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den Stein auf einmahl heben wollen, und alles Krumme schlecht zu machen gemeinet, welches wie bei ausgewachsenen Gliedern (adultis vitiis) ohnmöglich.

§. 20. Anigo scheinet es, daß bey uns übel ärger worden, und hat der Mischmasch abscheulich überhand genommen, also daß die Prediger auff der Canzel, der Sachwalter auff der Canzley, der Bürgersmann im Schreiben und Reden, mit erbärmlichen Französischen sein Leutsches verderbet; Mithin es fast das Ansehen gewinnen will, wann man fo fortfahret, und nichts dagegen thut, es werde Teutsch in Teutschland selbst nicht weniger verlohren gehen, als das Engelsächsische in Engelland.

§. 21. Gleichwohl wäre es ewig Schade und Schande, wenn unsere Haupt und Helden-Sprache dergestalt durch unsere Fahrlässigkeit zu Grunde gehen solte, so fast nichts Gutes schwanen machen dörffte; weil die Annehmung einer fremden Sprache gemeiniglich den Verlust der Freyheit und ein fremdes Joch mit sich geführet.

S. 22. Es würde auch die unvermeidliche Verwirrung bey solchem Uebergang zu einer neuen Sprache hundert und mehr Jahr über dauren, biß alles auffgerührte sich wieder gesezet, und wie ein Getränke so gegohren, endlich auffgeklähret. Da inzwischen von der Ungewißheit im Reden und Schreiben nothwendig auch die Teutschen Gemüther nicht wenig Verdunklung empfinden müssen. Weilen die meisten doch die Krafft der fremden Worte eine lange Zeit über nicht recht faffen, also elend schreiben, und übel denken würden. Wie dann die Sprachen nicht anders als bey einer einfallenden Barbarey oder Unordnung, oder fremder Gewalt sich merklich verändern.

§. 23. Gleichwie nun gewissen gewaltsamen Wasserschüssen und Einbrüchen der Ströhme nicht sowohl durch einen steiffen Damm und Widerstand, als durch etwas so Anfangs nachgiebt, hernach aber allmählich sich fezet, und fest wird, zu steuern; also wäre es auch hierin vorzunehmen gewesen. Man hat aber gleich auff einmahl den Lauf des Uebels hemmen, und alle fremde auch sogar eingebürgerte Worte ausbannen wollen. Dawider sich die ganze Nation, Gelehrte und Unge lehrte gestreubet, und das sonsten zum Theil gute Vorhaben fast zu Spott gemacht, daß also auch dasjenige nicht erhalten worden, so wohl zu erlangen gewesen, wann man etwas gelinder verfahren wäre.

§. 24. Wie es mit der Teutschen Sprach hergangen, kan man aus den Reichs Abschieden und andern Leutschen Handlungen sehen; Im Jahrhundert der Reformation redete man ziemlich rein Teutsch; auffer weniger Italiänischer zum Theil auch Spanischer Worte, so ver: mittelst des Kayserlichen Hofes und einiger fremder Bedienten zulet eingeschlichen, dergleichen auch die Franzosen bey sich Zeit der Catharina vom Hauß Medices gespühret, und damahls mit eignen Schrifften geahndet, wie denn etwas dagegen von Henrico Stephano geschrieben worden. Solches aber, wann es mässiglich geschicht, ist weder zu ändern, noch eben zu sehr zu tadeln, zu Zeiten auch wohl zu loben, zumahl

wenn neue und gute Sachen, zusammt ihren Nahmen aus der Fremde zu uns kommen.

§. 25. Allein wie der dreysstgjährige Krieg eingerissen und überhand genommen, da ist Leutschland von fremden und einheimischen Völkern, wie mit einer Wasserfluth überschwemmet worden, und nicht weniger unsere Sprache als unser Gut in die Rapvuse gangen; und siehet man wie die Reichs Acta solcher Zeit mit Worten angefüllet sehn, deren sich freylich unsere Vorfahren geschämet haben würden.

