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Zehnte Vorlesung.

Innerer Zustand der Christenheit unter den Antonínen. Die christlichen
Apologeten. Justin der Märtyrer. Schilderung der christlichen Ver-
sammlungen zu seiner Zeit. Seine Schriften und seine Theologie.
Die Gegner des Christenthums: Celfus und Lucian.

Apologetik.

Aufgabe der

Das Zeitalter der Antonine, mit dem wir uns in der lezten Stunde beschäftigt haben, war in Beziehung auf das geistige Leben der Römer ein merkwürdiges Zeitalter. Es bildet in der Geschichte der römischen Litteratur eine neue Epoche. Schon Hadrian hatte zu Rom ein Athenäum gestiftet, eine Art von Akademie, an welcher vom Staate besoldete Dichter und Rhetoren öffentliche Vorlesungen hielten. Die beiden Antonine wollten in diesen Bestrebungen nicht zurückbleiben, sondern vielmehr auf der einmal eingeschlagenen Bahn der Bildung noch weiter fortschreiten. Nicht in Rom allein, sondern auch in den bedeutendern Städten Italiens, auch in Gallien und Afrika erhoben sich öffentliche Schulen mit besoldeten Lehrern, und besonders wurde unter Mark Aurel, der selbst den Namen des Philosophen trug, auch das Studium der Philosophie von Staatswegen gefördert. Rom war der Hauptsiz der stoischen Philosophie. - Es hatte dieß seine unverkennbaren Vortheile, aber auch seine eigenthümlichen Nachtheile. Die Wissenschaft, früher ein freies Erzeugniß des nach Wahrheit ringenden Geistes, wurde nach und nach zum zünftigen Gewerbe. Sie entfernte sich, indem sie sich ganz an das Griechenthum anschloß von dem volksthümlichen Boden und nahm einen treib

hausartigen Charakter an. Die Vermittlung zwischen dem Fremden und dem Einheimischen, zwischen der Schule und dem Leben wurde immer mehr vermißt. Es war etwas Künstliches und Ge= machtes in dieser Wissenschaft, was sich auch in Styl und Sprache der damaligen Schriftsteller ausdrückt, und wie die Kunst in Manier, so artete die Philosophie in Sophistik aus. Nicht alle trieben, wie Mark Aurel selbst, die Philosophie aus innerm sittlichen Antriebe, sondern die eitle Disputirsucht hatte großen Theil an den Bestrebungen der Philosophie, und daß diese Disputirsucht sich nun auch an das Christenthum wagte, daß sie alles aufbot, dasselbe als eine Religion des unwissenden Pöbels vorzustellen, kann uns nicht befremden.

Aber auch das Christenthum tritt in diesem antoninischen Zeitalter in ein neues Stadium. Es tritt aus der Verborgenheit der Secte mehr und mehr heraus an's Licht der Oeffentlichkeit; aus der Zeit der ersten Jugend thut es den Schritt in die Zeit des reifern Alters. Dadurch wurde auch seine Stellung zum Heidenthum und zum römischen Staatsleben eine veränderte. Hatte man bisher nur die Christen als Anhänger einer Lehre gekannt, die man kaum der Mühe werth hielt, näher zu untersuchen, so fingen jezt die Gebildeten unter den Heiden an, sich auch um diese Lehre zu bekümmern, und namentlich hatten die Gnostiker dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit der Philosophen auf die Mysterien dieser neuen Religion zu lenken. Jezt wurden auch schon die geistigen Waffen geschmiedet, mit denen man das Christenthum zu bekämpfen suchte, während man es bisher nur mit den rohen Waffen der Gewalt verfolgt hatte. Aber auch die Art der Vertheidigung von Seiten der Christen wurde eine andere; fle nahm unwillkürlich eine mehr wissenschaftliche und philosophische Gestalt an. Ja, wir können auch das mit als einen Segen der Verfolgung ansehen, daß durch fie die geistige Kraft der Christen geweckt, daß sie zum Nachdenken über das eigenthümliche Wesen ihrer Religion und über die höchsten und legten Gründe ihres Glaubens hingeleitet wurden.

