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über die Nichtigkeit unserer gewöhnlichen Zeitrechnung will ich Sie hier nicht aufhalten. Bekanntlich hat das Zählen der Jahre nach Christi Geburt nicht gleich in der christlichen Zeit begonnen. Man zählte theils nach Erschaffung der Welt, theils nach der Erbauung Roms, theils nach andern Aeren. Erst mit dem sechsten Jahrhundert wurde durch den römischen Abt Dionysius den Kleinen unsere jezige Zeitrechnung festgestellt, wonach die Geburt Jesu im Jahr 754 nach Erbauung Noms oder im Jahr 4714 nach Erschaffung der Welt fällt. Neuere Untersuchungen haben indessen auf die Vermuthung geführt, daß dieses Jahr etwas zu spät angesezt und daß Christus (so seltsam das klingen mag) einige Jahre vor Christi Geburt, d. h. einige Jahre vor der von uns üblichen Zeitrechnung geboren sei, wie jezt Manche annehmen, im Jahr 747 nach Erbauung Noms; doch sind auch darüber die Akten noch nicht geschlossen und Manche haben wieder die Dionyfische Rechnung als die richtige erfunden. Noch viel weniger ist es der Wissenschaft gelungen, den eigentlichen Geburtstag des Herrn festzustellen, da wir darüber weder in den Evangelien noch sonst etwas Sicheres finden; denn die Feststellung desselben auf den 25. December, an dem wir unser Weihnachtfest feiern, hat bekanntlich erst in weit späterer Zeit und aus andern Gründen stattgefunden, die wir hier nicht weiter verfolgen können. Die einzigen chronologischen Halt= punkte, die uns das neue Testament selbst giebt, sind einmal die Nachricht bei Lucas, daß eben die Geburt Jesu stattfand zur Zeit jenes römischen Census, und (nach Matthäus) zur Zeit, da Herodes der Große noch lebte, und daß sein öffentliches Auftreten ungefähr im dreißigsten Jahr seines Alters, in das fünfzehnte Regiegierungsjahr des Tiberius fällt. Wie sich das unter sich vereinigen lasse, ist unsere Sache nicht, zu untersuchen.

Weit wichtiger ist es für uns, das Bild des Herrn so in den Vordergrund unserer Geschichtsbetrachtung zu stellen, daß wir daraus einen sichern Schluß ziehen können auf das Wesen und die Bestimmung der Kirche, die nach ihm sich nennt.

gewiß, daß die innere Glaubwürdigkeit der evangelischen Berichte nicht ab hängig ist von der größern oder geringern Genauigkeit in chronologischen Angaben u. dgl.

Wie ich schon früher bemerkte, so gilt es hier nicht, das Leben Jesu ausführlich zu erzählen. Es gilt vielmehr, uns einen Gesammteindruck seiner historischen Persönlichkeit als des Stif ters der Kirche zu verschaffen. Und da müssen wir einen Augenblick vergessen, sowohl was die Kirche über seine Person Dogmatisches ausgesagt, als was unser Glaube persönlich in ihm findet, als dem Gottes- und Menschensohn. Wir müssen uns in rein historischer Verfassung zurückversehen in die Zeit seines Auftretens, da noch kein Bekenntniß von ihm sich gebildet hatte, da es sich erst allmälig aus der lebendigen Anschauung seiner Versönlichkeit heraus bilden sollte in den Gemüthern der Jünger. Da tritt uns denn zunächst als Vorläufer des Herrn eine andere Gestalt entgegen ; es ist der Sohn des Priesters Zacharias, Johannes, der in der strengen Weise eines Elias und der alten Propheten in der Wüste Juda Buße verkündigte und auf diese Buße hin am Jordan taufte. Seine Vußrede bildet einen merkwürdigen Beleg zu dem, was wir in der vorigen Stunde von den Zuständen des Volkes bemerkt haben. Die Art, sagt er, ist den Bäumen an die Wurzel gelegt, und jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und in's Feuer geworfen. Zugleich aber weist er hin auf den Stärkern, der nach ihm kommen wird mit der Wurfschaufel in der Hand, seine Tenne zu fegen, und der nicht mit Wasser, sondern mit Feuer taufen werde. Diesem Höhern, erklärt er offen, sei er nicht werth, die Schuhriemen aufzulösen und wiederum weist er auf ihn hin, als auf das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt. Wir wissen auch, wie er im Gefühl seiner Unterordnung sich sträubte, den zu taufen, der keiner Reinigung und Sündenvergebung bedürfe und wie er sich nur auf den ausdrücklichen Befehl Jesu selbst diesem Werk unterzog. Um so auffallender mag freilich das spätere Verhalten des Johannes erscheinen, da er, nachdem Jesus bereits aufgetreten, seine Jünger mit der Frage an ihn sendet, ob er der erwartete Messtas sei oder ob eines Andern zu warten? Wir kennen die Antwort des Herrn an ihn und sein Zeugniß über ihn. Er weist die Jünger des Johannes an das, was sie gesehen und gehört haben: Die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussägigen werden rein, die Tauben hören, die Todten stehen auf, den Armen wird das Evangelium gepredigt, und selig ist, der

