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so viele reformation bedürffen, als immer einiger ftande bedürfen mag. Wie gemeinlich GOtt, so oft er eine reformation, zum exempel in dem Alten Testament durch die gottselige könige, vorgehabt, solche an dem geistlichen stand hat lassen anfangen. Ich nehme mich auch nicht auß von der zahl derjenigen, welche in unserm stand bißher des ruhms manglen, den wir vor Gott und der kirchen haben sollten, sondern sche mehr und mehr, woran es mir auch selbst mangele, bereit auch von andern fernere èrinnerungen brüderlich anzunehmen. Ja, es betrübt mich nichts mehr, als daß ich fast nicht sehe, wie in solcher greulicher verderbnuß unser einer sein gewissen retten möge.

Wir müssen ja bekennen, daß nicht nur in unserm stande hin und wieder leute gefunden werden, die gleichwol auch von öffentlichen ärgernüssen nicht frey sind, sondern, daß etwa derjenigen viel weniger sind, als das erste ansehen zeigen solt, welche das wahre Christenthum (fo ja nicht bloß dahin in enthaltung von äusserlichen lastern und einem äusserlichen Moral guten Leben bestehet) recht verstehen und üben: Sondern es blicket auch bei vielen deren leben, wo es mit gemeinen und von der welt mode eingenommenen augen angesehen wird, untadelhaftig scheinet, gleichwol der welt geist in fleischeslust, augenluft, und hoffär= tigem leben, obschon etwas subtiler, jedoch also herausser, daß sich erkennen läßt, man habe noch das erste practische principium des Christenthums, die verläugnung sein selbst niemahl mit ernst vorgenommen.

Man sehe auff die art der suchenden beförderungen, änderungen, lehr, und allerhand verrichtungen; aber mit so liebreichen als auch mit dem liecht des geistes erleuchteten augen. Was gilts, ob man nicht von vielen, von denen man gern auß Christlicher liebe besser urtheilen wollte endlich doch dergleichen finden werden, was solche selbst nicht sehen, wie tief sie noch in der alten geburt stecken, und die rechte kennzeichen der wiedergeburt in nichts thätlich haben? So möchte Paulus noch an vielen orten klagen Phil. 2, 21. Sie suchen all das ihre, nicht das Christi Jesu ist.

Nun gibt solches nicht nur grosses ärgernuß, wo es erkannt wird. Ja, das größte ärgernuß ist schon vorhanden, da es nicht erkannt wird, und die leute (die allzeit, nach der unart unser natur lieber nach exempeln als der lehr urtheilen) in die gedanken kommen, das seh schon das rechte Christenthum, so sie an ihren predigern sehen, und dörften sie nicht weiter gedenken. Sondern das aller betrüblichste ist, daß von solchen vielen Predigern ihr leben und der mangel der glaubens früchte anzeiget, daß es ihnen selbst an dem glauben mangele: Und dasjenige, so sie vor glauben halten, auch aus welchen sie lehren, durchaus nicht der rechte, auß des Heiligen Geistes erleuchtung, zeugnüß und versteglung auß Göttlichem wort erweckte, glaube, sondern eine menschliche einbildung seye. Da sie aus der schrifft, aber allein dero buchstaben, ohne würkung des Heiligen Geistes auß menschlichem Fleiß, wie andere in andern Studiis dardurch etwas erlernen, die rechte lehr zwar gefaßt, solcher auch beypflichten, und sie andern vorzutragen wissen, aber von dem wahren himmlischen liecht und leben des glaubens ganz entfernet sind.

XCI. Daniel Caspar von Lohenstein.

(1635 — 1683.)

Aus dem Roman: Arminius und Lusnelda. *)

Die Schlacht im Teutoburger Wald.
(Erster Theil. S. 48.)

