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Dreizehnte Vorlesung.

Die innere Geschichte des dritten Jahrhunderts. — Die alexrandrinische Schule. Clemens von Alexandrien.

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· Christlicher Hymnus.

Origenes.

Das dritte Jahrhundert der chriftlichen Kirche, das wir (bis auf die drei lezten Jahrzehnte desselben) in der vorigen Stunde durchgangen haben, war, wie wir gesehen, ein sehr wechselvolles in Absicht auf die äußern Schicksale der Kirchhe. Man kann nicht sagen, daß es eine Zeit andauernder Verfolgungen, aber eben so wenig, daß es eine Zeit der Erquickung und der Ruhe gewesen fei, und jedenfalls gehörten die Verfolgungen, die in diese Zeit fallen, wie namentlich die unter Septimius Severus und die unter Decius, zu den blutigsten und gefahrvollsten, welche die Kirchengeschichte kennt. Wir wenden uns nun der innern Seite zu. Da werden wir finden, daß das dritte Jahrhundert im Vergleich mit dem zweiten und dem darauf folgenden vierten Jahrhundert weniger von dogmatischen Streitigkeiten bewegt war. Die rohern Formen des ebionitischen und gnostischen Christenthums waren, wo nicht überwunden, doch zurückgedrängt, und auch der Montanismus, der an Tertullian feinen Vertreter fand, wurde gerade durch diese ausgezeichnete Persönlichkeit gewissermaßen veredelt und nahm in ihm eine würdigere Gestalt an. Es war nicht etwa eine äußere Kirchengewalt, welche die häretischen Richtungen zum Schweigen brachte (obgleich die Einmischung des römischen Stuhles sich schon sehr bemerklich machte), sondern in der Kirche selbst fand sich ein Gegengewicht gegen den Irrthum. Es fehlte auch ihr nicht an scharfsinnigen Köpfen, an geistreichen Denkern, an kräftigen Na

turen, die mehr durch die Autorität ihres Geistes, als durch äußeres und amtliches Ansehen die Theologie der Kirche in die rechte Bahn lenkten und ihr durch ihre eigenen Werke vorleuchteten. Nicht als ob diese Männer im vollen Besit der reinen und absoluten Wahrheit gestanden hätten. Auch sie waren Kinder ihrer Zeit und berührt von den Einflüssen derselben. Die Irrthümer, die sie an den Häretikern bekämpften, schlichen sich oft nur unter anderer, sei es unter entgegengeseßter oder unter gemilderter Gestalt, bei ihnen selbst ein, oft ohne daß sie es wußten. Diese Irrthümer wurden aber bei ihnen weniger gefährlich, da ste von einer gläubigen Gesammtanschauung beherrscht waren, die eine eigentliche Kegerei, ein antichristliches Bekenntniß nicht aufkommen ließ. Wir würden auch sehr irren, wenn wir glaubten, die Väter, die wir als die Vertreter der Rechtgläubigkeit ihrer Zeit betrachten, hätten Alle bis auf's Wort miteinander übereingestimmt. Nichts weniger als dieß. Wir finden gerade in dieser Zeit die verschieden= sten Geistes- und Glaubensrichtungen hervortreten, und weit entfernt, daß ein Kirchenlehrer nur das Echo des andern gewesen, ergänzen sie einander vielmehr auf die überraschendste Weise. In den Hauptpunkten freilich des christlichen Glaubens, in der Anerkennung der Thatsachen des Christenthums und der Grundlehren stimmten sie überein. Die sogenannte Glaubensregel (regula fidei) lautete überall gleich, in der alexandrinischen, wie in der nordafrikanischen, in der kleinasiatischen, wie in der römischen und gallischen Kirche. Es waren dieß jene Haupt- und Grundsäge, wie wir sie in unserm apostolischen Glaubensbekenntniß haben, das freilich nicht von den Aposteln selbst verfaßt ist, fa, das in seiner jezigen Gestalt nicht einmal bei den ältesten Gemeinden gefunden wird, aber das seinem Hauptinhalt nach gleichwohl vorhanden war, in Gestalt der Glaubensregel. Glaube an Gott Vater, den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde; Glaube an Jesum Christum als den Sohn Gottes, der von Maria der Jungfrau geboren, gelitten hat, der gestorben, auferstanden und in den Himmel erhöht ist und der wieder kommen wird zum Gericht; Glaube an einen heiligen, die Kirche leitenden und erfüllenden Geist; Glaube an Sündenvergebung, an Auferstehung des Leibes und an ein ewiges Leben, - das sind die Grundzüge, an denen die ganze katho

