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Mark Aurel nicht eben so wie sein erlauchter Vater diesen Fanatismus beschwichtigte? Man könnte versucht sein, zu denken, die stoische Philosophie, der er huldigte, hätte ihm sollen gebieten, gegen solche leidenschaftliche Aufregungen einzuschreiten, ja sie hätte ihn veranlassen sollen, das Christenthum selbst nach seinem Inhalte zu prüfen; oder wie hätte nicht ein Mann, wie Mark Aurel, bei seinem sittlichen Ernste, bei seiner Empfänglichkeit für alles Schöne und Gute, eine Religion willkommen heißen sollen, die so viele Uebereinstimmung mit seinem eigenen sittlichen Streben zeigte, ja eben diesem sittlichen Streben erst den rechten Halt gegeben hätte? Gewiß, so weit unser menschliches Urtheil hier ein gerechtes sein. fann, wäre er dem Herrn selbst begegnet und hätte ihm seines Herzens Gedanken geoffenbart; er würde aus seinem Munde das Wort vernommen haben: „du bisk nicht fern vom Reiche Gottes.“ Allein woher kannte Mark Aurel das Christenthum? Zum Theil aus dem Volksgerüchte, das die wunderlichsten Dinge über die Christen berichtete, ja, das ihnen die ärgsten Schandthaten, die abscheulichsten Verbrechen aufbürdete, vor denen das sittliche Gefühl des Kaisers mit Recht zurückschauderte; zum Theil auch aus dem Munde der Philosophen, die seinen Hof umschwärmten und aus Neid gegen die emporkommende Secte sich nicht scheuten, die Verleumdungen zu wiederholen, die das sinnlose Volksgerücht ausstreute, obwohl ste schwerlich selbst dran glaubten. Gerade die strenge Tugend- und Gerechtigkeitsliebe des Kaisers forderte ihn zur Ahndung solcher Verbrechen auf, wie sie den Christen nachgesagt wurden. Und dazu mochte denn auch noch die eigene Verblendung kommen, die in ihrer Philosophenweisheit es nicht der werth Mühe achtete, eine Lehre genauer zu prüfen, die von einigen galiläischen Fischern ausgegangen war. Es ist ja nichts Ungewöhnliches, daß auch die, die sich über die Vorurtheile ihrer Zeit erhaben glauben, gleichwohl Vorurtheilen anderer Art, Vorurtheilen der Schule, der Secte verfallen, denen sie huldigen, und daß selbst edlere Geister, wenn sie einmal von philosophischen Voraussetzungen an= gesteckt sind, sich zu den ungerechtesten Urtheilen hinreißen lassen, gegen solche, die nicht ihrer Schule, nicht ihrer Secte sind. „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?" Diese Frage that selbst ein Nathanael, dem der Herr das Zeugniß gab, er sei ein ächter Israelit, in welchem

kein Falsch ist. Wie sollte uns diese Frage an einem Manne wundern, der von der Höhe des Kaiserthrones und was ihm persönlich mehr galt von der Höhe des Philosophenstuhles herunter das im Reiche aufkommende Christenthum nur aus der Vogelperspective erkannte? Ihm mußte es, wie seinem Vorgänger Trajan, im besten Fall als Fanatismus erscheinen, und es ist ja keine seltene Sache, daß die entschiedene Abneigung gegen alles Fanatische selbst wieder in Fanatismus umschlagen kann. Ja von den verschiedenen Formen des Fanatismus ist der Vernunft-Fanatismus (so seltsam und widersprechend das Wort klingen mag) nicht der geringste. Wie weit nun bei Mark Aurel auch dieser Fanatismus und der stoische Sectenhaß mitgewirkt haben, ihn gegen die Christen zu verstimmen (wie Einige vermuthen), lassen wir unentschieden. Thatsache ist, daß er seiner stoischen Philosophie gemäß, die alles Aufregende als ein Uebel betrachtete, ein Edict erließ, wonach alle die, welche neue Neligionen einführten, wodurch die Gemüther der Menschen könnten beunruhigt werden, entweder zur Verbannung oder zum Tode verurtheilt wurden. Ihm stand, wie die Ruhe der Seele des Einzelnen, so auch die Ruhe des Staates obenan; alles Eraltirte, das Gleichgewicht des Lebens Störende, erschien ihm, besonders unter den herrschenden Zeitverhältnissen, als staatsgefährlich. Wie man es etwa zu unsern Zeiten erlebt hat, daß auch die Staatsraison christlicher Regierungen alle außerkirchlichen. religiösen Versammlungen darum verbieten zu müssen glaubte, damit kein Anlaß zu Unruhen entstände, und wie sie die Theilnehmer an diesen Versammlungen für alle Unordnungen des Pöbels verantwortlich machte, so betrachtete Mark Aurel die Christen mit ihrer aufregenden Bußpredigt, mit ihrer überspannten Lehre von einem unter den Menschen aufzurichtenden Himmelreich als unruhige Köpfe, die man in einer ohnehin aufgeregten Zeit nicht dürfe gewähren lassen, und obgleich sie im Edict nicht mit Namen genannt waren, so waren sie doch deutlich genug bezeichnet, als daß nicht das Volk darin einen Freibrief hätte erblicken sollen, mit den Christen nach den Eingebungen seiner Leidenschaft zu verfahren.

