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materiellen Einflüssen, von den Eindrücken der Außenwelt losmacht und sich hineinlebt in den idealen, geistigen Zusammenhang, den ihm Christus geöffnet hat, in eben dem Maaße hat er Theil an der Erlösung. Basilides selbst war, nach allem was wir von ihm wissen, eine edlere, sittlichere Natur. Sein Grundsah lautete: der Mensch soll dahin gelangen, gleich Gott alles zu lieben, weil alles mit allem verwandt ist, nichts zu haffen und nichts zu begehren. Seine spätern Anhänger wichen in manchen Dingen von ihm ab und überließen sich Ausschweifungen, die wir nicht auf die Rechnung des Stifters sehen dürfen.

Noch ausgeführter als das System des Basilides erscheint uns das des Valentinus, der ebenfalls zur Zeit Hadrians in Alerandrien lebte, dann im Jahr 140 nach Rom kam und in Cypern um's Jahr 160 starb. Aus dem göttlichen Urgrunde, dem nie alternden, ewig jungen, entwickelt sich das Leben durch eine Reihe von Ausflüssen, in denen Männliches und Weibliches gepaart_erscheint. Man glaubt einen Philosophen aus der neuesten Schule zu hören, wenn uns Valentinus beweist, wie der unterschiedslose Gott, das rein Absolute, sich selbst erfaßt, wie er durch eine Entzweiung seines Wesens sich selbst erst begreiflich wird, indem sein eigener Gedanke als das ewige Stillschweigen ihm entgegen tritt, worin er sein eigenes Wesen wieder erkennt. Freilich, was die neuere Philosophie in platter Prosa, in abgezogenen Schulbegriffen ausdrückt, das tritt uns hier in farbenreichen phantastischen Bildern vor Augen, in einer Art von Mythologie und in sofern hat der alte Gnosticismus vor dem neuen den poetischen Reiz voraus. So geht denn aus dem Urgrunde hervor der höchste Gottesgeist, der Nus, der sich mit der Wahrheit verbindet. Aus dieser himmlischen Che (Syzygie) entspringt dann wieder der Logos, dessen Gemahlin das Leben, aus diesem wieder der Mensch, d. h. der ideale Mensch, der sich mit der Kirche verbindet. So geht es weiter fort bis auf dreißig sogenannte Lebensgeister (Aeonen), die wieder unter sich eine heilige Acht, eine heilige Zehn und eine heilige Zwölf bilden und die zusammen die Fülle des göttlichen Lebens (Pleroma) ausmachen. Die aus dem Urgrunde emanirten Lebensgeister haben nun ein sehnsüchtiges Streben, mit dem Urgrunde sich zu verbinden, und der jüngste der weiblichen Geister, die Sophia (die Weisheit)

wird von dieser Begierde so sehr hingerissen, daß sie mit dem Urgrunde eine Verbindung eingeht. Aus dieser unnatürlichen Verbindung entsteht aber ein Mißgefchöpf, die irdische Weisheit, ein unreifes, jämmerliches Wesen, das hülflos umherirrt und verloren geht, wenn nicht eine höhere Macht sich seiner wieder erbarmt. Der Sohr dieser irdischen niedern Weisheit ist der Weltschöpfer (Demiurg), und so ist denn auch die Welt, die dieser hervorbringt, eine sehr unvollkommene und klägliche Welt, eine Welt voll Gebrechen und Mängel. Einzelne höhere Geister- und Lichtfunken sind allerdings in dieser Welt ausgestreut, gleichsam als Samenförner des Ewigen; aber sie können nicht zu ihrer Entwicklung kommen, so lange die plumpe Materie entgegen steht. Um nun die durch die falsche Weisheit gestörte Harmonie des Universums wieder herzustellen, erscheint ein höherer Lebensgeist, Chriftus, der sich mit dem heiligen Geiste verbindet, und aus dieser himmlischen Ehe geht der Mensch Jesus hervor. Die Gnostiker unterscheiden sehr bestimmt zwischen Chriftus und Jesus; es sind für sie zwei verschiedene Wesen. Was Christus für die himmlische Welt ist, das ist Jesus für die irdische. Damit aber Jesus die Menschen erlösen, d. h. ste wieder in das Lichtreich zurückführen kann, darf er selbst nicht mit der Materie in Berührung kommen; daher hatte er auch keinen materiellen, sondern einen himmlischen gleichsam ätheri schen Leib. Er wurde zwar von Maria geboren, aber doch hatte er nicht wahre menschliche Natur an sich), sondern diese diente ihm nur als Hülle. Alle Wesen nun, die mit ihm in Verbindung treten, werden durch ihn zu Geistwesen, zu pneumatischen Naturen. Solche sind die wahren Christen, d. h. die wahren Gnostiker. Sie bilden gleichsam den Adel der Menschheit. Ihnen nach stehen die seelischen (psychischen) Naturen, denen aber die höhere Weihe des Geistes fehlt, obgleich sie immer noch besser sind, als die rein sinnlichen, fleischlichen Menschen. Auf die Religionen angewendet, ist das Judenthum psychischer, das Heidenthum sinnlicher, fleischlicher Art, das Christenthum die Religion des Geistes. Die Vollendung aller Dinge wird eben darin bestehen, daß von

