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der Montanisten. Auch in der Stellung zu dieser Secte sehen wir Irenäus, und zwar schon früher als im Osterstreite, als Vermittler auftreten. Neden wir zuerst von der Secte selbst.

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Christus hatte seinen Jüngern vor seinem Scheiden gesagt, er hätte ihnen noch viel zu sagen, aber sie könnten es jezt nicht tragen (Joh. 16, 12). Er hatte sie hingewiesen auf den „Tröster" (wie Luther übersezt), den er ihnen senden werde, oder genauer auf den Beistand", den „Advokaten ", denn so kann man wörtlich das griechische Paraklet übersehen. Mit der Ausgießung des heil. Geistes am Pfingstfeste war nun nach dem allgemeinen Glauben der Kirche diese Verheißung des Herrn erfüllt. Der Geist war eben der Tröster, der Beistand, der Paraklet. Nun aber trat in Phrygien Einer auf, Namens Montanus, der sich einbildete, er sei persönlich jener Verheißene; er sei der Varaklet; mit ihm erst trete eine neue Epoche ein in der Geschichte der Offenbarung Gottes. Dieser Montan, gebürtig aus Ardabau in Mysien, an der Grenze Phrygiens, soll zuvor ein Priester der Cybele gewesen sein, und möglich, daß er dieses heidnische Korybantenwesen, das bis zur geistlichen Raserei sich steigerte, auch auf das. Christenthum übertrug. So viel ist richtig, er hielt sich für inspirirt, für ein besonders auserlesenes Rüstzeug des Herrn, durch welches eine Neugestaltung der Kirche, die doch damals noch so jung war, müsse hervorgebracht werden. Er führte auch begeisterte Frauen, Prophetinen mit sich, Priscilla und Marimilla, deren Aussprüche er selbst als Orakel betrachtete. Dabei führte er für seine Person ein strenges asketisches Leben, und muthete auch Andern strenge Enthaltsamkeit und häufiges Fasten zu. Die Gegend, in der er auftrat, war für den Samen seiner Lehre besonders empfänglich. Von jeher hatten in Phrygien phantastische Culte Anklang gefunden; da hatte sich auch mitten unter den Verfolgungen, die auch diese Gegend betrafen, der Glaube an die baldige Erscheinung des tausendjährigen Reiches in vielen Gemüthern festgesezt. Der Montanismus beschränkte sich indessen nicht auf dieses sein nächstes Vaterland. Er fand einen fruchtbaren Boden in der aufgeregten Zeit überhaupt. Und hat nicht zu allen Zeiten eine rigorose Lebensweise, zumal wenn sie mit prophetisch begeisterter Rede sich waffnete und gegen die bestehende Ordnung der Dinge sich kehrte,

einen mächtigen Eindruck auf die Menge hervorgebracht? Um in aller Weisheit und Geduld den ruhigen Gang Gottes in der Geschichte zu beobachten und den Spuren desselben auch da nachzugehen, wo dem natürlichen Auge auch nur ein natürlicher Verlauf der Dinge sich darstellt, dazu bedarf es schon eines gebildeten, eines in geistigen Dingen geübten Blickes. Die Masse liebt das Ueberraschende, das Durchgreifende, das Unvermittelte; daher haben die außerordentlichen Kundgebungen einer gesteigerten frommen Einbildungskraft, unterstügt von einem thatkräftigen Willen, von jeher den rohen Gemüthern mehr imponirt, als die harmonische Darstellung eines einfach frommen Sinnes und Lebens; zu allen Zeiten haben Schwärmer der bessern wie der schlimmern Art in den weitern Kreisen der Gesellschaft nachhaltige Spuren ihres Auftretens hinterlassen und selbst die sonst Nüchternen in den Zauberkreis ihrer Eraltation mit hineingezogen. So läßt es sich wohl ganz einfach erklären, daß Montan und seine Prophetinen auch unter den streng kirchlich Gesinnten großen Anhang erlangten, und da jede Ekstase ansteckend ist, so zeigten sich auch bald ähnliche Erscheinungen wie bei den Stiftern, so auch in den gesammten montanistischen Kreisen. Ueberhaupt steht der Montanismus nicht als eine isolirte Erscheinung in der Geschichte da. Seine charakteristischen Merkmale, die Merkmale eines improvisirten Prophetenthums, zeigen sich auch in den spätern Zeiten wieder, so oft die gesezmäßige, ruhige Fortentwicklung der Kirche durch außerordentliche Bewegungen gehemmt und unterbrochen worden ist. Mißtrauen gegen die Wissenschaft und alles das, was durch mühsames Studium erzielt wird, Verachtung der heidnischen Litteratur, und was mit ihr zusammenhängt, eine feindselige Stimmung gegen Kunst und feinere Bildung, ein kühnes sich Hinwegseßen über die geordneten Lebensverhältnisse und geselligen Formen, mithin ein schroffes, abstoßendes, auffälliges Betragen im Aeußern, wohinter oft nur wieder eine Eitelkeit anderer Art sich versteckt; ein einseitiges Dringen auf Buße und Entsagung, verbunden mit der Weissagung schrecklicher Gottesgerichte und eines baldigen Eintretens der lezten Dinge sind das nicht alles Erscheinungen, denen wir je und je wieder begegnen? Die verschiedenen Secten im Mittelalter, die Wiedertäufer im Zeitalter der Reformation, die Puri

