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Unglauben seiner Zeit stellte Plutarch ein Gottesbewußtsein ents gegen, das den Menschen aufrecht erhält in allen Wechselfällen des Glückes und das ihn auch milde, edel und versöhnlich stimmt gegen seine Mitgeschöpfe. Ihm find die allmächtigen und allwissenden Götter seine Freunde; er weiß, daß sie treu für ihn sorgen, daß er sich vor ihnen nicht verbergen kann weder bei Tag, noch bei Nacht, daß sie ihn begleiten, wohin er geht, daß ste seine Gedanken erforschen und daß sie ihm in Ahnungen und Träumen ihre Gedanken kund thun. Der Tod ist ihm nicht Vernichtung, sondern Verwandlung; ja, einen Anklang an Paulus mögen wir in den Worten finden, wenn er sagt: „die Kämpfer erhalten den Kranz nicht, so lange ste kämpfen, sondern nachdem sie ausgekämpft und gestegt haben.“ „Ich halte, sagt er ferner, den Tod für ein so großes und wahrhaft vollkommenes Gut, daß ich glaube, dort erst wird die Seele wahrhaft leben und wach sein, jezt aber ist sie einer träumenden zu vergleichen."

Können wir solche Aussprüche der Heiden vernehmen, ohne an die Worte erinnert zu werden, daß Gott sich keinem Volke unbezeugt gelassen, und daß der Vater die Menschen zum Sohne Hinzieht, indem er sie zum Glauben bereitet? Indessen dürfen wir aus solchen einzelnen Erscheinungen nicht zu viel schließen. Ausnahmen dürfen nicht an die Stelle der Regel treten, und wenn wir daher eine Anschauung von dem Heidenthum ge= winnen wollen, wie das Christenthum bei seinem Eintritt in die Welt es vorfand, so müssen wir die Massen betrachten und vor allen Dingen fragen, wie sich die Religion im Leben und zwar im Leben des Volkes bewährt habe. Dieß führt uns auf die sitt= lichen Zustände des Heidenthums.

Daß den Religionen des Alterthums alle fittliche Triebkraft gefehlt, wer möchte dieß behaupten? Zeigt uns doch die Geschichte des alten Roms, wie der Glaube an das Walten der Götter auch jene Römertugenden erzeugte, die doch wohl mehr waren, als glänzende Laster, wie die Scheu vor den Nächern des Bösen vor Frevel schüßte, wie das Verlangen sich der Gottheit beliebt zu machen, zu großartigen Opfern begeisterte, die manchen Christen beschämen. Aber diese Triebkraft hatte sich nach und nach erschöpft und aus dem Munde der römischen, wie der griechischen Schriftsteller selbst vernehmen wir die bittersten

Klagen über den allgemeinen Verfall der Religion und der Sitten. Und wenn wir einmal den heidnischen Cultus genauer darauf ansehen, wer kann leugnen, daß in ihm neben den sittlichen Antrieben doch auch eine Menge unsittlicher Elemente lagen, ja, daß geradezu mit der Ausübung gewisser Culte auch die Ausübung der schnödesten Laster und die Entfeßlung der Leidenschaft, die wildeste Ausgelassenheit auf's Innigste verbunden war. Bot doch eben die Geschichte der Götter, wie sie wenigstens vom gemeinen Volksverstande aufgefaßt wurde, nicht nur jeder menschlichen Schwachheit, sondern auch jedem Verbrechen eine willkommene Entschuldigung dar. Nicht die Wollust allein in ihren gräulichsten Verirrungen und Mißgestalten, auch blutdürftige Grausamkeit hatte an dem heidnischen Gottesdienst eine Stüße. War auch bei den gebildeten Nationen des Alterthums die Zeit der Menschenopfer Längst vorüber, so finden sich gleichwohl noch. Reste derselben in der römischen Sitte. So berichtet uns ein Kirchenvater, daß jährlich dem Jupiter Latiaris ein Mensch sei geopfert worten. Es ist dieß dahin zu verstehen, daß an dem Feste dieses Gottes öffentliche Fechterspiele gefeiert wurden, wobei ein Mensch um's Leben kam, dessen Blut als Sühne für die Gottheit betrachtet und als Libation dargebracht wurde. Und auch sonst noch fanden eigentliche Menschenopfer, wenigstens außerordentlicher Weise, statt. So ließ Octavius (Augustus) nach der Einnahme von Perusia dreihundert von denen, die sich ihm ergeben hatten, dem Divus Julius hinschlachten. Ueberhaupt aber deuten die Thierkämpfe, die Fechterspiele, nach denen das römische Volk so gierig war, wie nach dem täglichen Brote, auf einen Zustand der öffentlichen Sitte, den wir kaum mit der Bildung reimen können, der sich dasselbe Volk rühmte. Was sollen wir zu der Sklaverei sagen, die selbst von edlern Hei= den, wie von Cato, als etwas ganz Natürliches, sich von selbst Verstehendes betrachtet wurde? Wie wenig war im Ganzen die Ehe geheiligt? In den guten Zeiten bei den Römern war sie es allerdings; weit lockerer waren hierin die Sitten der Griechen, die aber später auch von den Römern nachgeahmt wurden. Wie tief stand das Weib in seiner Würde unter dem Manne! Einzelne edle Römerinnen, wie Cornelia, die Mutter der Gracchen, machen auch Hier eine Ausnahme. Die Erziehung, großentheils den Sklaven