Als ein Opfer des philosophischen Sectenhasses fiel zuerst in Rom einer der ausgezeichnetsten christlicher Denker, Justinus, den die Kirche eben darum Justin den Märtyrer nennt. Er ward auf Anstiften

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eines chnischen Philosophen Crescens mit noch fünf andern Chriften enthauptet, nachdem schon ähnliche Hinrichtungen früher stattgefunden. Wir werden auf seine Leistungen als Schriftsteller und gelehrter Vertheidiger des Christenthums später zurückkommen. Jezt wenden wir unsere Blicke nach Klein-Asten, einem Hauptschauplage der Verfolgung; namentlich auf die Gemeinde zu Smyrna und ihren Bischof Polykarp, im Jahr 167. Wir haben noch einen Brief dieser Gemeinde an ihre Schwestergemeinde Philadelphia, worin der nähere Vorgang dieser Verfolgung und namentlich der Zeugentod Polykarps uns beschrieben wird. Sie erlassen mir gerne die Ausführung der entseglichen Qualen, denen die Christen durch Geißelung und ausgesuchte Marterwerkzeuge ausgesezt wurden. Unter den Hingerichteten wird uns ein Jüngling Germanicus genannt, der die Aufforderung des Proconsuls, seiner Jugend zu schonen und von dem Christenthum abzulassen, standhaft von der Hand wies, und da er zum Thierkampfe verurtheilt wurde, sogar selber die Bestie anreizte, die wider ihn gehegt wurde. An den Tod dieses Jünglings reihte sich der Tod des greisen Polykary, dieses ehrwürdigen Schülers des Apostels Johannes. Er wollte als treuer Hirte seine Heerde nicht verlassen, und erst auf das Zureden seiner Freunde ließ er sich bewegen, sich auf ein Landgut zu flüchten, damit er nicht den Verfolgern in die Hände ficle. Allein auch da blieb er nicht lange sicher. Einmal träumte ihm, daß sein Kopfkissen in Flammen aufgehe, und dieß deutete er auf den ihm bevorstehenden Tod. Er ließ sich zwar bewegen, als er auf seinem Landsige vor den Nachstellungen seiner Feinde nicht mehr sicher war, auf ein anderes, benachbartes Gut zu fliehen, allein auch dieser Aufenthalt ward den Häschern verrathen. Polykary sprach: Wohlan, der Wille des Herrn geschehe. Mit heiterer Miene ging er seinen Häschern entgegen; seine ehrwürdige Gestalt machte einen mächtigen Eindruck auf sie. Brauchte es solcher Eile, sagten fte zu einander, um einen Greis, wie diesen, zu greifen?" Polykarp ließ ihnen einen Tisch vorsehen und sie bewirthen, und bat sich nur eine Stunde Zeit aus, um sich im Gebet zu stärken. Er Betete laut und so eindringlich, daß alle Anwesenden davon erbaut wurden. Nun ward er auf einen Esel gesezt und am Vorabend des Osterfestes durch die Stadt geführt. Hier begegnete ihm der

