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den sind, ist wohl das von Jean Paul in seiner Vorschule der Aesthetik (kurze Nachschrift oder Nachlese der Misericordias - Vorlesung über Schiller): „Schiller ist der poetische Gott und der Gottläugner zweier Parteien, also zugleich vergöttert und verläugnet. Für die Mittelmärker oder Deutschbritten sind Schiller'sche Gedichte, wie die Frauenwürde, die Freude, die Ideale hohe lyrische; denn sie stellen nicht die bloße Empfindung, sondern die Betrachtungen über dieselbe in guten Bildern dar, z. B. die Ideale. In der ersten Strophe geht die goldene Zeit des Lebens ins Meer der Ewigkeit, d. h. die Zeit der Ideale dann heißen sie „heitere Sonnen, die erhellten." Sogleich heißen die Ideale wieder Ideale, die zerronnen und sonst das trunkene Herz geschwellt.

Sogleich heißen sie eine schöne, aber erstarrte Frucht. Sogleich Träume, aus denen der rauhe Arm der Gegenwart weckt. Sogleich wird die Gegenwart zu umlagernden Schranken. Sogleich heißt das Ideale eine Schöpfung der Gedanken und ein schöner Flor der Dichtkunst. Am fehlerhaftesten ist die dritte und vierte Strophe, worin die vorigen Ideale darin bestanden, daß er, wie Pygmalion seine Bildsäule, so die todte Säule der Natur durch sein Umarmen zum Leben brachte, welches sie aber jezt entweder wieder verloren oder nur vorgespiegelt. Das Folgende beschreibt bestimmter. Doch widerspricht das schöne Gleichniß vom Strom aus stillem Quell, der sich mit stolzen Masten in den Ocean stürzt, dem Untergange der Jugend - Ideale. Auch der Schluß tröstet mit seiner Anweisung an Freundschaft und Thätigkeit nur karg und unpoetisch. Die erste bildliche Hälfte seines Gedichtes konnte er so weit fortbauen und dehnen, als die Wirklichkeit Glanzgegenstände reicht, durch deren Erbleichung er den Untergang der Ideale ausdrückt; er hätte z. B. noch sagen sollen: Die festen Gebirge der Ferne schwimmen nun in der Nähe nur als Gewölke, in meinem Himmel ferner: Die durchsichtigen Glanzperlen hat der Effig, die Feuer - Diamanten die Gluth des Lebens aufgelöset

ferner:

oder:

gesenkt stehen die Sonnenblumen meines Jugendtages jezt in der kalten Mitternacht und können sich nach der vertieften Sonne nicht wenden ferner: in der irdischen Nacht stand meine Zauberlaterne, aber ihr Licht und ihre Gestalten find nun ausgelöscht einst schimmerte mir oben ein Wunderstern, welcher auf den neugebornen Heiland mit seinen Strahlen zeigte, aber er ist untergegan= gen, und nur die gemeinen Sterne der Zeit bleiben am Himmel.“

Fassen wir schließlich kurz die wichtigsten Ausstellungen zusam men, so erklären sich erstens die von Humboldt ausgesprochenen Bedenken, wie Hoffmeister so klar entwickelt hat, aus dem Widerstreit des Inhaltes und der Form in diesem Gedichte. Humboldt sowohl als Schiller waren in der Theorie befangen, der Dichter müsse fich vor der Darstellung individueller Zustände hüten, er müsse alle Erlebnisse, alle Empfindungen zu einer solchen Allgemeinheit hinaufläutern, daß der Antheil des Individuums darin nicht mehr zu erkennen sei. Dieser Theorie zufolge konnten sie sich mit einem Gedichte, welches von so individuellen, subjektiven Zuständen wie das vorliegende, ausging, unmöglich ganz begnügen. Nichts destoweniger muß Humboldt sich gestehen, daß es ein sehr schönes Gedicht sei, ja, Schiller geht so weit, seiner eignen Theorie zum Troße, zu behaupten, daß sich doch etwas darin befinde, was es dichterischer mache, als alle seine übrigen Gedichte. So wenig vermochte sein System das bessere Gefühl in ihm zu ersticken. In Jean Paul's Tadel, wegen Häufung ungleichartiger Bilder, mußten wir schon bei früheren Gedichten mehrmals einstimmen. Schiller mochte nachher auch wohl selbst diesen durch fast alle seine Jugendgedichte hindurchgehenden Fehler, der aus einer zu ungestüm schaffenden Phantasie entsprang, erkennen; und die Verkürzungen und Veränderungen, die das Gedicht von des Dichters Hand erfahren, erklären sich aus dieser erst spät gewonnenen Einsicht.

Das verschleierte Bild zu Sais.

1795.