sich nicht ärgert an mir (Matth. 11, 1-6). Offenbar galten diese Worte nicht nur den Jüngern des Täufers, sie galten ihm selbst. Bei aller Ehrfurcht vor der Person Jesu, scheint Johannes doch irre geworden zu sein an der Art seines Auftretens. Ganz und gar der Mann des alten Prophetenthums, wußte er sich nicht zu finden in die neue Ordnung des göttlichen Reiches. Darum sagt auch Christus die bedeutsamen Worte, die eben so sehr die Anerkennung seiner Würde, als die Schranken derselben in fich fassen: „ich sage euch, unter denen, die von Weibern geboren sind, ist kein größerer Prophet, denn Johannes der Täufer; der Kleinste aber im Reich Gottes ist größer, denn er." (Ebend. V. 11.)

So hatte sich denn also noch einmal in Johannes dem Täufer die alte Ordnung des Prophetenthums gleichsam zusammengenommen, um dann für immer der neuen Ordnung der Dinge zu weichen. Die alte Strenge, das rauhe Bußgewand, sie hatten ihre hohe Bedeutung, ihre volle geschichtliche Berechtigung. Die ernste sittliche Erweckung im Volke sollte, auch unter strengen Formen, dem Reiche Gottes Bahn machen. Das Reich selbst aber sollte nicht kommen mit äußern Geberden, sondern durch den Glauben sich erbauen im Inwendigen der Menschen. -Wir haben früher ges sagt, es sei mißlich von einer Stiftung der Kirche zu reden, insofern man dabei an willkürlich Formulirtes und Statutarisches denkt, und wenn wir daher Jesum gleichwohl den Stifter der Kirche nennen, so haben wir wohl darauf zu achten, daß auch hier nicht falsche Nebenbegriffe sich einschleichen. Die Frage, hat Jesus eine Kirche stiften wollen oder nicht? fann verneint und bejaht werden, je nachdem man eben diese Stiftung faßt. Sehen wir auf die Art, wie Jesus auftritt, wie er lehrt und handelt, so sieht das alles nicht einer Stiftung ähnlich in dem vorhin bes zeichneten Sinne. Jesus entwirft, um mich eines modernen Ausdrucks zu bedienen, kein Programm seiner neuen Religionsverfassung. Er stellt weder einen Compler von dogmatischen Lehrsägen, noch von Cultusvorschriften, noch von einer Kirchenverfassung an die Spize seines Werkes. Selbst die, welche von einer Lehre Jesu reden, haben sich wohl vorzusehen, daß sie damit nicht zu viel sagen; wenigstens darf an ein Lehrsystem, an einen zusammenhängenden Lehrvortrag, an eine auch nur von ferne wissenschaft

