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Gleich von vorne herein aber wird Jeder, der die Geschichte dieser Insel mit offenen Augen verfolgt hat, zu der Einsicht gelangen, daß es hier nicht blos um religiöse, sondern ebenso sehr um politische Fragen sich handelt und von jeher gehandelt hat. Madagaskar, die ,,Königin des indischen Oceans", mußte die Ländergier der seefahrenden und handeltreibenden Nationen von Alters her reizen. Zwischen Afrika und Indien trefflich gelegen, bietet diese zweitgrößte Insel der Erde namentlich an ihrer nördlichen Küste viele sehr große und zu trefflichen Häfen taugliche Buchten. Die zehn bis fünfzehn Meilen breite Küstenebene, die rings um die Insel her läuft, liefert durch ihre unerschöpfliche Fruchtbarkeit und ihre tropische Vegetation einen unermeßlichen Reichthum von Produkten. Die Reispflanzungen auf diesen sumpfigen, wasserreichen Küstendistrikten könnten den Bedürfnissen von halb Europa genügen, während Palmen, Bananen, Zuckerrohr, Kaffe, Baumwolle, Indigo, Tabak x. in üppigster Fülle gedeihen. Schiffbare Flüsse führen eine ziemliche Strecke weit ins Land hinein, und die zahlreichen Seen der Küstenebene sind überfließend reich an den köstlichsten Fischen. Das Binnenland steigt von Osten her steil und mauerartig, von Westen aber terassenförmig empor. An den Abhängen des Gebirgs empor lagern sich prachtvolle Waldungen mit den manigfaltigsten und kolossalsten Tropenbäumen. Ebenholz, Rosenholz, Farbund Tischlerhölzer aller Art sind in unerschöpflichem Reichthum vorhanden, während der Waldboden die gesuchtesten Gewürz- und Arzneipflanzen liefert. Auf den breiten waldlosen, aber grasreichen Hochebenen herrscht ein gemäßigtes und sehr gesundes Klima, wo nicht selten das Thermometer im Winter auf den Gefrierpunkt herabsinkt; hier wird die ausgedehnteste Viehzucht getrieben, während der fette Thonboden zum ergiebigsten Ackerbau einlädt. Von da steigt abermals ein centrales Gebirge bis zu 10-12000 Fuß empor, mit herrlicher stärkender Temperatur und bis hoch hinauf mit Dörfern, Städten und wohlangebauten Feldern bedeckt. Dort oben, mehr als 4000 Fuß über dem Meer, liegt die Haupt- und Residenzstadt Lananarivo mit ihren 80,000 Einwohnern, sich anlehnend an einen fischreichen See und umgeben von anmuthigen Hainen.

Ein Land dieser Art konnte der Aufmerksamkeit der handeltreibenden Nationen Europa's nicht entgehen. Die erste Seemacht, die 'ihr Auge auf diese Perle des indischen Oceans warf, war die portugiesische, am Anfang des 16. Jahrhunderts; allein die Reize In

diens und Ceylons waren noch größer, als die Madagaskar's, und so begnügten sich die Portugiesen damit, zunächst nur Mönche (1508) zur Bekehrung der Heiden nach der Insel zu senden. Wie weit ihre Arbeit sich ausdehnte, und welches die Frucht derselben war, ist uns nicht bekannt; nur so viel verlautet, daß ein madagassischer Häuptling ihnen seinen Sohn zur Erziehung übergab, daß derselbe zu Goa in Indien getauft wurde, nach seiner Heimkehr aber und nach seiner eigenen Thronbesteigung das Heidenthum wieder annahm. Wir würden uns irren, wenn wir annehmen wollten, daß ein madagassischer Häuptling nicht so viel Scharfblick besäße, um zu erkennen, daß es einer Nation, wie der portugiesischen, nicht blos um die Verbreitung ihrer Religion, sondern auch um die Ausdehnung ihrer Herrschaft und ihres Länderbesizes zu thun sei. Die portugiesischen Eroberungen in Indien, auf Ceylon und auf den übrigen Inseln des indischen Archipels konnten dem Auge eines denkenden Fürsten von Madagaskar nicht entgehen, und wenn jener heimkehrende Häuptlingssohn beim Antritt seiner eigenen Regierung die Bande der christlichen Religion wieder von sich abschüttelte und dem einheimischen Glauben seines Volkes aufs Neue sich zuwandte, so dürften dabei nicht blos religiöse, sondern villeicht mehr noch politische Gründe mitgewirkt haben.

