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1801

bis

1802.

Im Uebrigen fand man die Charaktere sorgfältig angelegt und ausgeführt, Johanna voll Demuth in ihrer Menschlichkeit, voll Hoheit in ihrem Berufe, liebenswürdig-anhänglich an ihren König; Agnes Sorel, noch neben der übermenschlichen Heldin, interessant und liebenswerth, was nur ein großer Dichter bewerkstelligen konnte; den König Carl für Schwäche und Sorglosigkeit entschädigt durch Empfänglichkeit für Liebe und Freundschaft, für alles Große und Schöne; Dunois tapfer und keck, als Sohn der Liebe nur von Liebe bezwungen; Burgund dem Irrthum durch Seelenadel entrissen; Talbot eisern, Lahire tapfer und bescheiden; selbst Lionel sollte einen bestimmten Umriß haben.

Man fand, daß der Dichter diesem Stücke die größte Sorgfalt gewidmet und mit sichtbarer Liebe daran gearbeitet. Die Scene, in welcher Johanna den Burgund bewegt, wurde bewundernówürdig gefunden und ist es.

Ein übersehenes, ernstliches Wort über dieß Drama ist das Wort Rahels, die in ihrer rauhen, aber wahrhaftigen Art sagt: „Ueber Christenheit und Religion weiß ich noch manches; und in wiefern sie [auf der Bühne] auftreten kann. In jedem Fall ist es ein ganz anderes Stückchen, als die gute und auch beliebte Jungfer Orleans; dieß Sujet meinte Schiller; und das Mädchen griff er.“

Eine schellingisirende Recension von Aug. Apel für die allgem. Literaturzeitung wollte unfrem Schiller nicht behagen.

Schüß, der Herausgeber, forderte den Dichter darauf zu einer öffentlichen Selbstkritik heraus. „Vor zehn Jahren,“ antwortete ihm Schiller (am 22. Januar 1802), „hätte ich es ohne Bedenken gethan, weil ich damals noch einen größern

* I, 292. 23. Juni 1806.

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1802.

Glauben an eine Kunsttheorie und Aesthetik hatte, als jezt. 1801 Gegenwärtig erscheinen mir die beiden Operationen des poetischen Hervorbringens und der rhetorischen Analysis wie Nordund Südpol von einander geschieden, und ich müßte fürchten, ganz von der Produktion abzukommen, wenn ich mich auf die Theorie zu sehr einlassen wollte. Diese ist zwar absolut nothwendig und wesentlich bei der Production selbst; aber da ist fie praktisch und mehr für den Poeten, als den Aesthetiker. Und was ist denn, wenn wir die neuesten Erfahrungen hören, für die Poesie gewonnen worden, seitdem die Aesthetik so angebaut wird ?“

Spuren jener praktischen Kritik sind uns glücklicherweise in einigen Briefen Schillers über die Jungfrau erhalten. An Wieland schrieb er mit Uebersendung des Stückes am 17. Okt. 1801: „Sie werden mir zugeben, daß Voltaire sein Möglichstes gethan, einem dramatischen Nachfolger das Spiel schwer zu machen. Hat er seine Pücelle zu tief in den Schmuß herabgezogen, so hab' ich die meinige vielleicht zu hoch gestellt. Aber hier war nicht anders zu helfen, wenn das Brandmal, das er seiner Schönen aufdrückte, sollte ausgelöscht werden."

Die ausführlichere Zuschrift an einen Unbekannten in Weimar* (November 1801) enthält eine förmliche Apologie gegen die meisten Einwürfe. „Vergessen Sie nur nicht," heißt es hier, „daß ich mich ein volles Jahr mit dem Stoffe herum trug, eh ich zur Ausarbeitung schritt, und daß ich mir die Zeit dazu nahm.... Ich hatte Anfangs dreierlei Pläne bei der Bearbeitung dieses Stoffes, und gestattete es die Zeit und das kurze drängende Leben, so würde ich die beiden andern gleichfalls ausführen. Besonders lockend war mir der Gang

**

Schillers auserlesene Briefe von H. Döring III, 242 ff.

1801 des Stückes, wo ich ein treues Gemälde der damaligen ruchbis losen Sitten und vor allen der gedankenlosen Ausgelassenheit

1802.