lische, d. i. die allgemeine Kirche, im Gegensahe gegen die Häretiker festhielt. Die Auffassung dieser Lehren aber, die Verknüpfung derselben unter einander, die Gedankenvermittlung war eine durchaus freie, die der Eigenthümlichkeit des Denkers allen Spielraum ließ, und von einer engherzigen Buchstaben orthovorie war keine Zeit ferner, als eben diese. Für einen todten Buchstaben, für eine theologisch-juridische Formel hätten sich auch wahrlich die Menschen nicht foltern und verbrennen lassen; aber sie wußten zu sterben für den Glauben und für die Freiheit des Glaubens.

Es dürfte unserer Betrachtung förderlich sein, wenn wir das Gesagte veranschaulichen durch die genauere Schilderung zweier Hauptrichtungen, die sich beide in der afrikanischen Kirche dieser Zeit aufthaten, die eine nach der Ost-, die andere nach der Westgrenze des mittelländischen Meeres zu, die eine also in der orien= talischen, die andere in der occidentalischen Kirche; in Alexandrien, die eine, in Karthago und dessen Umgegend die andere. - Nicht ohne wehmüthige Empfindungen können wir diesen Betrachtungen. uns hingeben, wenn wir bedenken, daß gerade diese Gegenden, in denen einst das Christenthum zur schönsten, kräftigsten Blüthe fich erschloß, nun öde und wüste liegen, bedeckt von der Nacht des religiösen Irrthums. An dem einen Orte nur spärliche, todte Ueberreste früherer kirchlicher Zustände, an dem andern die ersten Anfänge einer neuen christlichen Cultur!

Beginnen wir mit der alexandrinischen Nichtung. Alexandrien, diese von Alerander dem Großen (332 vor Chr.) gebaute, ihm zu Ehren benannte Stadt, hatte eine eigene Stellung in der Weltgeschichte erhalten. Durch ihre glückliche Lage auf der schmalen Landzunge, welche den See Mareotis vom mittelländischen Meere scheidet, mit ihren geräumigen Seehäfen, ihrem weltberühmten Leuchtthurm auf der Insel Pharus, ihrem belebten Handel, sollte fie unter dem Beinamen der „Großen" die natürliche Vermittlerin werden der morgen- und abendländischen Bildung. Die Nachfolger Alexanders, die Ptolemäer, besonders Ptolemäus Soter (der Sohn des Lagus) und Philadelphus hatten Alexandrien zu einem ausgezeichneten Siz der Gelehrsamkeit erhoben. Nicht nur zogen sie berühmte Männer, Dichter, Redner, Sprachforscher und Philosophen dahin, sondern die ungeheure Bibliothek mit ihren 400,000 Bänden,