Mehr als ein Jahrhundert später erschienen die Franzosen auf der Insel, nahmen ein Stück Land im Süden in Besiz und erbauten das Fort Dauphin. Von jener Zeit an hat diese Nation ein Recht auf den Besiß der ganzen Insel in Anspruch genommen. Im Jahr 1642 trafen unter französischem Schuß und unter Anführung des Paters Etienne aufs Neue katholische Priester auf Madagaskar ein und verbreiteten sich über das ganze Land. Ihr Einfluß muß nicht unbedeutend gewesen sein. Ein Fürst Manango nahm sie freundlich auf und scheint ihren Bekehrungsversuchen keine Hindernisse in den Weg gelegt zu haben. Allein das Auftreten Etienne's und seiner Genossen wurde immer gewaltthätiger. Als Manango den Ueberredungskünften der Priester nicht Raum geben und seinen alt= väterlichen Glauben nicht sofort mit dem römischen vertauschen wollte, riß der Pater ihm mit eigener Hand die Amulette vom Leib, warf sie höhnend ins Feuer und drohte dem Fürsten mit französischen Truppen, wenn er nicht sofort alle seine Frauen bis auf eine entließe. Manango beharrte auf seiner Weigerung, und die französischen Soldaten erschienen. Aber so sehr auch die kleine europäische Truppe den

Madagassen an militärischer Bewaffnung und Taktik überlegen war, so mußte sie doch der numerischen Uebermacht der zur Wuth entzündeten Eingeborenen, und nicht minder der Ungunst des Klima's erliegen. Die Franzosen mußten schwer gedemüthigt die Insel verlassen. (1648), und mit den Bekehrungsversuchen hatte es so gut ein Ende, als mit den Eroberungsplänen. Eine intelligente heidnische Nation aber, deren historische Erinnerungen auf den engen Kreis ihrer eigenen nicht eben wechselreichen Geschichte angewiesen und beschränkt sind, vergißt Erfahrungen dieser Art nicht so schnell. Der Argwohn gegen alles Fremdländische und der Haß gegen das Christenthum, diese Religion der Ausländer, vererbte sich von da an durch alle späteren Geschlechter auf dieser Insel.

Erst im Anfang unsres Jahrhunderts wandte sich die Aufmerksamkeit des christlichen Abendlands aufs Neue der herrlichen Insel und ihrer intelligenten Bevölkerung zu. Es war zunächst der auf Madagaskar in furchtbarer Ausdehnung betriebene Sklavenhandel, der die Theilnahme der brittischen Philanthropen auf sich zog. England hatte um jene Zeit mit den großartigsten Opfern die Abschaffung des Sklavenhandels beschlossen und benüßte seinen allgewaltigen und über alle Meere ousgedehnten Einfluß in edelmüthigster Weise zu dem Versuch, diesem scheußlichen Handel in aller Welt ein Ende zu machen. Es wurden in diesem Sinn nicht blos mit den verschiedenen christlichen Mächten Europa's und Amerika's Verträge geschlossen, sondern auch mit heidnischen Machthabern und Völkern Verbindungen angeknüpft, um sie zur Unterdrückung des Menschenhandels zu bewegen. Je schwunghafter nun von Madagaskar aus derselbe betrieben wurde, desto lebhafter mußte England sich veranlaßt fühlen, seinen menschenfreundlichen Einfluß auch dort geltend zu machen, zumal da seine Besizungen in Indien und im indischen Meere (namentlich die Insel Mauritius) so nahe bei Madagaskar lagen. Es war ein wunderbares providentielles Zusammentreffen, daß eben um jene Zeit (1810) ein junger reichbegabter, strebsamer und wohlwollender Fürst, Radama I, den Thron der Howa's (des kräftigsten Stammes auf der Insel) bestieg und ein großes Reich mit vier Provinzen von seinem Vater ererbte. Ein großartiger Gedanke war es, der die Brust des jungen kräftigen Fürsten und sein ganzes Sinnen und Denken erfüllte: es war der Wunsch, König und Herr der ganzen Insel zu werden. Die Unterhandlungen nun, welche der damalige brittische