Nicht minder, als das vorhergehende Gedicht, wenn gleich in anderer Weise, frappirt diese Parabel unter den damaligen poetischen Produktionen Schiller's. Sie muß ungefähr zu gleicher Zeit mit den Idealen entstanden sein; denn in demselben Briefe vom 31. August, worin Humboldt die Ideale bespricht, findet sich folgende Stelle, die ohne Zweifel sich auf unser Gedicht bezieht: „Heliopolis hat mir viel Verguügen gemacht, und ich begreife nicht, wie Herder den Sinn so mißverstehen konnte. Für mich liegt eine große und wichtige Wahrheit darin. Die Erfindung paßt sehr gut dazu, und die Erzählung ist sehr poetisch. Hätten Sie ihr, ohne zu großen Aufwand von Zeit und Mühe, noch den Reiz des Reimes (die Verse sind reimlos) geben können, so hätte ich es freilich noch vorgezogen. Indeß dient selbst dies zur Mannigfaltigkeit, die jezt dem Gehalt und der Form nach unter Ihren Beiträgen (zum Musen - Almanach und zu den Horen) sehr groß ist.“ Dann wird das Gedicht weiter in einem Briefe Schiller's an Humboldt vom 7. September unter der Bezeichnung „Das verschleierte Bild" mit der Bemerkung erwähnt, daß er es bereits für das neunte Stück der Horen abgesandt habe. Hier finden wir denn auch das Gedicht in einer mit der jeßigen ganz gleichlautenden Gestalt.

Hinsichtlich der äußern Form unterscheidet es sich von den übrigen Stücken der Gedichtsammlung dadurch, daß es in reimfreien Jamben gedichtet ist. Man fühlt bei der Lektüre sogleich, daß diese Wahl des jambischen Fünffüßlers, des Verses der deutschen Tragödie, ein sehr glücklicher Griff war; der Dichter gewann dadurch eine freiere epische Bewegung und die Möglichkeit eines leben

digern Wechsels von Erzählung und Dialog. Das Gedicht spricht uns wie eine jener ins Epische hinüberspielenden längern Reden des Dramas an, in deren Klasse die Botenerzählungen des antiken Dramas gehören, und könnte etwa an Lessing's Parabel von den drei Ningen in Nathan dem Weisen erinnern. Wenn der Dichter sich aber in kleineren Stücken den Reim und eine regelmäßige strophische Eintheilung erläßt, so kann man verlangen, daß er uns durch Formschönheiten anderer Art entschädige. Dies that unser Dichter wirklich, indem er namentlich in den Sazbau sehr viel Ausdruck und Mannigfaltigkeit brachte und die Verse durch Wohllaut und häufig wechselnde Cäsur hob, so daß sich das Gedicht zu einem Deklamationsstücke vortrefflich eignet.

1. Ein Jüngling, den des Wissens heißer Durst
Nach Sais in Aegypten trieb, der Priester
Geheime Weisheit zu erlernen, hatte

Schon manchen Grad mit schnellem Geist durcheilt;
5. Stets riß ihn seine Forschbegierde weiter,
und kaum besänftigte der Hierophant

Den ungeduldig Strebenden. Was hab' ich,
Wenn ich nicht Alles habe," sprach der Jüngling,
„Gibt's etwa hier ein Weniger oder Mehr?

10. Ist deine Wahrheit wie der Sinne Glück,
Nur eine Summe, die man größer, kleiner
Besihen kann und immer doch besiht?
Ist sie nicht eine einz'ge, ungetheilte?
Nimm einen Ton aus einer Harmonie,
15. Nimm eine Farbe aus dem Regenbogen,

und Alles, was dir bleibt, ist nichts, so lang
Das schöne All der Töne fehlt und Farben."

Indem sie einst so sprachen, standen sie

In einer einsamen Rotonde still,

20. Wo ein verschleiert Bild von Riesengröße

Dem Jüngling in die Augen fiel. Berwundert
Blickt er den Führer an und spricht: ,,Was ist's,
Das hinter diesem Schleier sich verbirgt?"

,,Die Wahrheit“, ist die Antwort.

,,Wie?" ruft Jener,

25. Nach Wahrheit streb' ich ja allein, und diese Gerade ist es, die man mir verhüllt ?”

,,Das mache mit der Gottheit aus,“ verseßt Der Hierophant.,,Kein Sterblicher, sagt sie, Rückt diesen Schleier, bis ich selbst ihn hebe. 30. Und wer mit ungeweihter, schuld'ger Hand Den heiligen, verbotnen früher hebt, Der", spricht die Gottheit

,,Ein seltsamer Orakelspruch!

,,Nun?"
Wahrheit."

Du selbst,

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35. Ich? wahrlich nicht! und war auch nie dazu Bersucht."

,,Der sieht die

,,Das fass ich nicht. Wenn von der Wahrheit

Nur diese dünne Scheidewand mich trennte" ,,und ein Gesetz," fällt ihm sein Führer ein. ,,Gewichtiger, mein Sohn, als du es meinst, 40. Ist dieser dünne Flor für deine Hand

Zwar leicht, doch zentnerschwer für dein Gewissen.“

Der Jüngling ging gedankenvoll nach Hause.
Ihm raubt des Wissens brennende Begier
Den Schlaf, er wälzt sich glühend auf dem Lager,
45. Und rafft sich auf um Mitternacht. Zum Tempel
Führt unfreiwillig ihn der scheue Tritt.
Leicht ward es ihm, die Mauer zu ersteigen,
und mitten in das Inn're der Rotonde
Trägt ein beherzter Sprung den Wagenden.

50.

Hier steht er nun, und grauenvoll umfängt
Den Einsamen die lebenlose Stille,

Die nur der Tritte hohler Widerhall

In den geheimen Grüften unterbricht.

Bon oben durch der Kuppel Deffnung wirft 55. Der Mond den bleichen, silberblauen Schein, und furchtbar, wie ein gegenwärt'ger Gott, Erglänzt durch des Gewölbes Finsternisse In ihrem langen Schleier die Gestalt.

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