liche oder schulgerechte Entwicklung von Lehrsägen, und wäre es auch nur in Form eines Katechismus, nicht von ferne gedacht werden. Er predigte wie Einer, der Gewalt hat, und nicht wie die Schriftgelehrten (Matth. 7, 29). Er trug Altes und Neues aus seinem Schaze hervor, wie die Gelegenheit es mit sich brachte, immer im nächsten Anschluß an das vorliegende, persönliche Bedürfniß derer, zu denen er redete, immer im Zusammenhange mit den Handlungen, die er verrichtete, nie in abstracter Allgemeinheit. Selbst über seine heilige Person, über sein einziges und eigenthümliches Verhältniß zum Vater stellte er nicht ein fertiges Dogma, nicht eine firirte Glaubesformel hin. Er giebt sich immer zunächst als den Menschensohn und tritt in menschlicher Weise als Helfer und Retter den Menschen entgegen. Daß er der Sohn Gottes, daß er der erwartete Messias, der Heiland der Welt sei, das sollte als eine vom himmlischen Vater selbst gewirkte Ueberzeugung in den Gemüthern reifen als die Frucht eines Jahre lan= gen Umganges mit ihm. Auch mit seinen Wunderthaten sehen wir ihn sparsam, mitunter sogar zurückhaltend, verfahren; da er sogar bisweilen verbietet, ihrer rühmend zu erwähnen. Eben so wenig, als Christus eine abschließende Glaubens- und Sittenlehre vortrug, eben so wenig ordnete er einen neuen, in bestimmten Formen abgeschlossenen Cultus. Er unterwarf sich als Jude den gottesdienstlichen Ordnungen seines Volkes; er besuchte die Feste und wenn er auch rücksichtlich des Sabbathes, der Fasten, der Waschungen durch ein freieres Verhalten der pharisäischen Geseßlichkeit Anstoß geben mochte, so schaffte er doch eben so wenig ab, als er Neues einführte. Das einzige Gebet, das er die Jünger auf ihre Bitte lehrte, hatte weit eher den Zweck, sie von dem mechanischen Hersagen der Gebetsformeln zu entwöhnen, als ihnen damit eine neue stehende Formel zu geben. Erst gegen das Ende seines Lebens, ja, erst in der Nacht vor seinem Tode sehen wir ihn die Fußwaschung und ein gemeinschaftliches Gedächtnißmahl seiner Leiden einsehen, und vor seiner gänzlichen Trennung durch die Himmelfahrt, ordnet er die Taufe an auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Vollends eine Kirchenverfassung! Nicht einmal die Grundzüge zu einer solchen giebt er. Ja, das Wort „Kirche" oder das ihm entsprechende

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griechische Wort Ecclesia hören wir ihn, nach unseren evangelischen Berichten nur zweimal aussprechen. Das einemal in der feierlichen Nede an seinen Jünger Simon (Matth. 16, 18): Siehe, du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche gründen, und dieser auf den lebendig persönlichen Glauben gebauten Kirche gilt allerdings das Wort, daß die Pforte der Hölle sie nicht überwältigen werde. Das anderemal braucht er das Wort in einem etwas andern Sinne, da er sagt, daß wenn ein Sünder auf das Zureden Weniger nicht sich befehren wolle, so solle er der Kirche d. i. der Gemeinde (und ihren Vorstehern) verzeigt werden (Matth. 18, 17). Weit öfter und so zu sagen beständig bedient er sich eines andern Wortes, wenn er von dem redet, was er zu gründen gekommen. Es ist das Reich Gottes, das Reich der Himmel, das mit ihm in die Welt tritt, das in ihm seine Wahrheit, seine Vollendung, seinen lebendigen Mittelpunkt gefunden hat. Auf dieses Reich Gottes beziehen sich großentheils seine Gleichnisse. Er stellt es dar als ein im Kleinen unscheinbar beginnendes, mit dem Reich dieser Welt in einen unversöhnlichen Gegensat tretendes, das als ein Reich des Lichtes zu kämpfen hat mit dem Reich der Finsterniß und das erst bei seiner Wiederkunft seinen vollen Sieg feiern wird. Bis dahin soll es wie ein Sauerteig die Masse durchgähren, soll wie ein Senfkorn heranwachsen zum Baume, in dessen Zweigen die Vögel des Himmels wohnen. Zu diesem Reich ladet er ein nicht die Hohen, nicht die Mächtigen, nicht die Weisen dieser Welt. Diese verschmähen die Einladung, und somit müssen die Lahmen, die Krüppel an den Zäunen und Straßen herbeigerufen werden zum Gastmahle. Die Ersten werden die Leßten, und die Lezten die Ersten sein. Auch nicht äußere Werke, nicht Ceremonien, nicht feierliche Gelübde der Enthaltsamkeit, sondern ein einfacher Kindersinn, ein demüthiges, bußfertiges, gläubiges, zum Verzeihen und Wohlthun willfähriges Herz, das sind die Bedingungen des Eintrittes in dieses Reich. Selig preist er die Friedfertigen, die Sanftmüthigen, die Barmherzigen, die Armen am Geiste. Vor Allen ruft er die Mühseligen und Beladenen, die unter dem Joche der fremden Saßung oder der eigenen Sünde seufzen und verheißt ihnen Vergebung, Ruhe für ihre Seelen. Er kündigt sich an, als den Arzt der Kranken, als den der gekommen,

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