5) Er bediente sich des Leibes der Maria als eines Kanales, durch den er in diese Welt eintrat.

dem geistigen Leben Alles verschlungen, Alles in das ewige Lichtreich aufgenommen wird, wo ewige Seligkeit herrscht.

Verwandt mit diesem Valentinianischen System ist das der Schlangenbrüder (Ophiten), deren Vaterland ebenfalls Egypten ist. Wodurch sie sich aber wesentlich von den bisher betrachteten. Gnostikern unterscheiden, ist das, daß sie den Weltschöpfer, welchen sie Jaldabaoth (Sohn des Chaos) nennen, nicht nur für ein beschränktes, sondern geradezu für ein boshaftes Wesen halten, dessen einziges Bestreben dahin geht, die Absichten des guten Gottes zu vernichten. Jaldabaoth forderte die sechs weltbildenden Engel auf, ein Geschöpf zu bilden, das ihm und ihnen gleich sei 6). Es entsteht eine unförmliche Masse. Da erbarmt sich die höhere Weisheit des Menschen, sie haucht ihm den göttlichen Geist ein. Darüber erzürnt, starret Jaldabaoth mit finsterm Blick hinab in das Chaos, und erzeugt durch dieses Hinabstarren den Schlangengeist, den Teufel. Mit Hülfe dieses suchte nun der neidische Jaldabaoth die Menschen von der Erkenntniß des wahren Gottes zurückzuhalten, und darum verbot er ihnen vom Baum der Erkenntniß zu essen. Aber die himmlische Weisheit erbarmte sich der armen Menschen und unter der Gestalt der Schlange, welche das Symbol der Weisheit ist, leitete sie die Menschen an, das Gebot Jaldabaoths zu übertreten. Die Menschen aßen von der verbotenen Frucht, und siehe! ihre Augen wurden ihnen aufgethan; sie wurden sich ihrer höhern, ihrer göttlichen Natur bewußt, sie thaten den mächtigen Schritt aus der unmündigen Kindheit in die Freiheit 7). - So verkehrten die Ophiten die biblische Lehre vom Sündenfall in ihr Gegentheil. Was die Kirche als Sünden fall bezeichnet, war ihnen eine Emancipation aus der Dienstbarkeit des neidischen Gottes, der ihnen ihre Freiheit mißgönnte; daher verehrten sie die Schlange, dieses kluge Thier, das dem Menschen zu seiner Erlösung verhol

6) Anspielung auf 1 Mos. 1, 26.

7) Bekanntlich hat in neuerer Zeit Schiller dieselbe Idee entwickelt: auch ihm ist der vermeintliche Ungehorsam gegen das göttliche Gebot nichts anders, als ein Abfall des Menschen von seinem Instinkte, die erste Aeußerung seiner Selbstthätigkeit, das erste Wagestückt seiner Vernunft, der erste Anfang seines moralischen Daseins.“ S. die Abhdlg.:' Etwas über die erste Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der mosäischen Urkunden; in den prof. Schriften (Werke X.).

fen habe. Auch als die Menschen von dem erzürnten Jaldabaoth aus dem Paradies verstoßen wurden, hörte die himmlische Weisheit nicht auf, für sie zu sorgen. Sie war es, die den jüdischen Messias Jesus bei der Taufe mit dem wahren Christusgeist erfüllte, und die ihn, nachdem er dem Leibe nach am Kreuz gestorben, wieder belebte, so daß er sich zum Himmel aufschwang, sich zur Rechten des Jaldabaoth sezte, ohne daß dieser es merkte, und so ihn allmälig aus seiner Herrschaft verdrängte, indem er ihn alles Lichtes und alles Lebens beraubte, und es nun in sich vereinigte. So wird die christliche Heilsgeschichte in eine Karikatur verzerrt, die den christlichen Ohren wie Blasphemie klingen mußte, wie eine förmliche Travestie der heiligen Geschichte, eine Verkehrung in Mythologie. Ist es nicht, als hörten wir die Geschichte von Jupiter, der den Saturn entthront, oder eine ähnliche?

