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Mit diesen kurzen Umrissen glauben wir das Urtheil über den König Radama I und über die Gunst, welche er der chriftlichen Mission zu Theil werden ließ, auf sein richtiges Maaß zurückgeführt zu haben. Das Christenthum fand, den Wünschen dieses Fürsten zuwider, Eingang unter dem Volke, und doch mußte merkwürdiger Weise er selbst, ohne es zu wollen und zu ahnen, das wirksamste und nachhaltigste Mittel in Anwendung bringen, um der christlichen Religion die rascheste Verbreitung unter seinen Madagassen und eine bleibende Stätte auf der Insel zu verschaffen. Dieses Mittel waren die Schulen, die er so sehr unterstüßte und förderte, und die Buchdruckerpresse, welcher er so große Gunst zuwandte. Ein Volk, das lesen kann, und dem die Bibel in seiner Muttersprache gegeben ist, vermag nie mehr vollständig ins Heidenthum zurückzusinken. Als Radama starb, befanden sich nur etwa 50 wahrhaft bekehrte Madagassen auf der Insel; aber viele Tausende waren des Lesens kundig, und als Lese= buch diente ihnen die madagassische Bibel samt einem christlichen Liederbuch und einer Reihe von Schulbüchern. Wäre jezt eine christliche Regierung gefolgt, so wäre ohne Zweifel nach wenigen Jahren, wenn auch nicht ohne Kampf, der größte Theil des Volkes dem Christenthum zugefallen; aber ebenso unzweifelhaft hätte, diesem Christenthum die tiefere Begründung und Lauterkeit gefehlt. Es mußte nach Gottes Rath ein Feuer der Trübsal über die junge Christengemeinde ergehen, in welchem sie nicht nur gründlich geläutert, sondern ebendadurch auch zu einer Macht herangebildet wurde, die im scheinbaren Unterliegen erst zum rechten Sieg hindurchdrang.

Mit dem Regierungsantritt der königlichen Wittwe Ranavalona, dieser energischen und entschlossenen Frau, gewann jener Widerwille gegen die ausländische Religion, welcher schon in Radama unverkennbar vorhanden war, die Oberhand, und zwar zunächst aus denselben politischen Gründen, die schon den verstorbenen König beunruhigt hatten. Die Christen galten als Verbündete einer ausländischen Macht; deshalb konnten sie nicht geduldet werden. Zuerst mußten die hohen und einflußreichen Gönner des Christenthums beseitigt werden. Der erste, der als Opfer fiel, war ein königlicher Prinz, der das Evangelium liebte. Ihn hatte der verstorbene König zum Nachfolger ernannt; er mußte zuerst geopfert werden. Mit ihm fiel seine ganze Familie. Ihm folgte eine Reihe königlicher Verwandten, denen eine Anhänglichkeit an das Christenthum zur Last fiel. Selbst der Liebling

der Königin, derselbe Mann, der ihr zur Thronbesteigung wesentlich verholfen hatte, mußte fallen, weil er eine Hauptstüße der Mission, namentlich des Schulwesens, gewesen war. Politische und religiöse Gründe wirkten bei diesen blutigen Hinrichtungen überall zusammen.

Den Missionaren selbst ward anfangs der gleiche Schuß zugesagt, den sie unter Radama genoßen. Aber sie fühlten, daß eine drohende Gewitterwolke heraufzog. Ranavalona war klug genug, dem mächtigen Ausland, unter dessen Protektion die englischen Missionare standen, keinen direkten Anlaß zur Klage oder gar zum militärischen Einschreiten zu geben. Das bisherige System sollte still und langsam untergraben werden, bis der Zeitpunkt gekommen wäre, wo sie sich aller Ausländer ohne Gefahr entledigen könnte. Ja eine Zeitlang schien es, als wenn sie dem Christenthum vollen Raum gewähren wollte, mehr noch, als ihr verstorbener Gemahl. Sie ließ es ums Jahr 1831 zu, daß in ihrer Hauptstadt zwei neue Kirchen eröffnet wurden, daß selbst gläubige Madagassen darin predigten, und daß im Mai des genannten Jahrs zwanzig Eingeborene -die Erstlinge des Herrscherstammes der Howa's daselbst getauft wurden. Allein dieß war nur ein Akt politischer Klugheit. Denn eben um jene Zeit hatten die Franzosen ihre alten nie vergessenen Ansprüche auf Madagaskar erneuert und einen Theil der Küste militärisch beseßt. Die Klugheit erforderte, daß die Engländer (und die Missionare gehörten ja diesem Volke an) nicht unnöthig verleßt würden. Nachdem aber die von Frankreich her drohende Gefahr glücklich abgewendet schien, konnte die Königin auch freier gegen die englische Mission handeln. Und wahrlich, ihr Verfahren war bewundernswürdig klug. Sie leerte vor Allem die Schulen, indem ste sämmtliche eingeborene Lehrer und alle über 13 Jahre alten Schüler ins Herr steckte. Sie verbot, in den Schulen etwas vom Christenthum zu lehren; den heidnischen Gegnern der Christen wurde gestattet, ungestraft die leßteren zu verhöhnen und selbst zu mißhandeln; die treue Ausübung und Befolgung der altväterlichen Gebräuche wurde eingeschärft, und Klagen wider solche, die dieselben übertraten, bereitwillig angenommen. Als nun aber demungeachtet die Zahl der Gläubigen sich mehrte, als die ins Heer gesteckten Lehrer und Schüler ihre Bibel mit sich nahmen und nicht nur selbst ihre Andachtsübungen fortseßten, sondern auch Anderen den Herrn Jesum predigten; als die Verurtheilten und Bestraften an ihrem Glauben

