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Doch hat Genie und Herz vollbracht,
Was Lock' und Leibnih nie gedacht,
Sogleich wird auch von diesen
Die Möglichkeit bewiesen.

„Leibniz" (geboren 1646) in Vers 7 hat der Dichter später in Des Cartes verwandelt; vielleicht, weil er seitdem Leibnizen's Philosophie höher hatte schäßen gelernt. Locke, ein berühmter englischer Philosoph, geb. 1632. Des Cartes (Cartesius), ein ausgezeichneter französischer Philosoph und Mathematiker, geb. 1596. Genie und Herz, sagt der Dichter, findet sich auch ohne Philosophie im Leben zurecht, das muß der Philosoph selbst gestehen, aber hintendrein beweis't er noch die Möglichkeit beider.

4. Im Leben gilt der Stärke Recht,
Dem Schwachen troht der Kühne,
Wer nicht gebieten kann, ist Knecht;
Sonst geht es ganz erträglich schlecht
Auf dieser Erdenbühne.

Doch wie es wäre, fing der Plan
Der Welt nur erst von vornen an,
Ist in Moralsystemen

Ausführlich zu vernehmen.

Die Lesart der Horen „Sonst geht u. s. w.' (V. 4) haben die Ausgaben von Crufius, und die Ausgabe in Einem Bande beibehalten, die andern Cotta'schen Editionen haben „So geht u. s. w.“, beide geben einen guten Sinu, doch möchte ich jener den Vorzug geben. Statt von vornen“ (Vers 7) lies't die Taschenausgabe von 1838 in 12 Bänden „von Vorne", die übrigen Ausgaben find der alten Lesart, die den Hiatus vermeidet, treu geblieben. Die Kräfte, die im Leben herrschen und walten (sagt unsere Strophe), namentlich das Recht des Stärkern, kümmert sich nicht um Moralsysteme.

5.,,Der Mensch bedarf des Menschen sehr

Zu seinem großen Ziele;

Nur in dem Ganzen wirket er,
Biel Tropfen geben erst das Meer,
Biel Wasser treibt die Mühle.
Drum flieht der wilden Wölfe Stand
und knüpft der Staaten daurend Band
So lehren vom Katheder

Herr Buffendorf und Feder.

Samuel v. Puffendorf, geb. 1632, Feder, geb. 1725, berühmte Lehrer des Naturrechts. Sie lehrten und rathen eben nichts mehr, als was die Menschen, von der Mutter Natur geleitet, längst ge= than haben und noch thun.

es jezt besser „des Staates".

Statt der Staaten" in V. 7 heißt

6. Doch weil, was ein Professor spricht,

Nicht gleich zu Allen dringet,

So übt Natur die Mutterpflicht
und sorgt, daß nie die Kette bricht,
und daß der Reif nie springet.
Einstweilen, bis den Bau der Welt
Philosophie zusammenhält,

Erhält sie das Getriebe

Durch Hunger und durch Liebe.

Die physischen Bedürfnisse und die Bedürfnisse des Herzens halten auch schon, ohne Philosophie, den Bau der menschlichen Gesellschaft zusammen.

Theophanie.

1795.

Mit den beiden vorhergehenden Gedichten zuerst im 11. Stücke der Horen 1795 veröffentlicht:

Zeigt sich der Glückliche mir, ich vergesse die Götter des Himmels;
Aber sie stehen vor mir, wenn ich den Leidenden seh'.

Dieser Denkspruch wurzelt in Kant's Lehre vom Erhabenen und wird durch den Schluß der Abhandlung über die nothwendigen Grenzen beim Gebrauch schöner Formen vollkommen genügend interpretirt: „Glückselig“, heißt es dort, „nenne ich den, der, um zu genießen, nicht nöthig hat, unrecht zu thun, und, um recht zu handeln, nicht nöthig hat, zu entbehren. Der ununterbrochen glückliche Mensch fieht also die Pflicht nie von Angesicht, weil seine gesezmäßigen und geordneten Neigungen das Gebot der Vernunft immer anticipiren, und keine Versuchung zum Bruch des Gesezes das Gefeß bei ihm in Erinnerung bringt. Einzig durch den Schönheitsfinn, den Statthalter der Vernunft in der Sinnenwelt, regiert, wird er zu Grabe gehen, ohne die Würde seiner Bestimmung zu erfahren. Der Unglückliche hingegen, wenn er zugleich ein Tugendhafter ist, genießt den erhabenen Vorzug, mit der göttlichen. Majestät des Gesezes unmittelbar zu verkehren, und da seiner Tugend keine Neigung hilft, die Freiheit des Dämons noch als Mensch zu beweisen.“

Einem jungen Freunde,

als er sich der Weltweisheit widmete.