Ich muß es mir versagen, Ihnen auch noch die übrigen gnostischen Systeme, eines Saturninus, Vardesanes, Tatian und Anderer vorzuführen. Das Bisherige mag hinreichen; doch um auch die praktische Seite des Gnosticismus hervorzuheben, von der ich sagte, daß sie das eine Mal in übertriebener Strenge, das andere Mal in Zügellosigkeit sich darstellte, so mag noch die gnostische Secte der Karpokratianer erwähnt werden. Ihr Stifter Karpokrates lebte gleichfalls unter Hadrian. Er sette Jesus in eine Linie mit Plato und Pythagoras, die sich durch ihre hohe Geisteskraft über die Menge erhoben hätten. Die Genialität vertrat bei den Karpokratianern die Stelle der Religion und der Sittlichkeit, und so proklamirten sie, wie später Andere gethan, unter dem Anscheine höherer Geistesfreiheit, die Entfesselung (Emancipation) des Fleisches.

Endlich muß ich noch, um die Stellung, welche der Gnosticismus dem alten Testamente gegenüber einnahm, an einem Beispiel darzustellen, des Gnostikers Marcion gedenken, obgleich dieser schon über das Zeitalter Hadrians hinausreicht und in die Zeit Antonins des Frommen fällt. Marcion, der Sohn eines Bischofs von Sinope, zeichnete sich nämlich vor allen Gnostikern am meisten aus durch den entschiedenen Gegensah, in den er das Christenthum zum Juden= thum stellte. Das ganze alte Testament verwarf er und wollte nichts wissen von einer stufenweisen Offenbarung. Das ChristenHagenbach, Vorlesungen II.

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thum ist ihm nicht ein durch die Jahrhunderte vorbereitetes, sondern ein absolut neues, ich möchte sagen, ein vom Himmel ge= fallenes Gottesgeschenk. Christus, lehrte er, ist nicht geboren vom Weibe, er ist als der vollendete Menschensohn plößlich vom Himmel gekommen; in einem Scheinkörper hat er sich zu Capernaum auf die Erde niedergelassen und hat den Menschen den wahren Gott geoffenbart, den sie früher unter dem Gesetze nicht kannten; sie kannten bisher nur den gerechten Gott, nicht den guten Gott. Obgleich Marcion ein entschiedener Gegner des Gefeßes war, so kann man ihm für seine Person nicht vorwerfen, daß er diese Lehre zu ungeseßlichem Thun und Treiben, nach Art der Karpofratianer mißbraucht hätte. Im Gegentheil forderte er von seinen Anhängern große Sittenstrenge und Enthaltsamkeit und ging darin mit eigenem Beispiel voraus. — Marcion bediente sich auch eines eigenen Evangeliums, das mit dem Evangelium Lucä am meiften Aehnlichkeit hat; die ersten Kapitel aber fehlen, weil die Geschichte der Geburt und der Kindheit Jesu zu seinem System nicht paßte. Ob Marcion zu diesem Behuf nur den Lucas verstümmelt oder unabhängig von ihm geschrieben habe, ist eine Frage, die von der Wissenschaft zu verschiedenen Zeiten verschieden ist beantwortet worden. 8)

So viel über die Gnostiker. Man würde die ganze Erscheinung derselben ungerecht beurtheilen, wenn man nur Unsinn, gleichsam nur phantastische Fieberträume in ihren Systemen finden wollte. Es liegen Samenkörner von Gedanken darin, wie Ihnen bei all der seltsamen Einkleidung nicht entgangen sein kann, selbst tiefer und tiefgreifender Gedanken. Das läßt sich nicht leugnen. Auch ist die Erscheinung des Gnosticismus nicht zu begreifen als eine zufällige, die sich nur von außen an das Christenthum gesezt hätte oder ihm angeflogen wäre. Sie lag in der Zeit und griff mächtig in die Geschichte des zweiten und dritten Jahrhunderts ein, und eben darum durften wir sie nicht übergehen. Als Gegen=

8) Auch hier ein merkwürdiger Kreislauf. Die zuleßt geäußerte Ansicht glaubte man seit den Untersuchungen von Hahn über das Evangelium Marcions (1823) abgethan. Nun hat sie in neuster Zeit wieder ihre Vertheidiger gefunden! (Nitschl und Volckmar.)

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