§. 26. Bis dahin nun war Teutschland zwischen den Italiänern, so Kayserl. und den Franzosen, als Schwedische Parthey, gleichsam in der Wage gestanden. Aber nach dem Münsterschen und Pyrenäischen Frieden hat sowohl die Französische Macht als Sprache bey uns überhand genommen. Man hat Frankreich gleichsam zum Muster aller Zierlichkeit auffgeworffen, und, unsere junge Leute, auch wohl junge Herren selbst, so ihre eigne Heimath nicht gekennet, und deßwegen alles bey den Franzosen bewundert; haben ihr Vaterland nicht nur bey den Fremden in Verachtung geseget, sondern auch selbst verachten helffen, und einen Eckel der Leutschen Sprach und Sitten aus Ohnerfahrenheit angenommen, der auch an ihnen bey zuwachsenden Jahren und Verstand bedencken blieben; Und weil die meisten dieser jungen Leute hernach, wo nicht durch gute Gaben, so bey einigen nicht gefehlet; doch wegen ihrer Herkunfft und Reichthums, oder durch andre Gelegenheiten zu Ansehen und fürnehmen Aemtern gelanget, haben solche franz-Gesinnten viele Jahre über Teutschland regieret, und solches fast, wo nicht der französischen Herrschafft (daran es zwar auch nicht viel gefehlet) doch der Französischen Mode und Sprache unterwürffig gemacht: ob sie glrich sonst dem Staat nach gute Patrioten geblieben, und zulezt Leutschland vom Französischen Joch, wiewohl kümmerlich, annoch erretten helffen.

§. 27. Ich will doch gleichwohl gern jedermann recht thun, und also nicht in Abrede seyn, daß mit diesen Franz- und Fremd engen auch viel Gutes bey uns eingeführet worden; man hat gleichwie von den Italiänern die gute Vorsorge gegen ansteckende Krankheiten, also von den Franzosen eine bessere Kriegs-Anstalt erlernet, darin ein freyherrschender grøffer König andern am besten vorgehen können; man hat mit einiger Munterkeit im Wesen die Leutsche Ernsthaftigkeit gemässiget, und sonderlich ein und anders in der Lebens-Ar: etwas besser zur Zierde und Wohlstand, auch wohl zur Bequemlichkeit eingerichtet, und, so viel die Sprache selbst betrifft, einige gute Redens-Arten als fremde Pflanzen in unsere Sprache felbft verscßet.

f. 28. Derowegen wann wir nun etwas mehr als bißher Teutsch gesinnet werden wolten, und den Ruhm unserer Nation und Sprache etwas mehr beherzigen möchten, als einige dreyssig Jahr her in diesem gleichsam Französischen Zeit- Wechsel (periodo) geschehen; so könnten wir das Böse zum Guten kehren, und selbst aus unserm Unglück Nußen schöpffen, und sowohl unsern innern Kern des alten ehrlichen Teutschen wieder herfür suchen, als solchen mit dem neuen äusserlichen, von den Frangosen und andern gleichsam erbeuteten Schmuck ausstaffieren.

S: 31. Das Haupt-Absehen wäre zwar der Flor des geliebten Vaterlandes Teutscher Nation, sein besonderer Zweck aber und das Vornehmen (oder object) dieser Anstalt wäre auf die Teutsche Sprache zu richten, wie nehmlichen solche zu verbessern, aufzuzieren und zu untersuchen.

S. 32. Der Grund und Boden einer Sprache, so zu reden, sind die Worte, darauff die Redens Arten gleichsam als Früchte herfür wachsen. Woher dann folget, daß eine der Haupt-Arbeiten, deren die Leutsche Haupt-Sprache bedarff, seyn würde, eine Musterung und Untersuchung aller Teutschen Worte, welche, dafern sie vollkommen, nicht nur auf diejenige geben soll, so jederman brauchet, sondern auch auf die so gewissen Lebens-Arten und Künste eigen; und nicht nur auf die so man Hochteutsch nennet, und die im Schreiben anjezo allein herrschen; sondern auch auff Plat-Teutsch, Märckisch, Ober-Sächsisch, Fränkisch, Bayrisch, Oesterreichisch, Schwäbisch, oder was sonst hin und wieder bey dem Landmann mehr als in den Städten bräuchlich; Auch nicht nur was in Teutschland in Uebung, sondern auch was von Leutscher Herkunfft in Holl- und Engelländischen, wozu auch für nehm lich die Worte der Nord-Teutschen, das ist, der Dänen, Norwegen, Schweden und Isländer (bey welchen leztern sonderlich viel von unser uralten Sprach geblieben,) zu ziehen: und lezlichen nicht nur auff das so noch in der Welt geredet wird, sondern auch was verlegen und abgangen, nehmlichen das Alt-Gothische, Alt-Sächsische und Alt-Fränkische, wie sichs in uralten Schrifften und Reimen findet, daran der treffliche Opiz selbst zu arbeiten gut gefunden. Denn anders zu den wahren Ursprüngen nicht zu gelangen, welche offt die gemeinen Leute mit ihrer Aussprache zeigen, und sagt man, es habe dem Kayser Marimilian dem I. einsmahls sonderlich wohl gefallen, als er aus der Aussprache der Schweizer vernommen, daß Habsburg nichts anders als Habichtsburg sagen wolle.

