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II. Joh. Christ. Gottsched.

(1700

1766.)

1. Aus der „Critischen Dichtkunst.“ *) a. Vom guten Geschmack.

(S. 135.)

So müssen sich denn die Poeten niemals nach dem Geschmacke der Welt, das ist, des großen Haufens, oder des unverständigen Pöbels richten. Dieser vielköpfigte Göße urtheilt oft sehr verkehrt von Dingen. Er muß vielmehr suchen, den Geschmack seines Vaterlandes, seines Hofes, seiner Stadt zu läutern; es wäre denn, daß dieses schon vor ihm geschehen wäre. Es geschieht aber niemals ganz vollkommen; und es bleibt auch in dem gescheidesten Volke allezeit ein Ueberreft des übeln Geschmackes zurücke. In Rom hatten Terentius und Lucretius schon einen ziemlich reinen und zarten Geschmäck erwiesen. Doch klagt Horaz sowohl in seinem langen Briefe an den Kaiser, als in seiner Dichtkunst: daß tie Römer noch an den plautinischen Zoten, und an Lucils unrei nen Possen ein Belieben trügen. Bavius und Mävius fanden auch ihre Anbether. Hätten sich nun Virgil und Varius nach dem Geschmacke der sonst so klugen Römer richten wollen: was würden sie für elendes Zeug haben schreiben müssen? Sie suchten also vielmehr mit ihren Werken wider den gemeinen Strom zu schwimmen, und waren zufrie den, daß sie wenigen Kennern gefielen.

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Woher der üble Geschmack des großen Haufens komme? das ist aus dem obigen leicht abzunehmen. Die schlechte Auferziehung ist sonder Zweifel die allergemeinste Quelle desselben, und dadurch wer den auch die fähigsten Köpfe verwahrloset. Weil die Kinder durchge hends nur durch die Nachahmung urtheilen lernen: so gefällt ihnen gleich von Jugend auf das, was sie von ihren Aeltern, oder andern Leuten, denen sie was zutrauen, loben hören. Die ersten Urtheile werden also unvermerkt eine Richtschnur der übrigen, und nachdem sie durch eine lange Gewohnheit gleichsam tief eingewurzelt sind, so können sie fast gar nicht mehr ausgerottet werden. Der Geschmack alter Leute läßt sich also schwerlich bessern. Sie bleiben fest in ihren Meynungen, und schämen sich, dasjenige zu verwerfen, was sie ihr Lebenlang für schön gehalten haben. Man mag ihnen sagen, was man will; so bleiben sie doch auf ihrem Eigensinne: weil sie es für schimpflich ansehen, sich bei grauen Haaren in ihren Urtheilen zu ändern, und dadurch einzuräumen, daß sie so lange geirret und einen übeln Geschmack` gehabt:

*) Versuch einer Critischen Dichtkunst durchgehends mit den Erempeln unserer besten Dichter erläutert. Anstatt einer Einleitung ist Horazens Dichtkunst überseht, und mit Anmerkungen erläutert. Diese neue Ausgabe ist, sonderlich im II Theile, mit vielen neuen Hauptstücken vermehret, von Johann Christoph Gottscheden. Vierte sehr vermehrte Auflage. Leipzig. B. Ch. Breitkopf. 1751. 8.

zumal, wenn sie Leuten, die jünger sind, als ste, recht geben, und folgen sollen.

Entweder weil man nichts für recht und richtig hält,
Als was man selber liebt, was seinem Sinn gefällt;
Wonicht, weil man sich soll nach jüngern Leuten richten,
Und was man jung gelernt, im Alter selbst vernichten.

