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aus den spätern Ausgaben weggelassen. Mit der nun folgenden Schilderung einer Seele, worin der Instinkt noch der Vernunft gehorcht (V. 51—62), vergleiche man die Schilderung einer schönen Seele in dem Aufsaße über Anmuth und Würde, und die Charakteristik des Genius in der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichtung. Die Wissenschaft kann ein solches Gemüth nichts lehren, weil ihre Aufgabe ja nur ist, den Zugang zu dem entschwundenen reinen Quell des göttlichen Gesezes zu öffnen, dessen Strom in einem solchen Herzen noch offen und hell daherfließt. „Des Gesetzes strenge Fessel“ (Ideal und Leben) gilt nicht einem solchen Herzen; „denn ohne Scheu darf es dem Affekt die Leitung des Willens überlassen“ (Ueber Anmuth und Würde), „seine Ge= fühle find Geseze für alle Zeiten und Geschlechter“ (Ueber naive und sentimentale Dichtung). V. 55 lautet jezt:

-

Und an alle Geschlechter ergeht ein göttliches Machtwort. Das metrisch falsch gebrauchte Polyklet machte eine Aenderung nöthig. V. 58. „Du nur merkst nicht u. s. w." Denselben Gedanken spricht Schiller in Anmuth und Würde so aus: „Die schöne Seele weiß niemals um die Schönheit ihres Handelns, und es fällt ihr nicht mehr ein, daß man anders handeln und empfinden könnte; dagegen ein schulgerechter Zögling der Sittenregel, so wie das Wort des Meisters ihn fordert, jeden Augenblick bereit sein wird, vom Verhältniß seiner Handlungen zum Gesez die strengste Rechnung abzulegen." - Zum Schlußdistichon, welches vom Dichter später gestrichen wurde, vergleiche den bekannten Vers:

und was kein Verstand der Verständigen sieht,
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth.

Schließlich noch Körner's Urtheil über unser Gedicht, das er in einem Briefe an Schiller vom 2. September 1795 ausgesprochen: „Mein Liebling (unter den ihm zugesandten Gedichten) ist Natur und Schule. Gedanke, Vortrag, Anordnung Ales

gibt mir den höchsten Grad von Befriedigung. Der Versbau hat eine Pracht und einen Wohlklang, dergleichen ich noch nie in einer Elegie gefunden habe. Nur selten ist Goethe etwas Aehnliches ge= lungen.“ Schiller artwortete den 8. September: „Der Vorzug, den Du unter den gesandten (Gedichten) Natur und Schule gibst, stimmt ganz mit meinem eigenen Urtheile überein.“

Die Ideale.
1795.

Einen eigenthümlichen, etwas fremdartigen Eindruck machen zwischen den um diese Zeit entstandenen Gedichten die Ideale, die um die Mitte Augusts 1795 oder gleich nachher gedichtet zu sein scheinen. Schiller sandte diese Produktion nebst einigen andern Gedichten am 21. August an Humboldt, indem er bemerkte, er habe seit seinem legten Briefe einige fruchtbare Stimmungen erlebt, wovon die beiliegenden Gedichte die Früchte seien. Das Stück ist uns als ein sehr charakteristischer Repräsentant der besondern Gattung der Schiller'schen Gedichte, welcher Hoffmeister den Namen gemischte oder mittlere Klasse beigelegt hat, besonders merkwürdig. Wir werden hierüber weiter sprechen, nachdem wir das Einzelne näher betrachtet haben. Nach dem Musen-Almanach für das Jahr 1796, worin das Stück zuerst erschien, lautet der Text:

1. So willst du treulos von mir scheiden

Mit deinen holden Phantasien,

Mit deinen Schmerzen, deinen Freuden,
Mit allen unerbittlich fliehn?

Kann nichts dich, Flichende, verweilen,
O meines Lebens gold'ne Zeit?
Bergebens deine Wellen eilen
Hinab in's Meer der Ewigkeit.

2. Erloschen sind die heitern Sonnen,
Die meiner Jugend Pfad erhellt,
Die Ideale sind zerronnen,

Die einst das trunkne Herz geschwelt;
Die schöne Frucht, die kaum zu keimen
Begann, da liegt sie schon erstarrt;
Mich weckt aus meinen frohen Träumen
Mit rauhem Arm die Gegenwart.

3. Die Wirklichkeit mit ihren Schranken
Umlagert den gebundnen Geist;

Sie stürzt, die Schöpfung der Gedanken,
Der Dichtung schöner Flor zerreißt.
Er ist dahin, der süße Glaube
An Wesen, die mein Traum gebar,
Der feindlichen Vernunft zum Raube,
Was einst so schön, so göttlich war.

