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neues Leben, das nicht aus dieser Welt stammt, nicht aus den Bedingungen dieser Welt zu begreifen ist, tritt gleichwohl in die Welt ein, um sie zu bestzen, zu beherrschen, zu verklären. Die Welt sträubt sich gegen die Macht dieses neuen Lebens, es entsteht ein Kampf zwischen dem Alten und Neuen, zwischen Finsterniß und Licht. In diesem Kampfe erscheinen indessen die Gegensäge nicht immer rein und gesondert; auch das Licht erfährt seine Trübung, auch an die himmlische Wahrheit hängt sich das Mißverständniß; Irrthum und Sünde dringen in die Kirche ein und erzeugen in ihr die Truggestalten falscher Lehre und verkehrter Lebensrichtung. Selbst die reinern, edlern Seelen bleiben nicht unberührt von dem Hauch der Sünde, und darum ist auch das Spiegelbild, das sie zurückwerfen, nicht immer dem Urbilde getreu, sondern von Irrthum, von Leidenschaft, von menschlicher Befangenheit getrübt. Ihr Widerstand gegen das Böse schlägt oft in Verkennung des Guten um, das auch am Gegner zu beachten ist; der Geist des Widerspruchs bemächtigt sich der allseitigen, lebendigen Wahrheit und verhärtet sie zum Buchstaben, die Rechtgläubigkeit wird zur Starrgläubigkeit, und die Begeisterung steigert sich zur Schwärmerei. Für alle diese Erscheinungen, für alle Nüancirungen von Licht und Schatten, wie sie in dem großen Gemälde vorkommen, muß die Kirchengeschichte ein offenes Auge behalten. Wer nur von dem Standpunkte der Welt aus die Geschichte der Kirche Christi betrachtet, der sieht in ihr nur ein Chaos von Leidenschaften, von menschlichen Thorheiten und Schlechtigkeiten, und unbefriedigt wendet er sich von ihrem Gebiete ab. Wer dagegen mit frommer Gemüthsstimmung in ihr nur Erbauliches sucht, der wird zwar vieles finden, das seiner Seele Nahrung giebt, aber eben so oft wird er sich auch in seinen Erwartungen getäuscht finden. Die Kirchengeschichte bietet uns weder rein Weltliches noch rein Himmlisches, sondern beides in mannigfacher Mischung. Das einemal läßt sie uns Blicke thun in das innerste Heiligthum des Glaubens, so daß wir ausrufen möchten, hier ist wahrhaft Gottes Haus, hier ist die Pforte des Himmels, während das anderemal wieder dieser Himmel fich trübt, von düsterm Gewölke des Aberglaubens umzogen. Das einemal sehen wir die Engel des Friedens sich herabneigen auf die Erde, und das anderemal scheint es, als wolle die Hölle ihren

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Abgrund öffnen und als sähen wir jene Thiergestalten aufsteigen, die der Seher der Apokalypse uns als bedeutsame Typen vor Augen stellt. Das einemal werden wir hingerissen zur Bewunderung, zur Anbetung das anderemal fühlen wir uns abgestoßen durch den Gegensatz. Noch öfter aber befinden wir uns in der mittlern Stimmung des ruhigen Beobachters, des nüchternen Kritikers, dessen Aufgabe es ist, das Richtige vom Unrichtigen, das Licht von der Finsterniß zu scheiden, jede Erscheinung aus ihren Umgebungen zu begreifen, sie auf ihr Maaß zurückzuführen und so das geschichtliche Urtheil, wenigstens annähernd, festzustellen. Dazu bedarf es nicht nur eines empfänglichen und erregbaren Gefühles, es bedarf der Weisheit, der Mäßigung, der Umsicht; es bedarf jenes Sinnes, der die Geister zu prüfen im Stande ist. Möge mir von diesem Sinne so viel geschenkt werden, als nöthig ist, wenigstens auf die Spur der Wahrheit zu leiten. In gelehrte Untersuchungen werden wir uns nicht einlassen. Manches, das noch in der Untersuchung liegt und worüber die Akten noch keineswegs geschlossen sind, werden wir müssen unerledigt lassen; doch so weit die Ergebnisse freier und unbefangener Forschung reichen, so weit werden wir auch von ihnen Gebrauch machen. Ich werde mich eben sowohl hüten, Unerwiesenes oder gar erwiesen Fabel= haftes nur um des Effektes willen als Thatsache mitzutheilen, als ich mich auch wieder hüten werde, voreilig über Nachrichten den Stab zu brechen, die zwar nicht über allen Zweifel erhaben, aber gleichwohl nicht von der Kritik beseitigt sind. Ich werde das historisch Ausgemachte, durch vollgültiges Zeugniß Beglaubigte so viel als möglich zu scheiden suchen von dem einfach Ueberlieferten, und das Ueberlieferte wieder von dem rein Erdichteten, dem Legendenhaften. Doch auch die Sagen und Legenden der Kirche, selbst wo sie in das Abenteuerliche und Mährchenhafte sich verlieren, werde ich nicht mit Stillschweigen übergehen, sondern sie als treue Reflexe des Zeitgeistes, dem sie angehören, in die Darstellung einflechten, ohne sie jedoch als ächte Perlen zu verkaufen. Wahrheit und Dichtung gehen in der Geschichte Hand in Hand; gewaltsam lassen sie sich nicht trennen. Einer sorgfältigen Hand mag es bisweilen ge= lingen, den Kern aus der Schale zu lösen, öfter aber müssen wir darauf verzichten, eine völlige Scheidung zu vollziehen. Genug,