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am üppigen Hofe des Dauphins mit den Angriffen der Engländer und mit der Entschlossenheit des begeisterten Mädchens ganz anders contrastirt hätte, als jezt, wo ich den Dauphin nur schwächlich, und in dieser Schwächlichkeit liebenswürdig schildern durfte. Dann würde auch die Johanna in Rouen verbrannt worden seyn. Gewiß, es kostete mir keinen geringen Kampf, als ich mit den ersten vier Akten fast ganz fertig war, von der Geschichte in das romantische Feld der Möglichkeit überzuschweifen. — Der König war damals der Schußgott des dritten Standes, des Bürgers und Landmanns, gegen den Uebermuth und die stolze Gewalt des Adelz und der hohen Vasallen. Darum mußte er der Schäferin Johanna im milden Lichte eines Retters erscheinen, und ich glaube darin einen Zug der weiblichen Natur getroffen zu haben, daß Johanna, die sich das Reich als Abstraktum gar nicht denken kann, bei allen ihren Anstrengungen sich den guten liebenswürdigen König nur [1. immer] als leßten Zweck dachte. – Nennen Sie es immerhin eine epische Episode, die Scene mit dem Walliser Montgomery. Sie gehört zur Breite eines historischen Stücks [??], das die Ketten der Einheit sprengte. Wer seinen Homer kennt, weiß wohl was mir dabei vorschwebte [Jl. 21, 134 ff.]. Eben um des Alterthümlichen willen wählte ich auch den Senarius des alten Trauerspiels.... Montgomery sollte auf allen Bühnen durch ein Frauenzimmer gespielt werden. Das hartnäckige Schweigen der Johanna, als sie vor

* Hätte sich der Dichter für diesen Plan entschieden, so würden wir ein Seitenstück zum Wallenstein erhalten haben, das diesen wahrscheinlich durch Einheit des Gedankens und Plans weit übertroffen hätte. Habent sua fata libelli!

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allem Volk von ihrem Vater der Zauberei bezüchtigt wird, ist 1801 in ihrer visionären Schwärmerei vollkommen gegründet. Dazu 1802. kommt die Vorstellung, sie dürfe aus Pflicht dem Vater nicht widersprechen. Außer dem allgemeinen Vorurtheile der bezauberten Welt im Mittelalter, dem Pfaffenwiß und Eigennuß so viel Vorschub that, wirket beim Vater die gemeine Natur, in der es überall liegt, bei außerordentlichen Erscheinungen lieber an ein übermenschlich böses, als gutes Principium zu denken, allen Handlungen böse Motive unterzuschieben. Dazu ist Thibaut ein schwarzgallichter Mensch, mit dem auch Johanna früher kein Wort spricht. Doch ist sie seine Tochter, und es ist psychologisch, daß gerade von einem solchen Vater eine solche Seherin und Prophetin erzeugt werden konnte. Der Himmel entfühnt Johannen durch dasselbe Zeichen, wodurch er vorher ihre Schuld bekräftigte.... Es ist noch nicht genug beachtet, wie von jeher der Donner das Augurium der ungebildeten Sinnlichkeit war. * — Der schwarze Nitter foll dazu dienen, uns mit einem neuen Bande an die romantische Geisterwelt zu knüpfen, da hier immer zwei Welten mit einander spielen. Sollte es Jemanden zweifelhaft seyn, daß damit der Geist des kurz vorher verschiedenen Talbot gemeint sey, der ja als Atheist der Hölle angehört? ** — Immer sind die Menschen, wenn sie auf der höchsten Spize standen, ihrem Falle am nächsten gewesen. Das widerfährt von dieser Scene an auch der Johanna. Die Jungfrau muß, da sie ein Wort spricht, das die Nemesis beleidigt, und wobei fie ihren Auftrag vom Himmel weit überschreitet:

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Auch hier macht sich Schillers vielleicht unbewußte Abneigung gegen die biblischen Urkunden auf kantianische Weise Luft. ** Der Biograph gesteht, dieß nicht gemerkt zu haben.

1801

bis 1802.

„Nicht aus den Händen leg' ich dieses Schwert,
Als bis das stolze England untergeht"

für solchen Uebermuth nothwendig büßen. Die Strafe folgt
ihr in der Verliebung auf dem Fuße nach.. Sie begehrt mit
Geistern zu streiten. Ein neuer Frevel gegen die heilige Scheu.
Eine einzige Berührung des Geistes lähmt sie. Nur die ge-
prüfte Tugend erhält die kanonisirende Palme.“

Mit dieser Selbstvertheidigung, die nicht jedermann überzeugen wird, verlassen wir das Stück.

1801.

Schillers Tischreden.

Göthe hat, so gut wie Luther, seinen Hausfreund ge= funden, der die Lischreden des großen Mannes aufzeichnete. Wer ergänzt sich nicht mit Lust und Liebe den Dichter durch den Menschen, indem er beide in Eckermanns klarem Spiegel erblickt?

Für Schiller hat dieses Geschäft, doch nur auf kurze Zeit, eine weibliche Hausgenossin übernommen. Christiane v. Wurmb, Cousine von Schillers Frau, in der Folge die Gattin des Gymnasialdirektors Abeken in Osnabrück, brachte die Wintermonate des Jahres 1801 in Schillers Hause zu. Der schöne Verstand und die ernste Richtung des zwanzigjährigen Mädchens interessirten den Dichter lebhaft, und ihre ausgezeichnet schöne Stimme, die sie in Weimar ausbilden sollte, gereichte ihm zu großem Vergnügen. Frau v. Wolzogen theilt aus dem Tagebuch dieser Jungfrau eine Reihe sinniger Blätter voll Erinnerungen aus Schillers Gesprächen

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