صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني
[ocr errors]

Vierte Vorlesung.

Außerevangelische Berichte über Jefum. (Sueton. Tacitus. Josephus.) Christliche Mythenbildung. Die Kindheit Jesu und die Kindheits- Evangelien. Die Akten des Pilatus und das Evangelium Nicodemi. Der Briefwechsel mit Abgarus. Bildnisse von Christo. Der Brief des Sagenhaftes Die ersten Jünger und Apostel des Herrn. über den Apostelkreis und die Einzelnen der zwölf Apostel.

Lentulus.

Nach dem, was wir in der vorigen Stunde über die Person des Stifters der Kirche vernommen und worüber wir uns ein für allemal zu verständigen gesucht haben, bleibt uns jezt noch übrig, die dürftigen Brosamen zu sammeln, die sich über das Leben Jesu bei den Schriftstellern außerhalb des neuen Testamentes finden. Und da werden wir dann gewiesen sowohl an die heidnischen Schriftsteller, als an die jüdischen. Daß die heidnischen, näher, die römischen Geschichtschreiber uns beinahe gar nichts von dem Auftreten Christi melden, kann uns nur dann befremden, wenn wir von unserm historischen Gesichtskreise aus die Sache beurtheilen. Wie die physische Welt ganz anders angesehen wurde zu einer Zeit, da die Erde für den Mittelpunkt des Weltalls galt, als jezt, da wir sie als einen verschwindenden Punkt im Universum zu betrachten. gewohnt sind, so war es auch in der moralischen Welt. Für den Römer war das römische Reich seine Welt. Was in einer entlegenen Provinz als religiöse Bewegung vorging, das wurde wenig beachtet. Wissen wir doch, wie selbst Pilatus mitten in dem Strome dieser Bewegung drin, Jesum als Schwärmer bemitleidete, und durch seine Frage: bin ich ein Jude? zu verstehen gab, daß ihn

die innern Religionsstreitigkeiten dieses Volkes wenig berührten. Erst da, wo eine religiöse Bewegung in's politische Leben überzugreifen und also den römischen Staat zu berühren drohte, erst da wurde die Aufmerksamkeit des Römers wach. Erst als die Christen oder die Christianer, wie man sie nannte, anfingen, als eine Partei im Staate bekannt zu werden, erst da wurde gelegent= lich auch nach dem Stifter dieser wunderlichen Secte gefragt, und wie verworren darüber die Nachrichten lauteten, beweist uns die Notiz, die uns Sueton giebt, wo er von einem Aufruhr der Juden in Rom unter Kaiser Claudius, in dem Leben dieses Kaisers Meldung thut; ein Aufruhr, in Folge dessen der Kaiser die Juden aus Nom vertrieb. Da sagt er: der Anreger dieses Aufruhrs sei ein gewisser Chreftus gewesen 1). Ob Sueton mit diesem Chreftus wirklich Christus meinte, ist noch zweifelhaft. Wenn er ihn damit gemeint hat, so zeigt es eben, wie ungenau er berichtet war, denn was hatte Christus, der damals nicht mehr auf Erden wandelte, mit jenem Aufruhr in Rom zu thun? Deutlicher und in ächt historischem Style redet der treffliche Tacitus in einer Stelle sei= ner römischen Jahrbücher 2) von Christo. Er erzählt den Brand in Rom unter Nero und meldet, daß der tyrannische Kaiser die Schuld dieses Brandes auf die Christen geworfen. „Der Urheber dieses Namens, fährt er dann fort, ist Christus, der unter der Negierung des Tiberius durch den Procurator Pontius Pilatus hingerichtet worden." Aber das ist auch Alles. Spätere Erwäh= nungen des Namens Christi bei römischen Schriftstellern, zu einer Zeit, da die Evangelien schon geschrieben und verbreitet waren, haben keine Bedeutung mehr für uns.

Wenn wir nun aber auch begreiflich finden, daß die römischen Schriftsteller so vornehm kalt an dem jüdischen Sectenstifter vorüber gehen, so müßte es uns schon mehr auffallen, wenn der Geschicht= schreiber des jüdischen Volkes selbst, der beinahe Christo gleich)= zeitige Flavius Josephus, uns nichts von ihm meldete. Nun aber findet sich wirklich bei Josephus eine Notiz über Christus. Nachdem er von den Bedrückungen des Pilatus gehandelt, fährt

1) Sueton, vita Claudii c. 25: Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantes Roma expulit.

