صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني

von der Art, daß eine ruhige Zusammenfassung derselben in ein historisches Bild kaum zu erreichen ist. Wir stehen noch viel zu sehr im Fluß der Begebenheiten drin, als daß eine geschichtliche Darstellung möglich wäre. Nur das wieder zu erzählen, was seit zehn Jahren die Zeitungen gemeldet, das könnte wohl kaum in meiner Absicht liegen: Vieles von dem, was im Augenblick Aufsehen erregt, gehört schon jetzt zu den Antiquitäten. Aus all diesen Gährungen und Bewegungen heraus aber das eigentliche vorwärts treibende Moment herauszugreifen, es zu beleuchten, es von falschen, sowohl revolutionären, als reactionären Elementen zu unterscheiden, wäre freilich eine schöne, würdige Aufgabe: allein dazu bedürfte es eines Scherblickes, den ich mir nicht zutraue. Ich glaube von Herzen an eine Zukunft der Kirche: aber eine Kirche der Zukunft Ihnen vor Augen zu stellen, hielte ich für ein gewagtes Unternehmen. Dieß der Grund, warum ich die öfters an mich ergangene Aufforderung, noch eine Fortsetzung der bisherigen Vorlesungen, d. h. eine allerneueste Kirchengeschichte, eine Kirchengeschichte der Gegenwart zu geben, in der schon die nächste Zukunft liegt, immer wieder habe ablehnen müssen, und wenn ich auch nicht zweifle, daß einst der Augenblick kommen wird, da eine solche Darstellung am Play sein würde, so bin ich überzeugt, daß dannzumal sich andere und jüngere Kräfte zu dieser Arbeit finden werden. Einstweilen glaubte ich das Richtige zu wählen, wenn ich, statt die unmittelbare Gegenwart zu beleuchten, in die Vergangenheit und zwar auf den ersten Ursprung der Kirche Christi und die ersten Jahrhunderte ihrer Geschichte zurüd ginge. Ich muß bitten, diese Wahl nicht als eine bloße Wahl der Verlegenheit, nicht als eine Flucht anzusehen aus der Gegen wart und ihren Interessen heraus in eine längst entlegene Zeit. Ihnen bloß alte Geschichten zu erzählen, die mit unserer Zeit, mit den Bedürfnissen unseres Geistes und unseres Herzens in keiner nähern Berührung ständen, nein! dazu hätte ich mich eben so wenig entschließen können, als mich zum Propheten der Zukunft aufzuwerfen. Die Zeit, in der wir leben, ist zu reich an Beziehungen, an Gegensägen und Kämpfen jeder Art, als daß man fie ignoriren könnte, und sie bloß auf Augenblicke vergessen, das wäre doch ein gar: zu negativer Trost. Vielmehr glaube ich, daß

auch die gegenwärtigen Vorlesungen, die ich Ihnen anbiete, über die drei ersten Jahrhunderte der Kirchengeschichte einen posi= tiven Trost, eine Quelle der Erholung, der Ermunterung, der Erfrischung in sich schließen, aus der sich auch Vieles für die Gegenwart schöpfen läßt. Wenn es unter uns, die wir hier versammelt sind, wie ich vorausseßen darf, allgemein zugestanden wird, daß das Heil unserer Zeit und der Balsam für die Wunden, die sie geschlagen hat, im Christenthum zu suchen ist, so wird auch müssen zugestanden werden, daß nur die genauere Kenntniß des Christenthums uns in den Stand sezt, dieses Heil vollkommen zu würdigen und seine Wirkungen am rechten Orte zu suchen. Nun ist allerdings wahr, daß die Kenntniß des Christenthums in erster Linie zu schöpfen ist aus den heiligen Urkunden dieser Religion selbst, aus der Bibel, namentlich aus der Bibel des neuen Testamentes. Die Aufmerksamkeit, die auch heutzu= tage wieder der Bibel, auch von Seite der Gebildeten ge= schenkt wird, spricht eben für das vorhandene Bedürfniß, über diese Quelle des Heils mit sich in's Klare zu kommen. Indessen liegt zwischen der Vibel und uns eine Geschichte von achtzehn Jahrhunderten, die wir nicht ohne Weiteres überspringen und vergessen können, als wäre sie nicht vorhanden. Vielmehr soll diese Geschichte uns die Kluft ausfüllen zwischen der apostolischen Zeit und der unsrigen; sie soll uns manches vermitteln helfen, das uns sonst unverstanden bleibt; sie soll, mit einem Wort, die Brücke bilden zwischen der Bibel und uns. Einen wichtigen, und ich möchte fagen den solidesten Theil dieser Brücke bilden die ersten drei Jahrhunderte, die Zeit, die noch von den apostolischen Erinnerungen lebte, die Zeit, da die Kirche unabhängig vom Staat auf eigenen Füßen stand, da ste jeden Fußbreit Boden sich mit dem Blut ihrer Märtyrer erkämpfen mußte, die Zeit, da sie, ihrem Meister ähnlich, nicht hatte, wohin sie ihr Haupt lege, da sie vom Almosen der Gläubigen lebte und auf den Gräbern der Märtyrer ihre Andacht feierte; die Zeit der ersten Jugendfrische, der ersten Liebe und Begeisterung. So verschieden nun auch unsere heutigen kirchlichen Zustände von denen der ersten Jahrhunderte sind, so wird jich doch so manches aus ihnen erklären, so manches auf sie zurückführen lassen, das noch unter uns lebt und unter uns seine Gel