deren größerer Theil jedoch später unter Cäsar ein Raub der Flammen wurde, das prachtvolle Museum, in dem schönsten Theile der Stadt gelegen, in welchem Hunderte von Gelehrten freie Wohnung und Unterhalt hatten, wo sie zusammen arbeiteten und studirten, machten Alexandrien zur Vildungsstätte der Wissenschaft und Kunst, die einzig in ihrer Art war. Nachdem mit Kleopatra der ägyptische Königsstamm untergegangen, sezten die römischen Herrscher, unter ihnen namentlich Hadrian und die Antonine, ihre Ehre darein, der Stadt diesen Ruhm zu erhalten und zu mehren. Und so ging denn von diesem Alexandrien vielfach geistige Anregung und ein geistiges Leben aus, das unter dem Namen der alexandrinischen Wissenschaft, der alexandrinischen Bildung und Gelehrsamkeit bekannt ist. Das Verdienst dieser alexandrinischen Bildung bestand allerdings zunächst nicht in dem Reichthum und der Originalität neuer geistiger Schöpfungen; auf die Zeit der Production war in der griechischen Litteratur die Zeit des Sammelns, des Sichtens, des Ordnens gekommen. Das alexandrinische Zeitalter war mehr ein kritisches, philologisches, grammatisches, als ein poetisches und wahrhaft philosophisches zu nennen. Der Schulwig konnte nur allzu leicht in Pedantismus, die Correctheit in prosaische Nüchternheit, die Kunstkritik in Kleinmeisterei, die Vielwisserei in Oberflächlichkeit ausarten, und vor lauter Commentiren und Ercerpiren der dichterischen Schönheiten lief der Geist Gefahr, unter diesen Operationen zu verfliegen und zu verdunsten; so daß, mit dem Dichter zu reden, nur das Phlegma zurückblieb. Es wäre aber ungerecht, die Leistungen dieser Alexandriner zu ge= ringe anzuschlagen. Ihrem Fleiße und ihrer Genauigkeit haben wir so vieles zu verdanken, was uns jezt das Studium der Klassiker ermöglicht und erleichtert. Doch von diesen Leistungen der griechisch-alexandrinischen Gelehrsamkeit im Allgemeinen haben wir hier zunächst nicht zu reden. Wir haben es mit einem eigenthümlichen Zweige der Philosophie, mit der Religionsphilosophie zu thun, welche die alexandrinische Bildung nicht aus sich selbst, sondern aus dem Stamme des Judenthums sowohl als des Heiden= thums hervortrieb und an welchen dann wieder die christlich-theologische Bildung des dritten Jahrhunderts sich anschloß. Wir haben schon früher bemerkt, daß nach dem Untergang des jüdischen

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Staates sich eine bedeutende Anzahl Juden in Alexandrien niedergelassen hatten. Sie genossen daselbst freie Religionsübung, wurden aber dabei auch mit der griechischen Wissenschaft bekannt. Sie suchten nun ihren alttestamentlichen Glauben mit der Weisheit der Hellenen wo möglich in Uebereinstimmung zu sehen. Was in der Bibel Menschliches, oder besser gesagt, Jüdisches, den feinen Griechen und ihrem Geschmacke Anstößiges von Gott gesagt wurde, das lösten sie in allgemeine, wie sie glaubten, mehr geistige, dem. philosophischen Denken angemessene Begriffe auf; dadurch verwischten sie das eigenthümliche Gepräge der biblischen Vorstellungsweise und brachten so ein gräcisirtes, ein nach der damaligen Zeitbildung aufgestußtes Judenthum zu Stande. Der Hauptvertreter dieser jüdisch-alexandrinischen Religionsphilosophie ist der Jude Philo, der ungefähr zur Zeit Christi lebte 1) und in hohem Ansehen stand. Er war ein tiefer und feiner Denker, ein frommer und gebildeter Mann; aber seine Bibelerklärung war im höchsten Grade willkürlich, indem er das Geschichtliche derselben mehrentheils in Allegorie auflöste und überhaupt die religiösen Vorstellungen seines Volkes in die platonifirende Philosophie umzusehen sich bemühte. - Gleich wie das dahinsterbende Judenthum, so suchte auch das verkommene Heidenthum sich mit Hülfe der Philosophie zu restituiren. So war, ebenfalls in Alexandrien am Ende des zweiten Jahrhunderts die sogenannte neuplatonische Schule entstanden, welche durch den Beisab orientalischer Mystik die alte Volksreligion wieder zu heben suchte, indem sie gerade, wie Philo die biblischen Geschichten, so die heidnischen Mythen allegorisch deutete und die tiefern, religiösen Ideen, die unter ihrer Hülle verborgen sein sollten, an's Licht hob. Vertreter dieser neuplatonischen, heidnischen Mystik war der gelehrte Plotinus, ein Gegner des Christenthums. Aber wie die absterbenden Religionen an diesen Stab der alexandrinischen Philosophie sich anlehnten, so sehen wir auch das jugendlich aufblühende Christenthum an eben diesem Stab empor ranken. Die Gnostiker,

1) Er ist etliche Jahre vor Christo geboren; zur Zeit des Caligula ward er noch als Greis an der Spize einer jüdischen Gesandtschaft nach Rom gesendet, um sich bei dem Kaiser über die seinem Volke wiederfahrenen Bedrückungen zu beklagen. Vgl. über ihn I. G. Müller, des Juden Philo Buch von der Weltschöpfung. Berlin 1841.

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