1795.

Das Gedicht folgt dem vorhergehenden Spruche unmittelbar im Novemberhefte der Horen 1795. Aehnlich, wie im Genius, wird hier einem Jünglinge, der im Begriff steht, sich den philosophischen Studien zuzuwenden, das Bedenkliche dieses Schrittes ans Herz gelegt.

1. Schwere Prüfungen mußte der griechische Jüngling bestehen,
Eh das Eleusische Haus nun den Bewährten empfieng.
Bist du bereitet und reif, das Heiligthum zu betreten,

Wo den verdächtigen Schat Pallas Athene bewahrt?
5. Weißt du schon, was deiner dort harret? wie theuer du kaufest?
Daß du ein ungewiß Gut mit dem gewissen bezahlst?
Fühlt du dir Stärke genug, der Kämpfe schwersten zu kämpfen,
Wenn sich Verstand und Herz, Sinn und Gedanken entzwein,
Muth genug, mit des Zweifels unsterblicher Hydra zu ringen,
und dem Feind in dir selbst männlich entgegen zu gehn,
Mit des Auges Gesundheit, des Herzens heiliger Unschuld

10.

15.

Zu entlarven den Trug, der dich als Wahrheit versucht?
Fliehe, bist du des Führers im eigenen Busen nicht sicher,

Fliehe den lockenden Rand, ehe der Schlund dich verschlingt.
Manche gingen nach Licht und stürzten in tiefere Nacht nur,
Sicher im Dämmerschein wandelt die Kindheit dahin.

V. 1 und 2. Von allen Mysterien, welche die Griechen zu Ehren einzelner Gottheiten eingesezt hatten, waren die Eleusischen, der Sage nach durch Ceres selbst angeordnet, die berühmtesten. Furchtbare Phantome, Schreckbilder des Tartarus wurden den Einzuweihenden vorgeführt, bevor sie zum Anblick des Heiligthums gelangten, wo sie entzückende Dinge sahen und hörten, die sie nie ent

schleiern durften. Hier im Gedichte, sollte man denken, werde die Philosophie nicht selbst als „das Eleusische Haus“ betrachtet, sondern jene durch die Spekulation wiedergewonnene Ruhe, welche erst die Frucht einer gesunden Philosophie ist, während die philosophischen Studien selbst mit „den schweren Prüfungen“ verglichen werden. Indeß verträgt sich mit dieser Auffassung nicht gut das folgende Distichon, wo augenscheinlich die Philosophie selbst als das Seiligthum" dargestellt wird. „Verdächtig" wird der Schaß des philosophischen Wissens genannt, weil es zweifelhaft ist, ob es zur Selbstberuhigung führen wird; nicht jeder kommt erhalten aus der dunkeln Gruft der Wörter zurück (Genius). Das gewisse Gut“ (V. 6), das der Jüngling für dieses verdächtige Gut opfert, ist der Engel des frommen Instinkts, das zufriedene Gemüth, wovon der Dichter im Genius spricht. V. 7 enthält eine ganz französische syntaktische Verbindung „Fühlst du dir Stärke" statt in dir. Vergl. z. B. Si vous vous sentez assez de force pour soutenir ce combat. Auch die alten klassischen Sprachen bieten ähnliche Verbindungen dar. Ueberhaupt ist in Schiller's Style oft der Einfluß französischer Lektüre zu erkennen, zumal bei Werken, für die er aus französischen Quellen schöpfte, z. B. in der Jungfrau von Orleans; ich erinnere nur an den Vers im Prolog: „Sie liebt zu wohnen auf den Bergeshöhn“ und an den Ausdruck, der sich ebendaselbst findet „ein Bohemerweib (Bohémienne) für Zigeunerin. Aehnlich, wie in den folgenden Versen wird auch im Ge= nius, V. 45 u. ff., der Zustand der philosophischen Krisis geschildert, wo der Streit der Empfindungen oft eines Richters bedarf, wo den hellen Verstand das tückische Herz trübt u. s. w. Den Vers 12 schließt die Cotta'sche Taschenausgabe von 1823 mit den Worten „... der dich als Wahres gesucht“; die übrigen Ausgaben haben sämmtlich „... der dich als Wahres versucht.“ Die Lesart der Horen ist vorzuziehen.

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