taner in England, die Camisarden in Frankreich, die vielen sogenannten Erweckten und Inspirirten auch in der neuern und neuesten Zeit, sie alle haben mehr oder weniger ein montanistisches Gepräge. Die Ueberspannung des Religiösen hat zu allen Zeiten, wo nicht zur förmlichen Häreste, doch zur Separation geführt.

Die Montanisten betrachteten sich als die Auserwählten, ihre Kirche mit ihrer strengen Zucht als die geistige Kirche und (wenn den Angaben der Gegner zu trauen ist) den phrygischen Flecken Pepuza, von dem sie ausgegangen, als die auserlesene Stätte, da das neue Jerusalem werde gebaut werden, wenn der Herr komme, das tausendjährige Reich aufzurichten 4). Es fragt sich nun, wie verhielt sich die allgemeine, die katholische Kirche dieser Erscheinung gegenüber? Eigentliche Kezereien konnte man den Montanisten nicht vorwerfen; im Gegentheil, ihr Lehrbegriff war im höchsten Grade orthodor; ja, ste eiferten für die Rechtgläubigkeit, gegenüber der falschen Gnosis. Nur in dem einen Punkte wichen sie von dem gemeinsamen Glauben der Kirche ab, daß sie die Offenbarung Gottes, wie sie der Welt durch Christum geworden war, nicht für geschlossen hielten, sondern eben neue Offenbarungen über diese hinaus erwarteten, und daß sie die Verheißung von der Sendung des Parakleten nicht auf den Geist bezogen, der schon thatsächlich in der Kirche lebte und wirkte, sondern daß sie ihn gleichsam in der Person ihres Stifters verkörpert oder wenigstens allein in ihrer Gemeinschaft wirksam glaubten. Ihr exclusives Wesen, d. H. die Prätension, einzig die wahre Kirche des Geistes zu sein, das war ihre einzige Kezerei, aber diese schien gefährlich genug. Und wie suchte nun die katholische Kirche derselben zu wehren? Sie seßte der Prätension ihre Autorität, das Gewicht der Mehrheit entgegen. Allervorderst wurden Kirchenversammlungen (Synoden) in Kleinasten gehalten; es sind dieß von den ersten Synoden, die überhaupt in der Kirchengeschichte vorkommen, und auf diesen wurden die Montanisten von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen und somit zur Secte gestempelt und zur Bildung einer Sonderkirche hingedrängt. Eine solche Separation muß immer als ein Unglück für die Kirche betrachtet werden. Nicht nur mußte

4) Euseb Kirchengesch. V, 18. (nach Apollonius.)

