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wenigstens scheint Hoffmeister's Annahme ganz richtig, daß die Worte: „ihr folgt die süße Liebe“ nicht mehr zum Gemälde, sondern zur Anwendung gehören. „Sie richten sich an den Leser. Denn im Gemälde ist die Liebe ja schon gegenwärtig durch den Cupido dargestellt und folgt nicht erst der Nacht nach.“ „Ruhet und liebet u. s. w." gibt dem Gedichte eine anmuthige Abrundung.

Abschied vom Leser.

1795,

Zu der beim vorhergehenden Gedichte erwähnten Sendung, die Schiller am 25. September 1795 an Körner abschickte, gehörten auch die vorliegenden Ottave Rime. Die Stanzen an die Leser", schrieb Schiller, sollen den Almanach, den mein Gedicht die Macht des Gesanges eröffnet, beschließen, und den Leser auf eine freundliche Art verabschieden." Vielleicht influirte auf die Wahl des Metrums auch wieder der Wunsch Humboldt's (s. die Bemerk. zum vorigen Gedicht), „Schiller in allen Gattungen zu sehen,,; und wie in der Behandlung der antiken Metra, so zeigte er sich auch in dem Bau der Ottave Rime sogleich beim ersten Versuch als Meister. „In Jhren Stanzen“ schrieb Humboldt den 2. Oktober, „herrscht eine unnachahmliche Anmuth und Zartheit, und das Gleichniß in der dritten Strophe gibt einen überaus poetischen Schluß.“

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Mit diesen Strophen wurde ursprünglich zwar nicht (wie in den Cotta'schen Ausgaben angemerkt ist) der gesammte_Musen - Almanach für das Jahr 1796, aber doch die Sammlung der vermischten Gedichte desselben geschlossen; es folgten noch die Epigramme aus Venedig von Goethe als ein eigenes Ganzes. Durch die Stelle,

die Schiller den Stanzen nachher in der Sammlung seiner Gedichte anwies, zeigte er, daß er sie nicht bloß auf die Gedichte des Musen-Almanachs, die verschiedenen Verfassern angehörten, sondern auch auf seine sämmtlichen lyrischen Dichtungen bezogen wissen wollte. Gözinger urtheilt über dieses Gedicht: „Ich halte es für eins der schönsten in unsrer ganzen Literatur. Es ist dem Umfange nach sehr klein und stellt doch das eigenthümlichste Wesen der Poesie (besonders das der Schiller'schen Poesie, hätte Gözinger noch mit mehr Recht sagen können), völlig erschöpfend dar, stellt es in den zartesten, treffendsten Bildern dar und in einer so melodischen Sprache, wie wir sie selbst bei Schiller sonst selten finden. Die sogenannten Ottave rime sind hier mit einer Fertigkeit und Zartheit behandelt, daß schon die Form anspricht, abgesehen vom Inhalt; und vom ganzen Gedichte gilt, was der Dichter in Strophe 1 sagt, daß es durch Wahrheit rührt, durch Flimmer nicht besticht.“

1. Die Muse schweigt; mit jungfräulichen Wangen,
Erröthen im verschämten Angesicht,

Tritt sie vor dich, ihr Urtheil zu empfangen;
Sie achtet es, doch fürchtet sie es nicht.
Des Guten Beifall wünscht sie zu erlangen,
Den Wahrheit rührt, den Flimmer nicht besticht;
Nur wem ein Herz, empfänglich für das Schöne,
Im Busen schlägt, ist werth, daß er sie kröne.

Die Abhandlung über naive und sentimentalische Dichtung lehrt uns: „Das Genie ist schamhaft, weil die Natur dieses immer ist; es ist bescheiden, weil das Genie immer sich selbst ein Geheimniß bleibt." Aber furchtsam darf der wahre Künstler nicht sein; der neunte Brief über die ästhet. Erziehung sagt, der Künstler sei zwar der Sohn der Zeit, dürfe aber nicht ihr Zögling sein; ja dort wird sogar, im scheinbaren Widerspruch mit dem Anfange von Vers 4 behauptet, der Künstler müsse das Urtheil seiner Zeit verachten, er müsse nur immer aufwärts nach seiner Würde und dem Geseße

blicken. Allein dort ist von dem Urtheil der unverständigen Menge die Rede, hier von dem Urtheil einzelner Erlesenen, die mit einem gebildeten Geist ein für das Schöne empfängliches Herz verbinden.

2. Nicht länger wollen diese Lieder leben,

Als bis ihr Klang ein fühlend Herz erfreut,
Mit schönern Phantasieen es umgeben,
zu höheren Gefühlen es geweiht;

Zur fernen Nachwelt wollen sie nicht schweben,
Sie tönten, sie verhallen in der Zeit;
Des Augenblickes Lust hat sie geboren,
Sie fliehen fort im leichten Tanz der Horen.

3. Der Lenz erwacht, auf den erwärmten Triften
Schießt frohes Leben jugendlich hervor,
Die Staude würzt die Luft mit Nektardüften,
Den Himmel füllt ein muntrer Sängerchor,
und Jung und Alt ergeht sich in den Lüften,
und freuet sich und schwelgt mit Aug' und Ohr.
Der Lenz entflieht, die Blume schießt in Samen,
und keine bleibt von allen, welche kamen.