Der Feind war durch den Verlust Segesthens überaus bestürzt Herzog Herrmann aber durch den zweyfachen Sieg dieser deutschen Amazone gleichsam beschämet, und dahero zu einem so eifrigen Gefechte angezündet, daß kein Feind seinen Sturm ausdauren konnte. Galdus Cälius, welcher ihm begegnen wolte, ward von ihm mit dem StreitHammer zu Boden geschlagen und darüber gefangen. Ovintilius Varus, als er ihn dem Römischen Haupt- Adler so nahe kommen sahe, machte sich mit seiner Leibwache, als denen äussersten Kräfften des Römischen Heers gegen ihm herfür. Dieses waren tausend mit kupffernen Schilden und schupfichten Panzern aus dem alten Kerne der Römischen Kriegsleute ausgelesene freywillige, welche schon ihre zwanzigjährige Dienste ausgestanden und ansehnliche Kriegs- Aemter verwaltet, auch keine Wache oder andere Arbeit mehr zu vertreten, sondern nur den Feldherrn zu beschirmen hatte, und auff ihren Schilden den Nahmen des Kaysers mit Golde eingeezt führten. Diese thaten wohl ihr bestes unter ihrem ftreitbarem Führer Gäcina; und fochten nach Gelegenheit des engen oder geraumen Orts bald mit ihrem kurgen, bald mit dem langen Spanischen Degen, wormit die lincke, wie mit jenem die rechte Seite versehen war. Alleine die Keckesten wurden unverlängt von der deutschen Reuterey zu Grunde gerichtet, und der Feldherr kam dem Varus so nahe, daß, obwohl die Römischen Kriegsleute ihn mit ihren Schilden auffs möglichste verdeckten, er ihm einen Wurffspieß in die Schulter jagte; dem Ovintilius Manlius aber in Hals einen tödtlichen Stich versezte, und mit eigner Hand ihm den Römischen Adler ausriß. Nachdem auch inzwischen beyde Römische Flügel ganz aus dem Felde geschlagen waren, drang Fürst Catumer und Sasttach mit der Reuterey auff den Varus loß. Wodurch der lezte noch stehende Rest des Römischen Heeres in öffentliche Flucht, Ovintilius Varus aber in eusserste Verzweiffelung gebracht ward. Denn als er seine noch standhaltende Hand voll Volcks auff allen Seiten umringt, und nirgendshin einige Ausflucht mehr sabe, bezeugte er endlich grössere Herzhafftigkeit zu sterben als zu kämpfen,

*) Daniel Caspers von Lohenstein Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann, Als Ein tapfferer Beschirmer der deutschen Freyheit, Nebst seiner Durchlauchtigen Thusznelda, In einer sinnreichen StaatsLiebes- und Helden - Geschichte Dem Vaterlande zu Liebe, Dem deuts schen Adel aber zu Ehren und rühmlichen Nachfolge In Zwey Theilen vorgestellet, und mit annehmlichen Kupffern (von Sandrart) gezieret. Leipzig, Verlegt von Johann Friedrich Gleditschen. 1689. 4.

und redete die nächsten mit diesen Worten an: Lasset uns, ihr ehrlichen Römer, diesen legten Schlag des veränderlichen Glücks beherzt ertragen, und lieber dem Lode frisch in die Augen sehen, als aus einer bevorstehenden Gefängniß noch einige Erlösung hoffen, und also eine freywillige Entleibung einer knechtischen Dienstbarkeit fürziehen. Der stirbt desto rühmlicher, der noch einige Hoffnung zu leben übrig hat. Ich gestehe, daß uns Segesthes und die Götter unser Verderben vorher gesagt; allein wenn das Verhängniß an unser Glücks - Rad die Hand anlegt, können uns keine verträuliche Warnungen aus seiner Verfolgung entreiffen, und der Scharffsinnigsten Anschläge werden stumpff und vers wirret. Jedoch lasse ich gerne geschehen, daß der Schluß der Götter mit meinem Versehen bekleidet, und der Zufall zu meinem Verbrechen gemacht werde. Mein Großvater Sertus Varus hat in der Pharsalischen Schlacht durch seine eigene, mein Vater Varus Ovintilius in dem Philippinischen Kriege durch seines freygelassenen Hand sich lieber hingerichtet ehe sie sich der Willkühr ihrer Feinde, die doch Römer waren, unterwerfen wollen. Ich wil es ihnen nachthun, ehe ich in dieser Barbarn Hände falle, und euch ein Beispiel, der Nachwelt aber das Urtheil hinterlassen: Ob ich durch meine Schuld, oder durch ein besonders Verhängnüß meines Geschlechts also vergehe. Crassus hat durch feine Niederlage gegen die Parther weniger Schande eingelegt, als, daß er nicht, wie Publius, Censorinus und Megabachus ihm selbst das Leben verkürget, sondern sich in die verrätherischen Hände des Surena vertrauet, und des Mararthes Sebel die Kehle dargereichet hat. Von dem Tode mehr Worte zu machen, ist ein Stücke der Kleinmüthigkeit. Wie feste ich mir zu sterben fürgesezt, könnet ihr dahero schlüssen, daß ich niemanden einige Schuld beymesse. Denn sich über Menschen und Götter beklagen, stehet nur dem an, der länger zu leben begehret. Ein König aber soll seines Reiches, ein Knecht seines Herrn, ein Kriegsz mann seines Obersten, ein Feld - Hauptmann seines Heeres Wohlstand nicht überleben. Hiemit umhüllete er mit seinem Goldgestückten PurpurMantel sein Haupt, und stach seinen Degen ihm biß an den Griff ins Herze. Also verhüllete sich auch der ermordete Pompejus und Julius, wormit niemand ihre sterbenden Ungeberden sehen möchte. Die für nehmsten und hershaffteften thaten es ihrem Heerführer nach, und benahmen durch eigene Entseelungen dem Feinde die Lust und die Ehre von seinen Streichen zu fallen. Andere, welche gleich noch genugsame Kräffte zu fechten hatten, warffen ihr Gewehre weg, und reichten aus Verdruß zu leben, ihre Hälse den feindlichen Schwerdtern hin. Zumal von denen neun Obersten dieser anderthalb Legionen, nur noch einer, von den neunzig Hauptleuten mehr nicht als ihrer fünff übrig waren. Die Flüchtigen worden von der Reiterey zu Boden gerennt, die liegenden von den Pferden ertreten, die stehenden wie das Vich zerfleischt, also, daß das Feld nunmehro keine Gestalt eines Kampfplages, sondern einer Schlachtbank fürstellte. Sesitach ward über des Varus und anderer Obersten eigner Entleibung sehr verbittert, weil er mit seiner Reiterey fie lebendig in die Hände zu bekommen ihm eingebildet hatte, und