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Irenarch Herodes mit deffen Vater Nicetas, die ihn zu sich in ihren Wagen nahmen und ihm zuredeten, er möge doch dem Kaiser opfern und so sein Leben retten. Als aber der Greis sich dessen standhaft weigerte, stießen sie ihn endlich unter Schimpfreden aus dem Wagen, so daß er sich noch das Schienbein schürfte. Nun ward er in das Amphitheater geführt, wo schon das Volk seiner harrte unter großem Getümmel. Da war ihm, als flüsterte ihm eine Stimme von oben zu: Sei stark, Polykarp, und mannhaft. Er ward vor den Proconsul geführt. Auch dieser wollte ihn bereden, Christum zu verleugnen. Bedenke doch, sagte er, dein hohes Alter; schwöre bei dem Glück (der Fortuna) des Kaisers, stehe ab von deiner Meinung und rufe mit den Uebrigen: Weg mit den Gottesleugnern!" Mit ernstem Blicke sah sich Polykarp im Kreise um, seufzte, sah gen Himmel und sprach (freilich in anderm Sinne als der Proconsul es meinte): „Räume die Gottesleugner aus dem Wege!" Der Proconsul aber drang weiter in ihn; er solle den. Glauben abschwören und Christum lästern. Da gab Polykarp die große Antwort: „Sechs und achtzig Jahre diene ich ihm, und er hat mir nichts zu Leide gethan; wie könnte ich denn jetzt meinen König und Heiland lästern?"-- Der Proconsul fuhr fort: schwöre bei dem Glück des Kaisers!" Auch dieß lehnte Polykarp ab mit dem Bekenntniß: Ich bin ein Christ, und willst du die Lehre Christi kennen, so gieb mir einen Tag Zeit, und du sollst sie hören.“ „Berede das Volk dazu“, sagte der Proconsul. Polykarp erwiederte: Ich habe es für meine Pflicht gehalten, dir zu antworten; denn wir sind angewiesen, den von Gott eingeseßten Obrigkeiten und Gewalten die gebührende Ehre zu erweisen. Aber jene, die Volksmasse, achte ich nicht werth, mich vor ihnen zu rechtfertigen." "Ich habe wilde Thiere", schnaubte der Proconsul, ,,und denen will ich dich vorwerfen lassen, damit du dich befehrest." -Laß sie herankommen", entgegnete ruhig Polykarp. „Eine Bekehrung vom Bessern zum Schlimmern findet bei uns nicht statt; schön ist es hingegen, wenn man sich von der Ungerechtigkeit zur Gerechtigkeit bekehrt." So will ich dich durch's Feuer zwingen." „Du drohest mit Feuer, das nur kurze Zeit brennt und bald wieder verlöscht, weil du das Feuer des zukünftigen Gerichtes und der ewigen Strafe nicht kennest, das für die Gottlosen aufbewahrt wird. Aber was zögerst du? bring's herbei, was dir beliebt." —

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Das Alles sagte er mit der größten Gemüthsruhe, so daß der Proconsul selbst ob der Standhaftigkeit und Heiterkeit des alten Mannes erstaunte. Nun ließ der Proconsul den Herold auftreten und dreimal öffentlich rufen: „Polykarp bekennt, daß er ein Christ sei." Da brach das Volk (eine Mischung von Heiden und Juden) in Wuth aus und schrie: „Dieß ist der Lehrer Astens, der Vater der Christen, der Zerstörer unserer Götter, der so Viele ermahnt, nicht zu opfern und die Götter nicht anzubeten." - Einstimmig verlangten sie von dem Astarchen, dem Vorsteher der Thierkämpfe, Philippus, daß er einen Löwen auf Polykarp loslasse. Als dieser sich dessen weigerte unter dem Vorwande, daß die für die Thiergefechte bestimmte Frist vorüber sei, verlangte das Volk, man soll den Polykarp lebendig verbrennen. Sofort wurden aus den Werkstätten und den Vädern Holz und Reisig zusammengerafft, wobei auch die anwesenden Juden sich besonders geschäftig zeigten. Als der Holzstoß errichtet war, entkleidete sich Polykarp selbst und ließ sich die Zubereitungen gefallen, die mit ihm vorgenommen wurden. Als man ihn mit Nägeln an den Pfahl heften wollte, bemerkte er: Laßt mich; denn der mir Kraft giebt, das Feuer auszustehen, wird mir auch Kräfte geben, ohne die Befestigung eurer Nägel, auf dem Scheiterhaufen Stand zu halten." So wurde er nur gebunden. Er betete also: „O Vater deines geliebten und hochgelobten Sohnes Jesu Christi, durch den wir deine Erkenntniß erlangt haben, o Gott der Engel und Kräfte und aller Kreatur und aller Gerechten, die vor dir leben: ich danke dir, daß du mich dieses Tages und dieser Stunde gewürdigt hast, theilzunehmen an der Zahl der Märtyrer und an dem Kelch Christi zur Auferstehung der Seele und des Leibes zum ewigen Leben, in der Unverweslichkeit des heil. Geistes, unter welche ich heute von dir aufgenommen zu werden wünsche zu einem dir angenehmen Opfer, wie du, wahrhafter Gott, der du nicht lügen kannst, mich dazu vorher bereitet, es mir vorher verkündigt und nun erfüllet hast. Dir danke ich, dich lobe ich, dich preise ich für dieses alles durch den ewigen Hohenpriester, Jesum Christum, deinen geliebten Sohn, durch ihn sei dir mit ihm in dem heil. Geist Ehre jezt und in alle Ewigkeit. Amen." Alsobald loderte die Flamme auf in Gestalt eines Schwibbogens und wie ein Schiffssegel, vom Winde geschwellt,

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