während der Kriegszeit dort befindlichen österreichischen Lazarethe wüthend, hatte,

Hinrichs I, 192, 212.

** Humb. S. 415.

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Ausführliches über die Xenien siehe bei Hoffm. III, 173 178. 212 — 228, und Hinrichs I, 190 — 214.

wie uns Frau von Wolzogen erzählt, die jüngste Tochter 1796. Nanette ergriffen, und in der Blüthe der Jugend hingerafft.

"

Sie war," sagt die Freundin, „ein holdes Mädchen, voll Verstandes und glühender Phantasie. Der Wunsch, ihres Bruders Trauerspiele darzustellen, hatte sie so leidenschaftlich ergriffen, daß ich selbst Schillern bat, diesem nachzugeben, ihr Lalent zu prüfen, und, wenn es wirklich etwas Außerordentliches verspräche, sie diese Laufbahn ergreifen zu lassen. Obgleich er dem Schauspielerleben sehr abgeneigt war, so konnte doch, bei den damaligen Verhältnissen in Weimar, manche Klippe dieses Standes vermieden werden. Er versprach mir, die Sache zu bedenken; und so hatte ich die Freude, die leßten Lebensmonate dieses guten Kindes mit freundlicher Hoffnung auf Erfüllung ihrer Wünsche zu erheitern." Am 21. März 1796 schrieb Schiller über sie an den Vater, der seitdem auch erkrankt war: „So tröstlich es mir war, liebster Vater, von Ihrer zunehmenden Besserung zu hören, so herzlich betrüben mich die Nachrichten von dem Zustand meiner guten Nanette. Ach, vielleicht haben wir sie schon verloren, indem ich dies schreibe! Ich gestehe, daß ich das Schlimmste fürchte, weil sie schon vor dem Anfall dieser Krankheit nicht ganz gesund gewesen ist. Wie schmerzt es mich, so entfernt von Ihnen zu leben, und so ganz außer Stande zu seyn, Ihre Beschwerden und Leiden mit Ihnen, mit der lieben Mama und den armen Schwestern zu theilen und so viel möglich zu erleichtern. Hier kann ich nichts als wünschen und bitten, daß der Himmel noch Alles gut lenken möge. Wie dauert mich unsere gute, liebe Mutter, auf die alles Leiden so zusammenstürmen muß! Aber was für eine Wohlthat von Gott ist es auch wieder, daß die gute liebe Mutter noch Stärke des Körpers genug hat, um unter diesen Umständen

1796. nicht zu erliegen und Ihnen noch so viel Beistand leisten zu können. Wer hätte es vor sechs und sieben Jahren gedacht, daß sie, die so ganz hingefallen und erschöpft war, Ihnen Allen jezt noch zur Stüße und Pflege dienen würde. In folchen Zügen erkenne ich eine gute Vorsicht, die über uns waltet, und mein Herz ist aufs Innigste davon gerührt. Wie ängstlich sehe ich Ihrem nächsten Briefe entgegen, liebster Vater, der mir von Nanettens Zustand wahrscheinlich tie entscheidende Nachricht bringt. Wie werde ich es ertragen, eine so liebe und so hoffnungsvolle Schwester zu verlieren, zu deren künftigen Aussichten ich gerade jest einige Vorkehrungen treffen wollte, die ihr Glück vielleicht gründeten.* Ich wiederhole meine Bitte nochmals auf das Nachdrücklichste, liebster Vater! Thun Sie alles, was Sie können, zu Wiederherstellung Ihrer eigenen Gesundheit und zu Stärkung unserer guten Mutter und Schwestern. Schenkt uns der Himmel die Freude, daß es sich mit Nanette wieder bessert, so verändern Sie, sobald es nur die Kräfte der Kranken und Ihre eigenen zulassen, den Wohnort, und besuchen auf eine Zeit lang mit der ganzen Familie ein gesundes Bad, sowohl um sich zu zerstreuen, als sich körperlich zu stärken. Der Himmel erhalte Sie und mache es mit uns Allen besser, als wir gegenwärtig hoffen können. Meine Frau ist herzlich bekümmert um die liche Nanette, und grüßt Sie voll Theilnahme und Liebe. Der kleine Karl ist gottlob recht wohl und auch mit mir geht es jest recht leidlich." **

*

Vergl. Buch I, S. 12. Dies bezieht sich wahrscheinlich auf die
Theaterplane mit der Schwester.

** Boas II, 466 ff. Die folgenden Briefe theils aus Boas a. a. D.,
theils bei Frau v. Wolz. II, 160 — 168.

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