dahero sprang er selbst vom Pferde, schnitt den Kopf des Varus Leiche ab, und steckte selbten, nach der Deutschen und Gallier Gewonheit, und den Römern desto mehr Schrecken zu machen, auff eine Lanze. Das ganze Feld ward mit Todten bedecket, und die zwischen denen Hügeln dieses Forstes lauffenden Bäche von dem Blute der Erschlagenen auffgeschwellet, insonderheit an denen drey engen Furthen, wodurch das Römische Heer seine Flucht zurücke nahm. Ihr jämmerlicher Zustand aber ward dardurch vergröffert, daß Vala Numonius nnd seine zum ersten durchgangene Reuterey, Cäditius, welcher zwischen denen Pässen noch über zwölfftausend streitbare Männer wieder zusammen gezogen und in Ordnung bracht hatte, in Meinung mit der bald anbrechenden Nacht noch nach der Catten Festung zu entrinnen, ingleichen Britomar und Arbogast mit mehr als zehn tausend Galliern gerade auff den Herzog Jubil traffen, welchen der Feldherr dem Feinde in den Rücken zu gehen befehlicht hatte. Es ist unschwer zu ermessen, was denen Römern die Müdigkeit von einer so hefftigen Schlacht, einem siegenden Feinde auff dem Rücken, und einem frischen von fornen zu begegnen, für Hinderniß schaffte, ja was die Furcht, allwo des Pöfels Träume sowohl als kluger Leute Gutachten gehöret werden, für felgame Meinungen auff die Bahn brachte. Einer rieth sich durch den frischen und vielleicht nicht allzugroffen Hauffen des Hermundurischen Herzogs durchzuschlagen, und, weil doch das zwar nähere Läger keine Sicherheit, die Festung Alison aber keinen genugsamen Raum und Lebens - Mittel schaffen könte, den Anfangs schon erkieseten Weg gegen der Cattenburg oder gar an den Rhein fortzusehen. Ein ander hielt diß für ein ver: zweifelt Werck, und wolte, daß, nachdem Cejonius mit dem größten Theil des lincken Flügels und dem einigen noch erhaltenen Adler sich wieder in das Läger gezogen hätte, man dahin folgen, sich darinnen biß auff den lezten Mann wehren, und von denen zwey Legionen, welche Lucius Asprenas nicht allzuweit von ihnen unter seinem Gebiete hatte, Hülffe erwarten solte. Wie nun die Zwytracht in Begebenheiten, welche keine langsame Rathschläge erdulden, der geradeste Weg zum Verderben ist; also wartete Herzog Jubil die Erörterung ihres Zweiffels nicht aus, sondern bediente sich der wider die Uneinigkeit höchst vortheilhafften Ge schwindigkeit. Einem flüchtigen Feind jagt auch ein rauschendes Blat Schrecken ein. Was solte nicht dieser freudige Held, mit seinen streit baren und unermüdeten Völckern, gegen die, welche zum ersten ausgerissen und allhier zwischen Thür und Angel waren, ausrichten? Fürst Jubil traff selbst in Person auff den Numonius, und durchrennete ihn mit seiner Lange; also fiel dieser verzagte Ausreiffer nicht nur schimpfflicher, sondern auch eh, als die, welche er im Stiche gelassen hatte. Britomar ward von ihm durch einen Wurffspieß hefftig verwundet, und nachdem von einer Seiten dieser Herzog, auff der andern das ganze obstegende Heer mit aller Gewalt nachdrungen, muste dieser Ueberrest des Feindes in den Wohnstädten der wilden Thiere ihre Sicherheit suchen, und ein Hauffen hier, der ander dort sich in die dickesten Wälder verkriechen. Alleine auch in diesen wären sie von ihren Feinden