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Statthalter von Mauritius, Farquhar, mit diesem strebsamen Fürsten zur Unterdrückung des Sklavenhandels anknüpfte, schienen dem lekteren den Weg zu bahuen, um zu seinem ersehnten Ziele zu ge= langen. In dem Vertrag von Tamatave (1817) verpflichtete sich Nadama, den Sklavenhandel auf der ganzen Insel auszurotten; dagegen erbot sich England, ihm als Entschädigung für den ihm daraus erwachsenden Verlust alljährlich eine beträchtliche Anzahl europäischer Feuerwaffen und Uniformen zu liefern. Es war dieß das erwünschte Mittel für den jungen Fürsten, um die zahlreichen Stämme der Insel zur Unterwerfung und zur Anerkennung seiner Oberhoheit zu bringen. Bei diesem neu angeknüpften Verkehr mit einer christlichen Macht konnte es aber dem intelligenten Könige nicht entgehen, welche Vortheile jene höhere abendländische Bildung gewährte, die er bei seinen brittischen Bundesgenossen wahrnahm. Es war deßhalb dem edlen Statthalter von Mauritius und seinem gleichgesinnten Agenten Hastie nicht schwer, in dem einsichtsvollen König den Wunsch rege machen, daß englische Lehrer und Handwerker nach Madagaskar kommen und sein Volk mit der Bildung des Abendlands bekannt machen möchten. Durch Farquhar's Vermittlung geschah es, daß mit Ende 1818 zwei Missionare der Londoner MG. auf der Insel landeten und eine Schule begannen. Allein schon wenige Wochen darauf starben beide Missionsfrauen und einer der Missionare, man vermuthet, an Gift. Sei es der Zorn der Sklavenhändler, oder sei es der alte vererbte Haß und Argwohn gegen christliche Ausländer, — genug, dieser erste Versuch der evangelischen Mission mißlang, und auch der überlebende Missionar (Jones) mußte die Insel wieder verlassen.

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Im Okt. 1820 gelang es dem unermüdlichen Farquhar, den früheren Vertrag mit Radama zu erneuern. Wie sehr es dem König ein Ernst war, abendländische Bildung (nicht das Christenthum) seinem Volke zugänglich zu machen, zeigt der Umstand, daß er einestheils die Bedingung machte, 10 junge Madagassen nach Mauritius, und 10 andere sogar nach England zur Erziehung und Ausbildung senden zu dürfen (unter den leßteren war ein königlicher Prinz), anderntheils den Wunsch aussprach, daß, wenn neue englische Lehrer auf der Insel sich ansiedeln würden, mit ihnen eine Anzahl tüchtiger Handwerker kommen sollte. Es ist augenscheinlich, daß Radama den unlösbaren Zusammenhang, in welchem die ganze abendländische Civilisation mit dem Christenthum steht, nicht zu erkennen im

Stande war. Er ehrte die englischen Missionare, welche 1821 und in den folgenden Jahren, begleitet von vier christlichen Handwerkern, auf der Insel eintrafen, als Verbreiter und Lehrer der Civilisation, und erklärte, daß er „ihr Vater" sein wolle; aber er war fast möchten wir sagen unangenehm überrascht, als er fand, daß mit der christlichen Civilisation auch das Christenthum selbst in sein Land einzog und unerhört rasche Fortschritte machte. Auf der einen Seite war er hoch erfreut zu sehen, daß englische Künste und Gewerbe sich auf der Insel außerordentlich ausbreiteten, daß eine madagassische Buchdruckerpresse bald eine Reihe von Schriften in der Landessprache lieferte, und daß binnen zehn Jahren mehr als 10,000 Madagassen fertig zu lesen im Stande waren. Auf der andern Seite ließ er schon im J. 1825, als die Missionare emsig das Evangelium predigten und da und dort Kopellen errichteten, diesen eifrigen Männern sagen: „Sie seien zu thätig und allzu eifrig; auf diese Weise würden sie das Unterste zu oberst kehren; im Fortschreiten zum Besseren müsse man vorsichtig zu Werke gehen; das Volk aber wolle von keinem andern Gotte hören." Es kam ihm offenbar höchst ungelegen, daß da und dort einzelne Eingeborene wirklich zum Christenthum sich bekehrten und die Laufe verlangten. Bis unmittelbar vor seinem Tode gab er es nicht zu, daß ein Madagasse getauft wurde; und fast möchten wir glauben, Radama hätte der christlichen Mission überhaupt ein Ende gemacht, wenn er nicht von den Engländern in anderer Weise so große. Vortheile gezogen hätte. Denn außer den werthvollen Waffensendungen, die er von England alljährlich als Geschenk bezog, hatte er noch den Vortheil, daß ein brittischer Offizier das madagassische Militär in europäischer Taktik einübte, so daß Radama einen Sieg um den andern über die kriegerischen Volksstämme der Insel erfocht. Erst im Jahr 1828, als der König schon an seiner tödtlichen Krankheit darniederlag, ließ er von seinem Krankenlager aus bekannt machen, daß es Jedem seiner Unterthanen frei stehen soll, sich taufen und nach christlichem Ritus sich trauen zu lassen; doch auch dazu verstand er sich nicht eher, als bis er aus dem Munde des Missionars Jones die Versicherung erhalten hatte, daß mit der christlichen Laufe keinerlei politische Folgen, (Bund mit dem Ausland x.) verbunden seien. Wenige Wochen nachher (27. Juli 1828) verschied er.

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