2) Annal. XV, 44.

1

er im achtzehnten Buchh seiner Antiquitäten, dem dritten Kapitel also fort: „Um diese Zeit stand ein gewisser Jesus auf, ein weiser Mann, wenn man ihn anders einen Mann nennen darf; denn er war ein Wunderthäter und ein Lehrer der Menschen, die mit Vergnügen die Wahrheit aufnahmen, und viele Juden, auch viele von den Heiden (Griechen) zog er an sich. Dieser war der Messias (Christus), und auch nachdem Pilatus ihn auf die Anzeige der Vornehmsten unter uns hatte kreuzigen lassen, ließen die nicht von ihm ab, die ihn zuvor geliebt hatten. Er erschien ihnen auch am dritten Tage wieder lebend, indem die göttlichen Propheten dieses und tausend andere Wunderdinge von ihm verkündet hatten. Bis auf diesen Tag hat das Volk der von ihm so genannten Christen nicht aufgehört." Dieses Zeugniß des Josephus von Christo hat indessen der historischen Kritik mancherlei Anstoß gegeben, obgleich es in allen uns bekannten Handschriften seines Werkes sich findet. Und in der That kann es auffallen, daß ein Jude wie Josephus von dem Herrn also redet, wie nur ein Christ von ihm reden konnte. Er nennt ihn einen Wunderthäter, das möchte noch angehen aber er nimmt sogar Anstand, ihn einen Mann, einen Menschen zu nennen; er nennt ihn einen Lehrer der Wahrheit, er glaubt an die Thatsache seiner Auferstehung oder doch seines Wiedererscheinens im Leben auf irgend eine Weise, und endlich sieht er in ihm die Weissagungen der Propheten erfüllt. Konnte ein Jude also von Christo reden? hätte er, da er der Wahrheit also die Ehre gab, nicht auch Christ werden sollen? ja hätte er als Jude dieses schreiben dürfen? Diese Zweifel haben Viele be wogen, die Stelle für eingeschoben zu halten, was in so fern möglich wäre, als der Zusammenhang der Erzählung durch sie allerdings unterbrochen erscheint 3). Andere haben bloß theilweise Verfälschungen des Tertes angenommen, so daß möglicher Weise Josephus weniger gesagt, und dann eine christliche Hand später dem Zeugniß nachgeholfen hätte. Das Ursprüngliche würde dann etwa so lauten: „Um diese Zeit stand ein gewisser Jesus auf, ein weiser

3) Als Grund dagegen läßt sich auch anführen, daß die christlichen Apologeten der ersten Jahrhunderte von dieser Stelle, die ihnen sehr gedient hätte, gar keinen Gebrauch machen. Euseb von Cäsarea_(im 4. Jahrh.) erwähnt ihr zuerst, bist. eccles. I, 11. demonstr. evang. III, 5.

Mann und Wunderthäter, und viele der Juden und Griechen zog er an sich, und nachdem Pilatus ihn auf die Anzeige der Vornehmen unter uns hatte kreuzigen lassen, ließen die nicht von ihm ab, die ihn zuvor geliebt hatten. Bis auf diesen Tag hat das Volk der nach ihn so genannten Christen nicht aufgehört." Es ist schwierig, wo nicht unmöglich, hierüber ein sicheres Urtheil festzustellen. Daß Josephus Jesum gänzlich sollte mit Stillschweigen übergangen haben, während er später 4) Johannes den Täufer mit Chren erwähnt, ist eben so auffallend, als es unwahrscheinlich ist, daß er von Christo also geredet haben soll, wie der gewöhnliche Tert seines Werkes ihn reden läßt. So viel von den dürftigen und zum Theil noch zweifelhaften Berichten der römischen und jüdischen Historiker.

