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Gedichte selbst, zu den Tönen der Lyra, einem oft aus mancherlei Volksstämmen zusammengeseßten Kreise lauschender Zuhörer vor. Sie schrieben nicht ihre Gedichte für Leser, fie sangen sie vor Hörern. Musik und Poesie waren damals inniger verschwistert und mehr in demselben Künstler vereinigt. Vers 3 habe ich früher *) wohl nicht ganz richtig aufgefaßt, indem ich ihn erklärte: Welche die Götter menschlicher und die Menschen göttlicher darstellen. In der That liehen die Griechen den Göttern menschliche Leidenschaften und Neigungen; auch von Gestalt dachten sie sich die Götter menschenähnlich, wenn gleich größer und schöner und von reinerm Aetherstoff gebildet. Umgekehrt wurden treffliche Menschen, namentlich die Helden der frühesten Zeiten, von der Poesie mit einem Glanz be= kleidet, der ihren Abstand von den Göttern nur sehr geringe erscheinen ließ. Allein, da die benachbarten Verse den Eindruck des Gesanges der alten Dichter schildern, so ist auch Vers 3 wohl in solchem Sinne zu erklären: Welche die Götter durch ihren Gesang von ihrem Olymp herunterlockten und die Menschen zu himmlischen Genüssen erhoben. Der Zusammenhang des dritten Distichons mit den beiden vorigen ist dieser: Wenn wir sehen, welche begeisterte Theilnahme die Dichter der Vorwelt gefunden, so könnte man auf den ersten Anblick vermuthen, als ob jezt, wo wir solche Wirkungen der Dichtkunst nicht mehr wahrnehmen, das ächte Dichtergenie verschwunden sei (,,Sagt, wo find die Vortrefflichen hin u. f. w."). Allein nicht der Mangel an wahrem Dichtergeist ist es, was jezt solche Begeisterung nicht mehr aufkommen läßt, sondern der Mangel an würdigen Gegenständen des Gesanges und an Empfänglichkeit von Seiten des Volkes.

10.

Glückliche Dichter der glücklichen Welt! Bon Munde zu Munde
Flog, von Geschlecht zu Geschlecht euer empfundenes Lied!
Jeder, als wär' ihm ein Sohn geboren, empfing mit Entzücken
Was der Genius ihm, redend und bildend, erschuf.

*) Ausgewählte Stücke u. f. w. Emmerich 1838. Bd. II. S. 327.

Án der Glut des Gesanges entbrannten des Hörers Gefühle,
An des Hörers Gefühl nährte der Sänger die Glut,
Nährt' und reinigte sie! Der Glückliche, dem in des Volkes
Stimme der weisen Natur neues Orakel noch klang,

15. Dem noch von außen das Wort der richtenden Wahrheit erschallte, Das der Neuere kaum, kaum noch im Busen vernimmt! Weh ihm, wenn er von außen es jetzt noch glaubt zu vernehmen, und ein betrogenes Ohr leiht dem verführenden Ruf!

20.

Aus der Welt um ihn her sprach zu dem Alten die Muse, Kaum noch erscheint sie dem Neu'n, wenn er die seine vergißt.

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In Vers 8 heißt es jezt „Wort“ statt „Lied“. Ein Volksdichter in jenem Sinne," sagt Schiller in der Recension über Bürger's Gedichte, „wie es Homer seinem Weltalter oder die Trouba= dours dem ihren waren, dürfte in unsern Tagen vergeblich gesucht werden. Unsre Welt ist die Homerische nicht mehr, wo alle Glieder der Gesellschaft im Empfinden und Meinen ungefähr dieselbe Stufe einnahmen, sich also gleich in derselben Schilderung erkennen, in denselben Gefühlen begegnen konnten. Jezt ist zwischen der Auswahl der Nation und der Masse derselben ein sehr starker Abstand sichtbar u. s. w." Und doch hat Schiller, wenn gleich einer der modernsten unter den modernen Dichtercharakteren, sich einer so verbreiteten Gunst zu erfreuen, wie vielleicht nur die besten Dichter des Alterthums sich deren rühmen konnten. Vers 9 heißt jezt schöner: Wie man die Götter empfängt, so begrüßte jeder mit Andacht, Die produktive Begeisterung des Künstlers galt den Alten in der That für unmittelbare Einwirkung eines Gottes (vovoiασμos) und somit sein Werk für ein göttliches Werk, daher es auch mit der Ehrfurcht aufgenommen wurde, die man den Göttern selber zollte.

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„Redend und bildend,“ sagt Schiller in Vers 10, weil die Tonkunst noch nicht so sehr als selbstständige Kunst entwickelt war. In Vers 11 schrieb er für „entbrannten“ später „entflammten.“ Wie Biehoff, Schiller II.

14

der Kreis der Zuhörer von des Sängers Lied begeisternd angeregt wurde, so wirkte hinwieder die Begeisterung der Zuhörer anregend auf den Sänger. Die lebhaften Aeußerungen der Theilnahme, die mit der Wärme jugendlich empfindender Völker (und bei den Griechen insbesondere, mit der Energie südlicher Nationen) ausgesprochenen Beifallsbezeugungen entflammten den Dichter zu gefühlvollerm Vortrage, zu extemporifirender Erfindung manches kräftigen Zuges, oft vielleicht zu augenblicklicher Production eines ganzen trefflichen Gedichtes. Vers 13 und 14 lauten in der spätern Form:

Nährt und reinigte sie, der Glückliche! dem in des Volkes
Stimme noch hell zurück tönte die Seele des Lieds.