Junge Leute hingegen können leichter ihren Geschmack ändern, wenn sie gleich bereits verwöhnet worden. Sie sind in ihrer Meinung noch so sehr nicht verhärtet; sie trauen ihren Urtheilen noch keine solche Unfehlbarkeit zu, daß sie nicht auch zuweilen falsch seyn könnten: sie geben also eher der gefunden Vernunft Gehör, und begreifen die Richtigkeit der Regeln gar leicht. Ja wenn man ihnen gleich nicht die Gründe des guten Geschmacks und die Quellen wahrer Schönheiten entdecken und begreiflich machen kann; weil sie etwa nicht studiret haben, oder sonst die gehörige Fähigkeit nicht besigen: so lernen sie doch aus der bloßen Empfindung endlich recht urtheilen. Man darf ihnen nur etwas Schönes zeigen, und sie aufmerksam darauf machen: sogleich wer den sie es gewahr. Denn mehrentheils gefällt ihnen deswegen das Schlechte, weil sie noch nichts bessers gesehen haben: nicht anders, wie mancher bloß daher in eine mittelmäßige Gestalt verliebt ist; weil er noch keine Gelegenheit gehabt, eine rechte Schönheit kennen zu lernen. Man zeige nur einem solchen Liebhaber eine vollkommenere Person, als seine vermeinte Halbgöttin ist: er wird ihrer entweder gar vergessen ; öder doch zum wenigsten den größten Theil seiner Hochachtung gegen dieselbe verlieren. Indessen ist es nicht zu läugnen, daß auch junge Leute zuweilen von dem schon ziemlich eingeführten guten Geschmacke muthwillig abweichen, und auf einen weit schlimmern verfallen. Dieses wiederfährt stolzen und ehrsüchtigen Köpfen, die sich, es koste was es wolle, durch etwas neues und seltsames unterscheiden wollen. Der gebahnte Weg ist ihnen zu verächtlich: sie wollen sich durchaus hervorthun, und wenn es gleich durch Thorheiten sein sollte. Sie ahmen also auch die Fehler großer Leute, auch offenbare Abweichungen von Regeln der Vernunft nach; und verführen wohl gar durch ihr Exempel

andre.

Die Verbannung des Hanswurst's von der Bühne.

(S. 652.)

Von der Lustigkeit im Ausdrucke möchte mancher fragen, wie man dazu gelangen könne? Ich antworte, das Lächerliche in den Komödien muß mehr aus den Sachen, als Worten bestehen. Die seltsame Aufführung närrischer Leute, macht sie auslachenswürdig. Man sehe einen Bramarbas und Stiefelius, einen deutschen Franzosen und politischen Kannengießer in unserer Schaubühne an: so wird man sich des Lachens nicht enthalten können; obgleich kein Wort an sich lächerlich ist. So macht auch der Bock im Processe und Hypochondrist gewisse Fehler der Juristen und Aerzte höchst lächerlich: der ungleichen Heirath zu geschweigen, die den Stolz auf die Wapen und den alten Adel, ingleichen die

ausschweifende Lust zum Jagen, auch ohne possirliche Worte, durch sich selbst zum Gelächter macht. Dieses ist nur das wahre Belustigende in der Komödie. Allein kleine Geister, die keine Einsicht in die Morale besigen, und das ungereimte Wesen in den menschlichen Handlungen weder wahrnehmen, noch satirisch vorstellen können, haben sich auf eine andre Art zu helfen gesucht. Sie haben das Lächerliche nicht in den Sachen, sondern in närrischen Kleidungen, Worten und Gebärden zu finden gemeynet. Daher haben Harlekin und Scaramuß die Hauptpersonen ihrer Lustspiele werden müssen. Diese müssen durch bunte Wämser, wunderliche Posituren und garstige Fragen, dem Pöbel zum Gelächter reizen. Von diesen allen haben die Alten nichts gewußt: und es gehört mit unter die phantastischen Erfindungen der Italiener, die jemand in der Vorrede zu einer französischen Komödie, Harlequin aux Champs Elisées, verspottet hat. Siehe des Peter Poree Nede: ob die Schaubühne eine Schule guter Sitten seyn kann? so, wie der Herr Professor May dieselbe übersehet, und mit einer feinen Abhandlung vermehret hat.