daß wir jede so viel als möglich in ihrem eigenen Gewande auftreten lassen, damit nicht durch unsere Schuld beide miteinander vermengt, und ihre Gebiete untereinander verworren werden. Eines ist so gefährlich als das andere, Dichtung in Wahrheit, als Wahrheit in Dichtung verkehren, und doch geschieht es so leicht, daß während wir die eine Richtung vermeiden, wir der andern verfallen.

Che wir nun die Anfänge der Kirche selbst aufsuchen, wird es vor allen Dingen nothwendig sein, den historischen Boden genauer zu betrachten, auf den sie Gott hingestellt hat; denn wenn auch das Christenthum nicht aus den schon vorhandenen Zuständen zu begreifen ist, sondern vielmehr als ein Neues, als ein noch nie Dagewesenes in die Welt tritt, so dürfen wir doch seine Erschei= nung-nicht als eine zufällige, geschichtlich unvermittelte Erscheinung auffassen. Gott thut nichts durch Sprünge, eben so wenig als alles nach gleichmäßigen Schritten geschieht. Wie in der Natur, so giebt es auch in der Geschichte außerordentliche, überraschende Wendungen der Dinge, Zeiten des Umschwunges, die uns als Sprünge erscheinen, indem sie zuvor nicht Geahntes unerwartet an's Licht treten lassen. Wenn eine geschichtliche Erschei nung als eine neue Schöpfung zu begrüßen ist, so ist es das Christenthum. Und gleichwohl geht auch diese neue Schöpfung nicht aus einem absoluten Chaos hervor; sie ist vorbereitet, eingeleitet durch frühere Entwicklungen; sie schwebt nicht in der Luft, fle hat eine Vergangenheit hinter sich, einen geschichtlichen Boden unter sich. Darum sagt auch die Schrift so bedeutungsvoll: Christus sei erschienen, da die Zeit erfüllet war. Wir können das Christenthum nicht bloß begreifen, als das Produkt früherer Zeiten; es ist unendlich mehr als dieses; aber wir können es doch wieder nicht als ein Ganzes erfassen, wenn wir nicht es betrachten im innigsten Zusammenhange mit der Zeit, in der es erschien. Wir fasse diese Zeit zusammen unter dem Begriff des Alter= thums, der alten Geschichte, während mit Christus die neue Zeit beginnt; denn er ist, wie Johann von Müller sagt, der Schlüssel der Weltgeschichte, der das Alte abschließt, das Neue er= öffnet". Diese ganze alte Welt zerfällt nun aber für die religiöse und religionsgeschichtliche Betrachtung in zwei ungleiche Hälften, in die heidnische und in die jüdische Welt. Die eine umfaßt