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Der neuere Vers preis't den Dichter des Alterthums glücklich, daß er bei seinem Publikum volle Empfänglichkeit für den Empfindungsgehalt seines Liedes gefunden habe, die es in seinem Urtheil, seinem lebhaften Beifall aussprach. Oder will der Dichter durch „die Seele des Lieds" den richtigen Geschmack, das gesunde Urtheil, die wahren Geseze und Regeln verstehen, ähnlich wie er in V. 115 der Künstler die Harmonie, die Geseße, die den Naturerscheinungen zu Grunde liegen, „die schöne Seele der Natur“ nennt? Dann sprach der ältere Vers den Gedanken viel klarer aus. „Reinigte fie,“ sagt der Dichter (in V. 13) mit Recht: denn wo, wie im alten Griechenland, die Dichter für das ganze Volk sangen, wo die Poesie jedes Fest verherrlichte, wo die Meisterwerke der bildenden Kunst nicht in Museen verschlossen waren, sondern auf öffentlichen Plägen, in Tempeln und Hainen dem Volke zur Schau ausstanden, und wo so der Sinn für's Schöne im ganzen Volke geweckt und entwickelt war: da brauchte der Dichter seine Zuhörer nicht erst zu sich zu er heben, wie es der neuere Dichter thun muß; er konnte seinen Geschmack, seine Gefühle an denen des Volkes prüfen, bilden und läutern. Uebrigens erklärt sich dies ungleiche Verhältniß des neuern und ältern Dichters zu seinem Publikum auch zum Theil aus dem

Unterschied der sentimentalischen und naiven Dichtung. Da die Dichter des Alterthums, als naive Dichter, bloß der einfachen Natur und der Empfindung zu folgen hatten, so durften sie auch die unverdorbene Natur ihrer Umgebung als Richterin anerkennen, wogegen der neuere Poet, als sentimentalischer Dichter, gerade in seinen eigensten und erhabensten Schönheiten zu dem Zöglinge der Kunst spricht und der einfältigen Natur nichts zu sagen hat. Vers 15 und 16 schuf der Dichter zu folgenden um:

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Dem noch von außen erschien, im Leben, die himmlische Gottheit,

Die der Neuere kaum, kaum noch im Herzen vernimmt.

„Die himmlische Gottheit“ faßte ich früher als die Schönheit auf und erklärte mir den Gedanken so: der von einer reichern Natur, einer edlern Menschheit, einer poetischern Wirklichkeit umringte Dichter des Alterthums brauchte das, was ihm außen, im Leben, erschien, nicht sehr zu veredeln, um einen würdigen Gegenstand des Gesanges zu haben, während der neuere, in einer ganz undichterischen Zeit und Umgebung lebend, „die himmlische Gottheit“, die Schönheit, das Ideal in seinem Busen suchen muß. Nur mühsam vermag er es sich zu verdeutlichen, weil die undichterischen Gestalten der Wirklichkeit Sinn und Geist zu gewaltsam beherrschen. Ver= gleicht man indessen die ältere Lesart, so liegt es nahe, auch in dem neuern Ausdruck eine Hindeutung auf „die richtende Wahrheit“ zu finden. Die beiden Schlußdistichen ließ der Dichter später weg. Das erstere beklagt die neuern Dichter, die thöricht genug sind, auf die Stimme des Publikums viel zu geben, ein Gedanke, der bei Schiller in manchen Formen wiederkehrt. „Vielen gefallen ist schlimm,“ sagt er in einem Epigramm, und das sicherste Mittel, zur Mittelmäßigkeit zu gelangen, lehrt er in einem andern „ist zu ängstlich alle die Fehler meiden wollen, vor denen die Kunstrichter warnen." Das lezte Distichon sagt ungefähr dasselbe, was ich in den neuern Versen 15 und 16 fand.

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Die Führer des Lebens.

1795.

Das Epigramm könnte füglich unter die Schiller'schen Räthsel gezählt werden, da es durch die obige neuere Ueberschrift wirklich ganz zu einem Räthsel geworden ist. Die frühere Ueberschrift Schön und Erhaben, im 12. Stück der Horen, wo es zuerst erschien, gab sogleich die Lösung. Das Gedichtchen schließt sich noch ganz enge an Schiller's philosophische Forschungen an, und ist, wie wir gleich sehen werden, eigentlich nur eine Versificirung eines Abschnitts der Abhandlung über das Erhabene. Der Text in den Horen ist von dem spätern nur wenig verschieden.

1. Zweierlei Genien sind's, die durch das Leben dich leiten,
Wohl dir, wenn sie vereint helfend zur Seite dir gehn!
Mit erheiterndem Spiel verkürzt dir der Eine die Reise,

Leichter an seinem Arm werden dir Schicksal und Pflicht.
5. Unter Scherz und Gespräch begleitet er bis an die Kluft dich,
Wo an der Ewigkeit Meer schaudernd der Sterbliche steht.
Hier empfängt dich entschlossen und ernst und schweigend der
Andre,

Trägt mit gigantischem Arın über die Tiefe dich hin.
Nimmer widme dich Einem allein! Bertraue dem Ersten

10. Deine Würde nicht an, nimmer dem Andern dein Glück!

Die leßte Hälfte des ersten Verses lautet in der Sammlung wohlflingender:

die dich durch's Leben geleiten.

Statt gehn" in Vers 2 heißt es in der Sammlung „stehn“, und statt „Ersten“ in Vers 9 „Erstern". Alles Uebrige ist gleichlantend. Mit dem Ganzen vergleiche man folgende Stelle aus dem Aufsaß über das Erhabene, die fast zu übereinstimmend auch im

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