festhielten, ja als die beginnende Hiße der Trübfsal die eingeborenen Christen nur noch herrlicher auszureifen schien, da glaubte die Königin zu ernsteren Masregeln schreiten zu müssen. Es bedurfte nur noch eines besondern Anlasses.

Im Februar 1835 kam ein angesehener Häuptling nach der Hauptstadt und begehrte die Königin zu sprechen. Er ward vorgelassen und redete sie also an: „Ich fordere von Dir einen Speer, einen scharfen blanken Speer. Ich habe die Schmach gesehen, die diese Fremden den Göttern zufügen. Sie wenden die Herzen des Volks von den Sitten der Väter ab, ja von der Königin und ihren Nachfolgern, durch ihren Unterricht, ihre Brüderschaft, ihre Bücher. Schon haben sie Viele von hohem Stand und Ansehen am Hof und im Heere für sich gewonnen, auch viele Landleute und Schaaren von Sklaven. Alles dieses ist nur Vorbereitung. Aus der Heimat dieser Fremden wird auf ihren Wink ein Kriegsheer kommen und das Land in Besit nehmen. Dieses Unglück will ich nicht erleben; darum, o Königin, fordere ich von Dir einen Speer, um mein Herz zu durchbohren." Ranavalona brach in heftiges Weinen ous, schwieg eine halbe Stunde und erklärte hernach feierlich, sie wolle dem Christenthum ein Ende machen, und wenn es auch allen Christen das Leben kosten würde.

Wie treulich die Königin, soviel an ihr lag, Wort gehalten, ist bekannt. Es gehört nicht hieher, die Reihe blutiger Verfolgungen zu schildern, die nun ihren Anfang nahmen und, obwohl mit jeweiliger Unterbrechung, fast bis zu ihrem Lode in größerer oder geringerer Schärfe fortdauerten. Es liegt uns nur an zu zeigen, wie bei dieser entschlossenen und klugen Frau vornemlich politische Gründe mit wirkten, als sie dem Christenthum auf der ganzen Insel ein Ende zu machen unternahm. Man weiß aber, wie gründlich ihr dieses Vornehmen mißlang. Als es vor einigen Jahren dem Missionar. Ellis glückte, einen Besuch auf Madagaskar zu machen, glaubte er behaupten zu dürfen, daß aus den 50 bekehrten Christen, die bei der Vertreibung der Missionare von der Insel (1836) dort sich fanden, wohl 5000 (wo nicht noch viel mehrere) geworden seien. Bedeutungsvoller noch ist aber die Thatsache, welche schon im Anfang der 50er Jahre nach Europa kam, daß der eigene Sohn der Königin, der Prinz Rakoto, ein entschiedener Bekenner des Christenthums sei. Es ist dieß derselbe Prinz, der nun unter so eigenthümlichen Umständen ja nach dem

eigenen Willen der verstorbenen Königin

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gaskar bestiegen hat. Dieß ist aber ein so bedeutungsvolles Ereignis, daß es für den Freund der Mission ein Bedürfniß ist, den Zusammenhang und die Tragweite desselben genauer kennen zu lernen.