tung hat. Aber auch das, was uns fremdartig berührt, wird schon um des Gegensages willen von Bedeutung sein, und wenn vollends dem Menschen ein Gut um so lieber wird, je mehr es Kämpfe gekostet hat, es zu erringen und zu bewahren, so mag auch die Geschichte der Kirche und gerade die Geschichte der ersten Jahrhun= derte uns zeigen, mit welchen Opfern die Ueberzeugung und die Institutionen erkauft worden sind, die jezt die Grundlagen des öffentlichen wie des häuslichen Wohls bilden. Und so hoffe ich denn, daß Sie in diesen Vorträgen nicht nur eine flüchtige Unterhaltung, auch nicht nur eine trockene Belehrung, sondern, wenn auch nicht eine ausschließliche Erbauung (was wiederum nicht der Zweck solcher Vorträge sein kann), so doch eine allseitige Anregung des geistigen Lebens, einen würdigen Gegenstand der Betrachtung und des Nachdenkens, eine Quelle religiöser Erhebung und sittlicher Begeisterung finden werden. Und so lassen Sie uns mit

Gott den Anfang machen.

Wenn aller Anfang schwer ist, so ist es auch der Anfang der Kirchengeschichte, schon darum, weil die Bestimmung des Anfangs der Kirche eine der schwierigsten ist. Wann hat die Kirche begonnen zu sein? Die Einen sagen, die Kirche ist so alt wie die Welt; denn der erste Bund Gottes mit den Menschen ist der erste Grundstein zur Kirche, und so reden sie auch von einer Kirche des alten Testamentes, von einer Kirche der Patriarchen, der Propheten u. s. w. Dagegen sagen die Andern, und wohl mit Recht, die Religionsverfassung des alten Bundes mag wohl als der Vorhof zur Kirche betrachtet werden; aber erst Christus, der Stifter des neuen Bundes, ist auch der Stifter der Kirche, und außer der christlichen Kirche kommt keiner andern Religionsgemeinschaft diese Benennung zu. Aber auch da fragt sich wieder: ist die Kirche wirklich mit Christus in die Welt getreten? Hat er sie nicht, wenigstens der Idee nach, schon in sich getragen? weiffagend in seinem Geiste? liebend in seinem Herzen? schöpferisch wirkend und gestal= tend in seinem Willen? ja dürfen wir nicht die Liebesgemeinschaft, in der er mit seinen Jüngern lebte, schon den Anfang der realen, der wirklichen Kirche nennen? Wir können niemand wehren, dieß zu thun; aber wenn wir uns erinnern, wie der Herr in seinen Neden das Zusammensein mit seinen Jüngern so bestimmt unter

