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das Verwundete zu heilen, als den guten Hirten, der die verlorenen Schafe sucht und die verirrten zurecht leitet; aber dann auch wieder als den Sohn und Bevollmächtigten, der in das Eigenthum des Vaters kommt und denen mit seinem Ansehen entgegen tritt, die wider den König und seine Knechte sich aufgelehnt. Das ist, wie Ihnen allen bekannt, der Inhalt seiner Predigt vom Reiche Gottes; einfach und doch so groß; klar, jedem Kinde faßlich und doch so tief, so ahnungsreich, so unendlich erhaben über alles, was der Menschenverstand dem Menschen zu bieten, was menschliche Kunst in Wort und Ausdruck zu leisten vermag. Eine prophetische Sicherheit, ein Gefühl der höchsten sittlichen Unschuld und Reinheit, der priesterlichen Vollendung und der königlichen Machtvollkommenheit, spricht aus jedem Worte, aus jeder That dieses Menschensohnes, der ein König, ein Prophet, ein Priester der Menschheit und ein Priester Gottes war im höchsten, einzigen Sinne des Wortes. Ohne daß er es uns zu sagen braucht, wir ahnen's, wir fühlen's, hier ist mehr denn Salomo, mehr denn alle menschliche Weisheit; hier ist nicht nur Lehre, hier ist Gnade und Wahrheit in perfönlicher Erscheinung; hier ist nicht Buchstabe, sondern Geist und Leben; nicht todte Sagung, sondern lebendige Schöpfung! Nicht die Willkür eines Stifters waltet hier, der etwa aus dem Antrieb edler Gesinnungen oder gar aus kluger Berechnung eine neue Lebensordnung einführt unter seines Gleichen, sondern eine göttliche Nothwendigkeit tritt uns entgegen, wonach der Sohn vollzieht den Willen des Vaters und ausführet, was ihm übertragen und übergeben ist von Ewigkeit und von oben her.

Aus diesem Gesichtspunkte haben wir auch die Anordnungen zu betrachten, die Jesus in Absicht auf die Verbreitung seines Reiches traf. Schon mitten in seiner Wirksamkeit sehen wir ihn. zwölf Männer aus dem Volke, die er sich selbst zu Jünger gewählt (Matth. 10), aussenden zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel. Sie sollen hingehen und predigen: das Himmelreich ist nahe herbei gekommen. Als Arme sollen sie ausziehen, ohne Gold und Silber und Erz in den Gürteln; als die Friedensboten, wie die Schafe unter die Wölfe. Sie sollen sich gefaßt halten auf Schmach und Verfolgung; aber vertrauen auf den Geist des Vaters, der durch sie reden werde. Sie sollen bedenken, daß der Jünger

nicht über den Meister ist; in seinem Auftrag sollen fie reden und versichert sein, daß wer sie aufnimmt, ihn, den Herrn selbst aufnehme. Es wird uns auch der Erfolg dieser ersten Aussendung berichtet. Sie kamen wieder, heißt es, mit Freuden und sprachen: Herr, es sind uns auch die Teufel unterthan in deinem Namen; worauf ihnen aber Jesus die bedeutsame Antwort gab: nicht darum freuet euch, daß euch die Geister unterthan sind, sondern darüber, daß euere Namen im Himmel geschrieben sind. Wie wendet er auch hier wieder das auf's Innere, auf's Ewige, auf's Himmlische, was die Jünger auf dem Gebiete der weltlichen Macht, der Wirkung nach außen suchten! Erst vor seinem legten Scheiden sendet er, als der Auferstandene, in die himmlische Verklärung Uebergehende, die Jünger aus in alle Welt, um alle Völker zu seiner Jüngerschaft zu führen, indem ihm gegeben sei alle Gewalt im Himmel und auf Erden.

