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gewicht gegen eine jüdisch-gefeßliche und am Buchstaben hangende Richtung hatte der Gnosticismus auch seine geschichtliche Verechtigung; er repräsentirte das geniale, das freie Element. So finden wir auch bei ihm zuerst Anfänge der christlichen Kunst und Poesie. Er bewahrte die Kirche vor Erstarrung in Formen; aber freilich war nöthig, daß auch ihm wieder Schranken und feste Schranken gesezt wurden, wenn nicht ein neues Heidenthum emporkommen und seine wilden Wasser über die Fluren der Kirche ergießen sollte. Darum ging auch der Gnosticismus wieder unter, nachdem er seine relative Bestimmung in der Geschichte erfüllt hatte. Er starb an seiner eigenen Haltlosigkeit, an seiner Ueberspannung, vor allem an seiner sittlichen Ohnmacht. Das ist das Schicksal jeder Religion, die nur auf Ideen und nicht auf Thatsachen sich stüßt, die ihre eigenen Hirngespinnste au die Stelle der geschichtlichen Offenbarung seßt. Da gilt immer wieder das Wort des Apostels: da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden (Röm 1, 22), und das Wissen blähet auf, aber die Liebe beffert (1 Cor. 8, 1).

Neunte Vorlesung.

Angebliches Edict des

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Das Christenthum im Zeitalter der Antonine. Antoninus Pius zu Gunsten der Christen. Mark Aurel. Christen verfolgung in Kleinasien. Polykarp. Sein Märtyrtod und sein Brief an die Philipper. Die legio fulminatrix. Christenverfolgung in Gallien. Schicksale der Christen unter den nächstfolgenden Kaisern.

Nachdem wir uns in der vorigen Stunde mit den häretischen, d. H. mit den vom Wahrheitsprincip des Christenthums nach der Rechten oder Linken abweichenden Erscheinungen auf dem Gebiete des Glaubens beschäftigt haben, wie sie uns seit dem Zeitalter Hadrians entgegentreten, einerseits nämlich mit den dürftigen, am jüdischen Geseze haftenden Religionsbegriffen der Ebioniten, anderseits mit den phantastischen, aber für die Entwicklung des Christenthums keineswegs gleichgültigen Systemen der Gnostiker, kehren wir jezt wieder zu den äußern Schicksalen der Christen unter den römischen Kaisern zurück. Auf den Kaiser Hadrian, der, wie wir das vorlegte Mal gesehen, die ungerechten Verfolgungen der Christen durch Verhaltungsbefehle an seine Statthalter beschränkte, während er die aufrührerischen Juden unter Bar Cochba auf's Empfindlichste demüthigte, folgte sein Adoptivsohn, der Gallier T. Aelius Hadrianus Antoninus Pius (der Fromme). Er regierte vom 10. Juli 138 bis zum 7. März 161; eine edle, sittliche Natur, ein friedliebender, weiser Regent, dessen ganzes Bestreben dahin ging, in friedlicher Verwaltung des Reiches die Wohlfahrt aller Stände zu befördern. Man hat ihn dem Numa verglichen, ihm

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den Namen eines Vaters des Vaterlandes ertheilt. Wie er für die Geringsten im Volke, für die Sklaven, für die Wittwen und Waisen, für die Armen und Unterdrückten überhaupt sorgte (sein Grundsah war, lieber einen Bürger zu erhalten, als tausend Feinde zu tödten), so nahm er sich auch der bedrängten Christen an, gerade zu einer Zeit, als die Volkswuth am lautesten und am zudringlichsten ihre Verfolgung betrieb. Mehrere Unglücksfälle trafen in diesen Zeiten zusammen, welche diese Volkswuth gegen die Christen aufregten. Hungersnoth, Erdbeben, eine Feuersbrunst in Rom, bei welcher 340 Gehöfte (insulae) verbrannten, Austritt der Tiber und Ueberschwemmung dazu noch andere felt= same Naturerscheinungen und Zeichen am Himmel wurden als göttliche Gerichte vernommen und gedeutet 1). Aber wer sind die Feinde der Götter, die also ihren Zorn herausfordern? Wer anders als die Christen, die ihr Dasein bestreiten, ihre heiligen Namen lästern; ihrem Dienste sich entziehen und Andere von diesem Dienste abhalten. Darum fort mit diesen Götterfeinden, mit diesen Atheisten, die weder Altar noch Tempel haben und nur die Wolken verehren! - So brach denn namentlich in Achaia eine Verfolgung aus, in welcher ein christlicher Bischof Publius zu Athen um's Leben fam. Der Kaiser aber erließ ein Edict an die kleinasiatischen Landstände, in denen er diese Verfolgungen untersagte. Das Edict, das uns die Kirchenschriftsteller Justin und Euseb in ihren Schrifen aufbewahrt haben 2), lautet im Wesentlichen also: „M. Aurel Antoninus, Kaiser u. s. w., wünscht der asiatischen Ständeversammlung alles Wohlergehn. Ich weiß, daß die Götter selbst dafür sorgen, daß ihre Feinde nicht verborgen bleiben; denn sie könnten viel eher die strafen, die sie nicht anbeten wollen, als ihr. Ihr bestärkt sie (die Christen) vielmehr durch die Verfolgung in ihren Meinungen, und es kann ihnen nur erwünscht sein, wenn sie verklagt werden, zu zeigen, daß sie um ihres Gottes willen selbst den Tod dem Leben vorziehen. Was die Erdbeben betrifft, so könntet ihr an den Christen ein Beispiel nehmen, die ein weit größeres Vertrauen auf ihren Gott haben, während ihr den Dienst der Götter verabsäumt.