nicht unverfolget blieben, wenn nicht die stockfinstere Nacht mit einem hefftigen Plazregen eingebrochen, und die schwarzen Wolcken das sonst volle Monden Licht ganz verdüstert, und also dem Todschlagen nicht so wohl ein Ende, als einen Anstand gemacht hätte.

Der Feldherr ließ bey dieser Begebenheit selbst Befehl und Zeichen: geben, daß die Deutschen bey so gefährlicher Finsterniß und schlüpfrigem: Wetter ihren Feind in die morastigen Wälder nicht verfolgen, sondern: mit der auffgehenden Sonnen der Römer und ihrer Gehülffen endlichen. Untergang erwarten solten. Gleichwol besezte er die Wälder um und um an denen Orten, wo er meinte, daß irgends der dieser Wildnüßer. kundige Feind zu entrinnen, ihm einigen Weg suchen dörffte. Er verordnete auch, daß aus denen umliegenden Flecken dem Heere, welchesnun gleichsam den ganzen Forst belägerte, ein Ueberfluß von Lebensmitteln, welche der Deutschen Kriegs- Sold sind, zuführten. Wie sehr sie nun sonst auch dem Schlaffe ergeben sind, und von der langen Schlacht ermüdet waren, so ermunterte sie doch dieser herrliche Sieg dergestalt, daß wenig oder keiner ein Auge zuthat. Denn die, welche nicht ihre eigene oder ihrer Angehörigen empfangene Wunden zu verbinden, noch die Schwachen ins Läger zu führen hatten, machten sich auff der Wahlstatt und um den Forst herum bey etlichen tausend Wachund Freuden Feuern mit Gesundheit - Trincken, Jauchzen und Lobge=: sängen ihrer Feld- Herren und Heerführer lustig. Unter die Kriegsknechte mischten sich nun auch die Barden, sangen von dem deutschen Hercules vielerley Lieder, und zohen mit einem freudigen Nachklange ihm endlich doch den großmüthigen Herrman für.

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So vergnügt sich nun bey diesem Wolleben die Deutschen befanden; so elende ging es denen Ueberwundenen, wider welche der Himmel nunmehro selbst sich verschworen zu haben schien. Denn den entstandenen Regen begleitete ein solch erschrecklicher Sturmwind, welcher nicht nur die Aeste und Wipfel der Bäume zerbrach, sondern auch die stärkesten Stämme mit den Wurzeln aus der Erden riß, und sie denen ohne diß halb todtgeschlagenen auff die Hälse warff. Die aber, welche diesem Ungewitter zu entkommen vermeinten, und aus dem Gehölze hervor krochen, wurden von denen allenthalben wachsamen Deutschen wie die Hunde zerfleischet. Das ganze Gefilde erbebete von unauffhörlichem Widerschall, bald von dem Frolocken der Sieger, bald von dem Krachen der Bäume, bald von dem Angst - Geschrey der Zerschmetterten, und stellte auff einmahl den selhamen Wechsel der irrdischen Dinge für, daß selten einer lachen könne, wenn nicht der andere weine. Dieses Unheil ward vermehret noch durch dieses Herzeleid, daß grösten theils der Römer ihre Weiber und Kinder, welche sie wider die alten KriegsGeseze der Römer bey sich, und die Nacht zuvor aus dem Läger mitgeführet hatten, von diesem Sturm - Winde überfallen, die Weiber offt in den Armen ihrer Ehmänner, die säugenden Kinder auff den Brüsten ihrer Müttter zerqvetscht worden. Ja es brach einigen diß jämmerliche Schauspiel dergestalt ihr Herze, daß sie, ans Erbarmniß, ihrer eigenen Kinder und Ehegatten Elend durch Mord zu verkürzen sich entschlossen.

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