In ein anderes Gebiet gehören die offenbaren Dichtungen, womit das historische Bild Christi frühzeitig übersponnen worden ist, von denen aber die Kirchengeschichte um so weniger Umgang nehmen kann, als ja diese Dichtungen selbst wieDer einen nicht unwichtigen Beitrag ‍zu ihr geben. Lernen wir aus ihnen auch nicht Christum kennen nach der Wahrheit, so spiegelt sich doch in ihnen der Geist der Zeit. Ueberhaupt giebt es ja keine geschichtliche Größe, die nicht in das Reich der Dichtung, bald in bewußter, bald in unbewußter Weise hineingezogen worden wäre. Je lückenhafter nun vollends die historischen Berichte über das Leben Jesu waren, desto näher lag der Reiz, diese Lücken auszufüllen ; je wunderbarer die geschichtliche Erscheinung an sich selbst war und ihrer Natur nach sein mußte, desto näher lag die Versuchung, das an sich Wunderbare bis in's Phantastische und Mährchenhafte auszubilden; jemehr sich die fromme Phantasie mit Christus beschäftigte, desto reichern Spielraum erhielt sie zu solchen Dichtungen.

Es ist schon oft beklagt worden, daß wir über die Jugendjahre Jesu so wenig wissen. Nur einer der biblischen Evangelisten hat uns eine kurze, aber vielsagende Erzählung hinterlassen von dem Besuche des zwölfjährigen Knaben im Tempel 5). Wie schön und einfach ist diese Erzählung! Wie bedeutsam das Wort, das der verloren geglaubte Knabe zu seinen Eltern spricht, die ihn im

[merged small][ocr errors]

Tempel unter den Lehrern finden: Wisset ihr nicht, daß ich sein muß in dem, was meines Vaters ist? Eine hohe Ahnung seiner Gottessohnschaft! Und doch dabei die reine, naturgemäße Menschlichkeit so schön bewahrt! Jesus erscheint hier ganz als Knabe, und tritt bei all den Spuren einer höhern Begabung nicht aus der Sphäre des Kindlichen heraus! Er lehret nicht vorlaut im Tempel; er beschränkt sich darauf, die Lehrer zu fragen, die allerdings über die Hoheit seines Geistes sich wundern. Und was das Wichtigste, er bleibt unterthan seinen Eltern, und nach dem menschlichen Ge= seg der Entwicklung nimmt er zu wie an Alter, so auch an Weisheit und Verstand, an Gnade bei Gott und den Menschen. Wie ganz verschieden von diesem Bilde sind die Erzählungen der apokiyphischen Kindheitsevangelien, von denen die einen schon im dritten Jahrhundert bekannt waren, während andere noch in spätern Zeiten fabricirt und noch obendrein von Juden und Mahomedanern verunstaltet wurden. Nach diesen Erzählungen geschehen nicht nur eine Menge Wunder am Kinde, sondern auch durch das Kind. Einige dieser Wunder haben wenigstens etwas Sinniges und Zartes, andere dagegen verfallen in's Plumpe und Abenteuerliche der Mährchenwelt 6). So mögen wir es uns als sinnige Dichtung gefallen lassen, wenn auf der Flucht nach Egypten ein Palmbaum seine Zweige zu Maria herunter neigt, fie und das Kind mit ihrer Frucht zu erquicken und dann an der Wurzel des Baumes ein Quell lebendigen Wassers entspringt, oder wenn aus den ersten Schweißtropfen des Kindes Balsam hervorquillt. Aber schon materieller lauten die Sagen aus dem Knabenalter Jesu. Bekannt ist die Fabel, wonach er Thiergestalten aus Lehm bildet, die dann auf seinen Befehl davon laufen und davon fliegen, und sogar an das Boshafte grenzt sein Wunderthun, wenn er die Knaben, die mit ihm spielen, in Böcklein verwandelt, damit sie ihn als ihren Hirten verehren, oder wenn er rachsüchtig Andere mit Blindheit oder einem plöglichen Tode schlägt. Ich füge nur noch ein paar Erzählungen bei, die diese Kindheitsevangelien" von selbst charakterisiren. Eines Tages kommt der Knabe in das Haus eines

[ocr errors]

6) Vgl. Ullmann, Historisches oder Mythisches? u. f. w. Hamb. 1838. Eine poetische Bearbeitung dieser Kindheitssagen hat Verf. dieser Vorlesun gen in den Alpenrosen 1850 versucht.

« السابقةمتابعة »