Lerenz hat seine Komödie, ohne eine lustige Person, lächerlich genug zu machen gewußt: das neue französische Theater hat gleichfalls bisher keinen Harlekin nöthig gehabt, die Zuschauer zu belustigen; obgleich Moliere darinn ein böses Erempel gegeben hatte. Destousches, und einige andere nämlich, haben sich gar wohl ohne diese phantastische Person behelfen können: und ein Poet sezet sich wirklich in Verdacht, als verstünde er sein Handwerk, das ist, die Satire nicht; wenn er ohne die Beyhülfe eines unflätigen Possenreißers, nichts lustiges auf die Schaubühne bringen kann. Boileau hat diese schmuzigen Zoten seinen Schülern ernstlich untersagt; und den Moliere selbst nicht geschont, der sich auch oft dem Pöbel in diesem Stücke bequemet hatte. Er schreibt: Etudiez la cour, et conoissez la ville:

L'une et l'autre est toujours en modèles fertile.
C'est par là, que Molière, illustrant ses écrits
Peut-être de son art eût remporté le prix;
Si moins ami du peuple, en ses doctes peintures,
Il n'eut point fait souvent grimacer les figures;
Quitté pour le bouffon, l'agréable et le fin,
Et sans honte à Terence allié Taburin.

Hieraus ist nun leicht zu schließen, was von dem Théatre Italien und Théatre de la Foire, wo lauter abgeschmacktes Zeug vorkömmt, für ein Werks zu machen sey: darüber ein Kluger entweder gar nicht lacht, over sich doch schämt, gelachet zu haben; imgleichen was von allen deutschen Narren zu halten sey, sie mögen nun von alter Erfindung seyn, wie Hans Wurst oder Pickelhering, dessen sich Weise noch immer bedienet hat; oder auch von neuer Art, wie der sogenannte Peter, oder Crispin, oder wie sie sonst heißen mögen. Eben die Gründe, die wider jene streiten, sind auch allen diesen Geschöpfen einer unordentlichen Einbildungskraft zuwider, die kein Muster in der Natur haben.

Maschinen müssen in Komödien nicht vorkommen: weil die Götter sich in die thörichten Handlungen schlechter Leute nicht mischen. Eben darum ist Timon der Misanthrop nicht zu billigen, der in dem dritten B. der eigen. Schr. der deutschen Gesellschaft übersezt ist; weil hier der

Gott Merkur mit auftritt. Die Zaubereyen oft anzubringen, das ist auch nichts schönes; weil es nicht mehr wahrscheinlich ist: es wäre denn auf diese Art, wie es in dem Gespenste mit der Trummel geschehen ist. Gleich wohl haben die neuern Franzosen auch die Herenmährchen auf die Bühne zu bringen angefangen: und es wäre gut, wenn unsere Leute sie nur nicht gleich nachgeäffet hätten. Die Kleidungen der Personen müssen nach ihrem Charakter und Stande eingerichtet seyn: nur Harlekin hat hier, ich weis nicht warum, eine Ausnahme. Er soll zuweilen einen Herrendiener bedeuten: allein, welcher Herr würde sich nicht schämen, seinem Kerle eine so buntscheckigte Liberey zu geben? Scapin hat eine spanische Tracht; und das kann man in einem spanischen Stücke schon gelten lassen: allein bey uns schickt sich's nicht. Den Scaramus, Pantalon, Anselmo, Doctor und Capitain, Pierrot und Mezetin, und wie die närrischen Personen der italienischen Komödien alle heißen, können wir auch entbehren. Denn warum soll man immer bey einerley Personen bleiben?