Wenn der Apostel Petrus den ersten Christen schrieb: seid allezeit bereit zur Verantwortung jedermann, der Grund fordert der Hoffnung, die in euch ist (1 Petr. 3, 15), so

finden wir zwar, daß schon die ersten Märtyrer dieser apostolischen Mahnung nachzukommen suchten. Diese Verantwortung konnte ihrer Natur nach eine sehr einfache sein: mit Recht konnten sie sich auf ihr gutes Gewissen berufen, das schon vom Apostel als die heilige Macht bezeichnet wurde, die am erfolgreichsten die Verleumdungen der Gegner niederschlug. Indessen je verwickelter die Anklagen, je spiger und schärfer die Pfeile wurden, die man gegen die Christen richtete, desto nothwendiger war auch, diesen Angriffswaffen Schuß- und Truzwaffen ähnlicher Art entgegen zu sehen.

Wo das gute Gewissen des Einzelnen nicht mehr ausreichte, gegen boshafte Anschuldigungen und Verdrehungen sich mit Erfolg zu vertheidigen, da mußten eben die Begabtern, die in der Schule des Denkens und des gelehrten Kampfes Geübten in die Schranken treten und mußten als die Anwalte der verfolgten Unschuld das Wort führen im Namen der ganzen Gemeinde. Sie mußten, wollten sie mit Erfolg kämpfen, in gehöriger Form vor die Nichterstühle treten, und den Sophismen der Gelehrten, wenn nicht ebenfalls Sophismen 1), so doch einen Scharfsinn entgegen sehen, der dem ihrigen die Spiße bot. Auf diesem naturgemäßen Wege entwickelte sich, namentlich im Zeitalter Hadrians und der Antonine, die christliche Apologetik, d. h. die Wissenschaft oder noch besser die Kunst der Vertheidigung des Christenthums. Diese Vertheidigung konnte bald eine mehr juridische, bald eine mehr theologische und philosophische Gestalt annehmen. Sie konnte entweder formell das Unrechte und Ungesegliche der Verfolgungen nachweisen, sie konnte den Schuß der Geseze gegen die boshaften Verleumdungen anrufen, indem sie den Ungrund der den Christen schuldgegebenen Verbrechen dem Richter vor Augen legte; oder sie konnte auch weiter gehen und sich auf den Inhalt der chriftlichen Lehre selbst einlassen, wobei dann der Schritt aus der bloß vertheidigenden Stellung in die angreifende sich von selbst machte; denn wie sollte die Wahrheit und Göttlichkeit des Christenthums- anders bewiesen und der Vorwurf der Gottlosigkeit, den man den Christen machte, anders abgewehrt werden, als dadurch, daß man eben

Obgleich dieß bisweilen auch der Fall war.

diesen Vorwurf den Gegnern zurückgab, daß man das Unvernünftige, das Unsittliche und Verkehrte des Heidenthums in ein grelles Licht stellte und dagegen das Gotteswürdige, das Erhebende, Bessernde, Tröstende des Christenthums hervorhob? — Beides geschah nun, und es dürfte nicht außer unserm Wege liegen, uns von dieser Vertheidigungsweise des Christenthums eine nähere Anschauung zu bilden.

Schon im Zeitalter Hadrians hatten einige Apologeten Schußschriften für die Christen eingereicht. So Quadratus und Aristides, und auch unter den Antoninen werden uns die Namen eines Melito von Sardes, Miltiades, Claudius Apollinaris genannt. Wir sind aber nicht mehr so glücklich, ihre Werke zu besigen, wir kennen nur noch einzelne Bruchstücke davon 2). Dagegen befizen wir noch zwei Apologien und noch andere Schriften ähnlichen Inhaltes von dem Manne, dessen Schicksal wir in der vorigen Stunde erwähnt haben, ich meine Justin den Märtyrer. Dieser Mann verdient es, daß wir einen Augenblick bei ihm verweilen 3).