überlassen, wie sehr wurde sie im Allgemeinen vernachläßigt! wie einseitig, meist nur auf die Zwecke des Staates, auf den Krieg berechnet, war sie auch in ihrer bessern Gestalt! Was aber namentlich der alten Welt eigenthümlich ist, das ist die Abgeschloffenheit im Volksleben. Mit welcher Verachtung redete der Grieche von dem Barbaren! Feind und Fremdling wurden von dem Römer mit demselben Worte (hostis) bezeichnet. Die allgemeine Menschenliebe, wonach Jeder in dem Andern ein Wesen seiner Art erkennt, gleichviel unter welchem Himmelsstrich er geboren, welcher Klasse von Menschen er in der Gesellschaft zugetheilt sei, war der alten Welt fremd, und auch hier erhoben sich nur Einzelne, wie ein Plutarch zu der Ahnung desselben. Man wird uns freilich entgegen halten; auch bei den Christen fänden sich dieselben Laster, dieselben Gebrechen, die wir an den Heiden tadeln, und derselbe Mangel an Liebe, die gleiche Selbstsucht trete uns in der christlichen Welt entgegen, wie in der heidnischen. Das ist leider nur zu wahr. Aber wir dürfen nicht vergessen, was die Christen hierin sündigen, das thun sie gegen ihre Religion, das steht im schreienden Widerspruch mit den Grundsägen, zu denen sie sich bekennen; während im Gegentheil die heidnischen Laster großentheils ihre Rechtfertigung finden in der heidnischen Religion selbst und ihre schönsten Tugenden eine Frucht sind, die nicht auf diesem Stamme gewachsen ist. Der lasterhafte Christ bleibt hinter seiner Religion zurück, der tugendhafte Heide geht über sie hinaus; der Eine ist schlechter, der Andere besser als seine Religion. Doch, wie man auch weiter noch über das Wesen und die sittlichen Einflüsse des Heidenthums im Allgemeinen urtheilen möge, das ist gewiß, daß eben zu der Zeit, da Christus als das Heil der Welt erschien, das sittliche Verderben den höchsten Gipfel erreicht hatte, wie es Paulus im ersten Brief an die Römer als die Frucht des Heidenthums schildert, und vor allem floß dieses Verderben in der Hauptstadt der Welt zusammen. Das alte Nom, einst eine „Herberge aller Tugenden", nach dem Ausdruck eines spätern Geschichtschreibers, wie war es jezt eine Herberge aller Lafter geworden! Ein Zeuge dafür ist Livius, der seine Geschichtsbücher mit dem Bekenntniß beginnt, daß die Zeiten, in denen er schrieb, weder die Menge der Lafter noch die Heilmittel dagegen zu ertragen im