Die Namen dörfen auch in einer Komödie nicht aus der Historie genommen werden. So bald die Personen neue Charactere haben, müssen sie auch neue Namen bekommen: um die Verwirrung zu vermeiden, die sonst bey dem Zuschauer vieler Lustspiele entstehen könnte. Die Verzierungen der Schaubühne stellen den Ort vor, wo die ganze Fabel gespielet wird. Gemeiniglich ist es ein Bürgerhaus, oder eine Gasse der Stadt, da man an beyden Seiten verschiedene Häuser sieht. Nur muß man keine Besuche auf der Gasse abstatten lassen, wie Bramarbas thut: es wäre denn, daß er sich mit der Sänfte bis in das Zimmer hätte tragen lassen. Die Musik anlangend, so wissen wir, daß in der neuen Komödie, und bey den Römern keine Chöre gebraucht worden. Indessen steht auch auf den terenzischen Komödien: Modos fecit Flaccus Claudii F. Tibiis paribus dextris et sinistris. Was das zu bedeuten habe, das mögen die Liebhaber der Alterthümer untersuchen. Vermuthlich hat man zwischen den Handlungen, an statt der vormaligen Oden, eine kleine Musik damit gemacht: denn daß die ganze Komödie abgesungen, und mit einer Instrumentalmusik wäre begleitet worden; davon findet man nicht die geringsten Spuren.

Wir Deutschen haben uns so lange mit Uebersehungen aus dem Französischen beholfen, bis wir allmählich Poeten bekommen haben, die selbst was regelmäßiges machen können. In meiner Schaubühne habe ich ihnen nunmehr auf die zwanzig und mehr Muster von der guten Art vorgeleget; wenn sie sich den Geschmack nach diesen bilden, so werden sie auf keinen unrechten Weg gerathen. Es sind auch bereits mancherley Proben von guten Köpfen gemacht worden, die man an verschiedenen Orten mit Beyfall aufgeführet hat. Es kömmt nur darauf an, daß unsere großen Herren sich endlich einen Begriff von deutschen Schauspielen beybringen lassen: denn so lange sie nur in ausländische Sachen. verliebt sind, so lange ist nicht viel zu hoffen. Etliche von unsern Komödianten haben ihre Schaubühne allbereit bey vielen Kennern, durch die ordentlichsten und auserlesensten Stücke, beliebt gemacht. Selbst

Dieses ist eine Chrie, die aus dem Hauptsaße: Das Studiren ist was edles; dem Beweise: Denn es schicket sich für alle Menschen, zu allen Zeiten und an allen Orten; und dem Beschlusse: Daher müssen wir es hochschäzen, besteht. Hier fehlen also die zufälligen Theile, nemlich die Erklärung und die Erläuterung; deren in folgendem Erempel eines vorkommet. Es ist aus eben der Rede genommen:

Wir haben es ja von den größten und gelehrtesten Leuten gehört, daß gewisse Gattungen der Wissenschaften auf Regeln ankommen, und als Künste gelernet werden; ein Poet aber von Natur sein Talent hat, durch die eigene Munterkeit seines Gemüths angespornet, und fast von einem göttlichen Triebe gereget wird. Unser Ennius nennet deswegen die Poeten mit Recht heilige Männer: Weil es das Ansehen hat, als ob sie uns durch eine göttliche Wohlthat, als ein Geschenke verliehen und empfohlen würden. So laßi doch derowegen bey euch, ihr Richter, als bey wohlge- sitteten Leuten, diesen Namen heilig seyn, den gewiß noch keine Barbarey verlehet hat.

Auch hier ist ein Hauptsay, nemlich dieser: Die Poeten sind ehrwürdige Männer. Der Beweis ist dieser: Weil sie ihre Geschicklichkeit schon von Natur haben. Hierzu kommt eine Erläuterung, die in dem Zeugnisse des Ennius besteht, der die Poeten heilige Männer nennet.

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Daß wir das dem Heiland zumuthen, das gründet sich erstlich auf seinen general-plan, daß Er kommen ist zu dienen; (Matth. 20, 28) zum andern, daß Er gesagt hat zu dem Apostel, der sich nicht seine füsse wolte waschen lassen: Werde ich dich nicht waschen, so hast du keinen theil mit mir. (Joh. 13, 8.)

So wie das gast-mahl mit Ihm immer fortgeht unter seinen leuten, bis sie es werden in seinem Reiche Halten: so geht auch seine

*) Des Ordinarii Fratrum Reden über die Litaney des Lebens, Leidens und der Wunden Unsers HERRN JEsu Christi, gehalten vom ende April bis in den August. 1747. Zweyte Edition. Barby. 1759. 8.

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