scheidet von der Zeit, da er nicht mehr bei ihnen sein werde, und wie er sie hinweist an den Tröster, den er ihnen senden und der sie in die ganze Wahrheit leiten werde, so muß uns doch wohl die Ausgießung des Geistes am Pfingstfeste als die That Gottes erscheinen, die wir als die eigentliche Schöpfung der Kirche, als die Gründung einer heiligen, nach ihrem innern Wesen unsichtbaren, aber nach ihren Erscheinungsformen in die Sichtbarkeit heraustretenden Gemeinschaft im Geiste begrüßen. Nun hebt sich aber auch wieder die Zeit, die unmittelbar auf die Ausgießung des heil. Geistes folgt, die Zeit der Apostel, die Urzeit aufs bestimmteste ab von der Kirchenzeit, die wir als die nachapostolische, als die Kirchenzeit im engern Sinn begreifen. Die Geschichte der apostolischen Kirche gehört noch in die Offenbarungsgeschichte des neuen Bundes; sie hat daher auch ihre Quellen noch großentheils in den biblischen Urkunden, während die Kirchengeschichte (im engern und geläufigen Sinn des Wortes) da erst beginnt, wo die Zeit der Offenbarung vorüber ist, wo die von den Aposteln gegründeten Gemeinden zu einer Gesammtgemeinde, d. i. eben zu einer Kirche im eigentlichen Sinn sich zusammen schließen und dieses Gemeinschaftsleben sich zu organisiren beginnt, also um die Zeit nach der Zerstörung Jerusalems, um die Zeit der sogenannten apostolischen Väter. Da tritt uns erst die Kirche in sichtbarer, gleichsam in leiblicher Gestalt entgegen, und von da an nennen wir auch den geschichtlichen Stoff den kirchenhistorischen in seinem Unterschiede von dem, was wir dem Bibelstudium zuweisen. Dabei aber versteht sich von selbst, daß sich die Grenze nicht scharf bestimmen läßt: und darum wird jeder, der die Geschichte der Kirche lebendig und verständlich darstellen will, auch genöthigt sein, in die apostolische Zeit zurückzugreifen, ja noch weiter zurück, in das Leben Jesu selbst; denn ohne daß wir das Bild des Herrn, der der Schöpfer der Kirche ist, uns klar vor die Seele gestellt haben, wie könnten wir seine Kirche, wie ihre Geschichte begreifen? Eben weil die Kirche nicht etwas von Menschen Erfundenes und Gemachtes, nicht etwas durch Willfür eines Menschen Eingeführtes, sondern weil sie ein lebendig Gewordenes, ein aus dem Geiste Geborenes, nach dem Geseze des Wachsthums nur allmälig zur Entfaltung Gekommenes ist, eben darum läßt sich nicht ein bestimmtes Datum angeben, womit ihre

Geschichte absolut begönne. Es ist daher sogar mißlich, von einer Etiftung der Kirche zu reden, weil sich leicht mit diesem Worte die Vorstellung verbindet, als sei die Kirche ein freiwilliger Verein von Gleichgesinnten, die mit bewußter Absicht an dem und dem Lage zusammen getreten seien zu einer Neligionsgesellschaft mit den und den Statuten, wie das etwa bei der Stiftung anderer menschlichen Gesellschaften der Fall ist. Die Zeit ist zwar noch nicht so ferne, wo man wirklich die Entstehung der Kirche sich in ähnlicher Weise dachte, wie etwa die Entstehung eines wissenschaftlichen Vereins oder einer gemeinnüßigen Anstalt; hat man ja auch den Staat als einen geselligen Vertrag der Menschen unter einander begreifen zu müssen geglaubt! Allein, Dank sei es der neuern, auf die tiefern Lebensgeseze zurückgehenden Wissenschaft, daß wir von dieser mecha= nischen und unwahren Betrachtung der Dinge wieder los geworden sind, und daß die Ueberzeugung doch wohl unter allen Denkenden feststeht, Staat und Kirche seien göttlich geordnete, göttlich gewollte Schöpfungen, ähnlich der Schöpfung der Natur; Schöpfungen, an denen zwar der menschliche Geist zu allen Zeiten in freier Weise ich betheiligte, die aber gleichwohl über menschliche Berechnung und Willkür weit hinaus liegen, und die bei allem Eingehen in die menschlichen Formen, dennoch das höhere Geset ihrer Entwicklung in sich selbst tragen, dieweil es der Schöpfer in sie gelegt hat. Erst von diesem Standpunkte aus gewinnt auch das Studium der Völker- wie der Kirchengeschichte sein höheres Interesse; denn nun haben wir es nicht zu thun mit den flüchtigen Einfällen menschlicher Willfür und Laune, nicht mit einem eiteln Gewebe menschlicher Thorheiten und Leidenschaften und dem Spiel des Zufalles, sondern eben mit einer Geschichte, die dieses Namens würdig ist, mit einer höhern Nothwendigkeit, die aber gleichwohl im Bereiche menschlicher Freiheit und in beständiger Wechselbeziehung mit ihr sich vollzieht. Wie die einzelne menschliche Seele, einmal von dem Lebenshauch des Christenthums berührt, und von seiner Macht ergriffen, eine Wiedergeburt erfährt und die Regungen der Gnade nicht als ein Fremdes und Todtes in sich aufnimmt, sondern dieselben sich als neues Lebensprincip aneignet, durch das sie hinfort bestimmt und geleitet wird, so sehen wir auch die Welt, so sehen wir ganze Völker ihre Wiedergeburt feiern. Ein

« السابقةمتابعة »