Vor allen Dingen ist es eine merkwürdige Thatsache, daß die Königin Ranavalona, nachdem sie alle Europäer von der Insel verbannt hatte, zwei Franzosen bei sich in nächster Nähe behielt. Der eine ist ein gewisser Lambert, der zugleich zwei verkappte Jesuitenpriester als Diener bei sich hatte; des Andern Name ist Laborde. Es scheint, daß sie die Gunst der Königin durch äußerst kluges. Benehmen, durch erheuchelte unterthänigste Verehrung für die königliche Majestät und durch große Geschenke für sich zu gewinnen wußten. Wenn man sich erinnert, daß der Hof von Madagaskar eine eigen= thümliche Mischung von europäischer Bildung und asiatischer Ueppigkeit darbietet, und daß Bälle, Spielparthicen und musikalische Unterhaltungen ein Stück der Hofbelustigungen ausmachen, so begreift man, daß zwei gewandte Franzosen, die in der Anordnung solcher Vergnügungen eine anererbte nationale Meisterschaft besaßen, die Lieblinge des Hoses und selbst der alternden Königin werden konnten. Daß diese beiden Hofmänner aber daneben sowohl religiöse Intri guen hinter dem Rücken der Königin spielten, als auch politische Umtriebe mit geschickter Hand einzuleiten verstanden, das zeigen folgende Thatsachen. Um die Mitte des Jahres 1860 kamen bei Missionar Cameron, der früher selbst auf Madagaskar gewirkt hatte und nun gerade in der Kapstadt sich aufhielt, drei Briefe von christlichen Madagassen an. Das zweite dieser Sendschreiben, aus der Hauptstadt Lananarivo datirt, hatte einen Mann zum Verfasser, der bei einer der frühesten Verfolgungen samt seinem Weibe durch die Flucht sich gerettet hatte und nun im Verborgenen sich zur christlichen Kirche hielt. In seinem Briefe nun sagt er unter Anderem: Was die Intriguen betrifft, welche Lambert und seine Genossen anzettelten, so habe ich keinerlei Theil daran. Ich habe mich nie mit ihm und seinen Genossen in Unterhandlungen eingelassen. Denn es besteht ja bei uns der große Bund, den wir mit den [englischen] Missionaren geschlossen haben, daß wir niemals irgend einer andern Lehre, als derjenigen, die wir von ihnen empfangen hatten, zufallen wollten.

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Lambert lud uns umherirrende Christen alle, sowie auch die Vorsteher unsrer Kirche, zu sich ein; aber ich weigerte mich zu gehen, und ich preise Gott, daß Er mich davor bewahrt hat. Ich wußte zum Voraus, daß, wenu ich ihm [Lambert] folgen würde, dieß über mich, meine Frau und meine Kinder große Trübsal bringen müßte, und daß Niemand uns zu retten im Stande gewesen wäre."

Diese Aeußerungen müßten uns räthselhaft sein, wenn uns nicht andere Berichte aus der neuesten Zeit Alles klar machten. Daß Lambert die römische Lehre den madagassischen Christen aufdrängen wollte,*) geht aus jenem Briefe deutlich genug hervor; aber wir erfahren nun auch, daß er diese Christen, ja sogar den königlichen Prinzen Rakoto, dazu benüßen wollte, die regierende Königin zu stürzen und die ganze herrliche Insel (ebenso wie es einst bei Tahiti geschah) unter das „Protektorat“ Frankreichs zu bringen. Der kluge Franzose hatte sich nemlich ebenso sehr in die Gunst und Freundschaft des Prinzen, wie in die seiner Mutter, einzuschmeicheln gewußt, und Rakoto scheint ihm unbedingtes Vertrauen geschenkt zu haben. Dieses Vertrauen benüßend, veranlaßte Lambert den Prinzen im Jahr 1857, einen geheimen Vertrag zu unterzeichnen, worin dem Kaiser Napoleon III das Protektorat über Madagaskar angeboten wurde, falls dieser dem Prinzen behülflich wäre, seine Mutter vom Thron zu entfernen. „Es ist aller Grund vorhanden zu glauben," heißt es in dem Bericht, aus dem wir schöpfen, „daß der Prinz über den Inhalt des Dokuments, zu dessen Unterzeichnung Lambert ihn zu bewegen wußte, vollständig irre geführt wurde, indem er die französische Sprache nicht versteht. Lambert eilte mit diesem Aktenstück nach Europa; allein die französische Regierung theilte den Inhalt desselben sofort dem englischen Minister Lord Clarendon mit und weigerte sich, in der Sache irgend einen Schritt zu thun ohne die Zustimmung Englands. Nach seiner Rückkehr nach Madagaskar versuchte er, zusammen mit Laborde, auf eigene Faust einen Staatsstreich zu Gunsten des Prinzen Rakoto auszuführen; aber auch dieser mißlang." So lautet der kurze Bericht. Aus_andaß im Jahr 1857 die Verschwörung

dern Nachrichten wissen wir,

*) Im Jahr 1856 gelang es einem französischen Vriester, Namens Jouan, nach der Hauptstadt zu kommen und eine Zeitlang dort als „Lehrer der Mathematik“ sich aufzuhalten. Von ihm gieng nachher die Behauptung aus, daß auch der Prinz Rakoto sich zum Katholicismus bekehrt habe; auch war er einer der Hauptintriguanten bei dem politischen Komplott.

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