-

„Der_rauhen Wirk

Die Ideale, deren

In Str. 3 V. 7 schrieb der Dichter später: lichkeit" st. „Der feindlichen Vernunft". Flucht in diesem Gedichte beklagt wird, sind nicht mit dem Ideal zu verwechseln, welches der Dichter in Ideal und Leben der Sinnenwelt gegenüberstellt. Unter jenen versteht er die gefühl- und phantafievolle Ansicht der Natur und des Lebens, den glühenden poetischen Drang der Seele, die kühnen Entwürfe und Hoffnungen, wie sie nur der feurigen Jugendzeit eigen find, während in dem zweiten Gedichte „der Schönheit stille Schattenlande, die Freiheit der Gedanken, die heitern Regionen, wo die reinen Formen wohnen,“ einen Gegensaß zu der Erscheinungswelt, zum wirklichen Leben, des Todes Reichen, der Sinne Schranken" bilden. In der Sammlung der Gedichte ließ Schiller die zweite Hälfte der zweiten Strophe und die erste Hälfte der dritten weg und bildete aus dem Rest der beiden Strophen die neue zweite Strophe. Es ist leicht einzusehen, was den Dichter zu dieser Abkürzung bewog. Er fand ohne Zweifel, daß ohnehin schon die bildlichen Ausdrücke für den Gedanken „Die Ideale sind zerronnen“ so sehr gehäuft und so

mannichfaltiger Art waren, daß die Phantasie, indem sie von einem Bilde zum andern fortgerissen wurde, cher verwirrt, als angenehm beschäftigt werden mußte.

4. Wie einst mit flehendem Verlangen
Pygmalion den Stein umschloß,
Bis in des Marmors kalte Wangen
Empfindung glühend sich ergoß,
So schlangen meiner Liebe Knoten
Sich um die Säule der Natur,
Bis durch das starre Herz der Todten
Der Strahl des Lebens zuckend fuhr,

5. Bis, warm von sympathet’schem Triebe,
Sie freundlich mit dem Freund empfand,
Mir wiedergab den Kuß der Liebe
Und meines Herzens Klang verstand;
Da lebte mir der Baum, die Rose,
Mir sang der Quellen Silberfall,
Es fühlte selbst das Seelenlose

Bon meines Lebens Wiederhall.

Die Mythe von Pygmalion, einem Könige in Cypern, der eine schöne Frauenstatue aus Elfenbein bildete, die auf seine Bitte von den Göttern belebt und dann seine Gattin wurde, hat A. W. Schlegel in einem eigenen Gedichte dargestellt (vergl. Ovid's Meta= morph. X, 248 u. ff.). Die vier leßten Verse der Strophe 4 veränderte Schiller in der zweiten Ausgabe in folgende:

So schlang ich mich mit Liebesarmen

um die Natur, mit Jugendlust,
Bis sie zu athmen, zu erwarmen
Begann an meiner Dichterbrust.

Eine Aenderung der frühern Verse war freilich wünschenswerth. „Der Liebe Knoten“ ist im Deutschen kein so gefälliger Ausdruck, ais etwa im Französischen les noeuds de l'amour. „Säule“ brauchte der Dichter im Sinne von Bildsäule, mit Beziehung

auf die Statue des Pygmalion; allein der Sprachgebrauch hat das Wort in dieser Bedeutung nicht sanktionirt. Am Ende der Strophe 4 findet ein sogenanntes Enjambement - statt, der Saß schließt nicht mit der Strophe. In Strophe 5 heißen in der

neuern Ausgabe die beiden ersten Verse:

Vers 4.

"

und theilend meine Flammentriebe

Die Stumme eine Sprache fand

Und meines Herzens Klang verstand" ist etwas müßig nach dem Vorhergehenden, wodurch bereits die äußern Zeichen der Erwiderung seiner Gefühle angedeutet sind. Ist das Seelenlose“ in Vers 7 identisch mit Baum, Rose, Quelle, die in den vorigen Versen erwähnt sind? Dann sind die Verse 7 und 8 müßig. Meint der Dichter aber damit die unorganische Welt, Stein und Felsen, dann ist erstens der Ausdruck nicht richtig gewählt, und zweitens wären statt eines Abstraktums, wie Gözinger richtig bemerkt, mehrere konkrete Begriffe zu wünschen gewesen, die dem Bäum, der Rose gegenüber gestanden hätten. Der Sinn der beiden Verse ist übrigens: Das Seelenlose wurde beseelt durch den Wiederhall meines Lebens; es erschien mir beseelt, indem es meine Empfindungen wiederhallte, indem ich meine Gefühle darauf übertrug. Vergl. in Schlegel's Pygmalion die Strophe:

Seine Seele, die Erwidrung heischet,
Leihet der Geliebten, was sie fühlt,
Gern vom eignen Widerschein getäuschet,
Der um jene Jugendfülle spielt.

Mit des Steines nachgeahmtem Leben

Strebt er sich so innig zu verweben,

Daß sein Herz, von Lieb und Lust bewegt,
Wie in beider Busen schlägt.

In den Versen, die Schiller früher einer jungen Freundin ins Stammbuch schrieb (s. Thl. I, S. 365 f.) spricht fich dieselbe Jdke aus, so wie es auch in den Künstlern heißt, daß der Mensch den

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