es nach außen einen übeln Eindruck machen und den Gegnern des Christenthums eine Waffe in die Hand geben, wenn die Kirche schon so frühe in Secten zerfiel, sondern auch für die innere Entwicklung der Kirche selbst war es nicht wohlgethan, die auszuschließen, die bei allem Hang zum Schwärmerischen, doch wieder durch ihre Sittenstrenge ein Salz für die Kirche hätten werden können; auch hat die Erfahrung gezeigt, daß die Schwärmerei immer erst dann ihren ausgesprochenen Charakter erhält, wenn fle sich selbst überlassen bleibt und abgeschnitten wird von den heilsamen Einflüssen der größern Kirchengemeinschaft. Die Zucht des Geistes thut zu allen Zeiten noth, und diese Zucht wird dadurch am besten bewerkstelligt, daß die stärker Angeregten einen Zaum und Zügel haben an der Gemeinschaft, die ihre Extravaganzen mäßigt, die Gemeinschaft aber wieder einen Sporn hat, der sie vor dem Einschlafen in Sicherheit bewahrt. Von solchen Gedanken mochte unser Irenäus beherrscht sein, als er auch in dieser Sache das Vermittleramt übernahm. Irenäus war nicht selber Montanist; allein seine mehr zur realistischen Mystik hinneigende Denkweise fand sich durch das montanistische Wesen weniger abgestoßen, als dieß bei den subtilern Denkern der Fall sein mochte. Nun fand fich die Gemeinde zu Lyon, bei der sich der Montanismus aus Kleinasien ebenfalls eingefunden hatte, bewogen, an den damaligen römischen Bischof Eleutheros (den Vorgänger Victors) einen Brief zu senden, worin sie sich ein Gutachten von ihm erbat, und Frenäus war Ueberbringer dieses Briefes, gerade zu der Zeit als die Verfolgungen unter Mark Aurel über die gallischen Gemeinden eingebrochen waren. Es wird uns zwar weder von dem Inhalt des Briefes, noch von dem was Frenäus mündlich hinzufügte, genauere Kunde gegeben, allein der Umstand, daß Eleutheros den Frieden mit den Montanisten zu halten befahl, läßt uns schließen, daß die Lyoner selbst, durch das Organ des Irenäus, sich milde und schonend über die ganze Erscheinung ausgesprochen haben. Aber diese friedliche Maßregel hielt nicht lange vor. Bald darauf kam ein heftiger Gegner des Montanismus, Prareas aus Kleinasten nach Rom, und dieser bewog den römischen Bischof, sein milderndes Wort wieder zurückzunehmen und strengere Maßregeln gegen die montanistische Richtung zu ergreifen. Diese pflanzte sich

nun, ausgeschlossen von der Kirchengemeinschaft, in Form der : Secte fort und zerspaltete sich, wie dieß gewöhnlich bei Secten geschieht, wieder in kleinere Gemeinschaften, die unter verschiedenen und zum Theil seltsamen Namen in der Kirchengeschichte vorkommen 5).

Merkwürdiger Weise aber schloß sich dieser Secte ein Mann an, der in der Kirche einen gewaltigen Namen hat und der in anderer Beziehung als einer der mächtigsten Vertreter der kirchlichen Orthodorie erscheint, der Afrikaner Tertullian. Wir werden auf diesen merkwürdigen Mann, dessen Leben zum Theil noch in's dritte Jahrhundert fällt, später zurückkommen. Wir fassen noch das in unsere heutige Betrachtung zusammen, was zur Lehr- und Lebensentwicklung der Kirche in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts gehört.

Hatten die Montanisten mehr das Schwärmerische hervorgekehrt, so finden wir, daß nun auch auf der andern Seite sich eine Richtung in der Kirche aufthat, welche das Uebernatürliche und Geheimnisvolle im Christenthum mehr auf das Natürliche und gemein Verständliche herabzudrücken und auch den Stifter des Christenthums selbst der höhern, göttlichen Würde zu entkleiden suchte, in deren Anerkennung das Eigenthümliche des christlichen Glaubens bestand. Wir haben schon früher der Ebioniten erwähnt, welche Jesum für einen bloßen Menschen, für einen Sohn Josephs und der Maria erklärten. Aehnliche Behauptungen sehen wir nun auch in dem Zeitraum auftauchen, den wir jezt betrachten, in der Partei der sogenannten Monarchianer oder Unitarier, d. h. Vertheidiger der Einheit Gottes, im Gegensaß gegen die in der Kirche sich weiter ausbildenden Lehre von der Dreieinigkeit. Wir dürfen indessen nicht Alle, die man unter diesem Namen zusammenfaßt, in eine Klasse zusammenwerfen, nicht Allen den eben ausgesprochenen Vorwurf machen, daß sie Christum seiner göttlichen Würde entkleiden wollten. Im Gegentheil finden wir, daß in Beziehung auf die Person Christi die Monarchianer in zwei entgegengesezten Richtungen auseinander gehen, die wir jezt noch zum Schlusse zu betrachten haben. Dazu müssen wir aber erst etwas im Allgemeinen vorausschicken über die

5) Artotyriten, Laskodrugiten, Pafsalorhynghiten.

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