1) Siehe Julius Capitolinus c. 9.

2) Justin d. M. am Ende seiner ersten Apolog. und Euseb Kircheng. IV, 13.

Was verfolgt ihr also die Christen, weil sie Gott dienen? Schon mein Vater hat diese Art von Verfolgung verboten und ich folge hierin seinen Grundsägen. Wenn jemand fortfahren sollte, einer dieser Leute zu beunruhigen, darum' weil er ein Christ ist, so soll der Angeklagte von der Anklage freigesprochen werden, wenn es auch gleich offenbar ist, daß er zu den Christen gehört; hingegen der Angeber soll Strafe leiden. Gegeben zu Ephesus bei der Ständeversammlung von Asten."

Die neuere Kritik hat die Aechtheit dieses Edicts bestritten, und es mag allerdings auffallen, daß der Kaiser darin nicht nur die Unschuld der Christen heraushebt, sondern sie als die ächten und wahren Gottesverehrer rühmt und den Heiden sie sogar als Beispiel aufstellt. So, sagt man, konnte nur ein Christ schreiben, nicht aber ein heidnischer Kaiser an seine heidnischen Unterthanen, auch wenn er noch so billig gegen die Christen gestimmt war. Und es hat dieser Einwand allerdings einigen Grund; es ist nicht unmöglich, daß ein Christ späterhin ein solches Edict dem Namen Antonins untergeschoben hat, weil das wirkliche Edict nicht mehr vorhanden war. Daß aber Antoninus überhaupt ein Edict zu Gunsten der Christen erlassen, wenn nicht das vorhin mitgetheilte, so doch ein ähnliches, ist wohl aus andern Zeugnissen so gut als erwiesen 3). Wie viel es gefruchtet, wissen wir freilich nicht. Nur so viel ist gewiß, daß unter seinem Nachfolger und Adoptivsohn, Antoninus Philosophus (Mark Aurel) die Verfolgungen mit neuer Heftigkeit ausbrachen.

Mark Aurel gehört nun freilich auch zu den edlern Gestalten, die uns in der römischen Kaisergeschichte begegnen. In seinen Selbstbekenntnissen" 4), die noch auf uns gekommen sind, rühmt er es mit aufrichtigem Dank gegen die Götter, daß er von guten Großeltern, von trefflichen Eltern und eben so trefflichen Lehrern sei erzogen worden; sein Herz neigte sich frühe zur Weisheit, zur Selbstbeherrschung; er schloß sich an die stoische Philosophie an. Auch als Kaiser kennen wir ihn als einen Mann, der mitten

3) Melito von Sardes beruft sich in einer Zuschrift an Mark Aurel auf ein diet seines Vaters. Euseb Kircheng. IV, 26.

4) εἰς ἑαυτὸν. Ι, 14.

unter den Waffen, mit denen er das Reich gegen äußere Feinde schüßte, auch den inneren Feind in der eigenen Brust durch die Macht der Philosophie zu bezähmen suchte. Noch in vorgerückten Jahren arbeitete er gewissenhaft an seiner eigenen sittlichen Veredlung, wovon seine Selbstbekenntnisse ein schönes Zeugniß ablegen. Hohe Seelenruhe sich zu bewahren unter allen Wechselfällen des Lebens, aufrichtig zu sein gegen sich selbst, gerecht und milde gegen Andere, in allen Dingen das rechte Maaß zu bewahren, und der Stimme Gottes zu folgen im Gewissen, unbeirrt von der Menschen Lob und Tadel, das waren die großen und edeln Forderungen, die Mark Aurel unabläßlich an sich selbst stellte. Dabei war sein Auge immer gerichtet auf die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit dieses Lebens und auf das Ende der Dinge, damit er nicht unwürdig vom Tode sich überraschen lasse, sondern willig folge, wenn die Götter ihn vom Schauplage abrufen. „Sei dem Felsen im Meere gleich, so ruft er sich unter anderm zu 5), an den die Wellen des Meeres anschlagen, der aber unbeweglich bleibt und die Fluthen um ihn her sänftigt und beschwichtigt." Diesen allgemeinen Grundsäßen entsprechen auch seine Regierungsmarimes. Sich hinzugeben dem Wohl des Staates, allen Privatvergnügen, aller Bequemlichkeit zu entsagen, um allein zu thun, was dieses fordert, war sein aufrichtiges Streben; denn nicht zum Genusse sei der Mensch geboren, sondern zur Arbeit und zur Wirksamkeit an dem Orte, dahin ihn Gott gestellt hat 6). So war denn auch seine Regierung, wie die seines Vaters, durch Milde und Gerechtigkeit ausgezeichnet, so daß die Geschichtschreiber voll seines Lobes sind. Und doch finden wir eben diesen Mann in der Reihe der Christenverfolger, und die beiden Verfolgungen in Klein-Asien und Gallien, die unter seiner Regierung ausbrachen, gehören sogar zu den blutigsten, deren die Geschichte erwähnt. Sie wurden zwar nicht unmittelbar vom Kaiser angeordnet. Vielmehr waren es auch hier die noch immer andauernden Unglücksfälle im römischen Reiche, welche den heidnischen Fanatismus der Volksmassen gegen die Christen aufregten. Aber wie kommt es, daß

5) Ebend. IV, 31.

6) Ebend. V.

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