Justinus ist geboren zu Anfang des zweiten Jahrhunderts, um's Jahr 103 zu Flavia Neapolis (dem heutigen Naplus, dem ehmaligen Sichem in Samarien). Seine Eltern waren Griechen, die sich in Samarien niedergelassen hatten. Justin erzählt uns selbst, wie er, ein philosophisch gebildeter Denker, überall und in allen Schulen der Griechen die Wahrheit gesucht, sie aber nirgends gefunden habe. Erst wurde er Stoiker. Als er aber sah, daß ihn die stoische Weisheit in der Gotteserkenntniß nicht förderte, ja, daß sein eigener Lehrer dieselbe vernachlässigte, wandte er sich an einen Peripatetiker. Die erste Frage, die dieser an den wißbegierigen Schüler that, war die nach dem Lehrgelde, das er ihm

2) Bei Euseb Kircheng. IV, 3. 26. 27. V, 17.

3) Seine frühere Lebensgeschichte erzählt er uns selbst in seinem Gez spräch mit dem Juden Trypho. Eine übersichtliche Darstellung giebt Karl Otto, zur Charakteristik des heil. Justinus, Philosophen und Märtyrers. Wien 1852. Desgl. Böhringer in seiner Kirchengesch. in Biographien. Bd. 1., auf welches Werk wir überhaupt in biographischer Hinsicht unsere Leser verweisen. Die ausführliche wissenschaftliche Bearbeitung von Se= misch (Berlin 1840) verdient von denen beachtet zu werden, die sich noch gründlicher unterrichten wollen.

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bezahlen wolle. Abgeschreckt von diesem Eigennut, wandte er auch diesem Lehrer den Rücken und ging zu einem Pythagoräer. Dieser verlangte von ihm vor allen Dingen, daß er in der Mathematik etwas Außerordentliches leiste: denn nur auf diesem Wege sei es möglich, zur Erkenntniß des Uebersinnlichen zu gelangen. Als Justin seine Unwissenheit in dieser Wissenschaft gestand, wies ihn der Pythagoräer mit Verachtung von sich. Nun wollte er's mit den Platonikern versuchen. Seit kurzer Zeit hatte sich ein einsichtsvoller Mann dieser Secte an dem Orte seines damaligen Aufenthaltes niedergelassen. Justin genoß seinen Unterricht und machte große Fortschritte. Die Erkenntniß der übersinnlichen Dinge riß ihn hin und gab seinem Geiste einen höhern Schwung. In kurzer Zeit glaubte er ein Weiser geworden zu sein, und hoffte bald zum Anschauen Gottes zu gelangen, das diese Philosophie verheißt. Um diesen geistigen Prozeß zu beschleunigen, beschloß er, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen, und da ganz den philosophischen Betrachtungen nachzuhängen; er wählte das Ufer des Meeres. Hier begegnete er einem Greise, aus dessen Angesicht Milde und Würde leuchteten. Er betrachtete ihn in stiller Ehrfurcht, ohne ein Wort zu sagen. Endlich entspann sich zwischen ihnen ein Gespräch über die unsichtbaren und ewigen Dinge. Justin hatte sich dem Greise als einen Philosophen, d. h. als einen Liebhaber der Weisheit und der Erkenntniß dargegeben. Der Greis aber wollte von ihm wissen, worein er das Wesen der Philosophie sebe, und suchte ihn zu der Einsicht zu bringen, daß das bloße Wissen der göttlichen Dinge den Menschen nicht befriedigen könne, wenn diesem Wissen nicht ein Thun entspreche. Er suchte den Schulstolz in ihm niederzuschlagen und ihn vor allen. Dingen zur Demuth hinzuleiten, ohne die der Mensch nimmermehr zur praktischen Erkenntniß des Guten und des Göttlichen gelange. Er bekannte sich endlich als Christ und wies auch den jungen Mann, den er während des Gespräches immer mehr lieb gewonnen, auf die Propheten, auf Christus und die Apostel. Vor Allem aber," sagte er, „bete, daß dir geöffnet werde das Verständnißi denn niemand kommt zur Erkenntniß der Weisheit, wenn nicht Gott und sein Gesalbter ihm die Augen öffnen." Da brannte ein göttliches Feuer in der Seele Justins. Er fing an, die heili

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