Geschichte des Breviers. Versuch einer quellenmäßigen Darstellung der Entwicklung des altkirchlichen und des römischen Officiums bis auf unsere Tage von P. Suitbert Bäumer, Mit dem Bildniß des sel. Versahers in Lichtdræk und einem kurzen Lebensabriß. Mit Approbation des hochw. Herrn Erzbischofs von Freiburg Freiburg im Breisgau. 1895. Zweigniederlassungen in Straßburg, München und St. Louis, Mo. Das Recht der Ueberseßung in fremde Sprachen wird vorbehalten. Buchdruckerei der Herder'schen Verlagshandlung in Freiburg. Vorrede. Vor nicht langer Zeit ist von beachtenswerther Seite der Wunsch ausgesprochen worden, es möchte jemand eine „Geschichte des Gebetes" der civilisirten Völker schreiben; dies sei eine der höchsten, edelsten und lohnendsten Aufgaben für den Historiker. Zu so hohem Fluge fühlte der Verfasser der hiermit der Oeffentlichkeit übergebenen Arbeit seine Schwingen nicht gewachsen. Er bescheidet sich mit dem Versuch, die Geschichte des katholischen Breviergebetes quellenmäßig darzulegen. Da die katholische Kirche die größte und vollkommenste Gesellschaft auf Erden ist, so dürfte die Geschichte ihres officiellen Gebetes ein nicht unerheblicher Beitrag zur Lösung obiger Aufgabe sein. Die einzige größere Arbeit über Breviergeschichte aus neuerer Zeit ist Abbé Batiffols „Histoire du Bréviaire Romain". Sie hat das Verdienst, zum erstenmal auf Grund der neuern Forschungen eine eingehendere Darstellung der Entwicklungsgeschichte des Breviers zu geben, und enthält manche neue Materialien und Gesichtspunkte. Doch glaube ich mit dem Resultat meiner Forschungen um so weniger zurückhalten zu sollen, als eine mehrseitige Behandlung dieses schwierigen und umfangreichen Stoffes nur von Vortheil sein kann, und ich in manchen, zum Theil grundlegenden Anschauungen von Herrn Batiffol abweiche; ich glaubte deswegen auch meinen Standpunkt im Werke eingehender begründen zu sollen. Einen Fehler, der sich bisher vielfach in den Darstellungen aus der Geschichte der Liturgie bemerkbar machte, glaube ich möglichst vermieden zu haben, nämlich den, von localen Gebräuchen und particulären Einrichtungen auf die Praxis der Gesamtkirche zu schließen. Nur wenn die Prämissen und eine unbefangene Erwägung der geschichtlichen Thatsachen dazu zu berechtigen M56290 oder gar zu nöthigen schienen, wurde ein solcher Schluß gezogen. Im übrigen ist es bei einem Werk wie dem vorliegenden unausbleiblich, daß sich Unrichtigkeiten und Mängel einschleichen: Uebersehen einzelner Quellen und Bearbeitungen des Stoffes, ungenügende oder zu ausgedehnte Verwerthung mancher Handschriften oder kirchlicher Verordnungen u. a. m. Um so mehr ist dies der Fall, wenn ungünstige äußere Verhältnisse störend in den Gang der Arbeit eingreifen und dieselbe nicht zu voller Ausreifung gelangen lassen. Dennoch hoffe ich, daß mit diesem Buche, welches lange Jahre hindurch Gegenstand meiner Forschungen und Arbeiten war, die Hauptlinien einer Geschichte des römischen Officiums den historischen Thatsachen entsprechend festgelegt sind. Als Vorarbeiten ließ ich seit Mitte der 80er Jahre in verschiedenen Zeitschriften eine Reihe von Artikeln erscheinen, in denen ich mehr oder weniger herkömmliche Meinungen vertrat. Manche dieser Ansichten erwiesen sich bei tieferem Studium der alten Liturgie als unhaltbar, so daß ich dieselben jezt nicht mehr aufrecht erhalten möchte. Zu den schon oben erwähnten, für die Arbeit ungünstigen Umständen gehört vor allem eine schwere Krankheit, mit der mich der liebe Gott kurz nach Vollendung des Manuscriptes heimsuchte, und die mich hinderte, die Druckleitung selbst zu besorgen. Dieser nicht gerade leichten und kurzweiligen Arbeit unterzogen sich mit großer Liebe und Bereitwilligkeit die Herren Professor Dr. C. Krieg in Freiburg, mein Mitbruder P. Benedikt Radziwill und vor allem Herr Edmund Bishop in London, denen ich hierdurch auch öffentlich den gebührenden Dank abstatten möchte. Besondern Dank schulde ich letzterem dafür, daß er schon bei der Abfassung des Werkes mich mündlich und brieflich mit seinem Nath und seinem auf genauer Kenntniß des einschlägigen Quellenmaterials beruhenden Urtheil förderte und unterstüßte. Sein Verdienst ist es vorzugsweise, daß in dieser Arbeit die Geschichte der Liturgie immer im Lichte der Zeitgeschichte erscheint, und daß der Einfluß der großen staatlichen und kirchlichen Bewegungen auf die Liturgie, mehr als es sonst der Fall zu sein pflegt, in Rechnung gezogen wurde. Nicht oft genug kann der innige Zusammenhang und die wechselseitige Einwirkung betont werden, die besonders im Mittelalter nicht nur zwischen Liturgie und kirchlichem Leben, sondern auch zwischen Liturgie und politischer Geschichte be= standen. Die socialen Bewegungen und Zustände des Mittelalters wenigstens |