die „Völker“, die gleichsam ihrer eignen Entwicklung überlassen find, obgleich nicht ausgeschlossen von dem ewigen Weltplan der göttlichen Liebe (denn Gott ist ja auch der Heiden Gott); ihre Religion ist eine wildwachsende, der man die Sonderpflege des himmlischen Gärtners nicht anmerkt, obgleich er sein Auge auch über ihr offen hält; die andere, weitaus kleinere Hälfte bildet „das Volk Gottes", eben so genannt, weil es von Gott selbst ist erwählt und erzogen worden zum Volk des Heils, aus dem das Heil der Welt hervorgehen sollte. Wir werden später diesen Gedanken noch näher beleuchten, wenn wir erst das Heidenthum betrachtet haben, worauf wir in dieser Stunde uns beschränken. Erwarten Sie nicht, daß ich Ihnen alle die verschiedenen Gestaltun= gen des Heidenthums vorführe, wie sie bei den Einen als Fetischismus, als Thier- und Gestirndienst, bei den Andern als die Religion des Feuers und des Lichtes und wieder bei Andern auf veredelter Stufe als Vergötterung des Menschen und der menschlichen Ideale sich darstellen. Eine solche vergleichende Religions= geschichte würde eine eigene Behandlung erfordern, die außerhalb des Bereichs unserer engern Aufgabe liegt. Für uns mag es genügen, einstweilen nur die Gestaltung des Heidenthums in's Auge zu fassen, mit welcher das neu auftretende Christenthum zunächst in Berührung kam und die zu überwinden seine nächste Aufgabe war. Merken wir wohl, es ist nicht jenes Heidenthum der vorderastati= schen Culte, das in den Büchern des alten Testamentes uns entgegentritt und wogegen die Propheten eisern, nicht der Baalsoder Molochsdienst oder Aehnliches; noch weniger dürfen wir an ein Heidenthum denken, wie es etwa der christliche Missionar unserer Zeit vorfindet, wenn er zu den sogenannten wilden Völkern die Botschaft des Evangeliums bringt. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Aufgabe der ersten Glaubensboten in dieser Hinsicht eine verschiedene war von der der spätern Zeit. Wenn es (mit wenigen Ausnahmen) in unserer Zeit gilt und schon von dem Mittelalter an großentheils gegolten hat, mit dem Christenthum und zum Theil durch dasselbe Cultur und Civilisation zu den in Geistes= dumpfheit versunkenen Völkern zu bringen 1), so sehen wir dagegen

1) Allerdings kommt das Christenthum auch in unserer Zeit zu Cultur

das Christenthum bei seinem Eintritt in die Welt einer hohen und in mancher Hinsicht vollendeten Bildung entgegentreten. Gerade mit den gebildetsten Völkern des Alterthums, die wir selbst noch immer als Mustervölker unserer Jugend vor Augen stellen, an deren Sprachen noch bis auf den heutigen Tag der Sprachsinn, an deren vollendeten Kunstwerken der Kunstsinn, an deren großartigen Volks- und Rechtsverhältnissen der Sinn für öffentliches Leben, für Politik und Recht sich ausbildet und stetsfort sich ausbilden muß, wenn es nicht rückwärts gehen soll mit der menschlichen Bildung, gerade mit diesen Völkern der antiken Welt, die wir mit Recht als die klassischen Mustervölker in Beziehung auf reinmenschliche Verhältnisse betrachten, tritt das junge Christenthum in Kampf. Nicht etwa seht es der Barbarei eine hohe, bisher nicht erreichte menschliche Bildung entgegen, sondern vielmehr tritt es mit dem Anspruch auf, daß die menschliche Weisheit seiner göttlichen Thorheit weiche, daß auch was edel, groß und schön ist in den Augen der Menschen, sich beuge vor der Knechtsgestalt, in der Gott die Menschheit sich zu offenbaren für gut fand. Aus einem verachteten Volke, meist aus den untersten Schichten der mensch= lichen Gesellschaft gehen die Männer hervor, die der gebildeten und übergebildeten alten Welt den Untergang verkündigen, damit eine neue Ordnung der Dinge, das Reich Gottes auf Erden überhandnehme. Gerade das aber giebt diesem Kampfe um das Alte und Neue eine so hohe Bedeutung, macht aber auch die richtige Beurtheilung desselben doppelt schwierig. Hätte es sich bei diesem Kampfe lediglich darum gehandelt, einem rohen Gößendienste die Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit, einem barbarischen Volksleben eine schönere, mildere Sitte entgegen zu sehen, wäre mit einem Wort der Gegensatz zwischen dem Heidnischen und Chriftlichen ein schon fertiger, jedem Vernünftigen in die Augen fallender gewesen, so würde darüber nach 1800 Jahren wenig mehr zu sagen sein; das Urtheil der Geschichte wäre ein höchst einfaches und auf immer festgestelltes. Aber so ist es nicht. Bis auf den heutigen Tag ist

völkern, wie zu den Indiern, Chinesen, zu gebildeten Mahomedanern und Juden; aber doch sind diese Völker nicht die Träger der Cultur, wie die Griechen und Römer es waren im Alterthum. Im Ganzen ist auch ihnen das Christenthum in Absicht auf Cultur überlegen.

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