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Das ist, wenn wir den dürftigen Ausdruck hier gebrauchen wollen, die Stiftung seiner Kirche. Weitere Anordnungen über die Form dieser Kirche, über ihre gesellige Gliederung finden wir nicht: nicht eine Spur von dem, was an Hierarchie, an eine Ueber- und Unterordnung der Einzelnen untereinander erinnern könnte. Man hat zwar jenes Wort an Petrus: auf diesen Fels will ich meine Kirche gründen, und „ich will dir die Schlüffel des Himmelreichs geben“ von einer Bevorzugung dieses Jüngers, von einem Primat verstehen wollen, aber mit Unrecht. Daß Petrus von dem Herrn bei verschiedenen Anläßen ausgezeichnet wurde, ist nicht zu leugnen; aber auch an die übrigen Jünger hat er ähnliche Worte gerichtet, und wir wissen, wie scharf er den Rangstreit unter ihnen selbst gerügt hat. „Die weltlichen Könige, so sprach er (Luc. 22), herrschen und die Gewaltigen heißt man gnädige Herren; ihr aber nicht also; sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste und der Vornehmste wie ein Diener." Indem er den ganzen Weltkreis seinen Jüngern zum Arbeitsfelde anwies mit den Worten: „Die Ernte ist groß, und Wenige sind der Arbeiter, bittet den Herrn, daß er Arbeiter in seine Ernte sende" (Matth. 9, 37), konnte er nicht die Provinzen dieses Reichs an die Einzelnen austheilen, nicht einen Organismus von Gemeinden und ihren Vorstehern, wie er sich später gebildet hat und bilden mußte, zum Voraus festsegen.

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Wie er Zeit und Stunde seines Wiederkommens dem himmlischen Vater anheimstellte, so stellte er ihm auch das Schicksal seiner Kirche anheim, und wie er den Seinen den Geist verhieß, der sie in jede Wahrheit leiten sollte, so mochte er auch hier nicht vorgreifen der ordnenden Thätigkeit dieses Geistes.

So begegnet uns bei aller Entschiedenheit seines Handelns eine weise Zurückhaltung, bei allem Bewußtsein seiner göttlichen Würde und Machtvollkommenheit, eine bewundernswürdige Demuth, eine freiwillige Unterordnung unter den Willen des Vaters; bei aller Festigkeit und Bestimmtheit seines Auftretens eine Weite und eine Freiheit der Form, die über alles beschränkte Sagungswesen in großartiger Weise sich erhebt. Am allerwenigsten hat der Stifter der Kirche ihr einen zeitlichen Schaß, ein Kirchengut hinterlassen, Die Füchse, sprach er, haben Gruben und die Vögel haben Nester, aber des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hinlege (Matth. 8, 20). Auf den Vater, der die Lilien kleidet und die Vögel des Himmels nährt, gab er seinen Jüngern die große Anweisung und lehrte sie, nicht Schäße sammeln, welchen die Diebe nachgraben und welche von Motten und Rost verzehrt werden, sondern vor Allem trachten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit. Und doch hat er ihr das theuerste Vermächtniß hinterlassen, das köstlicher ist als vergängliches Gold und Silber, indem er sich selbst für sein Werk hingab, indem er nicht nur für seine Ueberzeugung starb, wie Sokrates, sondern im Blick auf das fittliche Verderben und die Verschuldung der Welt sich ihr zu eigen schenkte. Freiwillig hat er sein heiliges Leben zum Opfer gebracht für die Sünde, hat sich die Gemeinde mit seinem Blute erkauft auf ewige Zeiten. Durch diesen freiwilligen Kreuzestod, der den Juden ein Aergerniß und den Griechen eine Thorheit war, ist er der Stifter des neuen Bundes geworden. Auf das Kreuz ist die Kirche gebaut, durch das Kreuz hat sie gesiegt und überwunden. Das ist der Stiftungsbrief, den er mit seinem Blute unterzeichnet hat. Und nachdem einmal dieser Bund geschlossen und besiegelt war, da konnte sich der Meister auch nimmer von seinem Werke trennen, wie ein menschlicher Stifter von seinem Werke sich trennt. Wie das Haupt mit dem Leibe, so ist er zusammen gewachsen mit der von ihm erkauften Gemeinde. Darum

hat er nach seiner Auferstehung das große Wort gesprochen zu denen, die an ihn glaubten: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Und so hat ihn denn auch der christliche Glaube immer gefaßt, nicht nur als den einmaligen Stifter der Kirche, sondern als den lebendigen Grund, auf den die Kirche sich fortwährend baut, als das Haupt des Leibes, als den Weinstock, aus dem die Reben Saft und Nahrung ziehen, als den Hirten, der über seiner Heerde wacht, als den Bräutigam, dem die Gemeinde als Braut entgegen geführt wird, als den Bischof der Seelen, als den Hohenpriester, der fürbittend und segnend im Heiligthum waltet, als den König und Herrn, dem alle Knie sich beugen und der ausrichten wird das Reich, das ihm der Vater gegeben hat.