Stande seien. Eben so ergießen sich die Dichter, vor allem der strenge Juvenal in Klagen und Satyren über die Verdorbenheit ihrer Zeit. Seneca sagt 2): alles ist voll von Verbrechen und Lastern; es wird mehr begangen, als was durch Gewalt geheilt werden könnte. Ein ungeheurer Streit der Verworfenheit wird geftritten. Mit jedem Tage wächst die Lust zur Sünde, mit jedem Tage sinkt die Scham. Verwerfend die Achtung vor allem Beffern und Heiligen, stüßt sich die Luft, wohin es sei. Das Laster verbirgt sich nicht mehr. So öffentlich ist die Verworfenheit gewor den und in allen Gemüthern ist sie so sehr aufgelockert, daß die Unschuld nicht mehr selten, sondern keine ist. Darum wendet Seneca die Schilderung des eisernen Zeitalters, wie sie Ovid uns giebt, auf die Zeit an, die er erlebte. Das die Stimme der edlern Zeitgenossen selbst. Uebrigens fehlte es der alten Welt nicht an Ahnungen einer bevorstehenden gewaltsamen Umgestaltung aller fittlichen Verhältnisse. Wir wollen uns nicht auf die sibyllinischen Orakel berufen, von denen später die Rede sein wird; aber hofften nicht auch, mit Hinweisung auf die Sibyllen, die Dichter des Augusteischen Zeitalters, hoffte nicht ein Virgil3) oder wenn Hoffen zu viel ist, versezte er sich nicht wenigstens mit seiner sichtenden Phantasie in eine Zukunft besserer Tage, da das eiserne Zeitalter aufhören und das goldene zurückkehren werde, ein Zeitalter des Friedens, da die Natur ihre Gaben willig dem Menschen in den Schooß schüttet, da das Nind mit dem Löwen weidet und das Gift der Schlange nicht mehr soll gefürchtet werden? Und wenn er auch das glückselige Kind, mit dem dieses goldene Zeitalter beginnen soll, in ganz andern Umgebungen suchte, als in denen es geboren ward, so ging neben dieser Dichtung eine Sage 4), deren die Geschichtschreiber erwähnen, daß aus dem Orient, daß namentlich von Judäa aus die Welt werde erobert werden.

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Nach diesem jüdischen Lande und dem Volke der Juden richten wir jest unsere Blicke.

Das Heil, sagt der Herr, kommt von den Juden, und

2) Sen. de ira II. 8.

3) in der vierten seiner Eclogen.

4) Tac. Hist. V, 13.

damit bezeichnet er sein Volk als das Volk des Heils. - Unsere moderne Bildung hat sich an diesem Gedanken vielfach gestoßen, und dieselben, welche das antike Heidenthum nicht genug erheben konnten seiner Humanität wegen, haben nicht unterlassen auf die niedrige Stellung hinzuweisen, welche das Judenthum, in Absicht auf äußere Macht sowohl, als in Absicht auf Wissenschaft und Kunst, den großen Völkern des Alterthums gegenüber einnimmt. Wie? hat man gefragt, soll gerade dieses Volk das auserwählte Volk Gottes sein? Man hat dabei vergessen, daß es nicht die menschlichen Vorzüge sind, um derenwillen Gott dieses Volk erwählte, sondern daß im Gegentheil der große Heilsplan an ihm sich verwirklichen sollte. Die Geschichte Israels, sagt ein tiefsinniger deutscher Theologe 5), ist eine fortgesette Gottesthätigkeit, eine Arbeit Gottes selbst am Volke. Die Natur des Volkes Israel ist nichts weniger als durch sich selbst liebenswürdig; fie theilt in vielfacher Weise das Rauhe, Grausame und Trozige, was die übrigen cananitischen Völkerschaften charakterisirt. Aber es kam gerade darauf an, thatsächlich nachzuweisen, daß das Schöpfen und Graben aus der Tiefe des eignen Wesens nicht zur Lösung der Aufgabe des Menschengeschlechts, daß die natürliche Liebenswürdige keit nicht zum Gefühl der vollen Harmonie führe. Darum mußte der Stoff, an welchen der göttliche Künstler seine Arbeit wandte, ein so roher und ungefüger sein, um klar zu zeigen, wie das Element, das in der Geschichte zu Tage trat, nicht aus dem ge schichtlichen Zusammenhange des Menschengeschlechts entwickelt werden konnte, sondern daß es aus den Tiefen des schöpferischen Lebens selbst entspringen mußte.“

Wenn wir früher den gemeinsamen Charakter des Heidenthums als den der Gottverlassenheit, des Suchens und Gehens eigener Wege bezeichnet haben, so besteht nun das Eigenthümliche des Volkes Israel eben darin, daß dieses Volkes Leben rein bedingt ist durch sein Verhältniß zu Gott. Es hat und kennt keine andere Nationalität, als die ihm sein Gott selbst giebt. Und dieser Gott des Volkes, er ist, das weiß jeder Israelite, das ist die Grundlage seines Glaubens, er ist zugleich der alleinige Gott, der

5) Ehrenfeuchter, Entwicklungsgeschichte der Menschheit S. 105.

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