§. 33. Nun wäre zwar freylich hierunter ein grosser Unterscheid zu machen, mithin was durchgehends in Schrifften und Reden wackerer Leute üblich, von den Kunst- und Land-Worten, auch fremden und veralteten zu unterscheiden. Ander Manchfeltigkeiten des gebräuchlich en selbst aniego zu geschweigen, wären derowegen besondere Werke nöthig, nehmlich ein eigen Buch vor durchgehende Worte, ein anders vor Kunst Worte, und leztlich eines vor alte und Land-Worte, und solche Dinge, so zu Untersuchung des Ursprungs und Grundes dienen, deren erstes man Sprachbrauch, auff Lateinisch Lexicon; das andre Sprachschay, oder cornu copiae; das dritte Glossarium, oder Sprachquell nennen möchte.

§. 34. Es ist zwar auch an dem, und verstehet sich von selbsten, daß die wenigsten derer so an Verbesserung der Sprache arbeiten wolten, sich des Alt-fränckischen und des ausser Teutschland im Norden und Westen gleichsam walfahrenden Teutschen Sprach-Restes, so wenig als der Wayd-Sprüche der Kunstler und Handwerker, und der Landworte des gemeinen Mannes, anzunehmen haben wurden. Weil solches vor eine gewisse Art der Gelehrten und Liebhaber allein gehöret.

§. 35. Alleine es gehöret doch gleichwol dieses alles zur vollS. kommenen Ausarbeitung der Sprache, und muß man bekennen, daß die Franzosen hierinn glücklich, indem sie mit allen drey oberwähnten Werken, so ziemlich in ihrer Sprache nunmehr versehen, indem die so genandte Französische Academie nicht allein ihr lang versprochenes Haupt-Buch der läuffigen Worte heraus gegeben, sondern auch was vor die Künste gehöret, vom Furetiere angefangen, und von einem andern Glied der Academie fortgesezet worden. Und obschon darinn aus dermaffen viel Fehler und Mängel, so ist doch auch sehr viel Gutes darunter enthalten. Diesem ist das herrliche Werck des hochge= lehrten Menage, wie es nun vermehret, beyzufügen, welcher den Ursprung der Worte untersucht, und also auch das Veraltete, auch zu Zeiten das Bäurische, herben gezogen.

§. 36. Es ist bekandt, daß die Italiänische Sprach-Gesellschafft, die sich von der Crusca genennet, bald Anfangs auf ein Wörter-Buch bedacht gewesen. Und als der Cardinal Richelieu, die Französische Academie aufgerichtet, hat er ihr auch so fort ein solches zur Arbeit aufgegeben. Sie waren aber beyderseits nur auff läuffige Worte bedacht, und vermeinten die Kunst-Wörter an die Seite zu sehen; wie auch die Crusca würcklich gethan; ich habe aber in Franckreich selbst etlichen vornehmen Gliedern meine wenige Meynung gesagt, daß solches nicht wohl gethan, und zwar, den Italiänern als Vorgängern zu gut zu halten, es werde aber von einer Versammlung so vieler trefflicher Leute in einem blühenden Königreiche unter einem so mächtigen König mehrers erwartet; inmassen durch Erklärung der Kunst-Worte die Wissenschaften selbst erläutert und befördert würden, welches auch einige wohl begriffen.