Gözinger macht auf die schöne Umkehrung der Sazverhältnisse in diesen zwei Strophen aufmerksam. Das Bild steht hinter dem, was dadurch erläutert werden soll, und zwar ohne alle Verbindung. Die gewöhnliche Folge der Gedanken wäre: Wenn der Lenz erwacht, so schießt frohes Leben hervor u. s. w., wenn er entflieht, so schießt die Blume in Samen u. s. w. Aehnlich verhält es sich mit diesen Liedern. Sie wollen nicht länger leben, als bis u. s. w. Dann gibt auch der lezten Strophe die Anwendung mehrerer beigeordneten Hauptsäße statt einer geschlossenen Periode eine besondere Schönheit. Der Hauptgedanke der beiden Strophen ist tief aus Schiller's Denkweise geschöpft. „Die wahre Unsterblichkeit,“ sagt Schiller in der akademischen Antrittsrede, „ist diejenige, wo die That lebt und weiter eilt, wenn auch der Name ihres Urhebers hinter ihr zurückbleibt." So wollen auch diese Lieder nicht selbst fort

leben; aber wohl möchten sie, bevor sie verhallen, ein Herz zu höhern Gefühlen weihen, welches dann wieder neue Blüthen des Schönen treiben und so die Wirksamkeit jener weiter fortpflanzen wird; denn, wie es im Epigramm das Belebende heißt:

Nur an des Lebens Gipfel, der Blume, zündet sich Neues
In der organischen Welt, in der empfindenden an.

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Als sehr bedeutsam ist demnach der Saz „die Blume schießt in Samen" anzusehen; die Blume selbst verwelkt, aber sie hinterläßt den Samen zu neuen schönen Gebilden. So mag auch das Werk des Künstlers im Zeitstrom untersinken, wenn es nur der Welt die Richtung zum Edeln und Guten gibt; und „diese Nichtung hast du ihr gegeben," ruft Schiller dem Freunde der Wahrheit und Schönheit zu, „wenn du bildend das Nothwendige und Ewige in einen Gegenstand ihrer Triebe verwandelst." Uebrigens paßten die Stanzen in mancher Hinsicht besser zum Schlußgedicht des MusenAlmanachs, als der Gedichtsammlung. Die Liederflora, die ein jährlich wiederkehrender Almanach bringt, entspricht schöner der Blumenpracht eines Frühlings, und die drei Schlußverse der zweiten Strophe gewinnen so eine nähere, bestimmtere Beziehung. Auch konnte der Herausgeber des Musen-Almanachs, zu dem manche andere Dichter Beiträge geliefert, den Liederchor desselben eher mit einem muntern Frühlingssängerchor, sein Gesangesleben eher mit einem frohen Lenztage vergleichen, an dem sich Jung und Alt in den Lüften ergeht und mit Ohr und Auge schwelgt, als er solches von einer Sammlung, die ganz sein Werk war, sagen durfte.

Die Theilung der Erde.

1795.

In den Registern mehrerer Ausgaben der Gedichtsammlung ist das Stück mit der Jahrszahl 1796 bezeichnet; es gehört aber spätestens der ersten Hälfte des Oktobers 1795 an, wie folgende Stelle aus einem vom 16. Oktober dieses Jahrs datirten Briefe Schiller's an Goethe zeigt: „Hier erhalten Sie einige Schnurren von mir. Die Theilung der Erde hätten Sie billig in Frankfurt auf der Zeile vom Fenster aus lesen sollen, wo eigentlich das Terrain dazu ist. Wenn sie Ihnen Spaß macht, so lesen Sie sie dem Herzog vor." Goethe antwortet darauf: „Ich habe, glaub' ich, auch noch nichts über die Gedichte gesagt, die Sie mir nach Eisennach schickten; sie sind sehr artig, besonders das Theil des Dichters ganz allerliebst, wahr, treffend und tröstlich." Der heitere Ton des Ge= dichtes bei seinem tiefen Gehalte sprach auch sogleich nicht bloß Goethe an. In einem Briefe Schiller's an leztern, vom 25. Dezember 1795, heißt es: „Das Glück, welches das kleine Gedicht, die Theilung der Erde, zu machen scheint, kommt mit auf Ihre Rechnung, denn schon von Vielen hörte ich, daß man es Ihnen zuschreibt." Schiller hatte es nämlich unterdeß in dem 11. Stück der Horen des Jahres 1795 anonym erscheinen lassen.

Der Sinn des Gedichtes ist verständlich genug ausgesprochen. Der Dichter versäumt es über seinem idealischen Trachten und Treiben, sich nach den Gütern der Erde umzusehen. Oft mag er die Entbehrung derselben drückend empfinden, aber dann tröstet ihn das Bewußtsein, daß ihm der Himmel offen stehe, daß ihn die dichterische Begeisterung zu Seelengenüssen erhebe und ihm einen innern Reichthum gewähre, wogegen die Besigthümer und Freuden der andern Sterblichen in tiefem Schatten stehen.

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