Diese Grundzüge der Christologie mußten wir nothwendig auch in rein historischem Interesse voraus schicken, wenn unsere Ge= schichte der Kirche nicht in der Luft schweben sollte. Wir mußten von Anfang an die Ueberzeugung gewinnen, daß es sich bei dieser Geschichte nicht darum handelt, einen äußerlich gegebenen Anfang nur weiter fortzuspinnen, oder gar erst etwas mit dem Gedanken aus dem zu machen, was zufällig in der Geschichte gegeben war; sondern daß die innere Lebensentwicklung der Kirche nichts anders sein kann, als die Auseinanderlegung und Entfaltung des Lebens, wie es thatsächlich und persönlich in Christo erschienen ist, ein Hineinbilden desselben in die Menschheit unter der Leitung des göttlichen Geistes. Mit andern Worten: das Bild des Herrn, wie es uns aus den Evangelien entgegen leuchtet, bildet nicht nur das Titelblatt zur Kirchengeschichte, sondern das eigentliche Grundthema derselben, von dem jedes Blatt dieser Geschichte zeugt, entweder positiv oder negativ, entweder so, daß es den Stempel des Bildes in größerer oder geringerer Vollkommenheit an sich trägt, oder daß es ihn verleugnet und eben dadurch sich selbst verurtheilt.

Je nachdem wir uns von Christo und seinem Evangelium eine Vorstellung machen, je nachdem gestaltet sich unsere Vorstellung von der Kirche. Jede unhistorische und darum unwahre oder schiefe oder verkümmerte Auffassung von ihm rächt sich auch wieder an der Kirchengeschichte. Der historische Christus aber ist eben. der, wie ihn die Evangelien uns geben, nicht der, den sich die

Dogmatik aus der Geschichte abstrahirt hat, eben so wenig als der, den sich unsere Einbildung nach modernen Begriffen zurecht legt. Wir geben zu, und Jeder, der sich genauer mit den Evangelien beschäftigt und die Berichte derselben unter einander vergleicht, um ein getreues historisches Bild sich aus ihnen zusammen zu sehen, wird uns darin beistimmen, daß eben diese evangelischen Berichte manche Schwierigkeiten darbieten und daß manche Frage, die wir gerne an die Geschichte stellten, unbeantwortet, daß auch mancher Zweifel im Einzelnen ungelöst bleiben muß. Aber das darf uns nicht beunruhigen, uns den Blick in den Kern der historischen Wahrheit nicht trüben und verwirren. Es soll sich ja eben nicht handeln um ein in's Einzelne durchgeführtes Bild eines Lebens, das wir doch nicht in den Rahmen der gewöhnlichen Biographie einfassen können, sondern es handelt sich um die Anschauung einer Physiognomie, die mit unverkennbaren Zügen innerer Wahrheit auch aus der unvollkommensten Zeichnung uns anschaut. Ja, es ist schon öfters bemerkt worden, wie gerade die Mangelhaftigkeit der Berichterstattung, die ein unbefangener Bibelleser bei unsern Evangelien theilweise zugeben muß, das Zutrauen in die Wahrhaftigkeit ihrer Aussagen erhöht. Wohl haben wir in der alten Litteratur Geschichtschreiber, die ihre Helden kunstreiche Reden halten laffen, von denen vielleicht nicht ein Wort gerade so gesprochen worden ist, wie sie es melden. Aber die Verfasser unserer Evangelien waren eben keine solche kunstgeübten Historiker. Ihr Mangel an Kunst, ihre theilweise Unbeholfenheit in der Darstellung verbürgt uns die Aechtheit des Diamantes, den sie uns in so schlichter Fassung darbieten, und von allen Hypothesen, die je über die Abfassung der Evangelien aufgestellt worden sind, ist keine unglücklicher als die, welche bewußte schriftstellerische Tendenzen oder gar parteisüchtige Combinationen bei ihnen voraussetzt, deren ste durchaus nicht fähig waren.

Wohl hat jeder der vier Evangelisten uns das Bild Jesu nach feiner Weise dargestellt und es wieder gegeben, wie es in ihm Gestalt gewonnen. Matthäus hat für Juden geschrieben, und so trägt seine Darstellung auch das Gepräge des jüdischen Geschichtschreibers, der die Geschichten des neuen Bundes überall anknüpft an das Alte, und überall die Erfüllung dessen sieht, was dort

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