XCIV. Christian Thomasius. *)

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Aus Ch. Thomasius erstem deutschen Programm vom Jahr 1687, welches folgenden Titel führt: „Christian Thomas Eröffnet der Studierenden Jugend zu Leipzig in einem Discours, Welcher Gestalt man denen Franzosen in gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle? Ein Collegium über des Gratians Grund - Reguln, Vernünftig, klug und artig zu leben.“

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Es ist kein Zweiffel, und schon von vielen angemerket worden, daß, wenn unsere Vorfahren die alten Leutschen anizo aufferstehen und in Leutschland kommen solten, ihnen im geringsten nicht düncken würde,

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*) Christian Thomasens Allerhand bißher publicirte Kleine Teutsche Schrifften, Mit Fleiß colligiret und zusammen getragen; Nebst etlichen Beylagen und Einer Vorrede. Dritte Edition. Halle. C. Salfeld. Anno 1721." 8.

daß sie in ihrem Vaterlande und bey ihren Landsleuten wären, sondern sie würden sich vielmehr einbilden, daß sie in einem fremden Lande bey unbekandten und ganz andern Menschen sich aufhielten; so groffe Enderungen sind, ich will nicht sagen, in tausend, sondern nur in etlichen hundert Jahren darinnen fürgegangen, unter welchen nicht die geringste ist, daß, da für diesem die Franzosen bey denen Leutschen in keine sonderliche Hochachtung kommen, heut zu Tage alles bey uns Französisch seyn muß, Französische Kleider, Französische Speisen, Französischer Hausrath, Französische Sprachen, Französische Sitten, Französische Sünden, ja gar Französische Krankheiten sind durchgehends im Schwunge. Sollten wir uns nun nicht billig schämen (so wir ja nichts anders bedencken wolten) daß, wenn unsere Vorfahren einen Blick in die ißige Welt thun solten, ste anstatt ihres gleichen in Leutschland anzus treffen dasselbe mit Teutschen Franz - Männern besezet finden würden, welche von denen uhralten Gebräuchen so gar abgewichen sind. daß von selbigen fast nicht das geringste mehr, welches uns von den vorigen eine Anzeigung geben könnte, übrig blieben; ich meyne ja, ste würden uns als unechte Kinder und Bastardte ansøeyen, und uns cher mit unsern Französischen Bärtgen für feige und weibische Memmen, als ansehnliche wackere Männer achten, ich mehne, sie würden uns entweder einen derben und nachdrücklichen Verweiß geben; oder aber uns nicht einmahl ihres Zorns würdig achtende mit einem bittern Gelächter von sich stoffen.

Anf diese Weise pflegt man öfters von unserer heutigen LebensArt und Wandel zu urtheilen; aber meines Bedünkens, wenn man keine andere Ursachen wider dieselbe fürbringen kan, möchte man wohl mit diesen in Ruhe stehen, und die guten alten Leutschen in ihren Gräbern ebenfals ruhen lassen. Es ist von Anfang der Welt in denen meisten Republiquen so hergegangen, daß die Sitten und Manieren zu leben sich hin und wieder verändert haben. Eines einzelnen Menschen Wille ist veränderlich, wie solten denn so viele Menschen, aus welchen das gemeine Wefen bestehet, stets während einerley Lebens - Art behalten? Aenderungen sind wohl insgemein gefährlich, aber deswegen nicht allemahl zu verwerfen, weil man auch das gute selten ohne Gefahr erhalten kan. Dannenhero ist ungereimt, wenn man ein geändertes Leben bloß wegen der Aenderung tadeln will, ohne zu sehen, ob man das Gute mit Bösen, oder dieses mit jenem verwechselt habe. Die alten Leutschen waren wegen eines und andern billig zu loben; aber wer wollte läugnen, daß wir nicht auch in vielen Stücken einen merklichen Vortheil für ihnen aufzuweisen hätten? Sollte nun ein Leutscher von der Gattung, wie sie uns Tacitus beschreibet, oder Dieterich von Berne der edle Held elende (wie ihn das sogenannte Helden-Buch zum öftern betittelt) uns unsere Gebräuche durch hecheln wollen; so halte ich gänzlich dafür, daß ihnen ängster werden solte, als dem alten Hildebrand gewesen, da ihn der Riese bey seinem Bart erwischte, und über die Achseln schleuderte. Meine Herren, wenn sie etway teutsche Bücher, so für ein paar hundert Jahren geschrieben worden, gelesen, und dabey

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